Désirée Nick

Die Ersatzbank ist die reinste Sonnenbank.

Kabarettistin Désirée Nick über die WM-Euphorie, Frauen und Fußball, aufgehübschte Spieler und warum jeder Fußballprofi Humor haben muss

Désirée Nick

© RTL

Frau Nick, wie gefällt Ihnen die derzeitige WM-Euphorie in Deutschland?
Nick: Die Gefällt mir gut, vor allem, dass sich die Deutschen nicht mehr schämen, eine schwarz-rot-goldene Fahne zu schwenken. Besonders für die jüngere Generation finde ich das wichtig: wenn man die in 30-40 Jahren nach ihrer Jugend fragt, ist das heute eine Sache, die ihnen immer in Erinnerung bleiben wird, so eine WM hinterlässt ganz prägende Eindrücke. Und ich finde es gut, dass durch die WM das Bild der Deutschen in der Welt etwas korrigiert wird. Die Leute, die hierher kommen, finden jedenfalls ein wunderbares Land und wunderbare Menschen vor.

Sie sind aktuell als Fußball-Kolumnistin für das RTL-Magazin "Punkt 12" und die "Bild am Sonntag" tätig – wie weit geht eigentlich ihr persönliches Interesse am Fußball?
Nick: Dieses Interesse war bei mir überhaupt nicht vorhanden. Aber da ich einen Sohn habe, der im Fußball-Verein ist und ich dann auch sonntags früh um 8 Uhr zu Auswärtsspielen antreten muss, weiß ich, was es heißt, Fußball zu spielen. Dagegen sind die vier Wochen WM eigentlich fast Erholung, weil das wirkliche Leben im Fußball sieht ja völlig anders aus, als das, was wir in diesen sonnigen vier Wochen erleben. Leben im Fußball bedeutet, dass man sonntags früh raus muss, auch wenn es kalt ist und wenn man sich im Matsch einen abfriert, auch wenn es regnet, die Kinder spielen ja trotzdem.

Sie haben also Verständnis dafür, dass viele Frauen Aversionen gegen Fußball haben?
Nick: Ja, auch weil die Männer den Sport benutzen, um sich dahinter zu verstecken. Sport ist für Männer prinzipiell die beste Entschuldigung. „Tut mir Leid, ich muss jetzt Fußball gucken, habe jetzt keine Zeit, ich muss zum Sport“, Thema beendet. Das ist generell ein fantastischer Deckmantel, hinter dem man alles verstecken kann.

Und was raten Sie Frauen, die ihre Männer während der WM nicht mehr vom Fernseher wegbewegen können?
Nick: Die sollten genau auf diese Weise ihre eigenen Interessen verfolgen. Wenn ich Ballett-Fanatikerin bin oder Häkelklub-Fanatikerin, dann würde ich das mit genau der gleichen Penetranz durchziehen. „Tut mir Leid, ich kann jetzt kein Bier holen gehen, ich kann auch keine Würstchen fürs Grillen holen, weil ich muss jetzt zum Handarbeitskreis“. Viele Frauen ordnen sich da viel zu sehr unter und am Ende tun sie sogar so, als würde sie das Ganze interessieren. Das ist dann die pure Verzweiflung.

Hat die WM auch Vorzüge für Frauen?
Nick: Ja, sie haben mehr Freizeit, mehr Zeit für ihre Affären, weil die Männer gar nicht mehr mitkriegen was läuft. Wenn einer in vier Wochen 64 Spiele guckt, dann könnten sie dem auch eine Video-Kassette einschieben und der würde es nicht merken. Da können die Frauen beruhigt ihren Liebschaften und ihrem Eigenleben nachgehen, ohne dass sie irgendjemand vermisst.
Und wenn die WM vorbei ist, werden die Männer wahrscheinlich vor lauter Verzweiflung anfangen, Frauen-Fußball zu gucken.

Gucken Sie Frauenfußball?
Nick: Nein, überhaupt nicht. Ich finde, wenn man Oberlippenbärte, unrasierte Beine, dreckige Stutzen und Vokuhilas sehen will, dann soll man Frauenfußball gucken. Die Männer dagegen sind ja inzwischen alle hübsch und gepflegt, die Ersatzbank ist bei denen ja die reinste Sonnenbank, ich finde, die sehen alle todchic aus. Das sind heute keine dreckigen Kerle mehr, wie vielleicht Rudi Völler damals, sondern das sind heute richtig aufgehübschte Jungs.

Ist Fußball für eine Kabarettistin eigentlich ein ergiebiges Feld?
Nick: Ja, ich habe mit meiner Arbeit als Fußball-Kolumnistin ein fantastisches neues Betätigungsfeld gefunden. Ich hätte nie gedacht, was der Fußball alles hergibt, gerade für mich mit meiner große Fußball-Ahnungslosigkeit.

Sie haben für die WM also keine große Recherche-Arbeit betrieben?
Nick: Nein, da würde ich doch meine Komik kaputtmachen, wenn ich auf einmal ganz viel darüber wissen würde – ich bin ja keine Fußballberichterstatterin. Meine Fallhöhe kommt ja dadurch zustande, dass ich weniger weiß als andere. Sprich, wenn sie Michael Ballack in ein Ballett-Kostüm stecken, ist das bestimmt komisch. Aber wenn der dann anfängt, ernsthaft zu trainieren und musikalisch zu werden und vielleicht noch richtig zu tanzen – dann geht doch der Witz dabei verloren. Insofern will ich mit meine Naivität gegenüber dem Fußball bewahren.

Nun kann man mit Fußballern auch nicht scherzen wie man will, wie das Beispiel Lukas Podolski zeigt, der gegen eine Satire des Radiosenders „EinsLive“ mit einer Unterlassungsklage vorgegangen ist. Können Sie das nachvollziehen?
Nick: Ja, ich kann das gut verstehen, weil Lukas Podolski ein sehr schlauer, ausgeschlafener und ausgefuxter Junge ist. Er wurde mit dieser Satire auf ein ganz falsches Gleis gesetzt, was ihm als Person überhaupt nicht entspricht. Der ist ja nicht dumm, das ist eine völlig falsche Fährte und da ist kein Fünkchen Wahrheit dabei. Deswegen wehrt er sich dagegen

Müssen Fußballer aber nicht eine gewisse Portion Humor haben?
Nick: Also, Menschen, die so hart arbeiten, die ihre ganze Kindheit im Freien auf dem Fußballplatz verbracht haben, bei jedem scheiß Wetter, denen die Bälle auch mal ein paar Zähne weggeschlagen haben – die haben immer Humor. Ich denke eher, dass die Leute, die am Schreibtisch sitzen und in ihrer Bequemlichkeit zu allem ihren Senf dazugeben müssen, dass die keinen Humor haben. Aber harte Arbeiter, Bauarbeiter, Fußballer – zumal von der Kategorie, dass sie sich bis in die Nationalmannschaft durchgebissen haben – die haben so oft mit ihrem Gesicht im Matsch gelegen, dass sie auf jeden Fall Humor haben müssen. Sonst würden sie diesen Job nicht machen.

Glauben Sie, die deutsche Nationalmannschaft würde es auch mit Humor nehmen, wenn sie es nicht bis ins Finale schafft?
Nick: Ja, ich glaube, die sind übern Berg. Das was für Klinsmann zur Blamage hätte werden können, ist vorbei, diese Klippe ist umschifft. Wenn die Mannschaft im Halbfinale rausfliegt ist das immer noch ein ehrenvoller Abgang, weil da treten sie ja gegen Weltklasse-Mannschaften an. Da spielt jetzt auch Glück eine wahnsinnig große Rolle, und die psychische Verfassung. Denn gut sind die ja alle.

Wenn die deutsche Mannschaft ins Finale kommen sollte, kleiden Sie sich dann auch schwarz-rot-gold?
Nick: Nein, ich habe mir inzwischen ein viel schärferes Outfit zugelegt, so einen ganz tollen Jeans-Look. Jetzt wo wir gerade so einen tollen mediterranen Sommer haben, verführt das natürlich auch dazu, mal so richtig die Fußballschlampe raushängen zu lassen. Das macht mir großen Spaß.

Sie malen sich auch kein schwarz-rot-gold auf die Wange?
Nick: Nein, ich bin ja sehr individualistisch und keine Nachmacherin. Sich die Fahne auf die Wange zu malen, das ist für mich schon durch. Ganz Deutschland rennt ja inzwischen in schwarz-rot-gold rum, selbst die Leute, die keine Flagge haben: Goldenes Bier in der Hand, dazu der rote Sonnenbrand und schwarze Zehennägel in den bequemen Schlappen.

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