Herr Lukas, heute gehen Sie mit TIMM, dem ersten Fernsehsender für schwule Männer, auf Sendung. Wie nervös sind Sie?
Lukas: Alle hier sind sehr, sehr aufgeregt. Das ganze Team ackert hier die Nächte durch, von daher sind wir alle ein bisschen müde. Aber diese unglaubliche Euphorie, die wir hier gerade spüren, entschädigt dafür. Wir freuen uns jetzt auf die ersten bewegten Bilder um 13.15 Uhr.
Konnte der Zeitplan denn eingehalten werden?
Lukas: Es konnte und durfte jetzt nichts mehr dazwischen kommen. Alle Leitungen sind fest gebucht. Werbekunden akquiriert. Lizenzen eingekauft. Es steht alles, die Sendeabwicklung läuft – auch wenn es noch an der einen oder anderen Stelle klemmt. Letztendlich stecken ja doch viel mehr technische Details dahinter, als man sich das so vorstellt. Wir stemmen den ganzen Sender mit circa 60 Leuten, bei den Öffentlich-Rechtlichen oder den großen privaten Sendern sind allein mehrere hundert Mitarbeiter nur für die Technik zuständig. Bei uns mal gerade fünf.
Wieso brauchen Schwule überhaupt einen eigenen Fernsehsender?
Lukas: Die schwule Welt würde ohne TIMM sicherlich nicht untergehen. Mit TIMM aber vielleicht ein bisschen schöner werden. Bisher müssen sich schwule Männer die wenigen relevanten Programme auf den unterschiedlichsten Sendern heraussuchen. Wir stellen interessante Formate zusammen. Schwule suchen also nicht mehr, sondern finden. Und das ist unser Service. Die Idee zu TIMM ist ungefähr vor zwei Jahren entstanden – aus den positiven und negativen Erfahrungen, die wir mit der Sendung „anders TREND“ bei RTL sammelten. Es nicht möglich, sich bei einem so großen Sender wie RTL auf so eine kleine Zielgruppe zu konzentrieren. RTL steht unter einem enormen Quotendruck, den man mit dieser Fokussierung gar nicht erfüllen kann. Aber auf der ganzen Welt wird so viel tolles Material für diese Zielgruppe produziert, was hier in Deutschland kein anderer Sender bringen würde. Wann werden Themen für Schwule überhaupt mal aufbereitet? Sehr selten. Welcher Blockbuster handelt denn zum Beispiel von einer schwulen Liebesgeschichte? Das sehe ich doch bisher im deutschen Fernsehen nur sehr selten.
Schmökel: Wir haben aber auch viele Formate, in denen kein einziger schwuler Protagonist vorkommt. Zum Beispiel „Footballer’s Wives“. Da geht’s nur um die Ehefrauen von Fußballern. Also im Grunde genommen etwas total Heterosexuelles. Wir denken aber, allein der Humor, das Drehbuch und die Handlungsstränge könnten für Schwule sehr interessant sein.
Lukas: Wenn wir zum Beispiel einen Synchronisation beauftragen, dann ermutigen wir unsere Autoren: So scharf wie möglich, so spitz wie möglich und so codiert wie möglich. Wir erwarten eben auch ein bisschen Grundkenntnis im Schwulsein, zumindest was die codierte Sprache angeht. So laufen die Serien und Spielfilme eben nur bei uns. Je spitzer und schärfer, desto besser.
Homosexuelle sind eine sehr heterogene Gruppe. Woher wollen Sie wissen, was die „schwule Zielgruppe“ interessiert?
Lukas: Erst einmal setzen wir dieser Heterogenität ein sehr vielfältiges Programm entgegen. Und wir werden in den nächsten Monaten unsere Zuschauer immer wieder fragen. Was gefällt Euch? Was wollt Ihr sehen? Für unser Startprogramm sind wir in queere Abteilungen von DVD-Geschäften gegangen, haben in schwul-lesbischen Buchläden recherchiert, haben mit schwulen Filmkritikern gesprochen Und wir haben unsere User auf timm.de gefragt. Vor uns liegt ein sehr spannender Prozess. Wir trauen uns, ungewöhnliche Formate zu zeigen. Einige werden ankommen, andere werden auch floppen. Wir hoffen aber, dass der Mut belohnt wird.
Schmökel: Es heißt immer: Wir sind so heterogen. Aber bei einer Party treffen sich dann alle Schwulen doch irgendwann in der Küche. Es gibt eben gewisse Gemeinsamkeiten.
Welche denn?
Schmökel: Schwule haben in der Regel ein anderes Humorverständnis, sie können über gewisse Dinge lachen, über die der durchschnittliche Heterosexuelle nicht so lachen kann. Und das findet sich in den Programmen wieder, die wir ausgesucht haben. Britischer Humor läuft in Deutschland ja auch nicht um 20.15 Uhr im ZDF. Wir glauben, dass da eine gewisse Affinität schon vorhanden ist, egal wie heterogen die Schwulen insgesamt sind. Bitterböse britische Britcoms, die auf einem großen Sender nicht laufen können, weil sie für eine breite Zuschauerschaft zu speziell sind, können wir deshalb sehr gut bringen. Wir haben von daher auch Freiheiten, die ein großer Sender so nicht hat.
Lukas: Ich sah neulich eine wunderbare Folge von L-Word der Staffel 4. Auf einer gemischten Party standen auf der einen Seite die Homos auf der anderen die Heteros. Die verzweifelte Gastgeberin wollte die dröge Party retten und man spielte Scharade. Herrlich! Das hat überhaupt nicht funktioniert. Als würden zwei Kulturen aufeinander treffen. Natürlich wird das in der Serie überspitzt dargestellt. Trotzdem. Schwule haben oft einen anderen Umgangston, gehen anders miteinander um. Sie reden zum Beispiel auch anders über den Partner als heterosexuelle Männer über Frauen. Besonders deutlich werden die Unterschiede im Nachtleben.
Schmökel: Ich glaube, als Schwuler wehrt man sich dagegen, dass man diese Gemeinsamkeiten hat, aber wenn man sich mal ganz objektiv diese Mechanismen betrachtet – zum Beispiel wie es bei den Partys abläuft – erkennt man schon, dass man doch mehr gemein hat, als einem vielleicht lieb ist. Und darauf bauen wir auch. Ich weiß, das ist ein sicheres Fundament.
Lukas: Bei aller Heterogenität vereint uns die Liebe zu Männern. Das ist echt ein ganz schönes Pfund.
Sie setzen sich zum Ziel, mit TIMM Schwule aus der Exotenecke herauszuholen und Vorurteile abzubauen. Besteht denn nicht gleichzeitig die Gefahr, dass man sich mit einem solchen Sender selbst abgrenzt?
Schmökel: Die Frage verstehe ich nicht ganz, weil sie nicht konsequent durchdacht ist. Auf den ersten Blick ist sie natürlich sehr logisch. Aber wo gibt es denn ein Programm für schwule Männer im bestehenden TV-Angebot? Das gibt es quasi nicht. Zudem ist jeder herzlich eingeladen, unseren Fernsehsender zu sehen. Wir sind frei empfangbar, man muss einfach nur auf die Fernbedienung drücken und man hat uns. Wir grenzen uns also überhaupt nicht ab. Ein Nachrichtensender grenzt sich doch auch nicht aus für andere Zielgruppen. Er fokussiert sich halt auf den Personenkreis, der sich für Nachrichten interessiert. Wir sind ein Zielgruppenfernsehsender, das heißt, wir machen das, was die Interessen und Bedürfnisse von schwulen Männern anbelangt. Trotzdem kann uns jeder andere sehen.
Spüren Sie denn auch Ablehnung?
Lukas: Wir sind schon bombardiert worden mit Briefen christlicher Fundamentalisten, die unsere Mitarbeiter bekehren wollen. Das ist interessantes Lesewerk…
Der eine oder andere, der dieser Tage zum ersten Mal davon hört, dass ein Fernsehsender für schwule Männer an den Start geht, hat relativ schnell einige Klischeebilder vor Augen, beispielsweise lauter nackte Oberkörper oder Werbung für Sex-Hotlines. Wird das Programm von TIMM diesen Klischeebildern nahe kommen?
Lukas: Bei uns wird es keine Sex-Hotlines geben. Auch keine Softpornos, Hardcore sowieso nicht. Auch keine Call-In-Shows mit leicht bekleideten jungen Männern, die Buchstaben umdrehen. Wir definieren uns über die Qualität des Programms. Bei aller Vielfalt vereint uns doch die Liebe zu Männern. Unser Programm ist auf jeden Fall sexy.
Schmökel: Niemand möchte im Fernsehen hässliche Menschen sehen. Natürlich gibt es auch bei uns vor der Kamera schöne Menschen. Wir haben ein Programm, da geht’s um Models. Ich glaube, dass man als schwuler Mann einen anderen Mann anders sieht. Die Körperlichkeit ist anders für das Gefühl. Das soll sich auch wiederfinden, ohne dass es unbedingt immer etwas mit Sex und mit nacktem Fleisch zu tun hat.
Lukas: An einigen Stellen im Programm wünsche ich mir sogar ein bisschen mehr Haut. Die freiwillige Selbstkontrolle FSF hat übrigens auch nichts zu beanstanden.
Inwiefern wollen Sie mit TIMM die Sicht auf Schwule in der Gesellschaft beeinflussen?
Schmökel: Der Sender an sich ist schon ein politisches Statement. Wir stehen natürlich für die Gleichberechtigung von jeder sexuellen Identität und wir glauben schon, dass wir für schwule Männer eine Art Unterstützung bieten können. Was das dann für gesamtgesellschaftliche Auswirkungen hat, wird man sehen.
Lukas: Wir wollen sachlich unaufgeregt berichten, zeigen, dass es mehr als ein Familienmodell gibt, zeigen, dass es mehr als fünf Klischeeschwule gibt. Wir wollen viele Facetten von Männlichkeit zeigen. Bei uns ist jede Form von Männlichkeit willkommen. Wir würden niemals etwas anprangern und mit dem Finger darauf zeigen, das entspräche nicht unserer Philosophie. Allein durch das Zeigen so vieler unterschiedlicher schwuler Männer tragen wir ein wenig dazu bei, dass Vorurteile abgebaut werden. Wenn wir einen gesellschaftspolitischen Auftrag hätten, dann diesen.
Schmökel: Es geht vor allem auch um mediale Präsenz. Plötzlich werden Themen anders aufbereitet, die eben speziell für diese Zielgruppe interessant sind, die es vorher nicht gab. Ein monatliches Printmagazin muss Themen ganz anders aufbereiten als ein lebendiges Medium wie das Fernsehen, das tagesaktuell berichten und reagieren kann. Ich glaube, wir werden eine Erweiterung der medialen Präsenz herbeiführen. Themen werden dadurch anders bewertet. Aber wir sehen uns ganz klar nicht als das Sprachrohr der schwulen Zielgruppe oder der schwulen Community. Das kann ein Fernsehsender nicht leisten, kein Medium kann das.
In der schwulen Community gibt es auch Vorbehalte gegen TIMM.
Lukas: Die Diskussionen, die in den Foren stattfinden, sind teilweise sehr heftig und sehr emotional. Das zeigt uns, dass dieses Thema bewegt, dass TIMM bewegt. Wir können doch gar nicht voraussetzen, dass uns alle Schwule toll finden. Und auch nicht das gesamte Programm. Aber wir freuen uns über Fans einzelner Programmpunkte oder Mottoabende. Wir gehen ja sehr mutig mit einem sehr vielfältigen Programm an die Sache heran.
Schwule haben ein anderes Humorverständnis. Sie können über Dinge lachen, über die der durchschnittliche Heterosexuelle nicht so lachen kann.
Sie sagten eben, Themen sollen anders aufbereitet werden. In einer Ankündigung hieß es auch, die Nachrichten würden bei TIMM „aus schwuler Sicht“ präsentiert. Was kann man sich denn genau darunter vorstellen?
Lukas: Letztendlich geht es doch um die Frage, wie wir uns mit unserem Programminhalt von anderen Sendern unterscheiden. Also um die Positionierung. Nachrichten werden bei uns dann aufbereitet, wenn sie Relevanz haben. Auch Themen, die bei anderen Sendern keine Beachtung finden. Natürlich bereiten wir den Fall Haider auf, diskutieren aber gleichzeitig auch über die Outingfrage – auch in rechtlicher Hinsicht. Aber bei TIMM TODAY finden auch Service-Themen statt, zum Beispiel wird es einen Beziehungsratgeber geben.
Wie tolerant ist die deutsche Gesellschaft mittlerweile gegenüber Homosexuellen?
Lukas: Schwule sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Aber es gibt nach wie vor Diskriminierungen. Und darüber werden wir natürlich auch berichten.
Heute gibt es schwule Fitnessstudios, schwule Einkaufsläden, neuerdings sogar auch eine schwule Internetsuchmaschine. Welche Auswirkungen hat es auf den Integrationsprozess, dass man sich immer wieder neue Rückzugsräume schafft?
Lukas: Wenn schwule Männer es toll finden, mit anderen schwulen Männern ins Fitnessstudio zu gehen, ist das doch wunderbar. Und wenn jemand diese Marktlücke für sich als Businessmodell entdeckt und das funktioniert, kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch. Das Fitnessstudio wäre aber nur dann gut besucht, wenn auch der Service stimmt. Gepflegte Geräte, kompetente Trainer. Es reicht eben nicht, nur eine „schwule Fitnessbude“ zu sein.
Aber wieso solche Rückzugsräume? Schwule wollen doch eigentlich integraler Teil der Gesellschaft sein und eben nicht die Exoten sein.
Schmökel: Ich glaube, was man da anspricht, das ist ein Grundproblem in der schwulen Zielgruppe. Man möchte eigentlich aufgehen in der Gesellschaft. Am liebsten hätte man in der ARD um 20.15 Uhr ein Programm, in dem man den Heteros erklärt, wie man so funktioniert und wie toll man ist…
Lukas: …wie normal man ist…
Schmökel: …und dann funktioniert aber mit Gayromeo so was wie ein schwules Datingportal. Ich meine, es gibt wahrscheinlich keinen Schwulen, der sich über ein heterosexuelles Datingportal trifft. Da funktionieren, doch wieder diese Sachen, wo man unter sich ist. Das ist so etwas, was eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst.
Lukas: Küssen sich zwei Männer in einem Fitnessstudio, ist das ungewöhnlicher als ein Kuss zwischen Mann und Frau. Manchmal wird sogar gelästert. Einige Heteros beschweren sich ja auch über Blicke unter der Dusche. Daher ist es doch verständlich, wenn sich Schwule nicht erklären müssen und eben in ein schwules Fitnessstudio gehen
Aber gesellschaftliches Ziel müsste es – gerade aus schwuler Sicht – doch sein, dass es keine Rolle spielt, ob sich ein Mann und eine Frau oder zwei Männer im Fitnessstudio küssen, eine Abkapselung insofern nicht mehr nötig ist?
Schmökel: Die Frage betrifft ja nicht die Schwulen, sondern die Gesellschaft. Wenn sich zwei Männer im Fitnessstudio küssen, wird immer hingeguckt, das ist einfach so.
TIMM setzt sich zum Ziel von Beginn an verschiedene Kommunikationskanäle zu vereinen. Dabei wollen Sie das Internet stark nutzen und den Zuschauern die Möglichkeit geben, direkt auf das Programm Einfluss zu nehmen. Wird es dabei auch Kooperationen mit schwulen Datingportalen wie Gayromeo geben?
Schmökel: Eine Kooperation mit Gayromeo wird es nicht geben. Wir haben eine Online-Präsenz, die in mehreren Stufen ausgebaut wird. Zuerst geht es darum, dass wir unser Programm den Leuten kommunizieren, dass Sie unser Programm wahrnehmen. Als zweite Stufe wird ab Dezember/Januar die Interaktivität gestartet, das heißt die Leute können live in eine Sendung eingreifen. Wir wollen auch eine Plattform bieten, wo Menschen miteinander in den Dialog treten können, zum Beispiel über unser Programm, über Themen die wir dort aufbereiten. Aber es gibt keine Kooperation mit Datingportalen.
Wie stehen Sie denn zu Datingportalen wie Gayromeo, wo es oft nur um schnellen, anonymen Sex geht und gezielte Treffen zum Barebacking – Sex ohne Kondom – möglich gemacht werden?
Lukas: Ich habe kein Profil bei Gayromeo, bei den „blauen Seiten“. Jeder entscheidet ja frei für sich, ob er schnellen Sex bevorzugt und/oder bei Gayromeo mitmachen will. Auch glaube ich nicht, dass durch Gayromeo der Sex schneller geworden ist. Aber vielleicht ist es so einfacher geworden, bestimmte Vorlieben auf einen Blick zu finden. Das sensible Thema Barebacking sollte ausführlicher diskutiert werden. Und nicht hier und jetzt in zwei Sätzen. Gerne aber ausführlich bei TIMM. Wir werden uns gezielt immer wieder mit diesen Fragen beschäftigen und uns auch an Safer-Sex-Kampagnen beteiligen – versprochen. Es wäre wohl zu einfach, Gayromeo dafür verantwortlich zu machen, oder?
Schmökel: Was man auch mal sehen muss, ist, dass es ja für Heterosexuelle wesentlich größere Datingportale gibt. Was macht da den Unterschied aus zwischen Gayromeo und diesen heterosexuellen Portalen? Warum müssen gerade solche schwulen Angebote kritisch gesehen werden oder sind Datingportale im Internet nicht vielmehr allgemein kritisch zu sehen?
Natürlich kann man diese Diskussion auch verallgemeinern und generell über Datingportale sprechen, man findet sicherlich Kritikpunkte, die allgemeingültig sind. Aber gerade in Hinblick auf Safer Sex ist die Frage in Zusammenhang mit schwulen Portalen doch von besonderer Relevanz, wenn man aktuell hört, dass die Zahl der HIV-Neuinfektionen – vor allem unter jungen Homosexuellen – wieder dramatisch ansteigt.
Lukas: Der kritische Umgang damit gehört zum journalistischen Handwerkszeug. Wir werden darüber in einer ausgewogenen, sachlich unaufgeregten, nicht tendenziösen Art und Weise berichten. Im Rahmen von TIMM TODAY. Sie sollten diese Diskussion mit Usern und den Verantwortlichen von Gayromeo führen und nicht mit uns. An so einer Diskussion beteilige ich mich dann gerne.
Schmökel: Ich möchte immer etwas über den Tellerrand gucken. Ich hab mir in letzter Zeit auch viele heterosexuelle Datingplattformen angeschaut. Da kommt so etwas wie Safer Sex gar nicht vor. Es gibt ein Portal, das trägt im Namen irgendwas mit Seitensprung. Dort wird explizit darüber gesprochen, dass man in einer Partnerschaft auch mal außerpartnerschaftliche Sexabenteuer haben kann. Es gibt keinerlei Hinweise auf Safer Sex. Das ist etwas was wir mit diesem Sender anstreben – dass man auch mal über den Tellerrand hinausguckt und mal guckt wie es zum Beispiel bei anderen Datingportalen ist und das in Relation stellt.
Lukas: Wir sollten genauso kritisch mit heterosexuellen Portalen umgehen wie mit denen, die für die schwule Zielgruppe aufgesetzt sind. Darum geht es.
Schmökel: Dass man nicht sagt, schwul per se ist sexlastig. Sondern: Okay, stimmt ja, aber wie sieht es bei den Heteros aus. Ich möchte bei dieser Nabelschaubetrachtung ein bisschen vorankommen. Nicht alles wo schwul draufsteht ist toll, aber genauso wenig ist alles toll, wo hetero draufsteht.
Welche Rolle spielen Frauen eigentlich im Programm von TIMM?
Lukas: Wir fokussieren uns auf schwule Männer. Unser Zeil ist es, mit einem attraktiven Programm die Zuschauer für uns zu begeistern. Ich hoffe, dass gut gemachtes Programm im deutschen Fernsehen auch belohnt wird. Und für gutes Programm interessieren sich ja nicht nur Homos.
Sie finanzieren sich hauptsächlich durch Werbung. Wie schwierig gestaltet es sich, Werbepartner zu finden?
Lukas: Das ist ganz unterschiedlich. Einige potentielle Kunden haben noch Berührungsängste, sind aber begeistert vom Programm, beeindruckt von der Qualität, von der Vielfalt. Wir dürfen auch eines nicht vergessen: In den letzten 15 Jahren gab es keinen Neustart eines Fernsehsenders mit Vollprogramm. Wir senden zwar für eine Zielgruppe, aber mit Vollprogramm, von Nachrichten bis hin zu Spielfilmen und Serien. Das kommt bei Werbepartnern sehr gut an, auch unser hohes Productionvalue. Natürlich müssen wir mit einem sehr schmalen Budget auskommen, ohne große Sendergruppe im Rücken. Dafür sind wir aber unabhängig. Niemand redet uns ins Programm. Umso mehr freuen wir uns über die Qualität des Programms. Preisgekrönte Serien und Spielfilme. Viele, viele Deutschlandpremieren. Das ist einmalig.
Schmökel: Wir haben internationale Markenartikel im Werbeprogramm, aber auch Kunden, die noch nie im Fernsehen geworben haben, weil wir für gewisse Unternehmen dann doch sehr interessant sind – da kommt die Zielgruppe wieder ins Spiel. Da wird es auch ganz schöne Überraschungen geben. Grundsätzlich ist es so, dass jeder Sender, der neu startet, das Problem hat, dass die Werbekunden ein Produkt im Regelfall zunächst live sehen möchten. Das war bis jetzt bei jedem Sender der Fall.
Rein statistisch haben homosexuelle Männer eine relativ hohe Kaufkraft, insofern ist ein Fernsehsender für schwule Männer für Werbekunden sicherlich recht interessant. Hatten Sie diesen kommerziellen Gedanken von Beginn an im Hinterkopf?
Schmökel: Naja, man würde ja nie ein Wirtschaftsunternehmen auf die Beine stellen, wenn man nicht dran glauben würde, dass es sich refinanziert. Zudem ist es natürlich ein Faktum, dass auf der Grund der Situation, in der viele Schwule leben – doppeltes Einkommen, keine Kinder – sie automatisch über mehr frei verfügbares Einkommen pro Monat verfügen. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wir haben allerdings zu viele Hürden nehmen müssen, als dass wir allein deswegen den Sender in Angriff genommen haben. Dafür ist auch viel zu viel persönliches Engagement verlangt gewesen, als dass man es rein auf eine wirtschaftliche Größe reduzieren könnte. Wenn es nur um das Geld ginge, hätte man sich auch andere Zielgruppen aussuchen können.
Lukas: Wir haben uns nicht gefragt, womit wir Geld verdienen können. Wir kommen aus den Inhalten und sind leidenschaftliche Programmmacher. Bei mir ist es so: Ich liebe Fernsehen, ich liebe Männer. Deswegen macht mir TIMM besonders viel Spaß. Aber logischerweise brauchen wir dafür ein funktionierendes Businessmodell.
Welche Erwartungen haben Sie in Hinblick auf die Zuschauerzahl?
Lukas: Wir rechnen für die erste Zeit um 20.15 Uhr mit 30.000 Zuschauern. Wir freuen uns aber auch über mehr. In vier, fünf Jahren erwarten wir dann 100.000 bis 200.000 Zuschauer. Fernsehen ist ein Massenmedium, nur dass eben unser Segment ein wesentlich kleineres ist. Trotz alledem macht es Spaß, vor mehr als fünf Zuschauern zu senden.
Letzte Frage: Wieso heißt Ihr Sender eigentlich „TIMM“?
Schmökel: Wir sehen TIMM als crossmediale Marke und wir wollten uns ganz klar absetzen von den eher technischen Namen der bestehenden Fernsehsender, hinter denen sich meist technische Abkürzungen verbergen. Bei VOX fragt man auch nicht nach, was VOX ist. TIMM ist TIMM.
Lukas: Der Name sollte nicht zu technisch daher kommen, auf der anderen Seite auch nicht mit zu viel Chi-Chi. Also nicht pink, nicht gay, sondern selbstbewusst männlich. Und TIMM ist einfach ein toller Name, aber es ist ein Fantasieprodukt.