Bushido

Ich bin mein eigenes Business.

Anis Mohamed Youssef Ferchichi alias Bushido über Gut und Böse, Moral, seine wilde Seite, neue Prioritäten, seine Schlafuntergrenze und warum gewaltgefüllte Musik wie Urlaub ist

Bushido

© Murat Aslan

Bushido, dein aktuelles Album heißt „Jenseits von Gut und Böse“, wir möchten daher mit einer Frage beginnen, über die in der Gesellschaft relativ häufig gestritten wird: Ist der Mensch von Natur aus gut oder böse?
Bushido: Da müsste man erstmal die Frage stellen: Was genau ist gut und was ist böse? Die Menschen auf diesem Planeten haben da ja ganz unterschiedliche Vorstellungen, deswegen stelle ich mir diese Frage auch nicht. Ich kann gut und böse nur mit meiner eigenen Moral definieren.Natürlich gibt es Dinge, die festgeschrieben sind und auf die sich auch jeder Mensch einlassen sollte, etwa dass man aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Herkunft oder seines Glaubens nicht benachteiligt werden sollte – darüber sind wir uns auch alle im Klaren. Aber dann wird es schon wieder ganz schwierig…

Nehmen wir ein einfaches Beispiel, einen 18-Jährigen, der jemanden umgebracht hat. Glaubst du, so etwas geht auf die Natur zurück, oder wird man erst durch sein Umfeld zum bösen Menschen?
Bushido: Der Punkt ist ja der: Warum bringt jemand einen anderen um? Findet er Gefallen daran? Ist es ein Racheakt gewesen? Ist er vielleicht selber im Vorfeld Opfer einer Straftat geworden?
Es gab mal einen Fall in Berlin, wo ein Mädchen vergewaltigt und umgebracht wurde. Der Täter kam vor Gericht, die Mutter trat als Nebenklägerin auf und schaffte es, eine Waffe mit in den Gerichtssaal zu schmuggeln – und damit hat sie den Mörder ihrer Tochter ermordet. Ich würde nicht sagen, dass diese Frau böse ist oder von jemandem böse gemacht wurde. Diese Frau hat auf etwas sehr Schreckliches reagiert. Ich persönlich kann das verstehen.
Nichtsdestotrotz sind Straftaten, die aus Freude oder aus Lust geschehen, absolut verwerflich. Aber wenn jemand einem anderen etwas antut, ist er natürlich nicht so geboren worden – das ist völliger Quatsch. Ich denke mal, die Zeit, in der du mit deiner Familie, deiner Umwelt und deinem Freundeskreis aufwächst, ist ganz maßgeblich daran beteiligt dich zu dem zu machen, was du heute bist.

Du hast mal in einem Interview gesagt, dass du für dich ein klares, aber ganz eigenes Moralverständnis hast. Wie sieht dieses Moralverständnis konkret aus?
Bushido: Das sage ich lieber nicht. Sonst habe ich morgen den BND und die CIA am Hals und wache in Guantanamo auf.

Warum das? Ist es so extrem?
Bushido: Nein, extrem natürlich nicht, weil meine Moralvorstellung für mich selbstverständlich ist. Aber ich weiß, dass viele Dinge, die ich so denke, überhaupt nicht dem entsprechen, was der Mehrheit der Menschheit vorgegaukelt wird.
Wenn du mich jetzt fragst, wie mein Moralverständnis aussieht, dann  müsstest du mich schon ganz konkret auf etwas ansprechen.

In deiner Autobiographie schilderst du beispielsweise, wie du auf der Straße zufällig deiner Ex-Freundin und ihrem neuen Freund begegnest. Du hast ihm, den du ja gar nicht kanntest, dann ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen. War das für dich in Ordnung?
Bushido: Ich stehe dazu. Meine Freundin, die ich wirklich geliebt habe, mit der ich Zeit verbracht habe, tanzt vor meiner Nase mit ihrem neuen Freund rum: Das kann ich mit meiner Attitüde und meinem Temperament einfach nicht vereinbaren – auch wenn dieser Freund mir nichts getan hat und es ganz normal ist, dass Menschen nach einer Trennung wieder in eine neue Beziehung stolpern. Aber dann soll sie mir lieber aus dem Weg gehen. Ich habe mit dieser Reaktion moralisch kein Problem – und wahrscheinlich ist das schon ein Nachteil, den ich persönlich habe. Aber für mich ist das einfach so: Ich halte das für normal und auch nicht für böse. Ich weiß natürlich, dass es für andere Menschen falsch ist, das ist ja derselbe Punkt wie bei meinen Auftritten in Talkshows, wo die Leute immer wieder mit so ganz komischen Dingen ankommen. Wo ich im Vorfeld schon genau weiß was kommt, da wurde ich noch nie großartig überrascht. Ich weiß, dass viele Dinge, die ich in meiner Musik gesagt habe, für viele Menschen böse sind, aber das hat für mich keine Relevanz, weil ich das anders definiere.

Warum setzt du dich dann immer wieder in Talkshows, wenn du doch eh weißt, was dich erwartet?
Bushido: Im Endeffekt ist es mir vollkommen egal, ob irgendwas anders wird. Die Menschen in den Medien sind ja auch sehr beschränkt, nicht vom persönlichen Horizont oder vom Intellekt her, sondern die Medien sind in sich gefangen. Ein Markus Lanz oder ein Kerner oder ein Bild-Reporter ist in seinem eigenen System gefangen. Was erwartest du von einem Markus Lanz? Glaubst du wirklich, dass irgendwann ein Tag kommt, wo er wider seiner Natur handelt? Nein, natürlich nicht. Ich gehe meistens dahin, weil ich Spaß daran habe, Leute zu sehen, wie sie sich an mir die Zähne ausbeißen. Ich gehe aus Sadismus dahin.

In einer dieser Talkshows hast du mal gesagt, dass Provokation in Deutschland immer Aufregung nach sich ziehen wird…
Bushido: Ja, es gibt Dinge im Leben, die werden sich niemals ändern. Und das ist hier in Deutschland so ein Punkt. Es ist aber gar nicht meine Grundintention, Leute zu provozieren, sondern in erster Linie möchte ich Musik machen. Daraus ergibt sich natürlich, dass sich die Leute aufregen, weil ich Dinge sage, die vielen nicht gefallen. Ich würde jetzt aber nichts anders machen, wenn die Leute sich nicht mehr aufregen würden. Ich wäre gar nicht so traurig, wenn sich keiner mehr aufregen würde. Dann hören wir einfach nur Musik und hören auf drüber zu reden. Das ist wie mit der Religion: Vielleicht kommt da auch irgendwann mal der Tag, an dem wir einfach an Gott glauben, ohne dass wir uns darüber streiten, ob der Christ Recht hat, der Moslem, der Jude oder der Buddhist. Lass uns doch einfach glauben! Das wäre doch okay.

Noch aber wird viel über Musik geredet, und beim HipHop sind immer wieder auch Gewalt-Texte ein Thema. Was denkst du, funktioniert HipHop auch ohne Gewalt?
Bushido: Man kann absolut ohne Gewalt auskommen. Ich bin ein absoluter Verfechter des Zusammenlebens ohne Gewalt.

Und wenn wir über Gewaltausdrücke in deinen Texten sprechen?
Bushido: Ich würde dazu eher „Kraft“- statt „Gewaltausdrücke“ sagen.
Also, bei mir ist es so: Am Ende meiner aktuellen Show spiele ich Songs aus dem Jahr 2003. Ich gucke dann in die Gesichter dieser kleinen Kids und rappe auch Sachen, wo ich mir denke: „Uiui …!“ Wenn dann ein Achtjähriger mit seinem Papa da ist und ich irgendwas von „Schwuchtel“ usw. erzähle – da passt das einfach nicht. Für mich war das damals völlig in Ordnung: Ich habe mit einer Sache angefangen, ich wusste nicht, wo die Reise hingeht….

Aber heute?
Bushido: Ich bin jetzt, zehn Jahre später, an einem gewissen Punkt angekommen, wo ich mir überlege: Was mache ich, was nicht? Ich zensiere meine Musik jetzt nicht, ich mache auch keine Weichspüler-Musik, sondern ich passe mich einfach nur meiner Umgebung an. Dazu kommt, dass ich jetzt 32 bin, dass ich zufrieden bin, dass es mir gut geht – so verschwindet dann auch der Kraftausdruck und die Gewalt immer mehr aus meiner Musik. Ich bin aber trotzdem noch erfolgreich, ich bin jetzt mit einer Auflage von 100.000 CD’s in den Markt gegangen, das ist in der Zeit der absoluten Depression, was die Musikindustrie betrifft, eine sehr große Stückzahl. Im Umkehrschluss bedeutet das für mich, dass ich auch ohne Kraftausdrücke und mit sehr spärlich gesäter Gewalt immer noch interessant wirke.

Ist das dann noch Gangster-Rap?
Bushido: Weiß ich nicht, keine Ahnung. Ich habe ja nie angefangen mit dieser Bezeichnung. Plötzlich hat man gesagt: „Guck mal, der macht Gangster-Rap!“ Ich weiß gar nicht was das ist. Ich habe einfach Musik gemacht, die unter bestimmten Umständen entstanden ist. Ich habe auch Straftaten begangen, aber ich würde mich niemals als wirklichen Gangster betiteln. Solche Menschen machen keine Musik – entweder die sterben, oder sie sind im Knast.

Aber wenn man sich das Video zum Song „Berlins Most Wanted“ anschaut, den du 2010 mit Fler und Kay One aufgenommen hast: da spielt ihr schon mit der Gangster-Attitude und im Text geht es zur Sache…
Bushido: Absolut, aber es gibt eben auch einen Unterschied zwischen meinen Soloprojekten und Kollaboration wie „B.M.W.“ mit Fler und Kay One, oder wenn wir auf eine „Carlo Cokxxx Nutten“-Tour gehen. Da hast du ein anderes Publikum als auf einer Bushido-Tour, von der Musik werden ganz andere Menschen angesprochen. In Projekten wie „B.M.W.“ mache ich oft das, was eigentlich auch jemand erwartet, wenn von aktuellem Deutsch-Rap die Rede ist, der sehr stumpf ist.

Hast du dich im Laufe deiner Karriere denn schon mal gefragt, warum Musik mit brutalen Texten bei den Kids so gut ankommt, warum sie sich so gut verkauft?
Bushido: Warum ficken sich Menschen in den Arsch, obwohl das ja auch nicht typisch ist? Man könnte ja auch schönen Sex haben, mit küssen und streicheln und sowas…. (überlegt) Ich habe keine Antwort darauf. Ich habe mich das auch schon einige Male gefragt. Ich meine, warum sind Filme wie „SAW“ so erfolgreich? Da geht es ja auch nur darum, dass Menschen auf ganz komische Art und Weise getötet werden. Es gibt auch eine Filmreihe, die sich „Gesichter des Todes“ nennt und die ist absolut brutal. Irgendwie will ich mir das nicht angucken, wenn so etwas läuft gucke ich weg – aber dann erwische mich immer wieder dabei, dass ich mit einem Auge doch hingucke.

Aber warum?
Bushido: Ich glaube das ist der Reiz, Dinge zu erleben, die nicht deinem Alltag entsprechen. Das ist wie Urlaub machen. Wenn ich Urlaub mache, dann fliege ich irgendwo hin, wo es nicht so ist, wie da, wo ich lebe. Wenn ich viel arbeite, in Berlin bin, mit Autos und Hektik und so weiter, dann fliege ich auf die Malediven, bin auf einer Insel, wo nichts passiert: Das ist für mich Urlaub. Vielleicht ist gewaltgefüllte Musik auch eine Möglichkeit, vier Minuten Urlaub zu machen, von dem was man halt immer hat, eine Art Abwechslung.

Aber dann gibt es immer wieder Fälle, wo die Gewalt in den Texten auch reale Gewalt zur Folge hat. Du wurdest zum Beispiel 2007 bei einem Konzert in Hannover auf der Bühne attackiert…
Bushido: Du hast überall immer irgendwelche Idioten. Es gibt ein Video von Robbie Williams, wo während eines Konzerts jemand von hinten kommt und ihm eine so böse Bombe gibt, dass er von der Bühne fliegt. Er ist danach jahrelang nicht mehr auf die Bühne gegangen, aus Angst um sein Leben. Und das ist jetzt nicht passiert, weil Robbie Williams besonders gewaltverherrlichende Musik macht.

Wir sprachen 2009 mit Sido über dieses Thema, er meinte, dass alle Rapper in Berlin einen Bodyguard aus einer „Familie“ haben und sagte u.a. „Ich brauche den Schutz. Gerade in Berlin … das ist kein Spaß.“
Bushido: Das sehe ich anders. Man braucht niemanden, der einen beschützt. Die Gewalt, die im HipHop auflebt, eventuell auch gegen Interpreten, die kommt zum größten Teil daher, dass sich Gruppierungen bilden, die untereinander verfeindet sind. Es ist ja nicht wie in der Pop-Musik, dass man jeden Rapper cool findet, sondern ein Bushido-Fan findet halt gleichzeitig einen Sido-Fan voll scheiße.

Weil sich die Rapper in Texten gegenseitig dissen…
Bushido: Ja, natürlich. Aber ich würde nicht sagen, dass man die Leute aufgrund der Texte aufheizt. Im Fußball gibt’s ja auch sehr extreme Bewegungen, die ihren Verein supporten. Da gibt’s die Ultras aus Berlin und die hassen dann meinetwegen die „Schickeria“ aus München. Ich glaube nicht, dass beim HipHop der Inhalt der Musik oder der Texte damit zu tun hat.

Also du meinst, wenn du statt HipHop zum Beispiel Schlager machen würdest, hättest du genauso hohe Kosten für Sicherheitspersonal?
Bushido: Bei Schlager wahrscheinlich noch höhere. (lacht)
Ganz ehrlich, ich hab gar keinen großen Sicherheitsstab um mich. Ich war heute zum Beispiel mit meiner Tourmanagerin in der Innenstadt von Hannover einkaufen, habe mir ein paar DVD’s geholt und war in einer Drogerie. Da kommen dann natürlich Jungs und fragen; „Hey, wie sieht’s aus mit einem Foto?“ Einer hat auch irgendwelche Ausdrücke gerufen, aber ich habe da jetzt nicht den großartigen Bedarf an Sicherheitskräften. Ich mag das auch nicht. Dadurch würde ich mich immer mehr in meine eigene Seifenblase katapultieren, noch mehr, als ich es jetzt schon bin. Ich möchte mir jetzt nicht durch Sicherheitspersonal selber noch das Gefühl geben, als wäre ich dauernd in Gefahr, wie der Vorkoster am königlichen Hof, der ständig die Angst hat, vergiftet zu werden.

Und der Übergriff auf der Bühne in Hannover?
Bushido: Das war nicht der Rede wert, das war für mich auch kein Grund da jetzt in Zukunft was stärker aufzuziehen. Der Typ ist über den Rang hinter die Bühne gelangt, wo viel weniger Sicherheitskräfte sind. Er ist dann auf die Bühne, wollte mich anspringen, ich bin über die Monitorbox gestolpert, in einem Moment wo das Licht ausgegangen ist. Als es wieder anging sah ich jemand auf der Bühne, den ich nicht kannte. Nyze hat ihn dann von der Bühne runtergenommen und wir haben das auf unsere Art geklärt.

Du hast also keine Angst vor Übergriffen?
Bushido: Nein. Angst habe ich nur vor Gott, sonst vor niemandem. Alle unangenehmen Dinge, die passieren können, können passieren. Du kannst mit dem Auto verunglücken – aber fährst du deswegen kein Auto mehr? Dich kann jemand auf der Bühne attackieren, aber spielst du deswegen keine Konzerte mehr?  Klar, das ist eine berechtigte Frage. Es gibt in meiner Show auch so einen Moment, wenn ich mich nach „Für immer jung“ verbeuge und ganz lange mit meinem Kopf unten bleibe, da hast du immer das Gefühl: Fliegt jetzt irgendwas, wirst du am Kopf getroffen, von einem Feuerzeug?
Ich bin aber immer noch der Meinung, so wie man es in den Wald ruft, so kommt es wieder raus. Und auf meiner jetzigen Tour haben wir auf 24 Konzerten nicht mal den Hauch einer Aggression gehabt, nicht im Publikum und schon gar nicht mir gegenüber. Ich selbst wirke auch seit dem ersten Tourtag deeskalierend…

In deiner Autobiografie schreibst du an einer Stelle: „Falls mir jemand über Youtube eine Kampfansage macht, dann könnt ihr sicher sein, dass dieser Typ ab dem Moment auf der Flucht ist. … Kool Savas musste aus Berlin weg, es war einfach nicht mehr sicher für ihn.“ Das klingt schon danach, dass reale Gewalt im Spiel ist.
Bushido: Also, in Bezug auf Savas muss man sagen, dass Berlin natürlich sehr anstrengend ist, wenn du kein Berliner bist. Du musst Berlin lieben – oder du hasst es. Und natürlich ist es so, wenn du irgendwann mit Rap berühmt wirst, dann kommen natürlich auch Jungs, die dich testen wollen. Und Savas hatte irgendwann kein Bock mehr darauf, dass irgendwelche kleinen Kinder ankommen und ihn beschimpfen und herausfordern wollen.

Zitiert

Ich gehe meistens in Talkshows, weil ich Spaß daran habe, Leute zu sehen, wie sie sich an mir die Zähne ausbeißen. Ich gehe aus Sadismus dahin.

Bushido

Aber wenn wir bei dem bleiben, was du schreibst, Stichwort Kampfansage…
Bushido: Was heißt Kampfansage: Ich glaube, ich habe das so gemeint, dass es wirklich nur um Bedrohung geht. Wenn mich jetzt einer dissen würde, ganz normal auf HipHop-Ebene, dann muss der sich natürlich keine Gedanken machen, völliger Quatsch.

Und was war mit MOK, den du ebenfalls im Buch erwähnst?
Bushido: Das sind dann so Leute, die sagen: „Ich steche ihn ab, wenn ich ihn sehe.“ Und wenn mir jemand so etwas sagt, dann muss man darauf natürlich reagieren. Wenn er sagen würde, meine Musik ist scheiße, da würde ich im Leben nicht drauf reagieren. Ich finde, auch im Bereich des Dissens gibt es eine Art von Moral und ich würde niemandem öffentlich, auch nicht abseits der Öffentlichkeit, mit Waffengewalt drohen. Wenn das passiert, dann muss man schon reagieren, dann muss man auch mal ein Exempel statuieren. Weil sonst nimmt so etwas überhand und dann müsstest du wirklich Angst haben, dass du irgendwo etwas abbekommst.

Wir möchten mit dir noch über Grenzen sprechen. Zunächst die Frage: Setzt du dir in deinen Texten heute selber Grenzen?
Bushido: Klar. Es gibt Dinge… (überlegt) Also, ich habe heute auf jeden Fall viel mehr Grenzen als noch vor einiger Zeit. Weil ich mich immer mehr in eine Richtung entwickle, die früher oder später dazu führt, dass ich gar keine Musik mehr machen werde. Und am Ende des Tages ist mein nächster großer Schritt, eine Familie zu gründen und Kinder zu erziehen. An dem Punkt musst du einfach nur noch kompromisslos für deine Kinder da sein und mit dem Scheiß aufhören, den du selbst die ganze Zeit fabrizierst. Du bist dann irgendwann für deine Kinder verantwortlich und nicht nur für dich selber.

Wie würde sich das auf deine Texte auswirken?
Bushido: Wenn meine Kinder so alt sind, dass sie Musik hören würden, in dem Alter würde ich glaube ich keine Musik mehr machen, rappen mit 40 werde ich auf keinen Fall. Wobei, das ist schon in sieben Jahren… Also, man soll den Tag niemals vor dem Abend loben.
Ich möchte einfach nicht mehr den Leuten das Gefühl geben, dass ich Gewalt predige. Ich bin zwar der Meinung, dass ich das so nie richtig getan habe, aber gut, nur weil es für mich nicht so klingt heißt das nicht, dass es sich nicht für andere Leute so anhört.
Ich möchte nicht mehr auf dem Index landen, auch aus wirtschaftlichen Aspekten. Deswegen wird es von mir keine Texte geben, in denen du Gewalt in Verbindung mit sexuellen Handlungen hast, denn das wird sofort indiziert. Das haben mir die Leute von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien unmissverständlich klar gemacht. Deswegen wurde ich seit 2005 ja auch nicht mehr indiziert. Ich wurde die ersten drei Jahre indiziert, jetzt seit fünf Jahren nicht mehr – ich finde, das ist ein ganz guter Schnitt.
Ich würde natürlich auch keine rassistischen Äußerungen in meinen Texten machen.

Würdest du gegen Nazis rappen?
Bushido: Nö. Ich würde aber auch nicht für Nazis rappen.

Wäre das nicht eine Herausforderung, gegen Nazis?
Bushido: Nein. Warum? Jeder rappt doch gegen Nazis. Und dass ich den Nationalsozialismus, wie er hier in Deutschland gefeiert wurde, nicht unterstütze, ist ja wohl klar. Da muss ich in meiner Musik nicht auch noch ein Statement zu machen. Dass sollte eigentlich für jeden Menschen klar sein, egal ob Schauspieler, Musiker, Klempner oder Bäcker. Aber ich würde auf keinen Fall irgendwelche Gegen-Nazi-Musik machen, das ist völliger Quatsch.

Kommen wir zur nächsten Grenze: Deine Höchstgeschwindigkeit im Auto?
Bushido: Ich bin letztens 307 km/h gefahren, das war schon ein bisschen anstrengend. Ich hatte vor ein paar Jahren auch einen schweren Totalschaden mit der S-Klasse auf der Autobahn… Im Moment liegt mein Limit so bei 240 km/h, wenn die Autobahn frei ist und es nicht regnet. Ansonsten versuche ich mich bei 200-220km/h einzupendeln.

Deine Preisobergrenze für ein Auto?
Bushido: Das kann man so nicht sagen. Wenn es die Notwendigkeit oder den Wunsch gibt, ein Auto zu kaufen, dann ist es nach oben hin egal. Im Moment fahre ich ein Auto, das 200.000 Euro kostet. Ich gehe aber halt auch in Läden, wo da kein Preisschild drauf ist. Dann kaufe ich mir das, oder halt nicht.

Ist Illegalität eine Grenze für dich?
Bushido: Das ist wieder so eine Sache: Was ist illegal?

Ich meine illegal auf Grundlage der deutschen Gesetzgebung.
Bushido: Also, ich muss leider sagen, dass ich für mich die Gesetzgebung in Deutschland oft sehr stark strapaziere.

Aber an die Vorgaben einer Instanz wie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hältst du dich?
Bushido: Mein Verhältnis dazu ist absolut widersprüchlich, ich habe ein ganz anderes Verständnis. Nichtsdestotrotz ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien eine Instanz genau wie die Polizei und es gibt Gesetze. Wenn ich diese Gesetze breche und erwischt werde muss ich mich dem Urteil des Richters natürlich fügen, auch wenn das nicht meiner Meinung entspricht. Das ist auch Pflicht, wenn du in einer Demokratie lebst. Ich lebe hier in Deutschland in einem sehr schönen Land, in einer sehr schönen Demokratie, in einem sehr schönen Sozialstaat, da gehört das einfach dazu, dass man sich teilweise auch an Regeln halten muss.

Wie siehst du die Grenzen, die dir der eigene Körper setzt? Auch nach deinem Bandscheibenvorfall im vergangenen Jahr…
Bushido: Das sind Dinge, auf die man ganz stark achten sollte. Man möchte sich über diese Grenzen immer gerne hinwegsetzen, es gibt auch viele Mittel und Wege, sich darüber hinwegzusetzen, das macht am Ende des Tages aber keinen Sinn. Wenn dir dein Körper sagt, „jetzt ist juut“, dann sollte man sich definitiv auch die Auszeit gönnen, egal wie schwer dir das fällt.

Hast du etwas an deinem Lebensstil geändert?
Bushido: Ich habe noch nie so gesund gelebt wie seit ein paar Monaten. Das kommt mir auch zu Gute. Und irgendwann, wenn du merkst, dass es dir selber besser geht, dann hast du auch extrem Spaß daran, einfach mal kürzer zu treten. Früher musste man mich noch zwingen, in den Urlaub zu fahren, mein Anwalt hat dann immer gesagt: „Ey, du fliegst jetzt in den Urlaub.“ Jetzt gehe ich alle zwei Monate in Urlaub, freiwillig und alles ist gut.

Deine Schlafuntergrenze?
Bushido: Oh, Alter, richtiger Abtörner! Ich merke das auf Tour, wenn ich zu wenig schlafe, ist gleich der ganze nächste Tag im Arsch. Also, ich brauche mindestens 10 Stunden.

Was ist dann das höchste?
Bushido: Alter…. wenn ich in einem lichtleeren Raum schlafe, wo ich keinen Außenkontakt habe, dann kann ich schon bis zu 16 Stunden schlafen. Ich kann aber manchmal auch nur vier Stunden schlafen, wenn es sein muss. Aber normalerweise, wenn ich um 2 oder 3 Uhr ins Bett gehe, man mich schlafen lässt, meine Handys nicht klingeln, dann stehe ich nie vor 12 auf.

Darf man als Rapper Schwäche zeigen?
Bushido: Was ist Schwäche? Körperlich nicht fit zu sein?

Ja, zum Beispiel. Darf man öffentlich eingestehen: „Das war zu viel für mich.“?
Bushido: Klar. Was hat das denn mit Rap zu tun? Die Rapper sind eh die Schlimmsten.

Rapper geben sich aber immer sehr stark, wenn man sich die Videos anschaut…
Bushido: Ja, aber je mehr du dich aus dem Fenster rauslehnst, desto schneller kannst du rausfallen. Wenn ich mich jedes Mal im Video mit geilen Autos zeige, und dann würde herauskommen, dass ich keinen Führerschein habe, das wäre schon ein bisschen peinlich. Aber wenn du eine Tour verschieben musst, weil du krank bist oder einen Bandscheibenvorfall hast, das ist doch kein Problem.
Am Ende des Tages geht es um deine eigene Gesundheit, dein eigenes Wohlbefinden – lass die anderen ruhig reden. Am Ende geht jeder mit sich selber schlafen. Wenn man dann nicht zufrieden ist, ist das schlimmer als wenn einem andere irgendeine Schwäche anhängen wollen.

Eminem sagte mal in einem Interview, als er über seine Medikamentensucht sprach, man dürfe im Rap-Business keine Schwäche zeigen…
Bushido: Mag sein, ich sehe das anders. Die Diskussion gab es auch schon nach dem Selbstmord von Robert Enke. Da wurde gesagt, im Fußball dürfe man nicht schwul sein. Aber das ist doch alles scheiß egal! Du kannst machen, was du willst, du kannst schwul sein, nicht schwul, nach einer Bandscheibe auf der Bühne rappen – das ist doch alles vollkommen egal. Wer macht denn die Regeln fest? Wer verbietet dir denn, schwach zu sein?

Das Business?
Bushido: Das Business sagt das bestimmt, aber das interessiert mich nicht so. Ich bin mein eigenes Business. Ich versuche immer unabhängig und selbstbewusst meine Dinge zu packen. Meine Mutter ist für mich die einzige moralische Instanz, dazu noch ein paar sehr gute Freunde, die mir sagen könnten, dass das, was ich gerade mache, nicht richtig ist. Aber das kann bestimmt kein Rapper, kein A&R von Universal oder Sony und leider auch kein Fan, der mich vielleicht wegen irgendeiner Sache scheiße findet.

Deine extremste Grenzerfahrung?
Bushido: Das waren so ganz komische Erlebnisse auf Drogen, da habe ich kein Bock mehr drauf. Ich habe deswegen auch komplett mit Drogenkonsum aufgehört.

Was ist mit Zigaretten, Alkohol?
Bushido: Nein, ich rauche nicht, ich habe auch nie Alkohol getrunken. Ich habe früher Drogen genommen, sehr viel gekifft, ich habe gekokst, Ecstasy gefressen, LSD, alles, was es so gibt – aber das ist komplett vorbei. Ich esse jetzt lieber eine Weintraube als dass ich einen Joint rauche. Das ist vielleicht auch wieder eine Form von Schwäche, aber ich sehe da ganz geradeaus. Ich habe meine Vorstellung, was ich möchte und was nicht und ob das jemand anderes als Schwäche auslegt ist mir vollkommen egal.

Du machst also jetzt deinen Job, willst aber ansonsten deine Ruhe haben…
Bushido: Ich gehe raus auf die Bühne, mache zweieinhalb Stunden Show, komme runter und das erste, was ich bekomme, ist mein Tee, mit viel Ingwer drin. Auf meiner Thermoskanne steht „Bushido“ drauf und die trage ich dann durch die Gegend. Ich treffe mich mit Kids, mache ein paar Fotos, meistens aber auch nur mit Kindern, die aus Vereinen kommen wie „Wünsch dir was“, die sich um kranke Kinder, Waisenkinder oder sozial schwächer gestellte Kinder kümmern. Mit denen treffe ich mich nach den Konzerten, wir machen Autogramme, Fotos, quatschen noch ganz kurz, dann gehe ich duschen und danach ins Bett. Ich habe auf dieser Tour noch nicht ein einziges Mal gevögelt, es sei denn, es war meine Freundin. Auch der große Gangbang-Bus ist gestorben. Ich merke zwar, wenn der Bus wackelt, aber ich bin nicht der ausschlagende Punkt für dieses Erdbeben.

Wo ist deine wilde Seite hin?
Bushido: Keine Ahnung. Am Ende des Tages zählt nur, ob es dir selber gut geht. Ich fühle mich im Moment gut, ich habe mich damals auch gut gefühlt, es hat alles Spaß gemacht. Meine Prioritäten sind einfach gewandert, ich möchte jetzt eine Familie gründen, dazu musst du dich auch vorbereiten, sowohl seelisch als auch wirtschaftlich. Du musst deinen Kindern was bieten können, du musst sie ernähren können. Das alles führt irgendwann zu dem Punkt, dass du bestimmte Dinge halt nicht mehr machst.
Ich habe alles gemacht, ich kann darauf zurückgucken und es ist alles cool.

Gibt es auch Dinge, auf die du heute zurückblickst und sagst: „Das war ein Fehler.“?
Bushido: Nein. Na klar gibt es Fehler, die ich gemacht habe, Sachen, die nicht richtig waren. Sicherlich. Ich bereue sie am Ende des Tages aber nicht, weil entweder ist die Strafe abgelaufen oder ich habe sie abbezahlt. Ich wurde jetzt wieder wegen einer Beleidigung zu 22.000 Euro Strafe verurteilt – das ist auch Scheiße. Aber dann bezahle ich und dann ist es wieder vorbei. Da muss ich dann halt wieder einen Tag auftreten, ziehe davon die Strafe ab und habe immer noch 40.000 in der Tasche.
Klar, es gibt es viele Dinge, wo ich jetzt im Nachhinein sage: Ich würde es in Zukunft vermeiden.

Zum Beispiel die Verwendung von Material anderer Musiker, wofür du verklagt wurdest…
Bushido: Ja, aber nur weil ich verklagt werde, heißt das nicht, dass der Sachverhalt schon klar auf dem Tisch liegt. HipHop hat davon gelebt, dass man sich gegenseitig sampelt. Nichts desto trotz muss das dementsprechend vergütet werden. Und weil ich wirtschaftlich so stark bin kommen auch alle erst mal zu mir. Weil die Leute halt wissen, dass, wenn mein Name im Spiel ist, auch immer Geld fließt. Du glaubst doch nicht, dass einer zum Beispiel bei Farid Bang wegen eines Samples an die Tür klopft um 400 Euro Lizenzgebühr zu kriegen. Die kommen dann zu mir.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Bushido: Ich wäre gerne Batman. Der ist cool. Superman finde ich voll affig. Aber ihr werdet lachen… Damit ihr seht, was ich so gucke (holt zwei DVDs aus einer Einkaufstüte): „Spongebob“ und – der absolute Knüller – „Princess of Power“. Das ist die Schwester von He-Man, Alter!

Für den Tourbus.
Bushido: Ja. Ich bin damals damit groß geworden, jetzt habe ich mir die einfach noch mal geholt.      

Ein Kommentar zu “Ich bin mein eigenes Business.”

  1. DADüüm |

    WOw*-*

    Du bist ja ganz andars als in dein Songs..:D
    schööönn*-*

    Antworten

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