Hendrik, eigentlich wollten wir das Interview ja bereits gestern führen, aber da kam dann die Fernsehübertragung des Spiels der deutschen Nationalmannschaft gegen England dazwischen – du bist Fussballfan?
Nachtsheim: Ja ich bin der bekennende Fussballfan-Teil von Badesalz, denn bei Gerd hält sich das eher in Grenzen. Er ist da anspruchsvoller und pickt sich nur die Rosinen raus, vom WM-Halbfinale aufwärts. Ich bin aber durch meine Schulfreunde mit Eintracht Frankfurt groß geworden und ursprünglich wollte ich ja auch Sportjournalist werden.
Aber dann kam alles anders…
Nachtsheim: Einen Volontariatsplatz bei einer Frankfurter Zeitung hatte ich sogar schon, aber da kam dann der Erfolg der "Rodgau Monotones" dazwischen, bei denen ich ja gesungen und Saxophon gespielt habe, wachsende Plattenverkäufe, Chartplatzierung ausverkaufte Deutschland-Tournee etc. Da war die Entscheidung eigentlich ziemlich einfach.
Fußball spielst Du aber noch, oder?
Nachtsheim: Leider nicht, und ich vermisse das sehr. Nur bin ich schlecht durchtrainiert und hab mir beim Spiel schnell ein Zerrung zugezogen. Und Blessuren oder Verletzungen können wir uns auf der Bühne eben nicht leisten, da unsere Programme zum Teil auch sehr körperbetont sind mit viel Bewegung und Tanzereien. Es reicht schon wenn, ich mich da verletzte oder beim Aufwärmen zerre.
Angenommen Du setzt Dich heute Abend hin und schreibst einen Sketch – wovon würde der handeln?
Nachtsheim: Heute zum Beispiel von der Korrumpierbarkeit von Männern in bestimmen Ämtern, das könnten Politiker sein oder aber auch Leute aus dem Umfeld von Künstlern. So einen Sketch zu erfinden geht manchmal unheimlich schnell – man sieht etwas und ist im selben Moment bereits inspiriert etwas zu machen. Heute hatte ich zwar keine besondere Inspiration, war ein relativ müder Sonntag, aber normalerweise funktioniert das so bei uns.
Ihr seht also beispielsweise einen Politiker und die Fehlleistungen, die er produziert und im nächsten Moment macht Ihr einen Sketch draus.
Nachtsheim: Nehmen wir doch mal den Roland Koch. Ich als leidenschaftlicher Hesse, finde diesen Mann unerträglich, eigentlich kaum auszuhalten. Aber ich würde deswegen keinen Sketch machen über Roland Koch, sondern ich fände für einen Sketch generell Menschen interessant, die in ihren Ämtern so an ihren Sesseln kleben, Leute die völlig uneinsichtig und stur sind. Das ist ein reizvolles Thema aus dem man sicher eine Menge machen kann.
Entstehen Eure Programme denn immer aus spontanen Einfällen heraus?
Nachtsheim: Das muss ich leider verneinen. Unser jetziges Programm, welches – wenn man allen Freunden und Kollegen glauben darf – sicherlich zu den besten unserer Programme gehört, war mit extrem viel Arbeit verbunden. Wir waren sehr lange im Proberaum und haben lange geschrieben und haben bis kurz vor der Premiere viel an den Dialogen und den Choreographien geprobt, das ist einfach die Wahrheit. Es gibt Kollegen, die gucken einen blöd an, wenn sie das Wort Proberaum hören und fragen sich, wozu man den benötigt. Klar, wenn die in dem beneidenswerten Zustand sind, dass sie den nie brauchen und dass sie ohne jegliche konzentrierte Arbeit Programme erstellen können, dann zieh ich davor meinen Hut, aber für uns gilt das nicht. Mittlerweile haben wir ja 7 CDs rausgebracht, 6 Bühnenprogramme gemacht, zwei komplette Serien und einen Kinofilm geschrieben, Kurzfilme usw. – diese Menge an Material kommt nicht immer spontan in die Birne.
Aber Ihr könnt von Euch behaupten, dass Ihr alles selber schreibt und dafür keine fremde Autoren benötigt. Viele Komiker können das ja heutzutage nicht mehr.
Nachtsheim: Klar, wir haben da kein Autorenteam, sondern schreiben eben alles selbst. Wir kommen mit Fremdautoren eh nicht besonders gut zurecht. Eine Ausnahme sind die Comedy-Stories, die jetzt schon zwei mal bei Sat1 liefen, da haben wir in jeder Folge eine Szene von dem holländischen Trio "Jeskefet" adaptiert. Deren skurrile Sachen, als wir sie das erste Mal gesehen haben, hatten uns Energie gegeben, wieder etwas für das Fernsehen zu machen und trotz des überbreiten Angebots die Birne für so was wieder aufzumachen. Die restlichen Comedy-Stories sind aber natürlich von uns.
Wie gewichtet Ihr momentan Inhalt und Dialekt in Eurem Programm?
Nachtsheim: Der Inhalt steht eindeutig im Vordergrund. Der Dialekt ist ja oft nur das Transportmittel, um Sachen auf eine eigene Badesalz-spezifische Art rüberzubringen. Aber wir haben auch viele Nummern, wo das Hessische gar keine Rolle spielt. Wir spielen sogar oft Typen die Hochdeutsch reden, weil man deren Borniertheit oder Blasiertheit so viel besser darstellen kann, als wenn alle immer nur Hessisch sprechen.
Und wie sieht es privat mit dem Hessisch aus?
Nachtsheim: Also wir sprechen jetzt nicht den ganzen Tag extrem Hessisch, nur gibt es da natürlich eine Menge Ausdrücke, wie gell und net und horsche ma usw., wo man unsere Herkunft einfach raushört. Aber wenn mich die Leute im Supermarkt was fragen, und ich ganz normal antworte, dann gucken die einen komisch an, weil sie in dem Moment das breiteste Hessisch erwartet haben.
In viele Eurer kleinen Abhandlungen werden zum Teil die verschiedensten Sachen hineininterpretiert – Eure Intention?
Nachtsheim: Ja, es gibt schon oft Momente, wo man den Leuten das Denken überlässt und die Sache nicht kommentiert. Und teilweise finden wir es absolut interessant und auch superlustig, wie Leute sich manchmal bemühen eine Botschaft zu erkennen, die wir gar nicht gesehen haben, die aber durchaus nachvollziehbar ist. Wir haben im jetzigen Programm zum Beispiel eine Nummer, wo zwei Typen in zwei überdimensionalen Flaschen sitzen, offensichtlich Nachbarn, die sich nur in komischen Sprachbrocken über ihr tägliches Miteinander unterhalten. Es ist sagenhaft wie diese beiden Figuren schon interpretiert wurden – das geht von Flaschengeistern, Maulwürfen über Teletubbies bis hin zu Ausbrechern aus der Psychiatrie. Das macht uns natürlich tierisch Spaß und wir würden den Teufel tun, wenn wir uns festlegen, was die beiden wirklich sind.
Und wurdet Ihr mal richtig missverstanden?
Nachtsheim: Ja, das gibt es auch. Es gibt da insbesondere zwei Fälle, und beide haben einen sensiblen Hintergrund. Das erste Missverständnis gab es, als wir auf unserer zweiten CD einen Sketch gemacht haben mit dem Titel "Anthony Sabini". Der geht zurück auf ein Fußballspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Saarbrücken, wo ich im Stadion war. Damals hatte Anthony Yeboah bei Saarbrücken gespielt, vor dem hatten die Frankfurter gehörigen Respekt. Um ihn einzuschüchtern haben damals ein paar Blödmänner aus den Reihen der Eintracht-Fans Bananen auf die Aschebahn geworfen und wie ein Affe geschrieen. Zu der Zeit stand aber schon fest das Yeboah zu Frankfurt wechselt und ich hörte zwei Fans in einem Dialog, wie wir ihn dann auf der Platte gemacht haben: "Hör ma, der spielt doch näschte Saison bei uns" – "Sag ma, spinnst du eigentlich?" . Das kann man hochrechnen auf das ganze Frankfurter Publikum, vor allem auf die Kuttenträger, die erst fleißig Bananen geworfen haben und Yeboah später in den Himmel gelobt haben. Uns haben dann Intellektuelle den Vorwurf gemacht, wir würden diese Diskriminierung im Nachhinein noch bekräftigen. Aber ich hab dann später so einen Bananen-Schmeisser getroffen, der erzählte mir, wie er unseren Sketch im Autoradio gehört hat und danach erst einmal an den Rand gefahren ist und sich Tode geschämt hat, weil er sich total erwischt gefühlt hat. Zum zweiten großen Missverständnis kam es bei einer Szene aus unserem Kinofilm "Abbuzze", wo die Leute eine Werbespot für eine Neonazi-Kneipe zu sehen bekamen. Einige Zuschauer sind an dieser Stelle teilweise aufgestanden und haben geschrieen "Schweinerei, das ist ja Rechtsextremismus" usw. Die haben natürlich nicht begriffen, worum es uns geht, denn wer uns kennt, weiß, dass wir alles andere als rechtsradikal sind. Uns hatte aber der Gedanke fasziniert, was eine Werbeagentur machen würde, wenn sie einen solchen Auftrag erhielte und daraus wurde eben ein relativ harter Spot.
Nehmen wir doch mal den Roland Koch. Ich als leidenschaftlicher Hesse, finde diesen Mann unerträglich, eigentlich kaum auszuhalten.
Haben die Deutschen da zu wenig Humor?
Nachtsheim: Nein, die Mär, dass nur die Engländer Humor haben und die Deutschen nur tumbe Stoppel sind, halte ich für unbegründet. Comedy funktioniert in Deutschland sehr gut, die Leute lachen gerne und wir merken immer wieder, dass es für Comedy und Kabarett ein sehr gutes Publikum gibt. Man sollte das nicht immer so sauertöpferisch schlecht machen.
Seid Ihr gern politisch, gesellschaftskritisch?
Nachtsheim: Also, wir sind auf keinen Fall ein politisch motiviertes Kabarett und ich find es schrecklich zu sagen, "wir sind zwei gesellschaftskritische Typen". Wir bieten einfach unsere Gedanken, Ideen und Einstellungen an zu bestimmten Sachen. Aber weder wollen wir das jemanden aufzwingen noch irgendjemand belehren. Klar bringt man Arschlöcher gern auf die Bühne, Typen die mit Überzeugung dummes und fieses Zeug reden inspirieren natürlich schon, weil man sich auf der Bühne da ein wenig rächen kann. Aber das ist nicht auf die Politik beschränkt, das geht in alle Bereiche und hauptsächlich geht es um die Frage: Wo sind die Arschlöcher und wie kann man sie kenntlich machen.
Du hattest es schon angesprochen, das deutsche Angebot an Comedy ist sehr groß – was interessiert Dich, was langweilt Dich?
Nachtsheim: Ich muss leider sagen, dass mich mittlerweile, speziell im Fernsehen mehr Sachen langweilen als das sie mich interessieren, weil zu viele Sachen nach den gleichen Mustern gestrickt sind. Schwer hat man es vor allem mit Serien, die schon seit Jahren im Programm sind und die immer wieder neu bedient werden müssen. Ich sehe zwar noch ganz gern die Wochenshow, aber – liebe Kollegen, das mein keineswegs böse – wenn ich sie verpasse macht mir das nichts mehr aus. Am liebsten schau ich immer noch den Quatsch-Comedy-Klub, weil man dort ab und zu auch mal gute neue Leute entdeckt, wie z.B. Kaya Janar oder Josef Hader. Eigentlich gar nicht mehr erwähnen, muss man Harald Schmidt, der 4x die Woche sämtlichen Standup-Comedians zeigt, wie es geht. Es gibt Abende, da ist er so was von saugut, dass ich manchmal am liebsten kleinlaut abschalten möchte…! Und ich schaue gern die. Und ich schaue gern die Simpsons. Na gut, die Simpsons stammen nicht aus Deutschland, aber für mich ist das die hohe Schule. Die haben eine so enorme Gagdichte und die Lebenswege der Figuren sind so abgefahren und originell. Das ist so etwas wie das Comedy-Abitur – wenn Du für die Simpsons ein paar Jahre geschrieben hast, dann hast Du die Reifeprüfung.
Themenwechsel: Internet. Was sind Deine ersten Erfahrungen und Eindrücke?
Nachtsheim: Der erste negative Eindruck ist, dass sich jetzt jeder Idiot darstellen kann und dass das Internet für zu viel Mist benutzt wird. Dinge wie Kinderpornographie sind oberst übel und zeigen, dass niemand das Netz im Griff hat. Wenn heute eine Seite gesperrt wird, taucht sie morgen woanders wieder auf. Für mich ist das ein Fass ohne Boden, was einem manchmal auch ein bisschen Angst macht. Ansonsten ist das natürlich eine riesige bunte Welt in der Du unheimlich schnell Informationen austauschen kannst und das zu jeder Tageszeit. Ich merk allerdings, wenn ich eine Stunde im Netz bin, verlier ich die Lust, egal was sich da auftut.
Kennst du Napster?
Nachtsheim: Nein, oder meinst Du das mit dem mp3-Format? Genau, die Software, die es derzeit etwa 30 Millionen Usern ermöglicht untereinander Musiktitel auszutauschen, ohne das die Plattenfirmen direkt etwas daran verdienen.
Ich hab mal nachgeschaut und bin in Sachen Badesalz mehrfach fündig geworden. Was sagst Du dazu?
Nachtsheim: Aus der Sicht des Künstlers ist das große Scheiße, da müssen wir uns nix vormachen. Wenn ein Künstler eine Platte macht und verkaufen will und die Leute sich das aber kostenlos runterladen können ist das sicher nicht in seinem Interesse.
Es gibt aber schon eine Reihe Künstler, die sich im Prozess, den die Plattenindustrie gegen Napster führt, hinter die Betreiber stellen, und machen auf die zahlreichen Musiker aufmerksam, die keinen Plattenvertrag bekommen und eventuell auch ohne Plattenfirma zu ihrem Erfolg kommen könnten.
Nachtsheim: Gut, dem Argument stimme ich sogar zu, nur gilt es nicht für uns. Für unbekanntere Musiker, die von den Plattenfirmen abgelehnt wurden ist das sicher ein gutes Forum. Ich selbst bin außerdem kein religiöser Anhänger der eigenen Plattenfirma. Schließlich ist das eine harte Industrie in der es wie überall ums Geschäfte machen geht und man wenig Freunde hat.
Was sind denn Eure Erfahrungen mit Plattenfirmen, der Wechsel zu Eastwest-Records steht bevor.
Nachtsheim: Ja, wir beenden jetzt eine fast 10-jährige Zusammenarbeit mit Sony-Music, die für beide Seiten ausgesprochen erfolgreich war, wir haben zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Platten verkauft, das hat sich für die Firma sicherlich gerechnet, zumal bei uns die Produktionskosten nicht so hoch ausfallen wie es bei großen Bands üblich ist. Das ist eine gute Vergangenheit, auf die wir zurückblicken können, aber es ist ein Irrtum, zu glauben, dass es da große Freundschaften gibt. Es gibt geschäftliche Verbundenheiten und gemeinsame geschäftliche Interessen, eine Platte möglichst gut zu verkaufen. Im schönsten Fall landet die Platte in den Charts, da stößt man dann mal miteinander an und wenn es eine Goldene gibt drückt man sich auch mal kurz und nimmt sich in den Arm, aber man würde deswegen noch lange nicht gemeinsam in Urlaub fahren.
Was würdest Du angehenden Musikern in bezug auf Plattenverträge empfehlen?
Nachtsheim: Nehmt Euch Anwälte, die nur Euch vertreten. Sucht Euch die Anwälte, die Euch helfen, den bestmöglichen Vertrag zu finden. In der Musikindustrie wird nie jemand auf Dich zukommen und sagen, "wir geben Dir 50 Prozent aller Lizenzen, ein Haus und Rente bis ans Lebensende". Natürlich versuchen die dich immer über den Tisch zu ziehen. Jede Plattenfirma ist froh, wenn sie einen guten Act möglichst billig kriegt. Das ist ein Wirtschaftsunternehmen und Moral interessiert eigentlich niemanden. Wir können nur daraus lernen und müssen immer tierisch aufpassen.
Fällt Dir spontan ein Witz ein?
Nachtsheim: Ja. Eine Schnecke kriecht im Regen durch den Schlamm auf der Suche nach einem Unterschlupf und kommt schließlich an der Höhle des Hasen an und klopft. Der Hase öffnet und fragt: "Was gibt’s denn?" Antwortet die Schnecke: "Draußen ist so’n beschissenes Wetter und ich bin total erschöpft und wollte fragen, ob ich bei Dir unterkommen kann und mich ein bisschen aufwärmen darf." Da sagt der Hase: "Nix gibt’s", nimmt die Schnecke und schmeißt sie meterweit weg. Sechs Wochen später klopft’s wieder bei dem Hasen und die Schnecke steht wieder vor der Tür und fragt: "Was war das denn eben?".
Weshalb eigentlich "Badesalz"?
Nachtsheim: Der Name geht auf unser erstes Bühnenprogramm zurück, "Das Super-Dong-Dong", in dessen letzten Szene sich ein ominöser Gegenstand namens "Super-Dong-Dong" als Badesalz-Tablette entpuppte. Und als der Organisator unseres ersten Auftritts bei uns anrief und das Programmheft fertig machen wollte, hielten wir gerade diese Badesalztablette in den Händen.
Welcher andere Name würde Dir zu Euch einfallen, wenn nicht Badesalz?
Nachtsheim: Dick und Doof.