Wie ich einmal versuchte, Fake-News über Tom Buhrow zu korrigieren (ohne Erfolg)

ARD - ARD LOGO 2003. Eine Eins im Kreis - das Logo und Markenzeichen der ARD. Sie erscheint in der Programmpräsentation des Ersten Deutschen Fernsehens, eignet sich aber auch als ergänzendes Element für die eingenständigen grafischen Auftritte der neun ARD-Landesrundfunkanstalten und der Deutschen Welle. © ARD - honorarfrei, Verwendung nur im Zusammenhang mit der Sendung bei Nennung "Bild: ARD" (S2). NDR Pressestelle/Fotoredaktion 040/4156-2305, Fax: -2199

Es gibt ein Märchen, das im Moment von einigen Medien verbreitet wird, und das geht so:

Tom Buhrow, WDR-Intendant und aktuell ARD-Vorsitzender, hat im Jahr 2019 4000 Euro weniger verdient als im Jahr 2016. – Klingt zu schön, um wahr zu sein, und ist auch nicht wahr.

Trotzdem wird es so aufgeschrieben, u.a. vom Tagesspiegel (inzwischen korrigiert) (siehe auch), FAZ (inzwischen korrigiert), Focus Online (inzwischen korrigiert), Stuttgarter Zeitung (inzwischen korrigiert), Kölner Stadtanzeiger (inzwischen korrigiert). Selbst der Deutsche Journalisten-Verband DJV, wo man eventuell vermuten könnte, dass das Recherche-Handwerk besonders gut beherrscht wird, hat den Fehler reproduziert. (inzwischen korrigiert). Und nicht nur das: Der DJV schlussfolgert aus dem falschen Differenzbetrag sogar, Buhrows Gehalt sei infolge der öffentlichen Debatte um die Intendanten-Gehälter gesunken.
Ergänzung 18.08. Der Satz beim DJV „sein Jahresgehalt beträgt heute 4.000 Euro weniger als 2016“ ist sogar doppelt falsch, weil das aktuelle Gehalt von Buhrow frühestens in einem Jahr öffentlich wird.

PROBLEM: Auch das Korrigier-Werkzeug wird von diesen JournalistInnen nicht beherrscht (oder nicht ernst genommen), wie ich weiter unten zeige, denn ich habe alle oben genannten Medien über den Fehler informiert, ohne Erfolg.

Doch der Reihe nach:

Die ARD veröffentlicht jedes Jahr eine Tabelle mit den Gehältern der IntendantInnen der neun Rundfunkanstalten. Sie tut das mit etwas Verzögerung, im August erscheinen die Zahlen vom Vorjahr, gerade ist die Tabelle für 2019 erschienen. Alte Tabellen werden selbstverständlich gelöscht (wäre ja noch schöner, wenn man direkt nachschauen könnte, wie hoch die Steigerungen ausfallen).

In der Tabelle steht jetzt für 2019:
„Jahresgehälter 2019 der Intendantinnen und Intendanten (Grundvergütung)

Diese „Grundvergütung“ enthält im Fall von Tom Buhrow keine „Sachbezüge“, konkret den „geldwerten Vorteil für den Dienstwagen“. Auch in den Vorjahren 2018 und 2017 hat die ARD Buhrows Grundvergütung in die Tabelle geschrieben, NICHT aber in der Tabelle von 2016:

ard-gehaltsstrukturen2016
Hier hatte man noch Buhrows Gehalt inklusive Sachbezüge angegeben. Das waren damals 399.500€, wie es auch aus dem WDR-Geschäftsbericht 2016 (PDF) hervorgeht (S.176), eine Zahl, die dann von vielen Medien aufgegriffen wurde. Seine Grundvergütung dagegen lag 2016 bei 371.700 €.

buhrow_bezuege_2016
2017 dann hatte Buhrow ein Gesamtgehalt (inkl. Sachbezüge) von 407.100 € (WDR-Geschäftsbericht 2017, S.178). Das tauchte aber in der ARD-Tabelle nicht mehr auf, denn ab hier wurde in der Tabelle nur noch die Grundvergütung von Buhrow veröffentlicht, im Jahr 2017 waren das 379.200. Diese Grundvergütung stieg nun bis 2019 auf 395.000 €. Wie hoch dagegen Buhrows Gesamtbezüge in 2019 waren, ist nicht bekannt, da der WDR seinen Geschäftsbericht 2019 noch nicht veröffentlicht hat.

Buhrows Gehalt ist also nicht um 4000 € gesunken, sondern seine Grundvergütung ist von 2016 bis 2019 um 23.300 € gestiegen.

Das zu recherchieren ist nicht ganz einfach (epd/Medien hätte ich es aber zugetraut), denn seitens ARD hat man es da nicht nur mit gelöschten Tabellen zu tun, sondern auch mit sehr unterschiedlich verfassten Geschäftsberichten der einzelnen Sender.

Als mir nun am Freitag 14.08. der Fehler auffiel, habe ich deswegen angefangen, die Medien einzeln zu informieren:

– Anruf bei epd/Medien, die das Märchen dem Tagesspiegel und der Stuttgarter Zeitung verkauft haben. Die Redakteurin ist im Home Office, eine Nummer könne man mir nicht geben. Ich schreibe ihr eine Mail, schicke die ARD-Tabelle 2016 dazu, erkläre den Fehler – und erhalte als Antwort die Frage, ob ich dazu eine Anfrage an die ARD gestellt hätte. Nein, ich habe ja auch keinen Artikel dazu veröffentlicht und die Sachlage ist eindeutig. Es passiert: Nichts. (Ergänzung 20.08.: epd/Medien hat nach meinem Hinweis eine Anfrage an die ARD gesendet und später eine Korrektur-Agenturmeldung verschickt. An den Artikeln in Stuttgarter Zeitung und Tagesspiegel änderte dies jedoch nichts, dort sind die falschen Zahlen nach wie vor online.)

– Email an den Medien-Redakteur der FAZ, keine Reaktion, keine Korrektur.

Weiter geht’s am Montag 17.08.:

– Anruf beim Tagesspiegel: Der eigentliche Redakteur sei nicht in der Redaktion, ich bekomme die Handy-Nummer von einem anderen Redakteur. Der sagt mir am Telefon, den Artikel habe ein Kollege online gestellt, er selbst habe gerade alle Hände voll zu tun, könne sich erst später um die Sache kümmern, ich schicke ihm eine Mail, in der ich den Fehler erkläre.

– Twitter-Nachricht an einen weiteren Tagesspiegel-Redakteur, nach ein paar Stunden kommt die Antwort: „Schaue ich mir an, danke für den Hinweis“. Es passiert: Nichts.

– Anruf beim DJV: Der Pressesprecher und Artikelautor ist nicht zu sprechen, ich schildere der Sekretärin detailliert den Fehler und bitte um Rückruf. Es passiert: Nichts.

– Anruf bei Focus Online: Den betreffenden Redakteur könne ich nicht sprechen, man verspricht, die Sache zu prüfen. Ich biete an, eine Mail zu schicken, die den Fehler erklärt. Die Dame am Telefon lehnt das ab. Eine Korrektur findet nicht statt.

– Email an diverse Redaktionsadressen des Kölner Stadtanzeiger. Es passiert: Nichts.

– Anruf bei der FAZ, Sekretariat: Den Redakteur könne ich nicht sprechen, aber ich solle noch mal eine Mail ans Sekretariat schicken. Mache ich doch glatt. Muss ich noch erwähnen, dass nichts passiert ist?

Das Märchen vom gesunkenen Gehalt steht nun schon seit dem 14.08. online, bei einigen Medien seit dem 12.08. Und man kann zuschauen, wie es weiter verbreitet wird, etwa vom Forum GEZ-Boykott, von quotenmeter.de (inzwischen korrigiert), RT Deutsch, einem Bundestagsabgeordneten usw.

Dies nur mal als kleiner Einblick, wie schwierig es ist, eine falsche Nachricht wieder aus dem Netz zu bekommen. Es scheitert hier nicht nur an der zum Teil undurchsichtigen Aufbereitung von Daten durch die ARD, sondern auch an überlasteten RedakteurInnen, die man als normaler Bürger nie ans Telefon bekommt, sowie am fehlenden Willen, sich mit einer einmal publizierten Geschichte nochmal auseinander zu setzen.

Nach dieser Erfahrung muss ich sagen, ist mein Verständnis für z.B. Promis, die sich zum Bekämpfen von Falsch-Nachrichten über ihre Person erfahrene Anwälte holen, um Einiges gewachsen. Anders scheint so etwas ja kaum mehr zu funktionieren.

Update: Dienstag 18.08. 9:30 Uhr: Die FAZ hat den Fehler transparent korrigiert.
Update: Dienstag 18.08. 15:30 Uhr: Der Kölner Stadtanzeiger hat den Fehler transparent korrigiert.
Update: Dienstag 18.08. 20:15 Uhr: Die Agentur epd/Medien hat reagiert, Tagesspiegel und Stuttgarter Zeitung aber nach wie vor ohne Korrektur.

Update Mittwoch 19.08. 12:00 Uhr:
– Focus Online hat, nach nochmaligem Hinweis per Telefon und Twitter, den Artikel transparent korrigiert.
– Quotenmeter.de hat seinen Artikel nach einem Hinweis per Mail transparent korrigiert.
– Der Pressesprecher des DJV hat, nach nochmaligem Hinweis per Telefon, seinen Artikel transparent korrigiert.
Update Samstag 22.08. 11:00 Uhr: Der Tagesspiegel hat, nach nochmaligem schriftlichen Hinweis, einen von zwei Artikeln transparent korrigiert.
Update Montag 24.08. 9:00 Uhr: Welt.de hatte den Fehler auch verbreitet, ihn aber nach einem Hinweis per Mail sehr schnell transparent korrigiert.
Update Dienstag 25.08. 11:30 Uhr: Die Stuttgarter Zeitung hat den Fehler transparent korrigiert.

10 Kommentare zu “Wie ich einmal versuchte, Fake-News über Tom Buhrow zu korrigieren (ohne Erfolg)”

  1. M.S. |

    Herr Buhre, wenn Sie wollen, dass Journalistenkollegen mit Ihnen sprechen arbeiten Sie doch selber mal in einer Redaktion als für einen Internetblog.

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  2. M.S. |

    „– Email an den Medien-Redakteur der FAZ, keine Reaktion, keine Korrektur.“

    Hahaha. Vielleicht mag er Sie nicht.

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  3. M.S. |

    „Klingt zu schön, um wahr zu sein, und ist auch nicht wahr.“

    Allein dieser Satz.
    Herr Buhre, nur wil Sie selber kein Geld verdienen, missgönnen Sie es doch nicht anderen, die weitaus mehr Verantwortung tragen als Sie hier bei Ihrem Geschreibsel in diesem albernen Internetblog.

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  4. M.S. |

    Ist die eigentliche Frage nicht, welche Agenda der „Journalist“ Jakob Buhre verfolgt?

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  5. Zwangsbefreiter |

    Auf gez-boykott hat man nun auch reagiert und den Fehler eingestanden.

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  6. DirkNB |

    Meine Beobachtungen im Bereich des Journalismus legen nahe, dass das Gefühl der Unfehlbarkeit bei (Print-)Journalisten relativ weit verbreitet ist. Insofern wundert mich das oben beschriebene nur ein wenig.

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  7. lupe |

    1. Es wird abgeschrieben, was das Zeug hält, Fehler inkl.
    2. Nicht scheuen Qualitätsjournalisten mehr, als etwas zu berichtigen.

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  8. schmidt123 |

    Falsches Vorgehen. Es hätte völlig genügt, nur mit einem Medium zu sprechen und dort intensiv darauf zu drängen, den Fehler zu korrigieren. Ein, zwei Tage später ziehen die anderen Abschreiber (Qualitätsmedien) nach.

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    1. schmidt456 |

      Nein, da zieht niemand nach. Da würde zwar vielleicht „neu“ abgeschrieben, die falschen alten Angaben blieben aber (sehr wahrscheinlich) unkorrigiert …

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    2. con2epa |

      Bitte Sarkasmus demnächst kennzeichnen.

      Abschreiben würden die anderen Artikelschreiber nur, wenn dieses eine Medium die Korrektur als eigenen Artikel bringen würde. Aber die selbsternannten Journalisten halten sich alle für unfehlbar, also wird das auch nicht passieren.

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