Frau Ott, Sie haben früher als Malerin bzw. Lackiererin gearbeitet. Was haben Sie auf der Arbeit für Musik gehört?
Kerstin Ott: Ich hatte so ein Baustellenradio, mit dem habe ich immer „N-Joy“ gehört. Auf dem Sender lief viel Chart-Musik, aber das Programm war zum Arbeiten gut, weil es relativ abwechslungsreich war. Die Musik war sehr international, deutsche Musik war da noch nicht so populär wie heute.
Wer waren zu der Zeit Ihre Lieblingsbands?
Ott: Ich kann mich erinnern, dass damals Felix Jaehn sehr oft im Radio gespielt wurde, den mag ich auch gerne hören.
Hatten Sie schon während Ihrer Zeit als Handwerkerin eine künstlerische Ader?
Ott: Ich habe damals Bilder gemalt, ich hatte auch die ein oder andere Ausstellung und war damit relativ erfolgreich, ich konnte einige Bilder verkaufen. Von daher bin ich schon immer ein sehr kreativer Mensch gewesen.
Als Kollegah und Farid Bang auftraten bin ich rauchen gegangen.
Seit wann spielen Sie Gitarre?
Ott: Ich habe mit zehn Jahren angefangen. Damals gab es in meiner Schule einen Kurs, wo ich die ganz einfachen Griffe gelernt habe. Und dann habe ich irgendwann eigene Melodien daraus gemacht. Ich fand es unfassbar cool, wenn ich jemand sah, der mit einer Gitarre auf einer Bühne steht und Lieder singt – das wollte ich auch. Damals habe ich zum Beispiel Musik von Melissa Etheridge gehört. Und von und Tracy Chapman, die höre ich auch heute noch gerne.
Was ist Ihr Eindruck, haben es Frauen heute einfacher im Musikgeschäft als damals?
Ott: Ich glaube, dass sich jeder in seinem Job behaupten muss, das ist im Musikgeschäft nicht anders als im Baugewerbe, wo ich herkomme. Du musst schon Gas geben damit du oben mitspielen kannst. In jedem Job, wo du dir keine Mühe gibst, wirst du auch nichts werden, das ist einfach so.
War denn die Auftragslage bei Ihren männlichen Kollegen besser, gab es Vorurteile gegenüber Ihnen als Handwerkerin?
Ott: Nein, damit habe ich Gott sei dank nichts zu tun gehabt. Viele Aufträge habe ich damals über Mundpropaganda bekommen, von daher schließt sich das ein bisschen aus. Trotzdem muss ich meinen Job natürlich gut machen.
Sie waren früher auch als DJ unterwegs.
Ott: Ja, ich habe in kleineren Kneipen aufgelegt. Bei uns in der Umgebung war ich relativ bekannt. Allerdings, in dem Dorf, wo ich herkomme, ist es bei 25.000 Einwohnern auch nicht so schwer, dass man nach dem vierten Mal auflegen schon wiedererkannt wird.
Was haben Sie für Musik aufgelegt?
Ott: Alles, was gerade aktuell gewesen ist, bunt durch den Garten, so würde ich das beschreiben. Ich habe auch Rock aufgelegt, mit dem Musikmachen angefangen habe ich ja in einer Rock-Kneipe. Als ich jung war, mit zehn, elf Jahren habe ich auch gerne Oldies gehört, dafür bin ich damals so ein bisschen alien-mäßig belächelt worden. Ich höre Musik aber wirklich komplett quer und bunt durch den Garten.
Wie war Ihr DJ-Name?
Ott: Ich hatte keinen, einfach nur DJ Kerstin. Ich wurde natürlich auch gefragt, weil die Leute mich auf Flyer oder Plakate schreiben wollten, aber das war mir zu doof, mir einen Künstlernamen zuzulegen.
Durch den Song „Die immer lacht“ sind Sie schlagartig berühmt geworden, inzwischen haben Sie zwei Studioalben veröffentlicht. Was hat Sie am Musikbusiness am meisten überrascht?
Ott: Sehr überraschend für mich, positiv wie negativ, war die wahnsinnige Aufmerksamkeit, die man auf einmal bekommt. Das waren zum Teil schöne Erfahrungen, zum Teil war es aber auch zu viel. Inzwischen habe ich gelernt, damit umzugehen, ich kann es gut wegpacken, wenn es zu viel ist und genießen, wenn es schön ist.
Sie arbeiten heute mit dem Texter Lukas Hainer und dem Komponisten Thorsten Brötzmann zusammen. Sind das in Ihren Augen auch Handwerker?
Ott: Ja. Beide sind auf ihre Weise Koryphäen in ihrem Job. Thorsten Brötzmann produziert so wundervoll, auch sehr erfolgreich. Und mit Lukas Heiner zusammen zu schreiben ist ein Genuss, weil er einen unfassbar großen Wortschatz hat. Ich mag die Art und Weise, wie wir das alles zusammentragen. Es ist sehr schön, mit den beiden zu arbeiten.
Kannten Sie vorher schon Produktionen der beiden?
Ott: Ja, zum Beispiel Christina Stürmer, die auch von Thorsten Brötzmann produziert wurde. Sie war schon zu einer Zeit bekannt, als ich noch auf der Baustelle arbeitete und sie wurde auch im Radio gespielt. Das heißt, ich kannte schon die ein oder andere Produktion von Thorsten Brötzmann, ohne ihn selbst zu kennen.
Was ist Ihr persönlicher Anspruch an Ihre Musik?
Ott: Mein persönlicher Anspruch ist auf jeden Fall Ehrlichkeit. Ich muss wissen, wovon ich da singe und ich möchte auch immer ein Thema haben, das mich beschäftigt oder das ich interessant finde. Es würde mir schwer fallen, Texte wie in typischen Schlagerliedern zu singen, wie man sie so kennt, wo relativ wenig Inhalt drin ist.
Was wäre auf dem aktuellen Album so ein Song, mit dem Sie ein Thema bzw. ein Anliegen verbinden?
Ott: Zum Beispiel „Regenbogenfarben“. Bei der Überschrift denkt man erstmal, das ist klischeemäßig, wie ein Schlagerlied. Aber der Text hat eine tolle Botschaft. Es ist mir wichtig, in einem Lied etwas rüberzubringen. In „Regenbogenfarben“ ist mir das, glaube ich, gut gelungen.
Mit „Regenbogenfarben“ setzen Sie ein Zeichen für Toleranz gegenüber Homosexuellen. Sie selbst haben die Partnerschaft mit Ihrer Frau 2017 in eine Ehe umgeschrieben…
Ott: Richtig.
Wie beurteilen Sie die ambivalente Rolle Angela Merkels in Bezug auf die ‚Ehe für alle‘? Einerseits ermöglichte die Kanzlerin die Abstimmung im Bundestag, andererseits stimmte sie selbst dagegen.
Ott: Ich denke, das entscheidet immer noch jeder für sich. Als Bundeskanzlerin hat Angela Merkel dafür gesorgt, dass es die Abstimmung gibt und das finde ich gut. Wenn sie sich dann persönlich dagegen entscheidet, ist das ihr gutes Recht. Das sollte auch das gute Recht von jedem bleiben, egal ob er Bundeskanzler ist oder nicht. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand mit der ‚Ehe für alle‘ nichts anfangen kann. Das akzeptiere ich, genauso wie ich mir Akzeptanz für meine Meinung wünsche. Ich kann nicht sagen, ‚böse Angela Merkel‘, nur weil sie ihre eigene Meinung dazu hat.
Vor ein paar Jahren munkelte man, Klaus Wowereit könnte von der SPD als Kanzlerkandidat aufgestellt werden. Es kam anders, aber glauben Sie, dass eine homosexuelle bzw. lesbische Person heute Chancen auf dieses Amt hättte?
Ott: Ich glaube, das ist gar nicht davon abhängig, ob dieser Mensch homosexuell ist oder nicht. Ich glaube, da geht es darum, was er als Persönlichkeit darstellt. Viele große Ämter werden mittlerweile von Frauen und auch von Homosexuellen bekleidet. Da liegt es an der Persönlichkeit, ob die Person auf den Posten kommt oder nicht.
Zu einem anderen Song: In „Sieben Kartons“ singen Sie darüber, dass Sie für Ihre persönlichen Dinge lediglich sieben Kisten brauchen.
Ott: Das Lied ist als Metapher zu betrachten, und mit einem Augenzwinkern. Es geht da auch nicht ausschließlich um materialistische Sachen, von denen man sich trennen sollte, sondern auch um Menschen, von denen man sich vielleicht lösen sollte. Menschen die Energiesauger sind, die einem das Leben schwer machen, von denen man mal ein bisschen Abstand bräuchte um sich neu zu ordnen.
Sie spielen in „Sieben Kartons“ auch Gitarre…
Ott: Nein, die spiele ich nicht selber. Wenn man genau hinhört, merkt man, dass die Gitarre ganz toll gezupft ist, da reichen meine Kenntnisse nicht aus.
Wie war das bei „Die immer lacht“? Den Song hatten Sie ja bereits 2005 aufgenommen.
Ott: Da habe ich eine begleitende Gitarre gespielt, die Hauptgitarre hat der Produzent damals gemacht, das war der Bekannte einer Bekannten, seinen Namen weiß ich leider nicht mehr.
Würden Sie gerne noch mehr Gitarre in Ihre Musik einbringen?
Ott: Ich spiele bei meinen Konzerten Gitarre, mir fehlt aber im Moment die Zeit, mich damit noch tiefer zu befassen, weil ich gerade sehr viel unterwegs bin. Wenn ich wieder mehr Zeit habe, würde ich mich gerne mehr damit beschäftigen.
Im April waren Sie unter den Gästen der letzten „Echo“-Verleihung. Was denken Sie, ist der Echo zu Recht an dem Auftritt von Kollegah und Farid Bang zerbrochen?
Ott: Ja, ich finde schon. Auch wenn alle aufschreien, wegen Meinungsfreiheit… – die Texte, die da veröffentlicht wurden, finde ich zu hart. Ich denke, das ist kein Gedankengut, welches verbreitet werden sollte. Für Holocaust-Opfer muss das Hohn und Spott sein. Zu dem Zeitpunkt, als diese beiden Künstler die Bühne betreten haben, bin ich raus, rauchen gegangen.
Meinen Sie mit zu harten Texten auch den Aspekt der Frauenfeindlichkeit?
Ott: Da ist ganz viel was ich nicht nachvollziehen kann. All das, was ich lebe und bin wird von denen kleingeredet. Ich finde, dass die beiden vielleicht ein bisschen weniger ihre Arme trainieren sollten und ein bisschen mehr den Kopf.
Nach dem Aus für den Echo: Was würden Sie sich von der anstehenden Neu-Konzeption des Musikpreises wünschen?
Ott: Ich denke, man sollte mit bestimmten Themen sensibler umgehen. Inzwischen habe ich aber auch den Eindruck, dass die Sache mit Kollegah und Farid Bang so sehr für Furore gesorgt hat, dass diese Sensibilität bereits geweckt wurde.
Wichtig wäre mir, dass die Musik an erster Stelle steht. Es ist ein Musikpreis, da muss die Musik auch im Vordergrund stehen, nicht der ganze Boulevard-Schnickschnack drum herum.
Nach welchen Kriterien sollten die Preise vergeben werden? Beim Echo waren ja in der Hauptsache die Verkaufszahlen ausschlaggebend, oder?
Ott: Ich war 2016 nominiert, in dem Jahr war „Die immer lacht“ das meistverkaufte Lied. Trotzdem habe ich nicht gewonnen, denn es hatte gerade eine Umstrukturierung stattgefunden – weil Helene Fischer in dem Jahr davor vier Echos abgeräumt hatte. Es ging also nicht mehr nur nach Verkaufszahlen, sondern auch zur Hälfte nach einer Jury-Entscheidung. Deswegen hat es bei mir nicht geklappt, mit der anderen Regelung hätte ich den Echo sicher gehabt. Letztendlich ist es ein verkaufsorientierter Preis, das wird er auch bleiben.
Ein Gegenbeispiel ist der Oscar, für den die Verkaufserlöse eines Kinofilms keine Rolle spielen. Wäre es auch für einen Musikpreis besser, wenn Verkaufszahlen kein Kriterium sind?
Ott: Nein, das fände ich nicht besser. Wenn zehn Leute in einer Jury sitzen, die sich alle einig sind, dass es der eine Künstler eben nicht wird – da fängt es dann auch wieder an, schwierig zu werden. Einen Mix aus Verkaufszahlen und Jury würde ich weiterhin gut finden.
Mit Ihrem Namen verbinden viele Leute die drei Worte „die immer lacht“. Welche Komiker bringen Sie am meisten zum Lachen?
Ott: Carolin Kebekus finde ich total super, auch Martina Hill und Cindy aus Marzahn. Normalerweise schalte ich für Comedy nicht extra den Fernseher ein, aber von Kebekus habe ich mir auch mal eine DVD angeguckt, weil ich die wirklich gut und originell finde. Einmal hat sie das Lied von Sarah Connor „Wie schön du bist“ gecovert, sie hat daraus „Wie blöd du bist“ gemacht und damit Rechtsextremismus angesprochen. Das hat sie hervorragend verpackt. Ich mag an ihr, dass sie aktuelle, tatsächliche Probleme aufgreift und so verpackt, dass man nicht nur drüber lachen kann sondern sich auch mal seine Gedanken dazu macht.
Tourdaten:
26.10.2018 Dingolfing – Stadthalle
31.10.2018 Hof – Freiheitshalle
02.11.2018 Köln-Mülheim – Stadthalle
03.11.2018 Oberhausen – König-Pilsner-Arena
17.11.2018 Berlin – Mercedes-Benz-Arena
17.11.2018 Schleife – Festival
24.11.2018 Frankfurt – Festhalle
30.11.2018 Trinwillershagen – Kulturhaus Trinwillershagen
01.12.2018 Kölpinsee/Loddin – Strandhotel Seerose
02.12.2018 Schwerin – Sport- und Kongresshalle
07.12.2018 Neukloster – Stadthalle
09.12.2018 Berlin – Tempodrom
13.12.2018 Hamburg – Laeiszhalle
15.12.2018 Freiberg/Sachsen – Tivoli Ballhaus
21.12.2018 Cottbus – Stadthalle
22.12.2018 Chemnitz – Stadthalle
27.12.2018 Rostock – Stadthalle
28.12.2018 Magdeburg – Stadthalle
29.12.2018 Erfurt – Alte Oper
30.12.2018 Leipzig – Haus Auensee
03.01.2019 Dresden – Kulturpalast
04.01.2019 Suhl – Congress Center
05.01.2019 Halle/Saale – Steintorvarieté
06.01.2019 Gera – Kultur- und Kongresszentrum
09.03.2019 Hannover – TUI Arena
30.03.2019 Hamburg – Barclaycard Arena
Hi sina,
ja wenn man den rhtymus hier so betrachtet, kommt erst im sep was neues. aber ist ja schon januar
Hi, in der Vorschau steht, dass im September wieder ein Interview kommt. Meint ihr September 2019? Weil ist ja bald Dezember.
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