Marie-Monique Robin

Monsanto auf der Spur

Die Journalistin Marie-Monique Robin über über die Macht des Unternehmens Monsanto, Patentrechte und kriminelle Handlungen

Marie-Monique Robin

© Martin Fütterer

Frau Robin, ist Monsanto kriminell?
Marie-Monique Robin: Monsanto hat eine sehr aktive Rechtsabteilung, also muss ich etwas vorsichtig sein. Aber doch, Leute die ich interviewt habe, sagen ohne Weiteres, dass Monsanto kriminell sei, weil es nicht nur gefährliche Produkte herstellt und dabei immer wieder gegen Gesetze verstößt, sondern diese Gefahr aus wirtschaftlichen Interessen systematisch leugnet.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Robin: Monsanto ist der Hersteller von PCBs, die sich heute in jedem Organismus auf der Erde nachweisen lassen. Sie gelten als stark krebserregend und erbgutschädigend und reichern sich in der Nahrungskette an. Ihretwegen darf noch immer aus der Rhone kein Fisch gegessen werden und jede Mutter, die stillt, gibt dabei PCBs aus ihrem Fettgewebe an ihr Kind weiter. Monsanto wusste um die Gefährlichkeit der PCBs seit 1937. Deswegen wurde das Unternehmen 2002 verurteilt an die verseuchte Bevölkerung der amerikanischen Stadt Anniston Schadensersatz zu bezahlen, wo Monsanto weitgehend ohne Schutzmaßnahmen PCBs produziert hat. Weiter Klagen zu PCBs laufen. Als ich in 2007 Brasilien war, hat Monsanto dort auf seiner Webseite immer noch behauptet, PCBs seien ungefährlich!

Welche kriminellen Handlungen hat Monsanto noch begangen?
Robin: Immer wieder wurde die Firma verurteilt wegen Fälschung und Unterdrückung von Daten. Wegen Bestechung von 140 Beamten in Indonesien, um Zulassungen für gentechnisch verändertes Saatgut zu bekommen und die Regulierung des Anbaus zu verhindern. Wegen irreführender Werbung…

Dennoch schafft es Monsanto immer wieder, seine Interessen in überraschend effektiver Weise durchzusetzen…
Robin: Die Kontakte des Unternehmens zur amerikanischen Regierung sind von je her sehr gut. Top-Manager und Top-Berater von Monsanto wechseln in Regierungsposten und in die kontrollierenden Behörden und umgekehrt. Ronald Reagan und Bill Clinton haben Monsanto unterstützt und auch im Team von Obama finden sich Monsanto-Leute.

Wie kommt das? Was haben die davon? Sind die alle bestochen?
Robin: Bestechung halte ich nicht für ausgeschlossen, aber sie findet wohl nicht auf höchster Ebene statt. Reagan war besessen davon, zu deregulieren, also der Wirtschaft Kontrollen und Auflagen zu ersparen, wovon Monsanto sehr profitiert hat. Monsanto schafft es auch immer wieder, sich als ein Unternehmen von nationalem Interesse darzustellen. Der charismatische Monsanto-Chef Robert Shapiro hat bei den Clintons erfolgreich den Eindruck erweckt, das Unternehmen habe wirkliche Lösungen für eine nachhaltige Zukunft. Monsanto schafft es auch immer wieder, Gegner der Gentechnik als technologie- und fortschrittsfeindlich erscheinen zu lassen. Das lässt sich kein Politiker gerne nachsagen, auch in Europa nicht. Über Forschungsmittel übt Monsanto Druck auf Universitäten aus. Es gibt kaum noch industrieunabhängige Forschung, so dass es nicht einfach ist, kritische Informationen zu erstellen und zu bekommen.

Dient Monsanto denn tatsächlich den Interessen der USA?
Robin: Das Unternehmen richtet in den USA teilweise erheblichen Schaden an. Es gibt massenweisen Gesundheitsschäden durch RoundUp und PCBs. Amerikanischer Mais ist auf dem Weltmarkt kaum noch verkäuflich wegen der durchgehenden Kontamination mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Viele Bauern geraten in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten, weil die versprochenen Erträge ausbleiben. Bauern werden angehalten, sich gegenseitig zu bespitzeln um illegalen Anbau von gentechnischen Pflanzen aufzudecken, was die soziale Struktur auf dem Land sehr belastet. Dabei werden auch Bauern verklagt, die gentechnisches Saatgut weder eingesetzt noch vermehrt haben sondern deren Felder ohne ihr Zutun kontaminiert wurden.

Dies geschieht auf der Grundlage der Patentrechte, die Monsanto auf seine Genpflanzen hält. Welche Rolle spielen diese Patentrechte?
Robin: Sie sind der Kern der Firmenstrategie seit den 90er Jahren. Monsanto schleust seine patentierten Gene in die wichtigsten Nahrungspflanzen ein und erwirbt damit das Recht, Lizenzgebühren auf diese Pflanzen zu erheben. Dieses Recht klagt das Unternehmen unerbittlich ein, überall auf der Welt. Andere Anbieter von Saatgut werden aufgekauft, in vielen Fällen können Bauern nur noch bei Monsanto kaufen. Das Ziel ist, die Menschen weltweit über die ganze Kette der Nahrungsmittelerzeugung zu beherrschen und auszubeuten. Monsanto hat geschickt dafür gesorgt, dass entsprechende Gesetze in immer mehr Ländern gelten – mit Hilfe der amerikanischen Regierung und ihrer Dominanz in der WTO.

Zitiert

Monsanto schleust seine patentierten Gene in die wichtigsten Nahrungspflanzen ein und erwirbt damit das Recht, Lizenzgebühren auf diese Pflanzen zu erheben.

Marie-Monique Robin

Wird Monsanto von der amerikanischen Regierung gestützt weil das auch amerikanischen Hegemonieinteressen dient?
Robin: Schwer zu sagen aber nicht ausgeschlossen. Das Patent auf das sogenannte Terminator-Saatgut, welches nach der Ernte keinen keimfähigen Samen mehr bildet und Bauern gezwungen hätte Saatgut immer neu zu kaufen, wurde auch vom US-Landwirtschaftsministerium gehalten, nicht nur von einem Gentechnik-Unternehmen, das Monsanto deswegen aufgekauft hat. Und in Brasilien, Argentinien und Uruguay, dem „Hinterhof“ der USA, ist Monsanto innerhalb von zehn Jahren mächtiger geworden als die nationalen Regierungen. Gentechnik-Soja als Viehfutter für USA und Europa und das damit einhergehende Pestizid RoundUp haben dort den traditionellen Anbau weitgehend verdrängt und richten unermesslichen ökologischen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schaden an. In Mexiko, Nachbar der USA und Ur-Heimat des Mais mit seinen unzähligen, an alle Böden und klimatischen Bedingungen angepassten Sorten, erlebt eine rätselhafte Verseuchung mit gentechnisch verändertem Mais, obwohl dieser dort seit 1998 nicht mehr angebaut werden darf.

Wird Monsanto mit all dem durchkommen?
Robin: Monsanto ist nicht unverwundbar und hatte auch schwere Krisen. Weil es sich so rücksichtslos verhält, ticken an vielen Stellen Zeitbomben juristischer Art. Seine Politik des Lobbyismus, der Einschüchterung und Verschleierung funktioniert immer weniger, je massenhafter der Schaden ist, den Monsanto anrichtet. Dann hören Politiker, Behörden und Gerichte auf, sich dem Willen Monsantos zu beugen. Bisher kann Monsanto eine Kennzeichnungspflicht für Genfood in vielen Ländern verhindern, darunter auch in den USA. Wenn aber dieser Damm bricht, dann wird der Schaden für Monsanto erheblich.

Ist Gentechnik für Sie grundsätzlich schlecht oder liegt sie nur in schlechten Händen?
Robin: Ich bin durchaus dafür, auf diesem Gebiet weiter zu forschen, aber bitte nicht im Freiland sondern unter strengen Sicherheitsauflagen. Vielleicht gelingt es wirklich eines Tages, lebenswichtige Medikamente mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu produzieren. In der Landwirtschaft halte ich die Gentechnik einfach für überflüssig. Im Heimatland des Mais, in Mexiko, gibt es für jeden Boden und jedes Klima geeignete Sorten, mit denen man züchten kann. Wenn die Gentechnik in Aussicht stellt, eine Trockenheitsresistente Sorte zu schaffen – in Mexiko gibt es die schon. Derlei Versprechen hat die Gentechnikindustrie bisher sowieso nicht eingelöst, vielmehr ist das Gendesign darauf beschränkt, Pflanzen gegen Pestizide resistent zu machen, damit man mehr von denen verkaufen kann. Oder ein Insektizid zu produzieren, damit man davon ein wenig einspart, was am Ende aber nicht gelingt, weil die Schädlinge dagegen resistent werden – und dann können noch viel mehr und brutalere Insektizide verkauft werden als zuvor. Es geht einfach nur um Industrieinteressen, aber die versprochenen Vorteile werden mittelfristig nicht einmal erzielt und gleichzeitig große Gefahren heraufbeschworen. Derzeit sind achtzig Prozent des Marktes für Agrartechnik in den Händen des nur an Profit orientierten  Unternehmens Monsanto, also ganz bestimmt in schlechten Händen.

Was sind diese Gefahren?
Robin: Der größte Schaden tritt kurzfristig auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet ein, sowie durch den Gebrauch von Pestiziden, auf die das Gendesign abgestimmt ist. Entgegen den Versprechen verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Bauern nach einigen Anfangserfolgen regelmäßig, weil die Produktqualität schlechter ist, wegen Resistenzen mehr Pestizide eingesetzt werden müssen und die Lizenzgebühren für das Saatgut erheblich höher sind, welches die Bauern außerdem nicht selbst vermehren dürfen. Der Saatgutmarkt wird systematisch monopolisiert, Monsanto kauft überall die Saatgutanbieter auf, so dass Erzeuger in vielen Ländern keine Alternative mehr haben und bei Monsanto kaufen müssen. In Südamerika und Indien brechen ganze Agrarkulturen zusammen und es kommt zu Massenverarmung und Hunger.

Sind genmanipulierte Pflanzen auch gesundheitlich gefährlich?
Robin: Ja. Am besten belegt ist das beim transgenen Futtermais Starlink. Er war als Lebensmittel nicht zugelassen, geriet aber in kürzester Zeit in die Nahrungskette und löste Allergien aus. Einige tausend Amerikaner wurden teilweise schwer krank. Die Rückholaktion hat den Anbieter Aventis schon über eine Milliarde Dollar gekostet, dennoch wird Starlink nach Einschätzung des Unternehmens nie wieder ganz aus der Nahrungsproduktion zu entfernen sein. Die wenigen Studien, die es gibt, zeigen regelmäßig, dass transgenen Pflanzen Veränderungen an verschiedenen Organen und Stoffwechselvorgängen hervorrufen. Oder es kommt zu Reaktionen des Immunsystems, wie bei Giften oder Allergenen. Außerdem ist die Produktion transgener Pflanzen kein berechenbarer Prozess. Die veränderten Gene tauchen an unterschiedlichsten Stellen der DNS auf und infolgedessen weisen die Pflanzen auch eine große Schwankungsbreite an Eigenschaften auf. Man kann nicht ausschließen, dass eines Tages völlig unbeabsichtigt Pflanzen auftauchen, die weit gefährlicher sind als der Starlink-Mais.

Wenn wir das merken, können wir wieder zurück?
Robin: Nein. Das zeigt Starlink ganz deutlich. Noch gefährlicher sind transgene Pflanzen, die verwandt mit anderen Kultur- und Wildpflanzen sind, das gilt in besonderer Weise für Raps. Kanada ist ein großer Rapserzeuger. Zehn Jahre nachdem der transgene Raps von Monsanto ins Land eingeführt wurde, hat er alle anderen Varietäten kontaminiert, so dass der biologische und konventionelle Raps in Kanada verschwunden ist. Zurückholen kann man dann nichts mehr. Einmal in der Natur, immer in der Natur.

Ein Kommentar zu “Monsanto auf der Spur”

  1. tenypec |

    Werbung für Monsanto RoundUp

    Gutes Interview mit der fabelhaften Marie-Monique Robin über die Machenschaften dieses Konzerns! Interessant und irgendwie auch witzig, weil Google Ads zu blöd sind, zwischen kritischen und unkritischen Artikeln zu unterscheiden, erscheint am Ende ausgerechnet dieses Artikels eine Google Werbeschaltung für Roundup von eben dieser Gangsterorganisation!

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