Christoph Maria Herbst

In meinem komischen Beruf musst du froh sein, wenn du überhaupt eine Nische gefunden hast.

Schauspieler Christoph Maria Herbst über seine Synchronrolle in „Willkommen bei den Sch'tis“, Sprache und Humor, regionale Humorunterschiede, Erfahrungen in Lüneburg und die Gefahr, auf ein Genre festgelegt zu sein

Christoph Maria Herbst

© Christian Hartmann

Christoph, gab es heute bereits eine Situation, die dich in humoristischer Hinsicht inspiriert hat?
Christoph Maria Herbst: Absolut. Ich habe eben im Restaurant die große Freude gehabt, Dany Boon, den Hauptdarsteller von „Willkommen bei den Sch’tis“ kennen zu lernen. Und als der seine ersten Sätze in Englisch sprach, traf das schon sehr mein Humorzentrum. Weil der Franzose an sich hat’s ja nicht so sehr mit dem Englischen. Der kleine Akzent, mit dem er sprach – das war zauberhaft und hat mich zum Lächeln gebracht.

Vorher hattet ihr noch nie miteinander gesprochen?
Herbst: Nee, gar nicht. Ich kannte Dany Boon bis zur Synchronisation des Films gar nicht. Ich glaube, in Frankreich ist er unter den Comedians ein absoluter Superstar. Jetzt wird es Zeit, dass man ihn auch hierzulande kennen lernt, der Film wird sicher dafür sorgen.

„Willkommen bei den Sch’tis“ haben in Frankreich bereits über 20 Millionen Franzosen gesehen, die Komödie scheint der erfolgreichste französische Film aller Zeiten zu werden. Kannst du dir vorstellen, dass die Deutschen im Kino genauso lachen werden wie die Franzosen?
Herbst: Ich glaube nicht, dass der Film speziell französisch ist. Wie bei jedem guten Film ist es sicherlich auch bei dem Film so, dass er auch im Ausland funktioniert. Weil er eben nicht nur eine innerfranzösische Geschichte abhandelt, sondern auch darüber hinaus eine Allgemeingültigkeit hat. Das gelingt dem Film, glaube ich, schon. Ohne dabei allerdings zu verhehlen, dass er aus Frankreich kommt. Diese französische Atmosphäre, diese Leichtfüßigkeit, der Gestus der Schauspieler – das ist ja auch etwas, was wir besonders lieben, wenn wir in einen französischen Film gehen. Und das bedient der Film alles. Die Geschichte an sich ist aber eine sehr menschliche. Dem Film bleibt natürlich zu wünschen, dass ihn auch in Deutschland 20 Millionen Leute sehen.

Lässt sich französischer Humor denn so einfach ins Deutsche übersetzen?
Herbst: Nee, überhaupt nicht. Ich glaube, im Falle irgendwelcher Louis de Funès-Filme war es noch verhältnismäßig einfach, weil Louis de Funès als Gesichtsakrobat da eben auch viel mit Grimassieren und Augenverdrehen gearbeitet hat. „Willkommen bei den Sch’tis“ kommt ja ohne alle diese Funny Bones und Grimmassierungen aus. Insofern musstest du hier eine Synchrondrehfassung finden, die dem Geist des Textes irgendwie Rechnung trägt, ohne ihn aber eins zu eins zu übersetzen. Wortspiele oder irgendwelche wortakrobatischen Verhunzungen funktionieren einfach nicht, wenn man sie eins zu eins übersetzt. Ich finde, die Synchrondrehbuchautorin Beate Klöckner hat es genau richtig gemacht, indem sie eher für eine Übertragung als für eine Übersetzung und ganz eigene Wortschöpfungen gesorgt hat – ohne dabei natürlich die Geschichte aus den Augen zu verlieren. Die eigene Sprache der deutschen Fassung trägt dem Film Rechnung, glaube ich. Aber man hat nicht das Gefühl, es würde stören, dass die Figuren da jetzt deutsch sprechen.

Wie sehr hängt Humor generell mit der Sprache zusammen? Ist Humor eine nationale Angelegenheit?
Herbst: Das weiß ich nicht. Ich kann für mich sagen, dass für mich die deutsche Sprache ein sehr wesentlicher Bestandteil meines eigenen Gefühls für Humor ist. Mit Sprache zu arbeiten und darüber einen Gag zu transportieren, das hat auch sehr viel mit Rhythmusverschiebung, mit Musikalität und mit Timing zu tun. Dazu muss man in der Sprache schon sehr zu Hause sein, insofern gehört das alles schon sehr zusammen.

Du hast ja schon relativ häufig Synchronrollen übernommen und Hörbücher gesprochen. Ist Sprache vielleicht sogar dein wichtigstes künstlerisches Ausdrucksmittel?
Herbst: (zögert) Das will ich nicht hoffen, weil ich dann ja eigentlich keine Filme mehr drehen dürfte. Dann sollte ich tatsächlich nur noch synchronisieren und nur noch Hörbücher einsprechen. In dem Moment, wo ich selber vor der Kamera stehe und einen Film drehe, kommt natürlich noch einmal sehr viel mehr dazu. Da ist Sprache dann ein Mittel zum Zweck. Man kann natürlich unfassbar viel auch über eine körperliche Haltung erzählen. Es kann oftmals total lustig sein, wenn man einen bestimmten Satz sagt, der Körper aber gerade das Gegenteil des Satzes behauptet. Da brauchst du als Schauspieler, der du dann selber vor der Kamera agierst – oder auf der Bühne, und von der Bühne komme ich ja letztlich – noch mehr handwerkliches Rüstzeug als ausschließlich virtuos mit Sprache umzugehen. Da ist das Instrument des Schauspielers genauso auch der Körper, der Gestus, den du hast, deine mimischen Mittel. Die Kunst, wenn man davon überhaupt reden möchte, besteht dann sicherlich darin, das alles so dezent einzusetzen, dass man nicht den Holzhammer rausholen muss, sich der Witz auf leisen Sohlen anschleicht und die Leute nicht zwingend sofort, sondern vielleicht erst fünf oder zehn Sekunden später lachen.

Zitiert

Für mich ist die deutsche Sprache ein sehr wesentlicher Bestandteil meines eigenen Gefühls für Humor.

Christoph Maria Herbst

Magst du Mr. Bean?
Herbst: Ja.

Das ist ja ein Humor, der international funktioniert. Vielleicht auch, weil er komplett ohne Sprache auskommt?
Herbst: Ja. Mr. Bean ist natürlich der bestdenkbarste Botschafter von Humor, weil er eben ganz ohne Sprache auskommt. Über den wird auf der ganzen Welt gelacht, glaube ich. Aber auch da gibt es in Frankreich Vertreter. Jacques Tati hat ja auch mit Funny Bones gearbeitet und ist mit verhältnismäßig wenig Sprache ausgekommen. Also, da gibt es schon viele Vertreter. Auch was Dieter Hallervorden damals in den 70er/80er-Jahren gemacht hat, war ja teilweise auch eine physische Meisterleistung. Auch wenn er auch viel mit Sprache gearbeitet hat, aber er war halt auch körperlich immer lustig anzugucken.

Stellst du in Deutschland regionale Humorunterschiede fest?
Herbst: (überlegt) Ja, das hab ich vor knapp zwei Jahren gemerkt. Da habe ich mit Tommy Jauds Buch „Vollidiot“ eine Lesetour komplett durch Deutschland gemacht. Ich war an 30 Tagen in 30 Städten. Das war also echt ein Marathon. Ich war sowohl in Norddeutschland als auch im äußersten Westen der Republik, im Süden und dann über Thüringen und Sachsen wieder zurück. Es war schon sehr frappierend, festzustellen, wie unterschiedlich Menschen auf einen Text reagieren. Mein Abend war verhältnismäßig immer derselbe. Ich habe mich mit einem Stuhl, einem Tisch und einem Buch auf die Bühne gesetzt und vorgelesen. Und dann habe ich zum Beispiel in Lüneburg bei Hamburg gelesen, und da dachte ich schon während der Lesung: Ich mach’ ne Umschulung. Das funktioniert ja gar nicht, was ich hier mache. Ich hatte damals zu dem Zeitpunkt schon zehn, fünfzehn Lesungen gemacht, Lüneburg war irgendwie so in der Halbzeit meines Lesemarathons. Ich wusste, es funktioniert eigentlich, was ich hier lese, der Text funktioniert – und ich selbst mache es auch nicht so ganz scheiße. Dann kam aber Lüneburg. Da ging ständig die Tür hinten, viele Leute guckten mich einfach die ganze Zeit nur so an – ich will dem Lüneburger an sich jetzt nicht zu nahe treten, aber das war einfach die Erfahrung, die ich da gemacht habe. Und dann waren die zwei Stunden um und die Leute klatschten auch und nachher kam der Veranstalter auf mich zu und sagte, dass sei das Tollste gewesen, was sie in den letzten zehn Jahren in Lüneburg gehabt hätten und er hätte sein Publikum noch nie so ausgelassen erlebt. Also, will sagen: Es gibt Menschen, die freuen sich eher nach innen.

Hast du auch mal ähnliche kulturelle Überraschungen erlebt wie es der Figur in „Willkommen bei den Sch’tis“ passiert, als sie von Süd- nach Nordfrankreich kommt?
Herbst: Hab ich in der Art nicht erlebt. Das wird in dem Film natürlich auch auf eine Weise überhöht, wie du es machen musst, um eine Komödie zu erzählen. Dany Boon spricht in dem Film ja diesen Schti-Dialekt, den man wohl nur in einer klitzekleinen Region im äußersten Norden Frankreichs nahe des Ärmelkanals in Nord-Pas-de-Calais spricht, und dieser Dialekt zeichnet sich wohl tatsächlich dadurch aus, dass man immer drei, vier Mal nachfragen muss, was gerade gesagt wurde. Das erlebt man in Deutschland sicherlich nur, wenn man aufs total platte Land raus fährt und jemand sich überhaupt keine Mühe geben möchte, verstanden zu werden. Damit bin ich aber auf der Lesetour nicht konfrontiert worden, da haben die Leute sich immer bemüht, dass ich sie verstehe. Das war aber auch wichtig, weil ich sonst ja nie erfahren hätte, wo an einem Veranstaltungsort die Toilette ist. Letztlich haben sie also auch dafür gesorgt, dass ihnen eine Riesensauerei erspart blieb.

Vor allem mit „Stromberg“ hast du im komödiantischen Bereich große Erfolge erlebt. Wie willst du verhindern, aus diesem Genre nicht mehr herauszukommen?
Herbst: Schauen wir mal! Momentan fühle ich mich in der Nische, die mir das Schicksal zugespielt hat, sehr kuschelig und bin weit davon entfernt, mich zu beklagen. Weil in meinem komischen Beruf musst du froh sein, wenn du überhaupt eine Nische gefunden hast. Ich habe wirklich auch genügend Zeiten erlebt, wo ich selber nur Dreck gefressen habe und froh gewesen wäre, wenn ich gewusst hätte, wie man das Wort Nische überhaupt schreibt. Insofern bin ich da eher demütig. Auf Dauer würde mir diese Nische aber natürlich nicht reichen. Aber ich bin ja erst 42 und Jopie Heesters geht, glaube ich, auf die 120 zu. Gute 60,70 Jahre habe ich also noch. Ich denke, dass es mir in der Zeit gelingen sollte, vielleicht noch den einen oder anderen Triebtäter zu spielen, über den man dann nicht lacht.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.