Peter Maffay

Die Nummer mit den gehobelten Spänen, die stimmt.

Peter Maffay über den Preis des Erfolgs, Nachwuchs, Klassik, Rockertum und wie wichtig es ist, an Nr. 1 zu stehen

Peter Maffay

© Andreas Ortner

Peter, bei der Listening-Session in deinem Tonstudio war die Anlage relativ laut eingestellt – hörst du dort auch für gewöhnlich bei so einer Lautstärke?
Peter Maffay: Ja, manchmal gebe ich es mir. Das ist aber kein Dauerzustand, über Stunden hältst du das nicht durch, das macht auch wenig Sinn.

Schützt du dein Gehör, wenn du auf der Bühne stehst?
Maffay: Das ist etwas, was man besser kontrollieren sollte – und dann aus Lust heraus nicht tut. Weil Lautstärke einfach Lust erzeugt. Auf der Bühne geht es dann nicht mehr darum, Frequenzgänge genau zu kontrollieren, sondern da musst du einfach Impulse bekommen. Da kriegst du so viel Zeug um die Ohren geblasen im wahrsten Sinne des Wortes, dass es dich anturnt. Dann spielst du alles.

Also kein Gehörschutz auf der Bühne?
Maffay: Wenn ich einen Gehörschutz hätte, dann hätte ich jetzt nicht auf dem rechten Ohr eine Senke.

Bereitet dir das Sorge?
Maffay: Ja, es wird auch jedes Jahr schlechter. Ich habe jahrelang aus Dummheit solche In-Ear-Kopfhörer gehabt. Die waren aber halb offen, weil ich gesagt habe, dass ich auch mein Publikum irgendwie hören muss. Immer, wenn ich Druck haben wollte, habe ich so viel Lautstärke erzeugt – dafür gibt es einen einfachen Dreher an dem Pack, das man am Körper trägt – dass es mir irgendwann mein Ohr verblasen hat.

Du hast gerade einige deiner größten Hits mit Orchester aufgenommen. Wie entstand die Idee dazu?
Maffay: Die Idee gibt es eigentlich schon lange, wir hatten hin und wieder schon Gigs, wo ein Orchester dabei war. So ist der Wunsch entstanden, nicht nur mal ein einzelnes Konzert, sondern eine ganze Tour mit Orchester zu machen. Wir haben jetzt außerdem 40-jähriges Bandjubiläum, ich denke, das ist ein Zeitpunkt, wo man so etwas machen kann.

Wie klassikaffin ist denn deine Band?
Maffay: So gut wie jeder in unserer Band ist mit Klassik schon in Berührung gekommen. Jean-Jacques spielt dir aus dem Stehgreif etwas von Rachmaninoff vor, selbst Bertram Engel als Schlagzeuger setzt sich ans Klavier und spielt Bach.

Und du?
Maffay: Ich habe sieben Jahre lang – grauenhaft zwar, aber immerhin – Geige gespielt. Also, ich weiß zumindest wie man sie hält (lacht).
Meine Mutter ist eine sehr romantische Dame gewesen, sie wollte immer – vielleicht auch, um ein bisschen damit angeben zu können, das machen Mütter und Väter ja ganz gerne – dass ich ihr die Toselli-Serenade vorspiele. Das ist ein ziemlich anspruchsvolles Stück, um so mehr für einen miserablen Geiger, wie ich einer war. Aber die habe ich dann mit 14 abgeliefert, mit Ach und Krach – und dann habe ich gesagt: „Das war’s. Jetzt hast du deine Tosseli-Serenade, ich mache jetzt was Anderes.“ Ich hatte ja Leute um mich herum, die Gitarre spielten, die hatten das richtige Publikum, während ich immer nur vor Omas spielte.

Hörst du heute denn wieder mehr Klassik?
Maffay: Es ist nicht so, dass ich jetzt tonnenweise Klassik zuhause herumstehen habe, um die zu konsumieren. Aber ich habe alle Stücke von Haydn als Schallplatte, ich habe Sibelius, Bartok, Bach – und die höre ich. Auch nach einem Konzert, wenn ich im Auto sitze und in die nächste Stadt fahre, höre ich zum Runterkommen gerne Klassik-Sender. Du kommst sozusagen mit dieser Voll-Dröhnung von der Bühne runter, mit diesem Adrenalin, und dann sitzt du auf der Autobahn, kachelst die Kilometer runter und hörst klassische Musik, das ist einfach geil.

Dieses „Runterkommen“, ist das schwierig?
Maffay: Du bist sehr aufgedreht nach einem Konzert. Es kann dich unter Umständen total aufpeitschen, wenn du so ein Publikum hast und Dinge passieren, die unvorhergesehen waren. Dann sitzt du im Bett, machst die Augen zu – aber mit Pennen ist da nichts. Früher bin ich dann halt an der Bar hängen geblieben. Das ist ja so eine Autosuggestion, die du dir im Laufe der Zeit, einfach als Selbstschutz, draufschreibst, um regenerieren zu können. Heute kann es sein, dass ich um 3 Uhr nachts im Zimmer aufschlag, meine Hanteln auspacke und dann ein bisschen rumtobe, bis ich müde bin.

In deiner Autobiographie schreibt deine frühere Mitarbeitein Katherine Standley über dich: „Er arbeitete unheimlich hart, aber irgendwie konnte er sich nie richtig freuen.“ Was sagst du zu der Beschreibung?
Maffay: Katherine und ich waren mal ein Paar. Und aus der heutigen Sicht sieht sie das so.

Und wie siehst du es, bist du nie richtig zufrieden?
Maffay: Nein, das stimmt so nicht. Katherine war halt eine unglaublich energetische, anspruchsvolle Frau, mit sehr klaren Vorstellungen. Wir haben zusammen bestimmte Dinge erreicht – und während wir das eine Ziel erreicht haben, hatten wir schon wieder ein neues abgesteckt. Du kamst gar nicht dazu, dich einfach mal fallen zu lassen. Wenn ich das letzte Konzert einer anstrengenden Tour hinter mir hatte, kam sie zu mir und sagte: Du hast morgen einen Termin.
Aber dann bin ich auch selber ein bisschen so gestrickt. Jetzt zum Beispiel, wo das Album gerade fertig ist, müsste ich eigentlich eine Woche Urlaub nehmen.

Aber es gibt bei dir offenbar immer wieder neue Ziele.
Maffay: Mit auslaufender Zeit nehmen die Ziele zu. Ich bin jetzt 60, da ist einfach anatomisch abzusehen, dass irgendwann die Leistungsentfaltung nicht mehr die gleiche sein wird wie im Augenblick. Das ist vor zehn Jahren nicht so ein Thema gewesen.

Das heißt, du steckst dir heute mehr konkrete Ziele?
Maffay: Ich muss, wenn ich was erreichen will, kürzere Wege erzeugen. Und ich kann mir nicht vorstellen, lange herumzusitzen und Däumchen zu drehen.

Deswegen sitzt du hier – anstatt auf Mallorca – und gibst Interviews…
Maffay: Das ist eben part of the Game. Wenn ich rausgehe und will, dass es funktioniert, muss ich dafür etwas tun. Diese Kontinuität empfinde ich aber auch als wohltuend. Meistens. Ich habe eine Band, die haben alle zuhause Dinge zu bezahlen, ich habe hier 25 Leute, die tun, was wir gemeinsam beschließen und die wissen wollen, wo es lang geht. Dann hat die Plattenfirma eine Erwartungshaltung, das Publikum draußen fragt: „Maffay, was machst du demnächst?“ Die Familie sagt: „Wann hörst du endlich auf so viel zu arbeiten?“
Aber wir müssen viel tun. Vor zehn Jahren haben wir von einem Album noch 500.000 Einheiten verkauft, jetzt verkaufen wir nur noch 40-60 Prozent davon. Damit kannst du nicht mehr so leicht die Rechnungen bezahlen wie früher.

Also auch die Kosten der Stiftung.
Maffay: Was die Stiftung verschlingt ist immens. Die ganze Komponente Spanien, was das bedeutet, das alles zu unterhalten, damit diese Wertekette den Kindern vermittelt werden kann usw. – das geht nicht von selbst. Gleichzeitig ist es eine nicht unerhebliche Satisfaktion. Du gehst runter, siehst, dort sind 250 Kinder im Jahr, die kommen jetzt schon aus Aserbaidschan, demnächst kommt eine israelisch-palästinensische Gruppe, was wir vor zwei Jahren mit Schimon Peres besprochen haben – das sind so kleine Bewegungen, wo du sagst: „Oh, man kann ja doch ein bisschen vom Fleck kommen.“

Morgens, wenn du aufstehst, denkst du da zuerst: Was ich kann ich musikalisch machen? Oder: Was kann ich für die Kinder tun?
Maffay: Ich habe ja ein Diktaphon bei mir am Bett, weil ich manchmal im Halbschlaf irgendeine Idee habe, die am Morgen schon wieder weg ist. Ich spreche mir dann was da rein und versuche es am nächsten Tag zu entziffern. Gerade jetzt ist es eine sehr bewegte Situation und es gibt 100.000 Dinge, die mir durch den Kopf gehen.

Und was dominiert?
Maffay: Es ist eindeutig, dass wir mehr im Zusammenhang mit der Stiftung arbeiten als mit Musik. Das macht es für mich manchmal auch ein bisschen… – ich weiß, dass da ein Defizit entsteht.

Für die Musik?
Maffay: Ja, absolut. Und ich beneide in solchen Augenblicken Leute, die sich mit ihrer ganzen Zeit auf ihre Musik konzentrieren können. Die können üben, experimentieren – aber ich habe dann Phasen, in denen ich mit Musik gar nichts zu tun habe, manchmal sind die auch ziemlich lang. Und dann kommst du irgendwann wieder ins Studio, der Bertram Engel spielt los und du sagst: „Scheiße, da kann ich noch nicht mithalten.“
Und beim Schreiben ist es auch so. Gute Songs zu schreiben ist eine Frage der Stimmung, wie stimulierst du dich… – das geht nicht so von heute auf morgen.

Zitiert

Ich habe sieben Jahre lang Geige gespielt – grauenhaft zwar, aber immerhin.

Peter Maffay

Hattest du in den letzten Jahren auch Momente, in denen du dachtest: Ich will jetzt einmal komplett was anderes machen?
Maffay: Ja, ich bin ja mal in den 80ern ausgewandert, nach Kanada. Ich habe dort zwei Jahre lang gewohnt. Ich dachte, die brauchen noch Holzfäller, ich habe mir einen Bart zugelegt, karierte Hemden angezogen …

Und, hat das keinen Spaß gemacht?
Maffay: Das war gigantisch, das war toll – nur zu weit weg. Wir haben ja immer noch gerne Musik gemacht. Und über diese Entfernung, das ging nicht. Ich hatte immer noch Verträge in Deutschland, das Geld, was ich in Kanada ausgegeben habe, habe ich immer noch hier verdient.

Wo ist heute deine Heimat, wo fühlst du dich zuhause?
Maffay: Ich bin sehr gerne hier und in Spanien. Ich habe Spanien sehr früh kennen gelernt, ich kam nach Mallorca zu einer Zeit, als die Insel landwirtschaftlich bestimmt war, deswegen auch die Idee mit der Finca. Diese Insel ist wirklich ein magischer Ort, weil sich dort so viele Kulturen verknoten. Und die Lebensqualität ist sehr hoch.

Was geben dir Tutzing und Mallorca?
Maffay: Bäume, grün, Natur – deswegen bin ich ja auch nach Kanada gegangen. Meine Mutter kommt vom Land, mein Vater und seine Vorfahren sind wahrscheinlich auch Bauern gewesen – alle kommen sie vom Land.

Bist du Bauer oder Rocker?
Maffay: Das eine schließt das andere nicht aus, überhaupt nicht. Wobei das mit dem ‚Rocker’ ja eine etwas romantische Geschichte ist – wenn du jetzt zehn richtige Rocker um dich hättest, dann limitiert sich diese Romantik.
Die Vorstellung von Bikertum, wie sie durch Filme wie „Easy Rider“ usw. gelehrt wurde, ist wirklich eine Kleinbuben-Vorstellung. Bei den wirklichen Heavys, bei den Hells Angels, da geht es ans Eingemachte. Da geht es nicht um Moped fahren und die vermeintliche Freiheit, die damit zu tun hat, sondern da geht es um Waffen, Prostitution und Drogen.

Aber worin besteht dein Rockertum?
Maffay: Das ist schwer zu sagen – ich lege auf dieses Rockersein auch gar nicht so großen Wert.

Aber es gehört zu deinem Image, welches du ja – im Kern – nie verändert hast.
Maffay: Das ist ja ein Fingerprint. Irgendwann gibt es im Leben eine Weggabelung und du entscheidest dich für einen Weg. Dann kommt nach einiger Zeit aber der erste und sagt: „Das sieht nicht mehr gut aus, ist längst überholt“ usw. Und um der Diskussion aus dem Weg zu gehen, nimmst du die Lederjacke und tust sie in den Schrank. Irgendwann holst du sie aber wieder raus und sagst: Die passt ja immer noch und fühlt sich genauso gut an, warum solltest du sie in den Müll schmeißen?
Meine Mutter hat immer meine alten Schuhe genommen und in den Müll geschmissen – ich bin dann hinterher und hab sie wieder rausgeholt. Und wenn ich heute meine jahrealten Stiefel anhabe kommen Leute und sagen: „Hey, wo hast du diese coolen Teile her?“ – Tja, aus dem Müll. Gott sei Dank habe ich sie nicht weggeworfen.

Wie wichtig ist für einen Musiker heute die Biographie? Heutige Stars gelangen ja in nur wenigen Monaten an die Spitze der Charts, während Rockmusiker mit langer Laufbahn ein Auslaufmodell zu sein scheinen.
Maffay: Das liegt an der Entwicklung unserer Gesellschaft, unserer Ökonomie. Das, was ich gerade noch auslebe – die Zeiten sind vorbei. Man könnte als Synonym irgendwelche Dinosaurier nehmen, die auch irgendwann nicht mehr leben konnten, weil es die Voraussetzungen zu diesem Leben nicht mehr gegeben hat. Ich glaube, dass solche Lebensläufe nicht mehr ohne Weiteres stattfinden, weil die ökonomische Grundlage fehlt. Du musst eine gewisse ökonomische Substanz haben, ohne die geht es nicht.
Es wird Musiker immer geben, aber sie werden nicht mehr so häufig in die Lage kommen, ein solches Unternehmen aufzubauen. Denn dazu müsstest du sehr viele CDs verkaufen oder sehr viele ausverkaufte Konzerte spielen – in einem Markt, der nicht größer sondern mehr und mehr unterteilt wird.

Wie schaust du denn auf die jungen Nachwuchsmusiker?
Maffay: Die Geschwindigkeit hat immens zugenommen und die Fertigkeiten sind immens geworden. Heute singen Leute, von denen du nicht weißt, wo sie das herholen, Dinge, die wir uns früher schwerstens erarbeitet haben. Die haben eine bessere Time, die singen bessere Phrasen, die bewegen sich out of the blue so, dass du davor stehst und sagst: Donnerwetter!

Aber was fehlt bei denen?
Maffay: Naja, die Geschichte. Die Geschichte, die auch Resistenz erzeugt. Das ist so wie ein Boxer, der zwar die physischen Voraussetzungen hat, mal hinzulangen – aber dann begegnet er einem, dem er pausenlos auf die Birne schlägt, der aber trotzdem nicht umfällt. Irgendwann lässt die Kraft nach, dann schlägt der andere zurück und plötzlich fällt er, der die großen Muskeln hat, um. So etwas siehst du ja überall, es entstehen überall Boxer dieser Art – und beim ersten Schlag fallen sie um, weil sie nicht gelernt haben, auszuweichen. Sie haben kein Durchhaltevermögen, kein mentales, kein körperliches, sie werden mit den Anforderungen nicht fertig, sie sind nicht genug trainiert für einen solchen Lauf.

Der Kampf im Musikgeschäft ist heute aber auch…
Maffay: …heftiger, klar. Du siehst das im Übrigen auch im Sport: Wenn du dir anguckst, wie früher der Schmeling geboxt hat und das mit heute vergleichst – schon Tyson hat anders geboxt. Und heute wird noch ganz anders geboxt und es gibt Kampfsportarten, wo du dich fragst: Wie geht das? Das ist übertragbar auf vieles andere auch. Wenn du dir jetzt die ganzen Casting-Geschichten anguckst, wenn du siehst, wie viel Talent da ist und wie kurz die Perspektive von Talent ist, das in Verbindung bringst mit den ökonomischen Strukturen und wie sie sich gewandelt haben – dann passt das zusammen. Es ist bedauerlich, aber es ist so.

Welchen Standpunkt hast du denn zu Casting-Shows?
Maffay: Ich finde gewisse Artikulationen bei diesen Shows einfach untragbar. Ich bin selbst nicht sehr zimperlich und in meiner Verbalistik manchmal ausufernd. Aber so etwas systematisch als Tool zu benutzen, als Machart, jemand zum Weinen zu bringen, weil sich das gut verkauft, jemandem erst das Gefühl zu geben, dass er ein Loser ist, um dann kurz darauf zu sagen: „Du darfst weiter machen“ – das ist Sadismus. Das gefällt mir nicht daran.
Andererseits habe ich irgendwann mal angefangen, umzudenken. Ich finde es gut, dass dort Leute eine Chance bekommen, die sonst keine Chance haben. Dieser Michael Hirte, der Mundharmonika spielt, das hat mich beeindruckt, dem habe ich das selber gewünscht, ich fand das toll.
Wobei es mich am Ende auch irgendwie irritiert hat: Als wir im Sommer 2008 das Album „Ewig“ rausbrachten, haben wir uns wie immer gefragt, wo wir damit in den Charts einsteigen. Und da sagte meine Plattenfirma: „Die Eins kannst du knicken, da ist seit Wochen der Michael Hirte, den kriegt niemand weg.“ Es ist uns dann eine Woche gelungen, aber die Woche drauf war wieder Michael Hirte ganz oben.

Wie wichtig ist denn heute noch eine Nummer Eins?
Maffay: Eine Eins ist – selbst nach 40 Jahren – eine Eins. Die ist absolut, die triggert so viele Sachen und es macht das Leben danach entscheidend leichter.

Aber sie sichert einen finanziell nicht mehr so ab wie früher.
Maffay: Nein, aber wenn du sie nicht hast ist es noch schlechter.

Ist die Eins denn auch für dich persönlich wichtig?
Maffay: Ja.

Für dein Selbstwertgefühl?
Maffay: Nein. Versuch’ das mal ganz nüchtern zu sehen: Die Plattenfirma investiert in uns Geld. Das sind Leute, die davon leben, dass sie Zahlen erzeugen, die dann Kontinuität erzeugen, Arbeitsplätze sichern etc. Das klingt vielleicht langweilig, ist aber so. Das sind keine Leute, die Musik schreiben, sich ausleben oder künstlerisch verwirklichen müssen. Wir Musiker sitzen auf der anderen Seite und die Plattenfirma muss uns immer zuhören. Ich versuche, die zu verstehen und gleichzeitig aus künstlerischer Sicht das Maximum, was möglich ist, immer noch umzusetzen.
Ich würde mich aber sehr schwer tun mit gewissen Entscheidungen, von denen ich weiß, dass ich damit das in uns investierte Geld riskiere. Umgekehrt bin ich aber genauso fordernd: Ich liefere denen nach Möglichkeit das, was sie brauchen, möchte aber dafür auch deren volles Committment. Wenn man das eine Zeit lang zusammen gemacht hat und es funktioniert, dann entsteht Vertrauen. Und ich schwöre dir: Dieses Vertrauen wächst überdimensional in dem Augenblick, wo du gewisse Positionen schaffst, und dazu gehört auch eine Eins.

Erfolg hat seinen Preis. Du hast in einem Interview vor kurzem erwähnt, dass deine gescheiterten Ehen ein Teil dieses Preises waren.
Maffay: Definitiv.

Ist es möglich, so erfolgreich zu sein, wenn der Beruf nicht an erster Stelle steht?
Maffay: Nein. Nein. Du kannst es – wenn die Konstellation stimmt – eine Zeit lang schaffen. Das ist dann aber Glück.

Das heißt, Opfer sind für den Erfolg in jedem Fall…
Maffay: Die Nummer mit den gehobelten Spänen, die stimmt. „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“

Und wenn du jetzt zurückblickst, auf die 40 Jahre, würdest du sagen, dass das Erreichte es wert war, den Preis dafür zu bezahlen?
Maffay: Aus meiner egoistischen Sicht: Ja. Diejenigen, die darunter gelitten haben, das waren einige, die werden das sicherlich anders sehen. Mein Sohn, dem das scheiß egal ist, ob ich CDs verkaufe oder nicht, der sagt: „Wo bleibst du?“ Ich habe ihn heute noch nicht angerufen. Normalerweise rufe ich ihn immer an, um 8 Uhr, wenn er in die Schule geht. Ich bin nicht dazu gekommen. Wenn ich das ein paar Tage mache entsteht da eine rote Karte.

Ist das jetzt eine neue Erfahrung, weil man quasi den eigenen Sohn anrufen muss, eine neue Art von Verantwortung?
Maffay: Dieses Verantwortungsgefühl existiert schon lange. Es vertieft sich aber, da ist einer, der noch fordernder ist, als andere vorher, den man sich vornimmt, ernster zu nehmen.

Wärst du in dem Fall auch bereit, so einen Preis zu bezahlen?
Maffay: Ich tue es schon.

Aber es ist anders als bei einer Ehe.
Maffay: Ich sage mal so: Ein Kind kann sich noch weniger wehren als ein Erwachsener. Wenn eine Beziehung zu Ende geht, was auch viel mit Verlust und Schmerz zu tun hat, ist das für einen Erwachsenen leichter verkraftbar. Ein Erwachsener geht auf die Seite, sucht eine Alternative, findet sie und vergisst darüber dann den Schmerz. Ein Kind hat diese Alternative nicht ohne Weiteres. Es kann nicht aus dem Haus gehen und sagen: Ich suche mir jetzt andere Eltern. Die Kinder sind die Opfer, in jeder Hinsicht.

Sind deine Stiftungen, dein soziales Engagement jetzt eine Art…
Maffay: Wiedergutmachung? Na klar. Wobei ich diese Stehaufmännchen-Haltung immer schon gehabt habe. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich mit mir selber zufrieden wäre, wenn ich das, was ich mit der Stiftung begonnen habe, irgendwann mal aufhöre. Dazu ist das zu wichtig geworden. Das ist ja, wenn man so will, das Dach von allem. Das bisschen Musik was drunter passiert, ob wir den Ton getroffen haben oder das Arrangement jetzt 100-prozentig stimmt… – Klar versucht man das auch gut hinzukriegen. Bei der Stiftung ist es aber so: Wenn du dir diese Kinder anguckst, wenn Kinder mit körperlichen oder mit seelischen Gebrechen vor dir stehen, dann weißt du, dass es wirklich etwas zu tun gibt.

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