betr. Interview mit Dieter Lenzen
Es ist jedes Mal wie ein Schlag ins Gesicht! Wenn Interview-Partner uns nach der Autorisierung ein Interview zurückschicken, aus dem sie mehrere Antworten komplett ausradiert haben. So als hätten wir die betreffenden Fragen nicht gestellt, als hätte es ihre Äußerungen an der Stelle nie gegeben.
Alle Jahre wieder machen wir diese Erfahrung und wir haben leider noch nicht die richtige Methode gefunden, mit der sich solch unschöne Zensurmaßnahmen vermeiden ließen.
Das Fass zum Überlaufen brachte nun Dieter Lenzen, Präsident der Uni Hamburg, der aus einem Interview, das unsere Autorin Yvonne Stock mit ihm führte, vier Fragen komplett herausgestrichen hat. Im Interview ging es um sein aktuelles Buch „Bildung statt Bologna“, konkret ging Yvonne Stock dabei auch auf Lenzens Bemerkung „Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, möchte ich an dieser Stelle ankündigen, dass ich im Folgenden heftig plagiieren werde …“ (S. 46) ein und befragte ihn zur Plagiatsdebatte. (Hintergrund für den interessierten Leser: Lenzen spielte eine Rolle bei einer Honorarprofessur für Annette Schavan, vgl. http://causaschavan.wordpress.com/tag/dieter-lenzen , aber das nur am Rande)
Lenzen gab mehrere Antworten, ohne jeglichen Hinweis, dass diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Bei der Autorisierung setzte er dann den Rotstift an, mit dem Ergebnis: Kein Wort von ihm zur Plagiatsdebatte dürfen wir veröffentlichen. (Link: Offener Brief an Dieter Lenzen)
Dass wir Antworten, die nicht freigegeben wurden, nicht veröffentlichen, haben wir schon vor einigen Jahren hier festgehalten. Uns blieb nur die Variante, dass wir wenigstens die von uns gestellten Fragen komplett veröffentlichen – zumindest dachten wir bisher, so vorgehen zu können. Schließlich haben das einst große Medien wie die taz so vorgemacht. Doch es sieht ganz danach aus, dass wir auch diese Option nicht haben.
Nachdem wir gegenüber Lenzen ankündigten, zumindest unsere Fragen vollständig zu publizieren, drohte man uns, das Interview komplett zurückzuziehen. Zwecks Klärung des Sachverhalts haben wir dann Michael Haller um Rat gebeten, einst Professor der Journalismus-Fakultät in Leipzig und Autor des Standardwerks „Das Interview“. Wir haben ihm fünf Fragen zum Thema Autorisierung gestellt, siehe Interview mit Michael Haller.
Die wichtigste Passage sei auch an dieser Stelle zitiert:
Kann der Interview-Partner verbieten, dass der Journalist zumindest jene Fragen, zu denen die Antworten gestrichen wurden, veröffentlicht?
Michael Haller: Theoretisch ja, sofern vereinbart worden ist, dass (nur) die autorisierte Textfassung publiziert wird. Und wenn die Autorisierung zugesagt wurde, ist dies konkludent. Mit anderen Worten: Das Hineinschreiben der unbeantworteten Fragen ist im Sinne des gemeinsamen Urheberrechts ebenfalls ein Eingriff in das Werk.
Dem folgend, haben wir jetzt vom Interview mit Dieter Lenzen nur die autorisierte Fassung veröffentlicht, d.h. auch nur jene Fragen, deren dazugehörige Antworten Lenzen freigegeben hat.
Wir hoffen sehr, dass Michael Hallers Erläuterungen von zukünftigen Interview-Partnern nicht als eine Art Freifahrtsschein für mögliche Zensurmaßnahmen begriffen werden. Ausschließen können wir das aber leider auch nicht.
Die Konsequenz für uns wird sein, in Zukunft vor Interviews noch genauer mit dem Interview-Partner zu klären, unter welchen Bedingungen das Gespräch und eine Veröffentlichung stattfindet. Bereits jetzt bitten wir die Interview-Partner zu Beginn, nur Dinge zu sagen, die sie auch sagen wollen. Das klingt natürlich lächerlich, weil man annehmen sollte, dass dies für jeden Menschen bei klarem Verstand eine Selbstverständlichkeit ist. Doch da hat uns Dieter Lenzen leider eines Besseren (bzw. Schlechteren) belehrt.
Das Schöne an einem Autorisierungsprozess ist ja zweierlei:
Einerseits eröffnet er nicht nur dem Interviewten, sondern auch dem Interviewer Spielraum bei der Verschriftlichung des Gespräches – was den im Idealfall besser macht.
Andererseits weiß der Interviewer nach der Autorisierung oft genauer als nach dem Gespräch selbst, wo die wunden Punkten des Interviewten liegen. So auch im Fall Lenzen.
Ach ja, ich erinnere mich noch an meine Studienzeit mit den frisch eingeführten Exzellenzen.
Ich möchte die Interviewten, die „zensieren“, etwas in Schutz nehmen.
Ich habe 40 Jahre Erfahrung mit diesen Dingen, allerdings im Popmusikbereich. Was da an Unsinn (der Journalisten über die Interviewten) in manchen Blättern steht, geht auf keine Kuhhaut. Selbst oft erlebt (wir lassen die Schreiber machen, ohne Zensur)
Max Goldt hat das mal in einem Beitrag ausführlich und zu Recht empört beschrieben, wie da im Berliner „tip“ eine Journalistin mit David Bowie umging. Hätte dieses veröffentlichte „Interview“ Bowies Management vorher gesehen, das Blatt hätte WEDER DIESES noch JE WIEDER ein Interview mit einem englischen Popstar bekommen.
Will sagen: Manchmal sind auch die unbedarften oder kecken bis unverschämten Journalisten schuld. Der Interviewte ist nicht immer und jedesmal der pöse Bube.
Ich denke, ihr seid da ein wenig zu feige.
Ich hätte das Interview veröffentlicht und dann nach „Danke und Gruß“ darunter geschrieben.
Gerne hätten wir von Herrn L. noch gewußt, ob er..(Thema1). und wie er zu dem Satz .(Thema2).. steht sowie einige Dinge von ihm zu .(Thema3)… erfahren, leider erhielten wir dazu keine Antwort.
Im Übrigen schließe ich mich der Meinung an: Das Elend mit den Autorisierungen haben sich die Fragenden selbst eingebrockt, damit hätte man gar nicht erst beginnen dürfen. Lasst es einfach sein und verabredet nur Interviews ohne Autorisierung. Wer nicht will, der bekommt halt keine Öffentlichkeit – sein Problem, nicht Eures. Zeigt mehr Selbstbewußtsein!
Wo ist das Problem im Internet? Selbst wenn man der Ansicht von Haller folgt, gibt es Alternativen: Einmal wird die genehmigte Fassung veröffentlicht, an anderer Stelle ausschließlich die gestellten Fragen (oder die gestellten und die Beantworteten Fragen werden gegenüber gestellt – selbstverständlich ohne Antworten). Auf einer Internetseite fehlt es schließlich nicht am Platz. Und so kann sich jeder Interessierte – zugegeben mit einigem Mehraufwand – ein eigenes Bild machen, ohne dass das gemeinsame Werk angerührt werden würde. Als Alternative bietet sich ein „Aufklärungsartikel“ wie dieser hier an, in dem die nicht beantworteten Fragen allerdings explizit aufgeführt sind.
Dann schreibt die Fragen doch _unter_ das „Werk“. Das wäre dann kein Eingriff _in_ das Werk, sondern eine Kommentierung _zum_ Werk?
Mir fällt nur eine Möglichkeit ein:
Keine Autorisierung anbieten!
Wer ein Interview gibt muss damit rechnen, dass sein Wort auch gilt.
Wer unbedingt autorisieren will und nicht freigibt, dem gibt man auch kein Interview mehr. Die Medien sind doch keine Bittsteller, die alles schlucken müssen…
Leider gibt es auch genügend Medien die einem Interviewpartner das Wort im Munde rumdrehen (wie z.B. die taz http://www.taz.de/!133243/) von daher kann ich es gut verstehen wenn man auf eine Autorisierung besteht.
Dieser Autorisierungs-Unsinn sollte völlig abgeschafft werden. Wer ein Interview gibt, muss es aushalten, dass seine Antworten veröffentlicht werden. Wenn er zu schwach ist, zu derm zu stehen, was er gesagt hat, soll er eben keine Interviews geben. Das schriftliche Interview verliert jeden Wert für den Leser, wenn danach daran manipuliert wird. Kleiner Tipp: Gegen Weißflächen kann er nichts einwenden: Wenn er Fragen und Antworten streicht, einfach Weißflächen in exakt des Ausmaßes der Streichung erscheinen lassen.
Das sind ja gutsherrenähnliche Manieren, die da Herr Lenzen an den Tag legt. Ich halte es daher für falsch, ein derart zensiertes Interview überhaupt zu veröffentlichen. Dieser Beitrag hier wäre die einzig richtige Reaktion gewesen. Bedauerlich, dass ein solcher Mann von Steuergeldern finanziert auf einem hochdotierten Posten sitzend, ausgerechnet Verantwortung für Bildung trägt. Jeder seiner „Forderungen“ sind im Lichte seines Verhaltens nur noch lächerlich.
Man kann aber problemlos in einem separaten Kommentar zum Interview die Fragen erwähnen. Wenn einem selbst das noch zu gewagt vorkommt, umschreibt man sie einfach.
Übrigens: verdammt peinliches Verhalten für einen Uni-Präsidenten!
Ich fürchte, dass ein solch peinliches Verhalten immanent für den Betrieb ist, in dem sich jemand wie Lenzen bewegt. Er hat jahrelang für seine Position antichambriert und musste womöglich unzählige Kröten schlucken, Klüngel aushalten, Bande knüpfen. Jetzt darf er endlich selber Gott spielen und erwartet Untertanengeist.