Herr Darboven, wozu braucht man einen Studiengang Coffeemanagement?
Albert Darboven: Das Thema Coffeemanagement ist ein umfangreiches und komplexes Gebiet. Es gehört mehr dazu, als zu wissen, wo der Kaffee herkommt. Heutzutage erfordert Coffeemanagement Spezialisten, die wollen wir an der Northern Business School ausbilden. Und der Studiengang bietet uns als Unternehmen auch die Möglichkeit, unsere Mitarbeiter gezielt weiterzubilden.
Braucht Deutschland denn akademisch ausgebildete Coffee-Shop-Besitzer und Kaffeeröster? An wen richtet sich der Studiengang?
Darboven: Er richtet sich an zukünftige Kaffee-Experten. Der Studiengang bildet Leute aus, die nicht nur die Warenkenntnisse haben, sondern auch die Transportwege und die Anbaugebiete kennen – und sich dann daraus eine Marktmeinung bilden. Die können Sie nicht lernen, aber Sie kriegen hier einen gewissen Spürsinn, einen animalischen Instinkt in die Wiege gelegt – und dann haben Sie später eine gewisse Marktmeinung. Ohne Marktmeinung kann man keinen Kaffee sinnvoll einkaufen.
Nichts für den Coffee-Shop-Besitzer von nebenan…
Darboven: Der benötigt ganz andere Kenntnisse. Er muss sich mit Mietverträgen auskennen, sich mit Standortfragen auseinandersetzen. Coffeemanager und Coffee-Shop-Betreiber: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Ist der Kaffeemarkt in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen?
Darboven: Ja, der Kaffeemarkt ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen. Früher war Kaffee ein Vorbehalt für die Erwachsenen. Kinder bekamen keinen Kaffee – warum, weiß ich nicht. Heute können Kinder Kaffee trinken, die trinken ja auch Coca-Cola und da ist auch Koffein drin. Aber damals war Kaffee wohl doch ein sehr teures Produkt, da hat man den Kindern Kaffeeersatz oder Kakao gegeben.
Sie haben eine Ausbildung als Außenhandelskaufmann absolviert. Kann man heutzutage über diesen Weg noch ins Kaffeemanagement einsteigen?
Darboven: Ja, natürlich. Aber wenn Sie Spezialist für Kaffee sein wollen, wenn Sie mit einem sehr hohen Risiko handeln wollen, dann bietet der Studiengang die beste Vorbereitung. Wenn Sie beim Handel mal auf dem falschen Fuß erwischt werden, ist das heutzutage eine teure Angelegenheit.
Seit einigen Jahren erlebt Kaffee einen regelrechten Boom. Vor allem durch die Coffee-Shops, die in jeder größeren Stadt wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Gibt es eine Erklärung dafür? Wie erleben Sie diese Entwicklung?
Darboven: Kaffee kommt mittlerweile nicht mehr bloß aus der Filtertüte oder einer einfachen Kaffeemaschine, sondern ist mehr. Coffee-Shops sind ja keine neue Erfindung. Das haben Tchibo und Eduscho ja schon vor fünfzig Jahren erfunden nur auf einem anderen Niveau. Für uns ist der Trend der Coffee-Shops eine große Freude. Da kriegen wir die junge Generation an das Produkt herangeführt. Wir beliefern und beraten seit vielen Jahren Coffee-Shops. Wir kennen uns aus, was in Sachen Maschinen und neue Konzepte Trend ist.
Wer den Unterschied zwischen Latte Macchiato und Cappuccino nicht kennt, wird mittlerweile ja geradezu schief angeguckt… Freuen Sie sich über die neue Getränkevielfalt oder fürchten Sie das Ende des Filterkaffees?
Darboven: Nein, die Basis ist immer die gleiche Menge an Kaffee. Wenn Sie eine Tasse Cappuccino bekommen, bekommen Sie sehr viel aufgeschäumte Milch, aber die Basis sind sieben Gramm Kaffee, die sie auch in einer normalen Tasse Filterkaffee hätten. Ich finde es gut, dass es mittlerweile eine Vielfalt Kaffeespezialitäten gibt. Das passt auch.
Welche neuen Trends gibt es auf dem Kaffeemarkt?
Darboven: Ich wüsste im Moment keinen. Man ist ziemlich weit gekommen, auch was Geschmacksaromen betrifft. Man versucht schon seit zwanzig Jahren, Kaffee in Dosen als kaltes Getränk abzupacken. Aber wenn es dafür eine Nachfrage gäbe, hätte das Coca-Cola schon längst gemacht. Cola sieht ja auch braun aus und schmeckt sehr ordentlich. Die Japaner versuchen das immer mal wieder. Für die Bevölkerung ist Kaffee aber ein Heißgetränk.
Die vielen kritischen Stimmen, die Kaffee früher als gesundheitsschädlich brandmarkten, sind mittlerweile sehr leise geworden…Freut Sie das?
Darboven: Die Stimmen sind total verstummt. Natürlich freut mich das. Ich habe doch jahrelang daran gearbeitet und ich arbeite heute nach daran. Man hat Kaffee wirklich unrecht getan in den letzten 50 Jahren. Er entwässert, er verursacht Bluthochdruck…Natürlich gibt es Menschen, die kaffeeempfindlich sind. Aber bei vielen ist es eine gewisse Hysterie. Jetzt kommen viele Universitäten und berichten, dass Kaffee eben doch nicht entwässert, sondern sogar vor Herzinfarkt schützt und Cholesterin abbaut. Früher hieß es, dass Kaffee den Cholesterinspiegel erhöht. Nun ist das alles revidiert. In unserem IDEE-Kaffee spalten wir zum Beispiel Säuren ab, die eine Wirkung auf das vegetative Nervensystem haben, damit sie unschädlich werden. Der Kaffee schmeckt wie jeder andere und ist natürlich mit Koffein.
Legen Sie wert darauf, dass im Kaffee Koffein ist?
Darboven: Koffein ist eine Droge, aber sie verhält sich wie ein Kavalier. Sie verändert Ihre Persönlichkeit nicht. Wenn Sie ein paar Gläser Schnaps trinken, sind Sie Dr. Jekyll oder Mr. Hyde. Von Kaffee können Sie zehn, zwanzig Tassen trinken. Das macht Ihnen gar nichts aus. Kann höchstens sein, dass Sie dann mal aufs Klo müssen.
Welche Rolle spielt das Thema Fairer Handel im Studiengang Coffeemanagement?
Darboven: Das ist ein ziemlich umfangreiches Thema, das mit sehr viel Formalismus verbunden ist. Es wird noch einmal klar vorgetragen, wie das System funktioniert. Die Festsetzung des Rohkaffeepreises kommt zur Sprache, ebenso wie die Lizenzgebühren, die wir an die Organisation Transfair zahlen, damit die Gelder dort ankommen, wo wir sie auch erwarten.
Was verbürgt das Transfair-Siegel?
Darboven: Es wird ein extra Preis an die Transfair-Organisation gezahlt und die Bauern, die zu der Organisation gehören, bekommen einen höheren Rohkaffeepreis als auf dem Weltmarkt üblich. Das Geld läuft über die Genossenschaften, in denen die Bauern organisiert sind, und wird verwendet, damit sie neue Pflanzen kaufen, Schulen oder Brunnen bauen können.
Früher bekamen Kinder keinen Kaffee - warum, weiß ich nicht. Heute können Kinder Kaffee trinken, die trinken ja auch Coca-Cola und da ist auch Koffein drin.
Welche wirtschaftliche Bedeutung hat Transfair in Ihrem Unternehmen?
Darboven: In den letzten 15 Jahren ist das wirtschaftlich schon ein interessanter Faktor geworden. 1991/92 habe ich mich bereit erklärt mitzumachen – als erster großer Kaffeeröster, der sich überhaupt mit der Transfair-Geschichte auseinandergesetzt hat. Das war für mich auch eine Einstellungsfrage. Ich habe ja früher in den Anbauländern wie Costa Rica gelebt. Wenn wir hier fünfzig Cent oder einen Euro mehr bezahlen, tut uns das nicht weh, aber da drüben hat das schon eine nennenswerte Bedeutung.
Der Preisunterschied zwischen einem Darboven-Kaffee und dem Darboven-Transfair-Kaffee beträgt ein bis zwei Euro. Kommt der Preisunterschied vollständig den Bauern vor Ort zu gute?
Darboven: Das geht über die Organisation und geht an die Länder, das ist alles genau registriert. Wenn wir aus Mexiko kaufen, geht der Erlös nach Mexiko. Wenn wir aus Peru kaufen, geht der Erlös nach Peru.
Wenn ich als Konsument 1-2 Euro mehr für Transfair-Kaffee zahle, kann ich dann sicher sein, dass dieser Mehrpreis wirklich bei den Kaffeebauern ankommt?
Darboven: Ja, genau.
In der Online-Enzyklopädie Wikipedia liest man allerdings, dass schätzungsweise nur sieben Cent davon bei den Bauern ankommen. Bleibt ein Teil des Mehrwerts auf dem Weg zu den Kaffeebauern hängen?
Darboven: Wir haben uns genau vergewissert, dass dies nicht der Fall ist.
Und wir müssen der Organisation, die hier in Deutschland sitzt, Rechnung legen. Jedes Jahr werden wir von Wirtschaftsprüfern geprüft und die müssen uns ein Testat ausstellen. Wenn uns Peru ein paar Tausend Sack Kaffee schickt, dann bekommt Peru eben davon den Anteil.
Aber was sagen Sie zu den sieben Cent?
Darboven: Ich weiß nicht, was da nun letzten Endes ankommt. Ich weiß nur, dass wir diesen Aufpreis bezahlen müssen. Ob Peru, Guatemala oder Kolumbien, die haben alle einen festgesetzten Rohkaffeepreis, der weit über dem Weltmarktpreis liegt. Und darüber hinaus müssen wir nachher noch eine Lizenzgebühr an die Transfair-Organisation bezahlen, wenn wir von hier aus an den Handel verkaufen. Diese Gebühr geht in Deutschland an die Zentrale in Köln, dort wird sie verwaltet und dann in die entsprechenden Länder verteilt.
Darboven bietet insgesamt zehn Kaffee-Sorten an, nur eine davon hat das Transfair-Siegel. Warum statten Sie nicht mehr Sorten mit dem Siegel des fairen Handels aus?
Darboven: Weil es nicht mehr gibt. Irgendwo muss ja auch eine Grenze sein. Wir haben zwei nennenswerte Transfair-Kaffees, den „Transfair“ und Biotransfair-Kaffee mit dem Biosiegel, der ist noch etwas teurer. Alle mit dem Siegel auszustatten wird nicht funktionieren. Es ist auch eine Frage der Versorgungslage. Bei Bio zum Beispiel kommen wir schon langsam in eine Versorgungsnotlage und bei Transfair ist es auch schon ein bisschen eng. Den Kaffeebedarf könnte man gar nicht decken.
Aber der Markt wird sich verändern.
Darboven: Ja, der Transfairmarkt wird langsam wachsen und anstatt der bisherigen Sorten kaufen die Bewussten, die den Entwicklungsländern einfach helfen wollen, Kaffee, für den Sie 50 Cent oder einen Euro mehr ausgeben.
Würden Sie sich denn wünschen, dass Sie wirtschaftlich dazu in der Lage wären, mehr Ihrer Kaffeesorten mit dem Siegel ausstatten zu können?
Darboven: Ich habe nur diese beiden Sorten. Intención Classico und Intención Ecologique.
Und Idee-Kaffee?
Darboven: Nein. Idee-Kaffee hat damit gar nichts zu tun. Idee-Kaffee hat mehrere Provenienzen als Mischung, das wird nicht funktionieren. Wir haben da eine sehr klare, deutliche Trennung zwischen den Marken.
Kaffeehandel wird immer wieder in Zusammenhang mit dem Thema Kinderarbeit gebracht. Könne Sie ausschließen, dass auf den Plantagen, von denen Sie einkaufen, Kinder arbeiten?
Darboven: Zum großen Teil haben wir uns davon überzeugt, dass das nicht der Fall ist. Aber es ist ja auch keine Sklavenarbeit, wenn die Kinder mit der Mutter mal ein paar Kaffeebeeren mitpflücken. Das wird immer ein bisschen hochgespielt. In anderen Ländern, mit anderen Produkten – da kann ich diese Aufregung verstehen. Aber wenn Sie auf der Kaffeeplantage ein paar Beeren mit abpflücken…Aber zum großen Teil ist das alles gut unter Kontrolle.
Vollständig kontrollieren kann man das nicht?
Darboven: Nein.
Das Unternehmen Darboven existiert seit 1866 und ist bis heute in Familienhand. Wie schafft man es, sich über so viele Jahrzehnte am Markt zu behaupten und nicht von internationalen Investoren aufgekauft zu werden?
Darboven: Das ganze Geheimnis liegt darin, dass ich ein bestimmtes Naturell habe, dass ich mich nicht verkauft habe. Ich hab das Geschäft von der Pike auf gelernt wie meine Vorfahren auch. Man muss sich am Markt anpassen. Und solange meine Mitarbeiter so loyal und treu sind, mache ich weiter.
Nicht jeder ist so veranlagt. Aber ich habe das so in die Wiege gelegt gekriegt. Ich bin ein Kämpfer und werde sehen, dass ich das Unternehmen in Familienhand erhalte.
Sie sind mittlerweile 72…
Darboven: Ich fühl mich aber noch ganz knackig. Um acht Uhr finden Sie mich jeden Tag am Schreibtisch – und mir fällt auch immer noch was ein.
Denken Sie daran, sich aus dem Unternehmen vollständig zurückzuziehen?
Darboven: Ich denke überhaupt nicht daran, mich zurückzuziehen. Wann ich das tue, entscheidet der liebe Gott. Wenn ich hier herumlaufe und nur gaga bin – klar, das tue ich meinen Mitarbeitern nicht an. Aber im Moment geht alles bestens.
Wer lenkt denn die Geschicke des Unternehmens zurzeit – immer noch Sie oder schon Ihr Sohn?
Darboven: Stellen Sie sich eine Kutsche vor – ich habe die Zügel in der Hand.
Wie trinken Sie Kaffee am liebsten? Können Sie den überhaupt noch sehen? Darboven: Was meinen Sie! Jeden Morgen um viertel nach sechs trinke ich einen halben Liter. Das ist mein höchstes. Mein Kaffee und meine Bild-Zeitung dazu.