Christian Ulmen

Ich bin nicht um jeden Preis Krawallo.

Christian Ulmen über den Papst, die Beichte, Fernsehexperimente, die Show "Stuckrad-Barre" und den Film „Wer's glaubt wird selig“

Christian Ulmen

© Constantin Film Verleih GmbH

Herr Ulmen, haben Sie den Papst schon mal live gesehen?
Ulmen: Nein.

Hätten Sie Interesse daran?
Ulmen: Nein. Ich kann das zwar nicht begründen, aber den Papst muss ich nicht live sehen.

Können Sie denn die Menschen verstehen, die zum Papst nach Rom oder ins Berliner Olympiastadion pilgern?
Ulmen: Ja, das kann ich nachvollziehen, ich beneide die auch um ihren Glauben. Ich würde selbst gerne glauben können, weil ich das sehr tröstlich finde, aber ich kann das nun mal nicht. Dennoch denke ich: Gott ist eine Möglichkeit.

Aber was meinen Sie, wenn Sie sagen, Sie „können“ nicht glauben?
Ulmen: Mir fehlt die Fähigkeit, all die Aspekte auszublenden, die gegen den Glauben sprechen. Ich kann mich nicht zurücklehnen und sagen: „Wenn ich einmal sterbe, dann lande ich in den Armen Gottes.“ Dafür fehlt mir die Fähgkeit, Zweifel auszuschalten. Auch wenn der Gedanke ein großartiger ist.

Und darum beneiden Sie die Gläubigen?
Ulmen: Ja, und insbesondere die Katholiken beneide ich für die Beichte. Auf einem Hocker platznehmen, einmal Luft holen und die Schuld wegreden. Eine bessere Wellness-Idee hat es nie gegeben.

Welches Verhältnis hatten Sie als Kind zur Religion?
Ulmen: Ich bin selbstverständlich mit den mitreißenden Geschichten von Adam und Eva, Kain und Abel, David und Goliath, Jakob und Esau aufgewachsen und habe sie mit den Wahrheiten, die in ihnen stecken, geglaubt und gemocht, schließlich fanden meine Eltern sie offenbar auch überzeugend. Spätestens mit dem Kapitel Evolution im Biologieunterricht hatten sich diese Geschichten für mich erledigt.

Im Film „Wer’s glaubt wird selig“ muss Ihnen der Papst höchstpersönlich beim Vater Unser auf die Sprünge helfen – würden Sie es noch aufsagen können, ohne ins Stocken zu geraten?
Ulmen: Ich kriege es irgendwie zusammen, ja, aber ich täte mich schwer mit der richtigen Reihenfolge von täglichem Brot, Erlösung vom Bösen, und führe uns nicht in Versuchung. Im Schulunterricht wurde ich genötigt, es auf Latein lernen, das hat sich mir ziemlich eingebrannt, qui es in caelis, und so weiter.

Wenn Menschen einen Teil ihres Lebens dem Glauben unterwerfen – finden Sie das faszinierend oder abschreckend?
Ulmen: Ich finde das vollkommen in Ordnung. Abschreckend ist ja immer nur das Maß an Intoleranz, im Übrigen auch von Seiten der Atheisten. Ich zähle mich auch nicht zu den Atheisten, ich behaupte nicht, dass es keinen Gott gibt. Ich weiß es einfach nicht, dieses Nichtwissen kann man vielleicht mit einer Zecke vergleichen, die nur Hell und Dunkel wahrnimmt, den Geruch von Schweiß und Körperwärme. Ihre Welt besteht aus diesen Dingen. Genausogut könnte es sein, dass uns Menschen Sinnesorgane fehlen und wir deshalb bestimmte Sachen nicht wahrnehmen.

Wenn nicht in der Religion, wo lassen Sie dann mal zwischendurch ‚die Seele baumeln‘?
Ulmen: Bei tausend Dingen. Nehmen Sie Fußball.

Geht das Fan-Dasein denn für Sie in den Bereich des Religiösen?
Ulmen: Nein, eher in den Bereich einer Verwandtschaft. Die Liebe zu Hertha ist mir halt irgendwie zugefallen, die gehören jetzt zu mir, und ihr fortgesetztes Scheitern ist mir zwar auch peinlich, erschüttert die Liebe aber nicht. Die religiöse Dimension im Fußball halte ich für eine Überhöhung, die für Werbespots taugt, aber einer ehrlichen Überprüfung nicht standhält. Ich weiß, dass Hertha BSC ein Fußballverein ist. Ein höchst erfolgloser dazu.

Zitiert

Ich beneide die Katholiken um die Beichte. Auf einem Hocker platznehmen, einmal Luft holen und die Schuld wegreden - eine bessere Wellness-Idee hat es nie gegeben.

Christian Ulmen

In „Wer’s glaubt wird selig“ geht es um den Papst, um eine Heiligsprechung – darüber eine Komödie zu drehen, war das eine Art Drahtseilakt, wo man stets darauf achten muss, dass man mit den Gags bestimmte Grenzen nicht überschreitet?
Ulmen: Nein, so habe ich das nicht empfunden. Ich finde auch nicht, dass unser Film blasphemisch ist. Es geht um einen Menschen, der seine Schwiegermutter heiligsprechen lassen will, damit Pilgerer in sein Dorf strömen und die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Über diesen Menschen und das, was er tut, lachen wir.

Sie sind neben der Schauspielerei ja auch als Produzent aktiv – hätte dieser Film anders ausgesehen, wenn Sie ihn produziert hätten, vielleicht etwas weniger politisch korrekt?
Ulmen: Nein. Ich bin ja auch nicht um jeden Preis Krawallo, ich muss jetzt auch nicht noch einen Witz über die Kirche oben drauf setzen, damit der Zuschauer irritiert ist. Der Film erzählt die Geschichte von einem Typen, der ein Wunder inszenieren will. Dabei verhält er sich auch blasphemisch, weil er die kirchlichen Rituale für seinen Eigennutz missbraucht. Der Film an sich ist aber nicht blasphemisch. Der Film hat auch nicht den Auftrag, die Kirche zu karikieren, Missstände bei den Katholiken oder die Absurdität der Religion aufzuzeigen. Wir erzählen schlicht eine Geschichte, die mit Glauben zu tun hat. Die ist weder politisch korrekt noch politisch unkorrekt.

Im Fernsehen hat man Sie zum Teil schon in sehr provokanten Rollen gesehen, beispielsweise in der Serie „Mein neuer Freund“. Wünschen Sie manchmal auch dem Kino mehr Mut zur Anarchie?
Ulmen: Es wäre wohlfeil, ein Fernsehexperiment mit einem Kinofilm zu vergleichen, der sich durch den Kartenverkauf finanziert. Ich freue mich über außergewöhnliche Filme, kann aber verstehen, wenn man als Produzent an manchen Erfolgsprinzipien festhält. Es ist ja nichts Neues, dass man das breite Publikum eher mit einer klassischen Erzählweise gewinnt.

Sind Sie sich da sicher was den Geschmack des „breiten Publikums“ betrifft?
Ulmen: Nein, ich wüsste auch niemanden, der das von sich behaupten kann. Genau deshalb überlegt man sehr intensiv, wie man einen Film macht, schließlich ist er auch ein Investment. Beim Fernsehen ist das anders, wenn man sich mit einem Sender verständigt hat, bewusst gewisse Prinzipien zu durchbrechen – zum Beispiel machen wir mit „Stuckrad-Barre“ das Gegenmodell zur klassichen ARD-Talkshow –, kann man nach genau der Maßgabe anders sein, weil es so vereinbart ist. In so einem Falle hat der Produzent auch eine andere Sicherheit, er stochert nicht im Nebel, was die Erwartungshaltung des Zuschauers angeht. Eine Kinoproduktion ist eher ein Spiel mit vielen Unbekannten.

Würden Sie denn mal einen Kinofilm produzieren, hätten Sie Lust auf diesen größeren Rahmen?
Ulmen: Wir bereiten derzeit einen Kinofilm fürs nächste Jahr vor, aber ich unterscheide da nicht nach Größe. „Stuckrad-Barre“ auf Tele 5 ist zum Beispiel ein ebenso anspruchsvolles und großes Projekt für uns, dessen Gelingen genau so wichtig ist. Allein dieses Gelingen ist interessant. Ob ein Format in einer Fernseh-Nische gesendet wird oder im Kino, spielt für mich keine so große Rolle, entscheidend als Produzent ist für mich die Lust, es herzustellen.

Die Late-Night mit Benjamin von Stuckrad-Barre wird zukünftig auf Tele5 statt wie zuvor auf ZDFneo zu sehen sein. Hatte der Senderwechsel redaktionelle Gründe?
Ulmen: Nein. Man muss einfach sagen: Die anderen haben intensiver um uns geworben.

Wird in der Sendung jetzt auch intensiv geworben?
Ulmen: Nein, Tele5 wird die Sendung nicht für Werbung unterbrechen. Und ich finde, das ist eine kleine Sensation, dass ein Privatsender eine Sendung, die polarisiert, die keine Superchart-Show mit eingebauter Quotengarantie ist, nicht mit Werbung unterbricht.

Wird die Sendung auch wieder im Netz zu sehen sein?
Ulmen: Ja, wir zeigen „Stuckrad-Barre“ in voller Länge im Netz, auf www.ulmen.tv.

Die öffentlich-rechtlichen Sender experimentieren heute viel auf Kanälen wie ZDFneo oder ZDFkultur. Wie beurteilen Sie das, auch als ehemaliger MTV-Moderator?
Ulmen: Ich finde dass es die Digitalsender der öffentlich-rechtlichen gut machen. Als 16-jähriger lief bei mir den ganzen Tag MTV, wäre ich heute 16, würde bei mir wahrscheinlich ZDFkultur laufen. Da gibt es in der Tat Sendungen, die mit Brüchen arbeiten. „Bambule“ auf ZDFneo ist das beste Fernsehmagazin, das ich seit tausend Jahren gesehen habe. Wenn jetzt noch das Privatfernsehen mit diesem neuen Stil, den die Digitalsender vorgelegt haben, nachzieht, kann es wirklich darauf hinauslaufen, dass unser Fernsehen schöner wird.
MTV hat damals ja auch eine stilistische Marschroute vorgelegt, mit ihren schnellen Schnitten und Wackelkameras haben sie einen neuen Look vorgegeben. Die kleinen Digitalkanäle haben jetzt dieselbe Chance, dem Fernsehen ein neues Gesicht zu verpassen. Und irgendwann ziehen die anderen vielleicht nach.

Jetzt reden Sie aber nur von Äußerlichkeiten…
Ulmen: Nein, ich meine das auch inhaltlich. Es gibt offenbar einen Hunger nach intelligentem Fernsehen. Deshalb ist Sarah Kuttner mit „Bambule“ da, deshalb ist auch „Stuckrad-Barre“ da.

Wir haben am Anfang viel über Glauben gesprochen – gibt es Filmprojekte, an die man während der Dreharbeiten den Glauben verliert?
Ulmen: Ja, klar, das kenne ich. Das gibt es insbesondere dann, wenn man es nicht selbst in der Hand hat. Diese Ohnmacht nährt dieses Gefühl manchmal. Es muss sich aber nicht bewahrheiten. Es gibt den Moment, wo es in dir kippt – aber dann siehst du irgendwann den fertigen Film und denkst: Ach Gott, eigentlich ist doch alles gut.

Gibt es denn einen Film, den Sie bereuen, gedreht zu haben?
Ulmen: Nein, bis zur Reue geht es nicht.

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