Frau Furtwängler, weshalb braucht der „Tatort“ eine Kommissarin mit Baby?
Furtwängler: Weil es ein aktuelles Thema ist: Kann man eine gute Mutter und trotzdem berufstätig sein? Wie ist die Betreuungssituation für Kleinkinder in Deutschland? Aber vor allem wollen wir von dem großen Glück erzählen, Kinder zu haben. Und ich glaube, Charlotte Lindholm ist eine Figur, mit der man all das ganz gut erzählen kann.
Wie leicht ist es Ihnen selbst gefallen, Ihre Berufstätigkeit mit Ihren Kindern – gerade als sie klein waren – zu vereinbaren?
Furtwängler: Ich würde sagen, dass sich mein Leben durch die Kinder grundlegend verändert hat. Mein Denken war seither immer von der Überlegung geprägt, wie ich meinen Beruf mit den Kindern vereinbare und wie es meinen Kindern geht, wenn ich arbeite. Das ist ein Denken, das die meisten Männer einfach nicht kennen. Wobei sich das gerade verändert; es gibt immer mehr Männer, die bereit sind, Zugeständnisse zu machen.
Sie sagten, dass man als berufstätige Mutter oft ein schlechtes Gewissen haben müsse. Inwiefern?
Furtwängler: Wir alle sind ja geprägt von einem Mutterbild, das in Deutschland sehr krass ist. Man ist schnell eine "Rabenmutter", wenn man trotz Kleinkindern noch berufstätig ist. Wir haben einen regelrechten Glaubenskrieg. Ich finde, an dieser Stelle sollte man mal den Blick über den Zaun nach Frankreich oder Italien werfen. Dort ist es Gang und Gäbe, dass man seine Kinder mit einem halben oder mit einem Jahr in Krabbelgruppen gibt. Die Frauen sind berufstätig – und haben trotzdem vier, fünf Kinder. Im Schnitt kommen sie dort auf eine Geburtenrate von knapp zwei, wir sind etwa bei 1,3 pro Frau.
Was schließen Sie daraus?
Furtwängler: Wir reden immer rein demographisch über den Bedarf nach mehr Kindern und beklagen, dass gerade die gut ausgebildeten Frauen, die Akademikerinnen, immer weniger Kinder kriegen. Ich denke, das hat schon auch damit zu tun, dass man in Deutschland keine gute Mutter sein und gleichzeitig seine Kinder betreuen lassen kann. Das wird verteufelt. Das eigentliche Problem ist aber, dass in Deutschland einerseits die Betreuungsangebote für Kleinkinder so selten und vor allem schlecht sind. Und dass die Betreuung von Kleinkindern so verteufelt wird. Aber vor allem wird bei der ganzen Diskussion viel zu wenig über das unschätzbare Glück berichtet, das es bedeutet, Kinder zu haben.
Sie erreichen mit Ihren „Tatort“-Folgen die höchsten Einschaltquoten und gewannen kürzlich im Rahmen einer Publikumswahl die Goldene Kamera als beste Fernsehkommissarin. Wie erklären Sie sich Ihre Popularität?
Furtwängler: Zum Glück gar nicht. Ich freue mich natürlich über dieses tolle Feedback, und es stimmt schon: Ich bekomme wirklich sehr viel Zuschauersympathie zu spüren. Dafür empfinde ich eine riesige Dankbarkeit. Aber es würde mir nicht einfallen, zu sagen: Das liegt daran, dass ich irgendwie was Besonderes bin. Eher bin ich manchmal eingeschüchtert.
Aber es hilft Ihnen dabei, sich beim Sender Gehör zu verschaffen.
Furtwängler: Natürlich hilft es, und das wäre wahrscheinlich anders, wenn es nicht gut laufen würde. Aber der NDR und die Produktionsfirma Studio Hamburg waren schon immer sehr kooperativ und haben meine Ideen sehr offen aufgenommen. Meine Popularität nutze ich andererseits ja auch dafür, um für die „Ärzte für die Dritte Welt“ zu werben.
Man ist schnell eine 'Rabenmutter', wenn man trotz Kleinkindern noch berufstätig ist.
Wie viel Zeit finden Sie, um für die Organisation selbst aktiv zu werden?
Furtwängler: Ich bin heute mehr in Deutschland aktiv, vor allem beim Versuch Firmen zu motivieren uns zu unterstützen. Zum Beispiel habe ich neulich eine Moderation gemacht unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen unsere Ärzte unterstützt und ich bei dem Vortrag darüber erzählen kann. Bei so etwas kann ich denen im Moment sehr viel nützlicher sein, als wenn ich vor Ort bin. Einen Einsatz habe ich schon länger nicht mehr gemacht, zuletzt 2007 auf den Philippinen.
Im „Tatort“ verkörpern Sie ein Frauenbild, das offensichtlich vielen Frauen als Vorbild dient. Immer wieder gibt es Anfragen von Leuten, die die Handtasche oder den Mantel von Charlotte Lindholm erwerben wollen.
Furtwängler: Ich sehe mich nicht als Vorbild und setze mich damit nicht auseinander. Wenn es solche Anfragen gibt, bin ich immer ganz verwirrt. Es ist eher so, dass ich dann denke: Nächstes Mal überlegst du genauer, was du dir da wieder umhängst oder was du anziehst. Ich bin da oft etwas naiv, weil ich mir nicht vorstellen kann, welche Reaktionen das möglicherweise hervorruft. Aber diese Naivität werde ich mir auch nicht nehmen lassen.
Neben vielen Fans gibt es auch Menschen, die Sie nicht mögen. Hin und wieder wird gegen Sie gestichelt und es heißt, es sei ein „journalistisches Tabu“ Sie zu kritisieren, weil Sie mit einem der einflussreichsten Verleger des Landes verheiratet sind.
Furtwängler: Ich halte das für eine ziemlich abwegige und böse Unterstellung, mit der ich leben muss. Vorsichtig würde ich formulieren: Das Gegenteil ist der Fall. Ich weiß, dass es aus Konkurrenzgründen zum Hause meines Mannes einen Verlag gibt, der sagt: Die Frau kommt in unseren Heften prinzipiell nicht vor, weil sie die Frau von Hubert Burda ist. Man tut sich aus Konkurrenzgründen also eher schwer, entspannt und positiv über mich zu berichten. Was ich an Zuschauergunst und Zuschauerquoten habe, lässt sich übrigens auch nicht durch irgendwelche Journalisten, die nett oder nicht nett über mich schreiben, steuern. Das läuft zum Glück sehr, sehr unabhängig davon. Aber ich kann natürlich nachvollziehen, dass durch Erfolg auch viel Neid entsteht.
Haben Sie generell viel mit Neid zu tun?
Furtwängler: Ehrlich gesagt: Ich habe kein Ohr, das danach sucht. Ich bin wahrscheinlich zu optimistisch und gut gelaunt, um das wahrzunehmen.
Und wenn jemand sagt: „Die bekommt die Rolle nur, weil sie gut aussieht“?
Furtwängler: (lacht) Wäre doch toll, wenn jemand sagt: „Die kann zwar nicht spielen, aber die sieht so geil aus, die wollen wir haben.“ Warum nicht? Das Kompliment würde ich einstreichen. Aber im Ernst: Kein Produzent oder Regisseur besetzt Rollen nur nach dem Aussehen – und das ist gut so.