Christiane Paul

Nicht so sehr über den Atlantik gucken

Schauspielerin Christiane Paul über neuen Film "Freunde", wahre Freundschaften und die Situation des deutschen Films

Christiane Paul

© Maika Gregori

Christiane, dein Film "Freunde" spielt in Berlin in Kreuzberg auf dem Kiez. Du lebst in Berlin, trifft man dich auch in Kreuzberg?
Paul: Ja, allerdings ist der Stadtteil von mir ein bisschen weit entfernt und ich bin nicht zwangsläufig da, ich wohne im Norden Berlins. Aber wenn ich dann mal in Kreuzberg bin, dann immer wieder gerne. Ich war auch in der Zeit vor dem Dreh häufiger da, habe mich viel alleine rumgetrieben und die besondere Atmosphäre von Kreuzberg genossen…

…und auch die Cafes.
Paul: Ja, ich finde es dort viel angenehmer als hier in Mitte, weil Kreuzberg sich eben nicht diesem Hype unterordnen muss und diesem wahnsinnigen Tourismusrausch, der jetzt gerade Berlin heimsucht in Mitte, am Potsdamer Platz, oder Oranienburger Strasse. Da hat Kreuzberg doch noch seine Ursprünglichkeit bewahrt, seine Szene, seinen Kiez und deshalb bin ich da nach wie vor gerne.

Und wo wir hier sitzen – wird sich das hier am Potsdamer Platz noch entwickeln?
Paul: Ich bin erstaunt wie viel Leute hier sind – selbst ich als Berliner weiß manchmal kaum wie ich hierher komme und verfahre mich hier jedes Mal mit dem Auto. Ich habe heute direkt vor dieser Bar einen Parkplatz bekommen, das grenzt an ein Wunder. Es ist erstaunlich, wie das Leben hier floriert, da bin ich echt überrascht. Es ist voll und die Leute nehmen den Potsdamer Platz total an.

Wie wichtig ist es für "Freunde", dass der Film in Berlin spielt?
Paul: Es ist zum einen wichtig, weil Berlin eine Großstadt ist und die typischen Charaktereigenschaften einer Großstadt hat, rau, aggressiv und mit einem wahnsinnig hohen sozialen Gefälle, für mich gibt es keine vergleichbare Stadt in Deutschland. "Freunde" ist ein Großstadtfilm. Er ist angewiesen auf die Atmosphäre einer Großstadt, auf die Einsamkeit der Leute, auf die Kälte so einer Stadt. Es muss nicht unbedingt Berlin sein, aber eine Großstadt, die diese Leute in Atmosphären und Stimmungen zwingt, die nur eine Großstadt geben kann. "Freunde" filmt auch nicht typische Berlin-Motive ab, sondern die Figuren existieren hier in ihrem kleinen Mikrokosmos und gehen ihre eigenen Wege in der Verlorenheit dieser Stadt. Um so eine Einsamkeit zu haben, um unter so vielen Leuten so alleine zu sein, dafür ist eine Großstadt eben notwendig.

Hast du heute selbst noch Freunde aus Schulzeiten?
Paul: Eher weniger, aus Schulzeiten habe ich noch zwei gute Freundinnen, mit der einen gehe ich ab und zu Abend essen oder ins Kino und die andere sehe eigentlich nur an Weihnachten. Man macht viele verschiedene Sachen, ist viel unterwegs aber mir liegt sehr viel daran solche Kontakte aufrecht zu erhalten. Das ist so ein Kleinod und wenn man da nicht reininvestiert kann einem eine Freundschaft in so einer schnelllebigen Zeit einfach verloren gehen. Viele Freundschaften überleben sich auch einfach, man entwickelt sich in verschiedene Richtungen, und irgendwann versteht man sich nicht mehr. Das ist wie in einer Beziehung, das passiert eben und du kannst es manchmal einfach nicht aufhalten.

Glaubst du, dass eine Freundschaft schnell auf dem Spiel stehen kann? Stichwort Verrat, im Film ein wichtiges Moment.
Paul: Ich denke, dass ist oft ein schmaler Grad. Es gibt sicherlich immer Grenzen in einer Freundschaft, die man nicht überschreiten darf, wo es wichtig ist, dass man sich gegenüber dem anderen den Respekt erhält und ihm mit Liebe begegnet. Es gibt auch Situationen in einer Freundschaft, wo Macht eine ganz besondere Rolle spielt, wie in einer Liebesbeziehung. Wenn der Partner anfängt eine Macht auszuüben oder sich mit dieser Freundschaft denkt dass er eine gewisse Macht über den anderen hat, dann ist die Freundschaft meist schnell beendet. Man versucht mit dem Vertauen, was einem der andere gibt, zu arbeiten – das ist für mich eine Grenze und viele Freundschaften scheitern an ihr.

Du spielst in "Freunde" die Rolle der Caro, zwischen dem Polizisten und dem Dealer. Wer von beiden ist für Caro der bessere Freund?
Paul: Caro weiß das nicht und kann sich nicht entscheiden. Nils und Tayfun haben beide Charaktereigenschaften, die sie bei beiden liebt. Aber beide machen dies wiederum auf ihre Weise unmöglich. Tayfun sicherlich mit seinem kriminellen Hintergrund, mit seiner Kälte und Distanz und Nils mit seinem starken Bedürfnis nach Nähe und seinem Festhalten – das sind beides Sachen, denen Caro auch entfliehen möchte und denen sie sich nicht aussetzen möchte.

Im Film taucht öfters das Motiv des Spiels auf, es wird gemeinsam Basketball gespielt. Ist das für die Beteiligten die Flucht in die Kindheit?
Paul: Klar, das ist eine Sache, die früher alle verbunden hat, das sind Erinnerung an alte Zeiten. Da spielt auch Sentimentalität eine Rolle. Im Spiel gelten andere Gesetze und man kann die Ebene, die sonst existiert einfach ausschalten, und alle kommen dabei auf einen gemeinsamen Nenner.

"Freunde" als Kinderspiel unter Freunden?
Paul: Nein, dazu ist es glaub‘ ich zu hart, dazu sind die Sachen, die auf dem Spiel stehen viel zu wichtig, es geht ja irgendwann um Leben und Tod.

Ist die Gewalt, die gezeigt wird, deiner Meinung nach immer notwendig?
Paul: Die Schlägerei-Szene zwischen Nils und Tayfun finde ich schon notwendig, darin baut sich das auf, was dann irgendwann explodiert zwischen den beiden. Auch die Überfälle auf die Bars finde ich nicht schlecht. Diese Aggressivität und das Gewaltpotenzial stehen bewusst im Gegensatz zu der Weichheit von Tayfuns jüngerem Bruder Tuncay und zu dessen Bedürfnis nach Liebe und der Weichheit, die er eigentlich hat.

Wie viel wahre Freunde hast du?
Paul: Zwei oder drei.

Was ist für dich das Wichtigste, das Markanteste an einer wahren Freundschaft?
Paul: Eine Tiefe und ein Vertrauensverhältnis, dass Du mit niemandem anderen hast, das macht eine wahre Freundschaft aus.

Im Film gibt es für dich einerseits Nils, andererseits Tayfun. Im richtigen Leben konntest du dich lange nicht entscheiden zwischen Schauspiel und Medizin. Fällt es dir generell schwer, dich zu entscheiden?
Paul: Ja, könnte sein. Das ist bei Fischen so, die können sich nie entscheiden. Ich merke das auch beim Schuhe kaufen, da fällt mir die Entscheidung immer schwer. Das ist mir wohl so angeboren, ich denke immer sehr viel über jeden Schritt nach, den ich mache.

Im letzten Jahr war der meistgesehenste Film in Deutschland "American Pie". Hast du den auch gesehen?
Paul: Nein, der hat mich überhaupt nicht interessiert. Aus dem Alter bin ich glaub ich raus. Und das hat natürlich auch etwas mit dem Niveau zu tun. Wenn es in Deutschland irgendetwas vergleichbares gibt für die Darstellung unsere Jugendprobleme, dann ist "Crazy" von Hans-Christian Schmid für mich kein wirklicher Vergleich, aber ein Film der sich diesem Thema auch nähert auf einem ganz anderen Niveau und der Jugendliche wie auch Erwachsene anspricht mit diesem Thema und so wunderbar erzählt. Wozu brauche ich da einen Film wie "American Pie"?

Wo siehst du momentan den deutschen Film?
Paul: Also, ich habe das Gefühl, dass er zum einen wieder mal ein bisschen in der Krise steckt, aber zum anderen auch kleine Juwelen hat wie "Die innere Sicherheit", "Crazy", "Die Unberührbare" oder "Absolute Giganten", das sind Edelsteine, die dann plötzlich auftauchen. Aber sonst ist es nach wie vor ziemlich dünn, finde ich. Ich denke, wir orientieren uns zu sehr am amerikanischen Ausland und finde, wir sollten uns viel mehr auf Europa konzentrieren und unsere eigene Filmsprache wiederfinden. Wenn man mal hier in Berlin im Filmmuseum war und sieht, was der deutsche Film schon alles gemacht hat, was für ein Potenzial da war, dann sollte man sich einfach besinnen und versuchen, deutsche Filme zu machen und sich nicht irgendwie von dem beeinflussen lassen, was Amerika macht.

Und was macht Amerika?
Paul: Es gab eine Zeit, da war der amerikanische Film unwahrscheinlich explosiv und gut, das waren die 60er, 70er und 80er Jahre. Das ist längst vorbei, wenn man jetzt in Amerika ins Kino geht gibt es vielleicht noch ein paar Ausnahmen, die einigermaßen spannend sind. Aber der Independent-Film ist dort so gut wie tot. Und die großen holen sich sehr viele europäische Stars nach Amerika, viele Engländer wie Kate Winslet, Kristin Scott Thomas oder Ewan McGregor. Denen geht im Moment ein bisschen die Luft aus und ich glaube, dass die Zukunft im Augenblick wirklich in Europa liegt. Das sieht man an den vielen Skandinaven, Spaniern und Franzosen, die so stark sind im Kino mit schön erzählten Geschichten, wo die Leute einfach ihren Figuren vertrauen. Ich sehe, dass das auch bei uns bereits in Ansätzen funktioniert, wie zum Beispiel bei "Die Unberührbare" oder "Crazy". Das sind zwei völlig unterschiedliche Filme, aber beide werden mit Liebe zu den Figuren erzählt. Dem sollten wir einfach vertrauen und nicht so sehr über den Atlantik gucken.

Einige Anleihen aus amerikanischen Mafiafilmen tauchen ja auch in "Freunde" auf.
Paul: Klar, dieses Genre ist natürlich stark geprägt durch den amerikanischen Film der 60er und 70er Jahre, Regisseure wie Martin Scorsese und Francis Ford Coppola. Diese Vorbilder gibt es einfach, genauso wie auch Metropolis ein Vorbild für "Das Fünfte Element" gewesen ist. Das Genre kannst Du natürlich nicht neu erfinden. Da sind immer Sachen, die du zitierst, an die du anlehnst. Scorsese ist für Martin Eigler glaube ich ein großes Vorbild. Aber trotzdem hat Martin eine sehr eigene Sprache und es ist ein deutscher Film. Das schon Tausende Geschichten mit einer Dreier-Konstellation erzählt wurden ist völlig klar. Aber trotzdem wirkt der Film durch die Authentizität der Figuren für sich und nicht wie ein Abklatsch eines amerikanischen Films. Dass jeder Vorbilder hat ist völlig klar. Das findest du ja auch bei großen Künstlern, Picasso hat sich an vorangegangenen Epochen orientiert und dann seinen eigenen Stil aufgebaut, eine Entwicklung, die völlig normal ist und die nur die Basis für alles weitere darstellt.

Das Leben ist ein Comic – welche Comic-Figur bist du?
Paul: Ich finde Tank Girl ziemlich klasse muss ich sagen. Ich glaube zwar nicht, dass ich so punkig bin wie Tank Girl, aber die gefällt mir. Tank Girl hat viel Power und kämpft für die Gerechtigkeit.

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