Josefine, vor Kurzem war Weltfrauentag – freust du dich da über Blumen oder Geschenke?
Josephine Preuß: Ach, ich finde nicht, dass man den Weltfrauentag oder Valentinstag braucht, um etwas geschenkt zu bekommen. Ich nehme solche Feiertage nicht allzu wichtig. Wir haben ja auch nicht das Ritual wie beim Herrentag, mit dem Bollerwagen und mit Flieder geschmückt durch die Stadt zu ziehen. Ich würde wahrscheinlich mit meiner besten Freundin einen Spa-Tag machen oder Ähnliches.
„Die Hebamme“ ist nach „Die Pilgerin“ ein weiterer Historienfilm mit dir. Ist es dir wichtig, dass die entsprechende Zeit im Film möglichst authentisch bzw. geschichtsgetreu wiedergegeben wird?
Preuß: Na klar! Wenn man sich an historischen Stoff heranwagt, kommt es natürlich auf die Machart an, aber angenommen, man möchte realistisch bleiben, dann orientiert man sich schon so weit wie möglich an Überlieferungen, Vorlagen und Augenzeugenberichten. Das versucht man im Set, in der Ausstattung, in Kostüm und Maske wiederzugeben. Ich finde das immer gut, historisch relativ realistisch zu erzählen.
Inwieweit kannst du als Schauspielerin daran mitwirken? Oder ist es nur eine Frage der Requisite?
Preuß: Wir als Darsteller sollten uns immer bewusst sein, in welcher Zeit wir uns befinden. Man hat sich früher definitiv anders bewegt, auch anders gesprochen. Die Sprache ist noch mal ein ganz eigenes Thema, ob man in historischen Stoffen moderne Sprache benutzt oder versucht, es realistisch alt zu machen.
Es herrschten auch ganz andere Umgangsformen. Die Frau hatte noch nicht die Stellung wie heutzutage. Damals ist sie, gerade wenn sie aus einem unteren Stand kam, einen Schritt hinter dem Mann gelaufen. Solche Dinge muss man wissen.
So langsam müssen sich die Männer mal wieder emanzipieren.
„Die Hebamme“ spielt im 18. Jahrhundert, was war damals überhaupt positiv an der Rolle der Frau?
Preuß: Das kann man nicht so schwarz-weiß sehen, es war nicht negativ oder positiv, generell hatte die Frau einfach einen anderen Stand. Keine Frau hat damals gearbeitet. Selbst die freischaffenden Hebammen auf dem Land im auslaufenden 18. Jahrhundert standen ganz stark unter der Fuchtel der Kirche. Die Kirche hatte früher aber generell viel mehr Einfluss, sie hat vorgegeben, was Gut und Böse ist und danach haben die Menschen sich gerichtet. Es gab immer schon starke und mutige Frauen, sie haben nur damals noch nicht so sehr ihre Stimme erhoben. Aber weil es sie damals gab, haben wir heute die Möglichkeit, auch in Machtpositionen zu gelangen.
Haben wir die Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft überwunden?
Preuß: Ich finde, wir reden heute viel zu oft über die Frauenquote und all diese Sachen – so langsam müssen sich die Männer mal wieder emanzipieren. (lacht)
Wie meinst du das?
Preuß: Männer dürfen Männer sein, auch heute noch. Ich kann nichts mit diesem metro-sexuellen Gelaber anfangen. Lasst mal die Frauen Frauen sein und die Männer Männer und dann ist gut. Es gibt ja Gleichberechtigung, wir Frauen sind heute ein Stück weiter. Lasst jetzt mal wieder die Männer vor! (lacht)
In „Die Hebamme“ finden sich einige sehr extreme Szenen, allen voran die Geburten. Hättest du dir auch vorstellen können, die Rolle der gebärenden Mutter zu übernehmen?
Preuß: Ich bin ganz froh, dass sie mir die Rolle der Hebammen-Schülerin angeboten haben. Ich bin schon mehrfache Film-Mama und deshalb weiß ich: Geburten zu spielen ist sehr anstrengend. Gerade wenn man es selber noch nicht mitgemacht hat. Man muss sich das Lachen schon manchmal verkneifen, wenn man hechelt und presst und atmet und schreit.
Gerade in diesem Film wirken die Geburtsszenen beinahe grausam…
Preuß: Das ergibt sich durch den Inhalt der Geschichte. Wir erzählen vom Fortschritt der Medizin und davon, dass die Geburtenlehre nicht mehr nur in Hebammen-Hand liegt, sondern sich dann auch Mediziner eingeschaltet haben. Es wurden Hilfsmittelchen oder Instrumente eingeführt, wie Wendestäbchen oder die Geburtenzange und es gab die ersten Kaiserschnittversuche. In den Gebärhäusern, in denen damals ehrlose Frauen aufgenommen wurden, von der Kirche Ausgestoßene oder Prostituierte, fanden die Versuche unter teilweise menschenunwürdigen Umständen statt. Das geschah nicht zum Wohl der Schwangeren, sondern ausschließlich, um den männlichen Medizinstudenten zu zeigen, dass die Hebammen anscheinend jahrtausendelang falsch gearbeitet haben. Das waren eben die Anfänge der medizinischen Forschung und dabei ging es nicht immer gut aus. Das wollten wir in dem Film auch nicht beschönigen.
Bei welchen Drehs in der Vergangenheit bist du an deine Grenzen gestoßen?
Preuß: Körperlich an meine Grenzen gestoßen bin ich schon bei „Die Pilgerin“. Dieses ganze Laufen, Fallen, Springen und Kämpfen und das Holzkreuz-Schleppen – ich war noch nicht an der Grenze, aber kurz davor. Bei „Die Hebamme“ kam ich psychisch teilweise an meine Grenzen. Es gab bestimmte Szenen, auch bestimmte Anblicke – zum Beispiel, wenn Leichen vorkommen oder tote Babys im Einweckglas. Wenn man ein gutes Maskenbild hat, dann sieht das verdammt echt aus, da wird einem schon mulmig.
Hast du für dich persönlich Grenzen festgelegt, wie weit du vor der Kamera gehen würdest?
Preuß: Gesundheitsgefährdende Sachen wie starkes Zu- oder Abnehmen für eine Rolle sind totaler Quatsch.
Matthew McConaughey hat ja gerade den Oscar für eine Rolle bekommen, für die er rund 20 Kilogramm abnahm…
Preuß: Für mich gilt trotzdem: Alles, was die Gesundheit gefährdet, auf gar keinen Fall – das ist keine Rolle wert! Das ist ein falsches Signal. Auch wenn das großartige Hollywoodschauspieler sind und McConaughey ganz verdienterweise den Oscar bekommen hat, finde ich das nicht gut. Es gibt mittlerweile so viele Tricks: ‚Zunehmen‘ kann man mit einem Fatsuit, dünner wird man durch richtig gesetztes Licht, Make-Up oder auch durch die Klamotten.
Und die Grenzen bei Liebesszenen?
Preuß: Bei Liebes- oder Nacktszenen bedarf es einer guten Absprache zwischen Regie, Kamera und mir selber. Wenn es ästhetisch gemacht ist, dann habe ich damit auch gar kein Problem. Und ich weiß ja schon beim Lesen eines Drehbuchs, was auf mich zukäme.
Und wenn es so weit geht, wie aktuell bei der Rolle Charlotte Gainsbourgs in Lars von Triers Film „Nymphomaniac“?
Preuß: Alle, die in so einem Film mitspielen, wollten es so, niemand wird dazu gezwungen. Und wenn bei den Dreharbeiten ein professionelles Umfeld geschaffen wird und sie sich da frei fühlen, kann jeder das machen, worauf er Lust hat.
Stimmt der Eindruck, dass du bei der Wahl deiner Rollen selbstbewusste Frauen bevorzugst?
Preuß: Generell ist es immer schöner, eine Rolle zu spielen, die was zu sagen hat. Ich entscheide mich für die Rollen aber auch aus einem totalen Bauchgefühl: Mag ich die Geschichte, mag ich die Plots, mag ich auch die anderen Figuren? Ist es für mich stimmig und rund? Wer sind die Filmemacher? Klar, man könnte jetzt denken: nach „Adlon“ und „Die Pilgerin“ ist es jetzt wieder eine ähnliche Figur. Trotzdem sind meine Rollen immer anders – zumindest hoffe ich, dass ich sie total verschieden spiele.
Möchtest du durch Ihre Figuren andere Frauen oder auch die Zuschauer allgemein inspirieren?
Preuß: Ich mache Filme, damit sie gesehen werden, aber keine meiner Rollen hat den Zeigefingereffekt. Weder belehre, noch lehre ich. Natürlich versuche ich immer sympathisch in diesen Rollen zu bleiben, jeder soll die Figur verstehen. Eine Figur ist aber auch dann interessant, wenn sie mal scheitert.
In einem Interview zu „Die Pilgerin“ wurdest du zitiert mit den Worten „Mut zur Hässlichkeit – Bitte mehr davon.“ Bezog sich das in erster Linie auf die Rollen oder auch aufs echte Leben?
Preuß: Auf die Rollen! Privat bin ich für absolute Natürlichkeit. Mich stört es, wenn in irgendwelchen Vorabendserien morgens eine Frau aus dem Bett steigt und das Make-Up ist perfekt! Ich weiß doch, wenn ich mich abends nicht abschminke und ins Bett gehe, dann hängt mein Mascara am nächsten Morgen an der Nasenspitze. Es gibt manchmal Leute im Film, wo ich denke: So perfekt sieht in echt keiner aus. Mut gehört dazu, Mut sich einer Figur auch äußerlich anzunähern, wenn es für die Rolle wichtig ist. Wenn im Drehbuch steht „Haare lassen“ oder eine andere Haarfarbe oder man einen Junkie mit schlechter Haut spielt, dann soll man es aber auch machen. Das meine ich mit „Mut zur Hässlichkeit“.
Zur Vorbereitung auf den neuen Film hast du auch mit ausgebildeten Hebammen gesprochen – was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Preuß: Das Lächeln, wenn sie von ihrem Beruf erzählen. Man merkt, dass Hebammen voller Leidenschaft und von Herzen diesen Beruf ausführen. Die haben von jedem Kind, dem sie auf die Welt geholfen haben, noch ein Foto. Das sind oft ein bisschen ihre eigenen Babys. Bei einer Geburt unterstützend dabei zu sein, Leben auf die Welt zu holen und die Eltern danach zu sehen, das muss einfach total glücklich machen.
Aktuell sind die Hebammen auch in den Schlagzeilen…
Preuß: Ja, wegen der neuen Hebammen-Verordnung, die zur Konsequenz hat, dass es bald keine Hebammen auf dem Land mehr geben wird. Wenn ab dem 1. Juni 2015 die freiberuflichen Hebammen die Haftpflichtversicherung verlieren, dann dürfen sie nicht mehr arbeiten. Das ist schlimm! Es geht dabei ja nicht nur um die Geburt, sondern auch um die Vorbetreuung und Nachuntersuchungen.
Ich finde unsere Familienpolitik zurzeit echt zum Kotzen, weil sich alle selbst im Weg stehen und sich nicht bewusst sind, was so eine kleine Entscheidung für Auswirkungen hat. Alle reden davon, dass die deutsche Gesellschaft zu alt wird und wir mehr Kinder brauchen, aber dann wird so was getan. Das ist ganz gefährlich, da stirbt ein kompletter Beruf aus, den es schon seit vielen Jahrtausenden gibt und der wichtig ist für alle, die schon geboren haben oder noch mal werfen wollen. Deshalb kann ich nur dazu aufrufen, im Internet die Petition für die Hebammen zu unterschreiben.
In „Die Hebamme“ wird an einer Stelle versucht, nachträglich zu verhüten, mittels einer Kräutermixtur. Verfolgst du die aktuelle Debatte um die „Pille danach“ und die Frage, ob diese weiterhin rezeptpflichtig bleibt?
Preuß: Das ist ein sehr persönliches Thema. Natürlich kann es aus Dummheit mal passieren, dass man die „Pille danach“ braucht. Aber jede Frau weiß eigentlich, wann sie fruchtbar ist und wenn man nicht regelmäßig die Pille nimmt und an den fruchtbaren Tagen nicht verhütet – selber schuld. Ich fände es gar nicht gut, wenn man die rezeptfrei kriegen würde. Das ist ein ganz schöner Hormon-Booster und den Frauen, die das nehmen, geht es erstmal nicht gut. Das sollte man ärztlich doch ein bisschen kontrollieren.
Und man sollte früher ansetzten – bei der Aufklärung, der Beratung und der Kenntnis über den eigenen Körper. Da gibt es mittlerweile zum Beispiel verschiedene Apps für Frauen, Kalender, wann es so weit ist. Man muss doch wissen, wie der menschliche Körper funktioniert!
Wenn man sich die gesellschaftliche Entwicklung anschaut, spielt Verhütung ja immer früher eine Rolle…
Preuß: Sehr früh!
Du hast vor zwei Jahren im SPIESSER-Interview gesagt, du würdest beobachten, dass alle Menschen „immer frühreifer“ werden – ist das denn trotz allem eine positive Entwicklung?
Preuß: Das kommt ganz drauf an, wer frühreif ist. Wenn ich ein paar Mädels auf der Straße sehe, die definitiv unter 14 sind, sich aber kleiden, schminken und benehmen wie kleine Lolitas, die die Welt schon gesehen haben, dann finde ich frühreif nicht gut. Generell kommt man in unserer Gesellschaft viel früher an pornografisches und gewalttätiges Material und die Generationen, die jetzt ihre Sexualität entdecken, haben ein ganz falsches Bild davon. Was kann man da tun? Aufklären und ein bisschen aufpassen, wohin man im Internet ohne eine einzige Altersabfrage so alles kommt.
Annett Louisan sagte uns im Interview, dass dieses „Früh-Reifen“ heutzutage oft auch mit immer früheren Therapiebesuchen einhergehe. Kannst du das bestätigen?
Preuß: Das weiß ich nicht. Ich bin weder bei einer Therapie, noch habe ich in meinem Umfeld Leute, die da hin müssen. Meine Therapeuten sind dann eher meine Familie und Freunde.
Ist auch die Schauspielerei für dich eine Form der Therapie?
Preuß: Nein! Die Schauspielerei ist mein Beruf, den ich über alles liebe. Meine Rollen sind auf gar keinen Fall dafür da, mein privates Ich zu therapieren oder andersrum. Das trenne ich sehr strikt. Da würde ich ja verrückt werden, wenn ich so arbeiten würde.
Um Therapien geht es zumindest in deinem nächsten Kinofilm „Irre sind männlich“, in dem du deinem Ex-Freund Daniel (Fahri Yardim) empfiehlst, seine Eifersucht zu therapieren.
Preuß: Das macht er dann aber von sich aus. Seine Mutter ist Therapeutin, die wir auch in der ein oder anderen Beziehungskrise zu Rate ziehen. Ich trenne mich dann von ihm, weil er arg klammert und ich damit nicht umgehen kann. Es folgt der typische Turn-Around: Erst wenn man jemanden vermisst, merkt man, was man an ihm hatte. Ich will ihn also zurück, aber unterdessen ist er bei der Therapie und macht da seine ganz eigenen Erfahrungen.
Versuchen wir heute oft zu schnell, die Verhaltensweisen unserer Mitmenschen psychologisch zu analysieren?
Preuß: Also, ich nehme die Leute schon so, wie sie sind, und deswegen mag ich sie oder auch nicht. Was habe ich davon, sie zu analysieren? Gar nichts. Nur zu viele unnütze Gedanken im Kopf.
Deine Rollen machen nicht selten freche Bemerkungen – welche davon hättest du selbst gerne erfunden?
Preuß: Ein Spruch unter meinen Top 3 ist definitiv aus „Türkisch für Anfänger“: Doris klopft an die Tür und sagt: „Kann ich reinkommen oder masturbierst du?“, Lena antwortet: „Nee, ich setz‘ mir grad ’ne Spritze Heroin.“ Das war damals auch die Szene, die wir beim Casting zur Serie spielen mussten. Da war ich ich 17 oder 18 – und wenn ich daran denke, muss ich heute noch lachen.
Der Titel ist echt irreführend. Im Interview kommt Frau Preus recht konservativ rüber. Frauenquote braucht sie nicht. Männer sollen Männer und Frauen Frauen sein. Und Pille danach – na besser doch nicht ohne Rezept.
Was findet sie denn nun an der Frauenpolitik so zum Kotzen ?
Da hätte ich mir etwas investigatives Nachhaken gewünscht.
Im übrigen haben Frauen auch schon im 18. Jahrhundert gearbeitet.
Bin selbst übrigens ein Mann.
Hy I Love you
Du bis echt süß