Moby

Ich war doch immer nur ich selbst.

Richard Melville Hall aka Moby alias Moby über Interviews, Image, Kommerzialität, Fan-Begegnungen und warum er zum Veganer wurde

Moby

© Danny Clinch / Mute Tonträger

Mit bürgerlichem Namen heißen Sie Richard Melville Hall, aber alle nennen Sie Moby. Seit wann?
Moby: Seit meiner Geburt. Ich bin mit Herman Melville verwandt, der „Moby Dick“ geschrieben hat und als ich ungefähr zehn Minuten alt war, hat mir mein Vater aus Spaß den Namen Moby gegeben. Das sollte eigentlich nur ein Witz sein, aber wie Sie sehen, höre ich 39 Jahre später immer noch drauf.

Erinnern Sie sich noch an das aller erste Interview, das Sie gegeben haben?
Moby: Gute Frage. Also, in den frühen 80er Jahren habe ich in einer Hardcore-Punkband gespielt, die hieß „Vatican Commandos“ und mit der haben wir auch ein paar Interviews für lokale Fanzines gemacht. Aber mein erstes Interview als Musiker Moby? Das weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an das erste Zeitschriften-Cover, wo ich drauf war, das war vor 15 Jahren auf dem amerikanischen Urb-Magazine.

Ich hätte nur gern gewusst, wie sich das für Sie das erste Mal angefühlt hat: einem fremden Menschen gegenüber zu sitzen, der einen ausfragt, über Musik, aber vielleicht auch über ganz andere Dinge.
Moby: Mich hat das selbstbewusst gemacht. Wobei mir Fernseh-Interviews immer sehr unangenehm waren, besonders, wenn ich direkt in die Kamera sprechen sollte. Aber heute, wo ich das nun schon so lange mache, fühle ich mich in Interviews manchmal wohler, als wenn ich mich mit meinen Freunden unterhalte.

Warum das?
Moby: Ich weiß nicht. Was ich an Interviews mag, ist, dass sie sehr strukturiert sind. Du hast 30 Minuten, 45 Minuten oder meinetwegen eine Stunde und in dieser Zeit weißt du und weiß der Journalist in etwa, worüber ihr beiden reden werdet. Diese Struktur macht es einfacher, sich zu öffnen.

Aber Sie wissen doch nicht immer vorher, was ein Journalist mit Ihnen bereden will.
Moby: Nein. Aber ich weiß, dass wir reden werden und ich weiß, dass diese Situation es einfacher macht, gesprächig zu sein.

In Interviews gibt man oft sehr viel von sich preis – haben Sie manchmal Angst, zu viel der Öffentlichkeit preiszugeben?
Moby: Nein. Ich habe diesen Hang zur Kommunikation irgendwie in mir. Ob das Kommunikation durch die Musik ist, durch Interviews oder durch Dinge, die ich schreibe, für Magazine oder jeden Tag auf meiner Website. All die Dinge, die mich mit Menschen kommunizieren lassen, mag ich sehr. Und deswegen bin ich glaube ich auch keine sehr private Person. Es gibt ja viele Leute, denen ihre Privatsphäre sehr am Herzen liegt und die allein schon den Gedanken hassen, irgendjemand könnte ihnen Aufmerksamkeit schenken.

Viele Stars kämpfen geradezu um ihre Privatsphäre…
Moby: … was doch aber irgendwie scheinheilig ist. Denn die gleichen Stars haben fünf Jahre vorher noch mit jedem geredet. Eine gute Freundin von mir ist Redakteurin in New York und sie hat schon so viele Film- und Musik-Stars gesehen, wie sie bei Null angefangen haben und richtig nach Publicity gierten. Wenn sie dann erfolgreich werden, denken sie auf einmal, sie bräuchten keine Publicity mehr und fangen an, sich darüber beklagen.

Weil sie mit der Presse schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Moby: Aber das lässt sich doch so einfach vermeiden. Wenn jemand richtig berühmt ist und damit aber unzufrieden ist, dann kann er doch ganz einfach aufhören, berühmt zu sein. Außer Bill Clinton oder Robert De Niro gibt es ja kaum Leute, die allein aufgrund ihrer Persönlichkeit schon berühmt sind. Die meisten Prominenten können – wenn sie aufhören Interviews zu geben, Filme zu drehen oder Platten aufzunehmen – sehr schnell dazu übergehen, eine ‚normale‘ Person zu sein, die über die Straße läuft, wie jeder andere auch.

Haben Sie das selbst jemals in Erwägung gezogen?
Moby: Teilweise. Ich meine, Ruhm ist Spaß und das Beste am Ruhm ist: wenn ich eine Platte aufnehme mit Musik, die ich mag, werden die Leute dem Aufmerksamkeit schenken. Berühmt zu sein nur um der Berühmtheit Willen, da finde ich nichts Besonderes dran. Für mich bedeutet das vor allem, ein Publikum für meine Arbeit zu haben. Das ist wunderbar, schließlich habe ich schon so viel Zeit meines Lebens Musik gemacht, für die sich niemand interessiert hat und Gigs vor 10, 50 oder 100 Leuten gespielt. Da finde ich es sehr schön, wenn ich heute Konzerte spielen kann, wo auch wirklich Leute hinkommen.

Und dennoch haben Sie vor knapp zwei Jahren verlauten lassen, dass Sie in Zukunft vielleicht gar keine Live-Konzerte mehr geben würden. Denken Sie oft ans Aufhören?
Moby: Grundsätzlich will ich nicht aufhören, Musik machen will ich bis zu meinem Tod. Aber mit zunehmendem Alter freunde ich mich immer mehr mit dem Gedanken an, in Zukunft weniger zu machen. Meine nächste Tour wird höchstens vier oder fünf Monate dauern, dabei habe ich schon Tourneen gemacht, die gingen über ein Jahr lang. Das kann ich heute nicht mehr, ich will nicht mein ganzes Erwachsenen-Leben mit Tourneen und Konzerten zubringen. Die „Play“-Tour war 22 Monate lang, die Tour zum Album „18“ dauerte 18 Monate – das sind 40 Monate, also über drei Jahre meines Lebens, die ich für das Touren aufgegeben habe.

Sie sagen „aufgegeben“ – aber immerhin bekommen Sie auf so einer Tour ja auch eine ganze Menge.
Moby: Natürlich, ich liebe das auch. Aber in der gleichen Zeit haben viele meiner Freunde geheiratet, Kinder bekommen, eine Familie gegründet… Ich bin jetzt 39 Jahre, ich kann damit leben, all diese Dinge nicht zu haben. Aber ich will auch nicht mit 55 Jahren immer noch sechs Monate des Jahres damit verbringen, auf Tour zu sein und in irgendwelchen Hotel-Zimmern zu sitzen.

Viele Leute verbinden mit der Person und dem Musiker Moby ein bestimmtes Image, für manche sind Sie der Gutmensch Moby, für andere wiederum der Wichtigtuer, der sich in alles einmischt. Gefällt es Ihnen eigentlich, wie die Leute Sie wahrnehmen?
Moby: Nein, das ist schon sehr merkwürdig. Es gibt Leute, die mich mögen, aber auch sehr viele, die mich wirklich hassen. Da beneide ich Musiker wie Andre3000 von Outkast oder Thom York von Radiohead, die einfach jeder mag. Aber diese Rolle steht mir offenbar nicht zu. Manche Leute hassen mich für meine politischen Ansichten, manche für meine Musik.

Aber es ist schon so, dass Sie Ihre Ideen leben – oder versuchen Sie hin und wieder, ein bestimmtes Image zu bedienen?
Moby: Nein, ich bin nur ich selbst. Der Aufwand wäre doch auch viel zu groß. Es gibt natürlich ein paar Musiker, die so eine öffentliche Rolle haben, aber das scheint mir sehr viel Arbeit zu sein. Immer geschniegelt sein, wenn du das Haus verlässt, immer in Interviews diese Rolle aufrecht erhalten – das wäre mir zu anstrengend. Für mich ist es viel einfacher, ich selbst zu sein.

Nur machen Sie sich dadurch, dass Sie so viel Persönliches preisgeben, doch auch sehr verletzlich. Sie werden scharf kritisiert, gehasst, öffentlich angegriffen. Kümmern Sie solche Reaktionen eigentlich?
Moby: Ja, ein bisschen. Aber ich habe es auch gelernt, mir darüber nicht zu viele Gedanken zu machen.

Wäre es für Sie auch eine Option, sich weniger in der Öffentlichkeit zu äußern, um die harten Reaktionen und Angriffe zu vermeiden?
Moby: Wenn das Ziel allein Sicherheit wäre, ja. Das ist wie mit einem Kind, was du großziehst: wenn du es nicht rausschickst in die Welt, dann wird ihm auch niemand wehtun. Aber es wird auch nichts lernen und nie stark werden. Wenn ich nie Interviews geben würde, nicht auf meiner Website schreiben würde, keine so persönliche Musik machen würde, dann wäre ich sicher, ich wäre beschützt – ich wäre aber auch gelangweilt. Dann wäre das alles nur ein Job, das wäre nicht mein Leben. Ich mache aber Musik, gerade weil ich so viel von mir selbst in die Musik stecken kann. Wenn ich immer nur versuchen würde, coole Musik zu machen, die nicht persönlich ist, das würde mich langweilen.

Was bekommen die Leute, wenn sie Musik von Moby hören?
Moby: Ich glaube, das ist bei jedem unterschiedlich. Was ich hoffe ist, dass die Leute eine emotionale Verbindung zu meiner Musik bekommen. Wenn ich Musik höre, dann fühle ich oft eine Verbindung zu dem Musiker, ich fühle mich wohl, geborgen.

Zitiert

Viele Leute haben Urteile über mich gefällt, ohne dabei auf sich selbst zu gucken.

Moby

Sehen Sie denn auch diesen Gegensatz, zwischen Ihrem starken sozialen und politischen Engagement und Ihrer wohlig-entspannten Musik?
Moby: Ich denke einfach, Menschen sind kompliziert. Ich könnte mich natürlich auf viel einfachere, eindimensionalere Art und Weise präsentieren, viele öffentliche Personen machen das ja und haben damit großen Erfolg. Aber ich finde, als öffentliche Person sollte ich mich auch so darstellen wie ich bin, und das heißt, die guten Seiten, sowie die schlechten Seiten. Wer weiß, vielleicht höre ich auch eines Tages damit auf. Aber im Moment ist das nun mal der Weg, für den ich mich entschieden habe.

Fühlen Sie wo etwas wie Verantwortung für Ihre Fans?
Moby: Ja. Wenn sich jemand eine Platte von mir kauft oder aus dem Netz herunterlädt, dann fühle ich eine Verantwortung, dann habe ich den großen Wunsch, diesem Menschen eine angenehme Erfahrung zu bereiten, so gut ich kann.

Gibt es da auch einen moralischen Aspekt?
Moby: Ich weiß nicht, ob das ein moralischer Aspekt ist, es ist viel mehr ein menschlicher: angenommen es ist Freitag Abend, du hattest eine verdammt harte Woche, einen schlechten Arbeitstag, deine Freundin hat sich von dir getrennt… Wenn du dann meine Musik auflegen kannst und dich dabei besser fühlst – großartig! Das ist der Grund dafür, warum ich überhaupt Musik mache.

Ihren Fans bieten Sie noch mehr als nur Musik, Sie schreiben täglich Online-Tagebuch, lassen Ihre Fans an sehr persönlichen Gedanken teilhaben. Kommt es darüber hinaus auch manchmal zu persönlichem Kontakt?
Moby: Manchmal. Als ich damit angefangen habe, war die Website noch sehr klein und es war einfacher, mit Leuten direkten Kontakt aufzunehmen. Das ist heute anders, mein Leben ist ja auch anders geworden. Natürlich schätze ich das sehr, wenn ein 14-Jähriger in Portugal meine Musik mag, ich respektiere ihn und sein Leben – aber wir hätten wahrscheinlich nicht besonders viel, worüber wir miteinander reden könnten.

Aber laden Sie manchmal Fans ein? In der Rockmusik beispielsweise besteht ja oft ein reger Kontakt zwischen Fans und Musikern.
Moby: Ich mache das auch, aber wahrscheinlich nicht so oft wie ein Rockmusiker.

Wie läuft das dann ab?
Moby: Du triffst die, du schüttelst ihnen die Hand, du gibst ihnen ein paar Autogramme – und dann ist es Zeit, zu gehen. Sie müssen ja auch verstehen, was es bedeutet auf Tour zu sein: da hat man nicht freie Zeit ohne Ende, die sie mit diesen Leuten verbringen können. Rockmusiker vielleicht, die haben ihren Wohnwagen, kommen mittags an, richten ihr Equipment ein, trinken Bier, hängen ab, spielen das Konzert, hängen den nächsten Tag auch wieder ab – die Zeit habe ich einfach nicht. Ich komme mittags in einer Stadt an, gebe Interviews, dann kommt der Soundcheck, ich esse zu Abend, spiele das Konzert, sage ein paar Leuten Hallo, steige in den Bus und fahre ab. On Tour ist nicht die beste Gelegenheit, neue Freunde zu finden.

Und in New York?
Moby: Die Leute wissen, wo sie mich finden können. Ich habe ein Restaurant, das heißt „Teany“ und wenn mich jemand sucht, ich bin jeden Tag dort.

Über was reden Sie mit Ihren Fans?
Moby: Das kann man nicht pauschal sagen: wenn es große Fans sind, sind sie einfach nur sehr aufgeregt und schaffen es gar nicht, dich irgendetwas zu fragen. Manchmal fragen sie mich etwas über Politik, über Musik… oft können sie aber auch gar nicht gut Englisch.

Sie sind einer der prominentesten Veganer. Wie kam es dazu, gab es so etwas wie ein Schlüsselerlebnis?
Moby: Nein, das war sehr einfach. Ich hatte damals einen Hund und eine Katze und eines Tages habe ich die beiden angeguckt und begriffen: ich will sie nicht in einen Käfig einsperren, töten und essen. Aber warum esse ich dann andere Tiere? Wenn ich Tiere mag, warum esse ich dann welche? Warum beteilige ich mich an einem System, das Leid verursacht, das Grausamkeiten an den Lebewesen begeht, die es doch eigentlich so gern mag. Als ich das für mich so gesehen habe, dachte ich mir: das kann ich so nicht weitermachen. Das war eine einfache Erkenntnis. Am Leben zu sein, bedeutet ja immer, Leid zu verursachen, das liegt in der Natur der Dinge. Wenn du spazieren gehst, trittst du vielleicht auf einen Käfer, mit dem Auto überfährst du vielleicht ein Eichhörnchen. Aber: wenn man die Wahl habe zwischen einer Handlung, die Leid verursacht und einer anderen, die kein Leid verursacht, dann ist doch klar, für welche man sich entscheiden sollte. Wir können das Leid in unserem Leben nicht völlig ausschließen, aber wir können zumindest versuchen, es zu verringern.

Nun sind Tierschutz und Friedensbemühungen sicherlich Standpunkte, die viele Menschen mit der Person Moby verbinden. Aber dann haben Sie im Sommer 2002 einem deutschen Magazin (SZ-Magazin) ein Interview gegeben, in dem Sie vor allem über Ihre Aktien und Börsengeschäfte geredet haben, was einige Fans irritiert hat. Zudem haben Sie Ihre Musik mehrmals für Werbeclips großer Automobilfirmen hergegeben – birgt das nicht auch für Sie einen Widerspruch?
Moby: Warten Sie mal kurz (nimmt das auf dem Tisch liegende Exemplar des Magazins Galore und zeigt auf die Rückseite). Was ist das?

Finanzierung.
Moby: Eine Werbung. Würde dieses Magazin ohne Werbung existieren? Und Ihre Uhr, wer hat die gemacht? Oder dieses Diktiergerät?
Ich habe früher in Punkrockbands gespielt, und da gab es auch wirklich streng anarchistische Punks, die meinten, wenn du Eintritt für ein Konzert verlangst, oder Geld für eine Single-Schallplatte, sei das verräterisch. Für sie war alles, was nicht kostenlos vergeben wurde, Verrat. Da geht es vor allem um die Grenze zur Kommerzialität. Wo zieht man die? Bist du bereit, deinen Plattenvertrag bei einem Major-Label zu unterschreiben, bist du bereit, für ein Magazin zu arbeiten, das Werbung akzeptiert? Trägst du Klamotten, die in der dritten Welt genäht wurden? Fährst du ein Auto? Tankst du Benzin? Zahlst du Steuern? Wo zieht man die Linie? Und es ist einfach interessant, dass so viele Leute für mich diese Linie schon gezogen haben. Viele Leute haben Urteile über mich gefällt, ohne dabei auf sich selbst zu gucken. Der englische NME (New Musical Express) zum Beispiel hat mich einmal in einem Artikel über zwei Seiten dafür kritisiert, dass meine Musik in Werbeclips benutzt wird. Und gleich auf der nächsten Seite, war eine große Werbung für ein Konzert, das der NME zusammen mit Carling Beer gesponsert hat. Da frage ich mich: wenn ihr Werbung so hasst, warum druckt ihr dann welche? Wenn du die Konsumgesellschaft hasst, warum benutzt du dann Konsumartikel? Wenn du die Regierung hasst, warum zahlst du dann Steuern? Wenn du Umweltzerstörung hasst, warum fährst du dann ein Auto?

Dennoch waren nach besagtem Interview viele Leute irritiert, weil sie Moby so nicht kannten, weil sie ein ganz anderes Image von Ihnen hatten.
Moby: Aber ich war doch immer nur ich selbst. Und wenn mir Dinge wichtig sind im Leben, dann will ich mich dabei auch nicht dumm anstellen. Ein Haufen alter Hippies, die sich immer nur über die Umweltzerstörung beklagen – das wird doch nichts bewirken. Ein Haufen Punkrocker, die sich über die Musik beklagen, die auf MTV gespielt wird, werden nichts erreichen. Nur wenn du dich in das System einschaltest, hast du tatsächlich die Möglichkeit, etwas zu erreichen. Zuerst musst du etwas über die Dinge lernen, die du verändern willst und dann kannst du Wege herausfinden, wie du sie veränderst. Die Wahrheit ist doch: wir müssen alle akzeptieren, dass wir Scheinheilige sind. Wir alle wirken mit an einer Welt, die wir nicht besonders mögen. Wir zahlen alle Steuern an eine Regierung mit der wir nicht einverstanden sind. Wir müssen Benzin tanken, Schuhe anziehen und unsere Wohnung heizen.

Und es gibt keinen Ausweg?
Moby: Doch. Es gab mal einen Mann, der nach Alaska gegangen ist, weil er für sich entschieden hatte, dass er nicht mehr Teil einer kommerziellen Gesellschaft sein wollte. Er hat sich sein Essen selbst gejagt, hat sich seine Klamotten selbst genäht – und er ist gestorben. Er hat sich zwar sehr große Mühe gegeben, aber das war unmöglich. Als ein kalter Winter kam, ist er erfroren. Wobei, da ist ja auch noch die Frage: wie ist er überhaupt nach Alaska gekommen? Wahrscheinlich ist er geflogen. Aber wem gehört die Fluggesellschaft? Alles in allem will ich nur sagen, dass ich denke, die Leute sollten etwas weniger schnell auf andere Leute mit dem Finger zeigen und erst mal sich selbst anschauen. Ein Journalist, der mich dafür kritisiert, dass meine Musik in Werbung verwendet wird, aber der das Produkt benutzt, wofür geworben wird und für ein Magazin arbeitet, dass sich durch Werbung finanziert – mir scheint, als wenn diese Leute nicht das Recht haben, mich zu kritisieren. Es gibt da eine Stelle im Neuen Testament, wo Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Geht raus in die Welt und seid so schlau wie Füchse und so unschuldig wie Tauben“ (bzw. in dt. Bibelübersetzung: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“). Mit der Musik, die ich mache, ist es genauso: die Musik bedeutet mir sehr viel, das Marketing nicht. Ich kümmere mich nicht um den Markt. Ich mache keine Kompromisse musikalisch, aber beim Marketing kann ich das gerne machen. Wenn ich Musik für Werbung lizensiere, dann hat das keinen Einfluss auf die Musik, ich schreibe die Musik ja nicht für die Werbung.

Und was Ihre Aktien betrifft…
Moby: …da habe ich halt eine Vorstellung davon, wie der Aktienmarkt funktioniert. Aber es gibt eben auch ein paar komische, verrückte Hippies, die die ganze Zeit im Wald rumrennen und einfach keine Ahnung haben, wie die Welt funktioniert. Wenn du die Welt verändern willst, musst du aber erst mal wissen, wie sie funktioniert.

Haben Sie denn bestimmte Ziele, Ambitionen, etwas zu verändern?
Moby: Ja, ich hatte einen wirklich guten Plan, wie wir die letzte Wahl hätten gewinnen können. Wir haben sehr hart daran gearbeitet, aber wir haben verloren.

Vor den Wahlen haben Sie Befürchtungen geäußert, dass Sie aufgrund Ihres Engagements für John Kerry von Bush-Unterstützern attackiert werden könnten. Ist derartiges passiert?
Moby: Ja, in Büros von Freunden wurde eingebrochen, Computer wurden geklaut, Telefone wurden abgehört, manche haben Drohanrufe bekommen, wie „Wir wissen, wo du wohnst, wir kriegen dich“ – zack, aufgelegt.

Ist Ihnen etwas passiert?
Moby: Nein. Aber wissen Sie, ich bin ohnehin schon sehr großem Hass des rechten Flügels ausgesetzt. Und auch viele Linke hassen mich. Als sich im Jahr 2000 neben Al Gore auch Ralph Nader für die Präsidentschaft beworben hat, habe ich gesagt: „Eine Stimme für Ralph Nader ist eine Stimme für George Bush. Wenn ihr George Bush ins Oval Office wollt, wählt Ralph Nader.“ Dafür haben mich die Linken gehasst, weil sie Ralph Nader als den einzigen, wahren Linken betrachtet haben. Ich habe nur gemeint, wenn wir uns wirklich um unsere Ideale sorgen, dann sollten wir Al Gore wählen. Warum eine Stimme verschwenden für jemanden, der die Wahl eh nicht gewinnen kann? Damit habe ich mir viele Feinde gemacht.

Sind Sie denn zuversichtlich, dass es eines Tages weniger werden?
Moby: Es wäre ja einfach für mich, weniger Feinde zu haben. Aber das würde für mich heißen, nicht meine Meinung zu sagen.

Was werden Sie heute in Ihr Online-Tagebuch schreiben?
Moby: Keine Ahnung, das weiß ich jetzt noch nicht. Ich setze mich einfach irgendwann hin, fange an zu schreiben. Manchmal habe ich etwas besonders, worüber ich schreiben will, manchmal weniger…

Von Berlin haben Sie heute jedenfalls noch nicht viel gesehen.
Moby: Nein, alles was ich heute bisher gemacht habe, ist in diesem Raum sitzen und reden.

Werden Sie das in zehn Jahren auch noch machen?
Moby: Hm… vielleicht. Aber wahrscheinlich werde ich zwischendurch etwas anderes machen.

Ein Kommentar zu “Ich war doch immer nur ich selbst.”

  1. florian fürst |

    hi moby ich bin ein grosser fan von dir vom lied lift me up das ist echt cool kennst du dich mit einer zöliakie aus ich habe autismus und das wusste ich früher nicht kannst du deutsch

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