Martin Feifel

Heute lebt man bequemer und langweiliger

Schauspieler Martin Feifel über die Arbeit an "Was tun wenn's brennt?"

Herr Feifel, in "Was tun wenn’s brennt" spielen Sie an der Seite von Til Schweiger den an den Rollstuhl gefesselten Hausbesetzer Hotte. Was war für Sie das Schwierigste bei den Dreharbeiten?
Feifel: Ich fand, das Schwierigste war, sechs Individualisten, nämlich die Hauptdarsteller, zusammenzubringen und mit dem Drehbuch zurecht zu kommen, weil jeder das Drehbuch natürlich anders gelesen hat. Die einen hatten schon mal zu tun mit autonomer Szene bzw. Sponti-Szene und die anderen hatten davon keinen blassen Schimmer. Matthias Matschke hat beispielsweise gesagt, er hat mit Playmobil gespielt, während ich schon in München Kirchen besetzt habe und rohes Fleisch gegessen habe, weil das einfach kultig war. Für mich persönlich war es da am schwierigsten, den Kollegen meine persönliche Anbindung an die Szene klar zu machen, weil die alle nichts mit der Szene zu tun hatten, außer Nadja Uhl ein bisschen. Ich hatte auch immer Angst bei dem Drehbuch, dass der Film nur an der Oberfläche bleibt, sehr flott und chic, eben an die heutigen Dreh- und Sehgewohnheiten angepasst, weshalb ich immer zum Gregor Schnitzler gesagt habe "es tut mir Leid, mein Bruder war sieben Jahre im Knast wegen Unterstützung terroristischer Vereinigung…". Und Gregor hat mir Gott sei Dank gesagt, "bring alles, was schauspielerisch für dich möglich ist an Brisanz und Tiefe, an Versuchung, Gier und Verlockung, bring das alles mit rein – und vergiss deine Beine." Ich sollte nicht emotional auf den Verlust meiner Beine rumreiten, weil das eher uninteressant gewesen wäre. Das ist eine Behinderung und basta.

Wie war die Zusammenarbeit unter den sechs Hauptdarstellern?
Feifel: Also, die meist gestellte Frage in den letzten Interviews war, warum bei mir das Spielen meiner Rolle so intensiv ist und bei den anderen manchmal eher utriert, immer gut, aber einfach anders ist. Und da denke ich halt schon, dass der Regisseur Schnitzler mir eine Plattform gegeben hat, bestimmte Dinge zum Ausdruck zu bringen, die meine Kollegen – so sehr ich sie als Schauspieler schätze – so nicht ausdrücken können, einfach weil sie 4, 5 Jahre jünger sind und bestimmte Sachen nicht erlebt haben und nicht wirklich nachvollziehen können. Das soll jetzt aber kein Vorwurf an meine Kollegen sein, ganz im Gegenteil: ich habe mich sehr gut eingebunden gefühlt in die ganze Gruppe. Vor allem Til Schweiger ist ein wunderbarer Mensch.

Bei den Bemühungen, die hinter dem Film stecken – Sind Sie mit dem Resultat zufrieden?
Feifel: Was mir gefällt und was mich sehr froh macht ist, dass man im Film ein großes Hauptthema sehr gut erkennen kann, nämlich: was bedeutet Freundschaft? Was ist das, wenn sich diese sechs Individualisten nach elf Jahren wieder treffen, nachdem sie sich aufgrund eines Unfalls getrennt hatten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollen – wo ist ihre Freundschaft geblieben. Und zu welchen Kraftanstrengungen es kommt zwischen Tim und Maik und auch den Frauen, die sehr alleine gelassen sind innerhalb dieser Männergesellschaft, die wir ja auch sehr brutal darstellen. Ich denke auch, dass wir nur mit Gregor Schnitzlers Unterstützung diesem sehr guten Drehbuch ein Leben einhauchen konnten. Und, wenn andere Schauspieler gespielt hätten, wäre es auch ein ganz anderer Film geworden. Das heißt, wir haben uns sehr auf uns selbst verlassen und hatten durch den Regisseur auch die Möglichkeit dazu. Natürlich war das nicht immer einfach, es gab Konflikte, wir haben uns gezofft – du kannst nicht sechs relativ monströse Einzelgänger aufeinander ansetzen und denken, da gäbe es keinen Konflikt. Aber dann hatten wir auch eine Anleitung, die uns nach solchen Konflikten immer wieder zusammengebracht hat. Und letztlich ist das genau das Thema des Films, wie kommen die wieder zusammen, wie gehen sie wieder auseinander und wo finden eigentlich die Konflikte statt? Oder entzieht man sich nur noch den Konflikten? – Ich selbst, muss ich ehrlich sagen, habe heutzutage immer mehr das Gefühl, dass man sich solchen Konflikten entzieht, man lebt bequemer und langweiliger.

Es wird weniger gekämpft…
Feifel: Ja, zumindest habe ich bei der heutigen Generation so meine Schwierigkeiten, wo will man denn heute noch etwas? Es ist alles so gemütlich geworden und ich sehe keinen Kampf, keine Auflehnung mehr. Sondern das Leben ist eigentlich nur noch bestimmt von Anpassung und der Frage "wie komm‘ ich da rein, in diese Art von Gesellschaftsform, wo ist es am bequemsten?". Darin sehe ich deutlich einen Verlust. Es gab Zeiten, da war Kampf einfach angesagt gegen das Establishment, gegen die Bürgerlichkeit, gegen eine gewisse Art von Spießbürgertum, gegen eine Art von Bequemlichkeit. Und heute ist alles je bequemer desto besser – langweilig. Wo ist die Lust am Leben?

2 Kommentare zu “Heute lebt man bequemer und langweiliger”

  1. liliana |

    Re: Danke

    Bestimmt sehe ich IHN auch eines schönen Tages in diesem Film… Immer im Gedächtnis behalten werde ich Martin als den Feuerreiter… BEEINDRUCKEND!!!!

    Endlich ein Platz, an dem ich meiner Bewunderung Ausdruck verleihen kann…

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  2. Ulrike Angermann-Bisling |

    Danke

    Nachdem ich eben die „Geierwally“ gesehen habe, habe ich-quasi nur durch Zufall-entdeckt, dass Sie auch den Hotte in „Was tun, wenn’s brennt“ gespielt haben. War ja grad‘ gestern erst zu sehen… Große schauspielerische Leistung, der Hotte! Ja, diese Zeiten : Häuserbesetzung, ständiges Demonstrieren, überall Erproben neuer Lebens- und Protestformen sind endgültig und lange vorbei. Dennoch oder gerade deshalb gibt es in uns, die wir der Generation der Ende der 50er/ Anfang der 60er Geborenen angehören, einen starken Nachhall durch so einen Film.

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