Jan Josef Liefers

Ich finde nichts langweiliger als Gespräche über Geld.

Gerade hat Jan Josef Liefers mit seiner Band das Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ veröffentlicht, am Sonntag war er wieder im Münster-„Tatort“ zu sehen. Im Interview spricht Liefers über die Party zu seinem 50. Geburtstag, Mainstream im Radio und TV, problematische Witze im „Tatort“ und den Vorteil des Motorradhelm.

Jan Josef Liefers

© Planet Interview

Herr Liefers, was für Musik lief auf Ihrer Geburtstagsparty Anfang August?
Liefers: Meine Frau Anna hat mit ihrer Band gespielt, ich mit meiner, Rea Garvey hat einen Song extra für diesen Tag geschrieben – es gab also viel Live-Musik. Und es haben zwei DJs aufgelegt, richtig „Disse“ und die Leute haben dazu tierisch abgehottet.

Es war also alles ganz nach Ihrem Musikgeschmack…
Liefers: Ich bin Musik gegenüber komplett offen. Abgesehen von Schlager und Volksmusik, das hören Sie bei mir nicht. Aber ansonsten verliere ich mit zunehmenden Alter immer mehr ideologische Schranken.

Als Musiker sind Sie noch nicht in dem Maße bekannt wie als Schauspieler. 2002 gab es sogar mal einen Eintrag in einem Musikforum mit der Überschrift „Who the fuck is Jan Josef Liefers?“…
Liefers: Das kam damals durch unser Konzert bei „Rock am Ring“. Sie müssen sich vorstellen: Wir waren eine taufrische Band, wir hatten noch nie vor Leuten gespielt, sondern nur im Proberaum –  und unser erstes Konzert fand nicht in irgendeinem Keller vor zwölf Zuschauern statt, sondern auf der Center Stage von Rock am Ring. Einer der Organisatoren hatte unser englisches Album gehört und uns dann den Auftritt ermöglicht. Es war nachmittags, das Publikum wirkte noch etwas verschlafen, krochen irritiert aus den Zelten und keine Sau wusste, wer da jetzt gerade auf der Bühne steht und Musik macht.

Wünschen Sie sich das heute auch noch manchmal? Dass die Leute Sie nur als Musiker auf der Bühne sehen, unbeeinflusst von Ihrer TV-Prominenz?
Liefers: Ja, das wäre eigentlich die Idealvorstellung. Ein Grund mehr, aus dem ich dafür war, dass unsere Band einen neuen Namen kriegt: Radio Doria. Früher hießen wir „Jan Josef Liefers & Oblivion“ – dass da mein Name drin stand, hat mich immer gestört. Natürlich wünschst du dir eine vorurteilsfreie Begegnung mit dem, was du machst. Aber in meinem Fall geht das fast nicht mehr.

Bedauern Sie das?
Liefers: Es hat auch Vorteile. Und es ist okay. Ich bin nun schon einige Jahre Schauspieler, und manche Leute haben einfach ihre Meinung. Interessant ist, dass sich manchmal sogar Menschen zu Wort melden, die mir noch nie persönlich begegnet sind, nie auch nur ein einziges Wort mit mir gewechselt haben, aber genau wissen, wie ich in Wahrheit ticke. Die haben haben einen aus der Ferne durchschaut und nichts kann sie von ihrem Urteil abbringen. Das ist schon abgefahren. Das kann man aber getrost vernachlässigen.

Haben Sie die Band früher eigentlich durch Filmprojekte querfinanzieren müssen?
Liefers: Nein. Die Musiker meiner Band sind Profis, die müssen davon leben. Und wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das jetzt nicht machen, um die Freizeit totzuschlagen, sondern wenn, dann machen wir das richtig. Wir gehen auf Tour, da kann man Karten kaufen und die Einnahmen werden in der Band verteilt.

Jan Josef Lieders mit Band Radio Doria © Michael Zargarinejad / Universal Music

Jan Josef Lieders mit Band Radio Doria   © Michael Zargarinejad / Universal Music


Wie wichtig ist es für Sie, mit der Band erfolgreich zu sein?
Liefers: Ich glaube, dass Sachen, die gut sind, auch gute Folgen haben. Das heißt: So lange die Stimmung in der Band gut ist, so lange wir uns freuen, miteinander unterwegs zu sein und Musik zu machen, so lange werden wir auch eine Publikum finden, das sagt: „Find ich gut.“ Das ist doch schon ein Erfolg. Es gibt ja auch Bands, die viel erfolgreicher und viel bekannter sind als wir, und die sich quälen müssen, um miteinander auf eine Bühne zu gehen.

Haben die Charts einen Reiz für Sie?
Liefers: Die Musik-Charts kommen mir so ein bisschen vor wie die Einschaltquoten im Fernsehen. Es wird ermittelt, wie erfolgreich eine Sache ist, im kommerziellen Sinn. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn von uns ein „Tatort“ 13 Millionen Zuschauern hatte, dann ist damit ja auch noch nichts darüber gesagt, ob das jetzt ein besonders guter Tatort war, oder nicht. Kommerzieller Erfolg ist gut, aber nicht alles.

Zitiert

Ich bin ein Kind des Zeitgeistes.

Jan Josef Liefers

Schauen Sie sich die „Tatort“-Quote immer an?
Liefers: Das ist unvermeidlich. Wenn die Zahlen am Montagmorgen veröffentlicht werden, bekomme ich bestimmt sechs, sieben SMS. Und da steht nicht drin „Gratuliere zu dem tollen Film“ sondern „Gratuliere zu der irren Quote“.

Wer gratuliert Ihnen zur Quote?
Liefers: Leute aus dem Sender zum Beispiel. Auch mal Journalisten oder einfach Kollegen.

Aber der Sender ist doch gar nicht angewiesen auf die Quote.
Liefers: Nicht in Bezug auf die Kohle. Aber die öffentlich-rechtlichen Sender argumentieren so: Wir sind gebührenfinanziert und die Einschaltquote gibt uns Auskunft darüber, ob wir unser Publikum erreichen, das ja immerhin die Gebühren an uns zahltund deshalb auch ein Recht darauf hat, gut unterhalten zu werden. Theoretisch könnte den öffentlich-rechtlichen die Quote egal sein, aber der Gedanke ist, dass die Gebührenzahler auch ein Anrecht auf ein Programm haben, das ihnen gefällt. Wir können nicht ein Programm machen, das keine Sau interessiert. Und dem gegenüber steht der Bildungsauftrag. Das Kunststück besteht also darin, Bildung und kulturellen Anspruch so zu verpacken, dass es auch unterhaltsam ist.

Gibt es da eine Art Verantwortungsgefühl, weil Ihre „Tatort“-Gage gebührenfinanziert ist?
Liefers: Ich zahle doch auch GEZ. Nein, mein Verantwortungsgefühl hat mit Geld nichts zu tun. Das hat für mich immer nur mit der Arbeit zu tun. Ich habe früher auch mal Sachen nur für die Kohle gemacht. Aber ich habe das dann immer bereut, es ist nie was gutes dabei herausgekommen.
Heute bin ich in der privilegierten Situation, dass ich mir die Dinge ein bisschen aussuchen kann, von zwölf Drehbüchern kann ich im Jahr acht locker absagen. Das ist meine Verantwortung: Nicht das zu machen, was die meiste Kohle bringt.

Wenn man sich das leisten kann – wunderbar!
Liefers: Manchmal sitze ich am Ende des Jahres mit meinem Management zusammen, und dann rechnen wir spaßeshalber mal aus, was wir alles abgesagt, also wie viel wir nicht verdient haben. Da treten uns manchmal kurz die Tränchen in die Augen. Aber was bleibt, ist ein schönes Gefühl von innerer Freiheit und Unabhängigkeit. Ich finde nichts langweiliger als Gespräche über Geld. Das war schon immer so, auch als mein Konto chronisch im Minus war. Ich treffe ja manchmal auch Leute, die aus der Wirtschaft kommen. Und da gibt es einige, die nur über Geld reden. Das sind für mich die langweiligsten Menschen der Welt.

Jan Josef Liefers beim Interview   © Planet Interview

Jan Josef Liefers beim Interview © Planet Interview


Eine Sendung wie der „Tatort“ will bzw. muss stets aktuell sein, weshalb aktuelle Themen aufgegriffen werden, in „Mord ist die beste Medizin“ beispielsweise geht es um gefälschte Medikamente. Versuchen Sie das auch mit der Band, einen „aktuellen“ Sound zu spielen?
Liefers: Ja, aber auch nicht zwanghaft. Es ist eine Geschmackssache. Und es gibt das berühmte Problem der „Radiosingle“. Das ist für mich immer wieder verblüffend: Da hast du einen Hammer-Song geschrieben, alle Freunde von dir finden den toll, sogar der Musikredakteur sagt, dass er es mag, aber dann heißt es: Können wir nicht spielen, das wollen unsere Hörer nicht. Der Musiker lernt schmerzlich, dass sein Hammer-Song also nicht nur gut, sondern auch „radiokompatibel“ sein muss. Zeitgeist.
Liefers CoverDas hat uns aber nicht abgeschreckt. Ich bin ja selbst so ein Kind des Zeitgeistes. Auch dass ich als Schauspieler relativ erfolgreich bin, hat damit zu tun. Offenbar passt was und wie ich es tue zum Zeitgeist. Wie muss Musik klingen, damit sie heute im Radio läuft? Das ist am Ende eine ganz professionelle und durchaus auch handwerkliche Frage.

Gibt es da eine Parallele zur TV-Quote?
Liefers: Ja. Für Fernsehsender wie für Radiosender ist es das Schlimmste, wenn jemand wegschaltet. In den Köpfen der Verantwortlichen ist das der Supergau. Wenn 500 Leute im Sender anrufen und sagen „Super!“, dann ist das schön – aber wenn fünf anrufen, und sagen „das ist Mist“, dann wiegen diese fünf, die vielleicht wegschalten könnten, mehr als die 500, die es gut finden. Das ist schon irritierend. Die Konsequenz daraus ist, dass man versucht, es allen recht zu machen. Und daraus entsteht dieser stromlinienförmige Mainstream, der versucht, allen zu gefallen. Das ist natürlich das Gegenteil einer künstlerischen Aussage, die gerne polarisieren darf. Kunst und Kommerz, ein altes Thema. Es ist immer ein Dilemma, wenn man seine Kriterien außerhalb des eigenen Geschmacks suchen muss.

Ist der „Tatort“ Mainstream?
Liefers: Die Marke Tatort sicher, aber nicht jeder „Tatort“ muss das erfüllen. Es gibt unter den Tatorten immer wieder welche, die stark polarisieren. Auch der Münster-Tatort war in seiner Anlage eher speziell und sehr anders, als die anderen. Das hätte auch nach hinten losgehen können. Und man machte sich entsprechende Sorgen. Beim Münster-„Tatort“ wurde zum Beispiel noch bis eine Woche vor dem ersten Drehtag darüber debattiert, ob es die kleine Alberich im „Tatort“ als Figur wirklich geben soll und ob Boerne über diese Figur Witze machen darf. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Sender keine einfache Entscheidung.

In der Folge „Mord ist die beste Medizin“ gibt es einen Witz über Taubstumme.
Liefers: Witz ist nicht gleich Witz. Es kommt auf die Situation und das Motiv an. Darf man über Krebs Witze machen? Generell würde ich sagen: Na klar. Begrenzen kann das nur das eigene Stilgefühl und der gute Geschmack. Und wenn einer was dagegen hat, ist das doch nicht so schlimm. Es ist ja nur ein Film. Wenn man nichts wagt, gewinnt man auch nichts. Der Münster-„Tatort“ jedenfalls ist nicht so erfolgreich geworden, weil man gesagt hat, „wir machen alles auf Nummer sicher“.

Als das ZDF im Juli „Deutschlands Beste“ kürte, landeten Sie auf der Rangliste der „besten Männer Deutschlands“ ’nur‘ auf Platz 44.
Liefers: Eine Schnapszahl, immerhin.

Aber hinter Frank Elstner, Claus Kleber und James Last.
Liefers: Ach, war das die Sendung, wo die Rangliste frisiert war? Hm, wenn ich in die Sendung eingeladen worden wäre und zugesagt hätte, dann wäre ich wahrscheinlich ein bisschen weiter nach vorne jongliert worden. (lacht) Ich habe diese Rankings noch nie verstanden, ich habe da auch immer so meinen Verdacht gehabt.

Wie sich herausstellte, gab es bei den öffentlich-rechtlichen mehrere verschobene Rankings, insbesondere in den dritten Programmen. Sind Sie dennoch überzeugter Gebührenzahler?
Liefers: Ja. Das bin ich. Weil das eine einzigartige Weise ist, sich etwas zu finanzieren, was es in der Welt fast überhaupt nicht mehr gibt. Ich gebe gerne Geld aus für Sachen, die was taugen. Und in Hinsicht auf künstlerische Qualität und interessante Themen sind die öffentlich-rechtlichen, auch was Filme angeht, einfach vorne. Man findet in der ARD oder im ZDF um 22.30 Uhr oft tausend mal interessantere Dinge als im Kino. Und das Schöne dabei ist: In dem Moment, wo ich Gebühren zahle, habe ich auch das Recht, mich aufzuregen. Zum Beispiel, wenn ich mir angucke, was nachmittags in den öffentlich-rechtlichen Sendern abgeht, das ist manchmal wirklich unterirdisch.

Auf Privatsendern waren Sie bislang seltener zu sehen…
Liefers: Ich selbst arbeite hauptsächlich für die öffentlich-rechtlichen, weil von denen die interessanteren Stoffe kommen. Das würde sich ändern, wenn es plötzlich hieße: „Ihr müsst ab jetzt sehen, wo Barthel den Most holt, ihr müsst euch selbst finanzieren!“. Qualitätsfernsehen kostet Geld, in anderen Ländern bekommt man das längst nur noch über Bezahl-Sender.
Also, ich finde das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gut, auch wenn ich höre, dass es hier und da reformiert oder anders aufgesetzt werden müsste. Man kann alles verbessern. Aber zum Glück bin ich da kein Fachmann.

Sie sind als Schauspieler sehr beliebt. Was tun Sie, um sich nicht auf den hohen Sympathiewerten auszuruhen?
Liefers: Ich arbeite einfach. Sympathiewerte – so was blende ich komplett aus. Das ist mir zu abstrakt.

Aber dass Sie die Rangliste der beliebtesten „Tatort“-Ermittler mit Axel Prahl seit einiger Zeit anführen, das macht sich doch sicher mal bemerkbar.
Liefers: Hm, wo merke ich das? Ja, neulich zum Beispiel musste ich ins Flugzeug steigen, hatte aber meine Brieftasche zuhause vergessen. Also konnte ich meinen Personalausweis beim Einchecken nicht vorlegen. Die haben mich aber trotzdem mitgenommen, der Mann am Schalter sagte: „Ich kenne Sie, ich weiß was Sie machen, finde ich super.“ So etwas passiert mir manchmal. Oder dass ich getankt habe, aber leider nur noch fünf Euro in der Tasche hatte. Da hat dann der Tankwart gesagt: „Ist ok, zahlst du beim nächsten Mal.“ Es kommt auch vor, dass Leute auf der Straße zu mir sagen: „Sie hatten doch vor zwei Tagen Geburtstag.“ Das haut mich immer um, weil ich mir denke, dass die Menschen ja ihre eigenen Probleme haben. Aber die wissen, dass du am 8. August Geburtstag hast und gratulieren dir auch noch dazu.

Wie erklären Sie sich, dass Sie auf viele Leute sympathisch wirken?
Liefers: Kann ich nicht sagen. Da will ich auch nicht drüber nachdenken. Wenn man das wüsste, würde man das Sympathische vielleicht verlieren.
Kann man das überhaupt erklären? Ich kenne das selber auch: Manche Menschen sieht man jeden Tag, aber der Funken will nicht überspringen. Dann treffe ich einen Menschen zum allerersten Mal, aber ich habe sofort das Gefühl, man kennt sich seit Ewigkeiten und kann super miteinander quatschen. Warum mir diese Person dann so sympathisch ist? Keine Ahnung.

Probieren Sie manchmal, sich in der Öffentlichkeit incognito zu bewegen?
Liefers: Ich fahre gerne Motorrad und ein Teil des Spaßes ist, dass mit dem Helm auf dem Kopf niemand weiß, wer man ist. Und ich gehöre zu denen, die sich, wenn sie es eilig haben, an der Ampel gerne mal an einer Schlange Autos vorbeischlängeln. Da passiert es dann manchmal, dass mir ein Autofahrer ein „Ey, du Arschloch“ hinterher ruft. Das würde er vielleicht nicht so erfrischend formulieren wenn er wüsste, wer unter dem Helm steckt.

Zum Schluss: Sie sind gelernter Tischler. Haben Sie bei sich zuhause noch selbstgebaute Möbelstücke?
Liefers: Ein komplett selbst gebautes Möbelstück bei mir zuhause? Nur den Tisch in meinem Studio, der musste selbstgebaut werden, wegen der Technik, die er aufnehmen sollte. Ansonsten würde ich lieber keine Möbel bei mir bestellen. Tischlern habe ich ja damals am Theater gelernt, mein Gesellenstück war ein Thron. Aber den durfte ich nicht mitnehmen.

Ein Kommentar zu “Ich finde nichts langweiliger als Gespräche über Geld.”

  1. Malte |

    Ich finde nichts langweiliger als Herrn Buhres Gespräche über die TV-Quote.

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