Nico Hofmann

Eine provokante Form von Fernsehen.

Nico Hofmann über sein Produzentenleben, das Sat1-Drama „Die Grenze“ und sozialen Brennstoff in der Gesellschaft

Nico Hofmann

© teamworx

Herr Hofmann, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ziehen Sie nun im Event-Zweiteiler „Die Grenze“ den Grenzwall wieder hoch. Warum?
Hofmann: Mich interessiert, ob die Wiedervereinigung geklappt hat und ob sie auch wirklich in den Köpfen der Deutschen angekommen ist. Als wir vor drei Jahren mit dem Drehbuch angefangen haben, las man in allen möglichen Zeitungen, dass sich Teile der Deutschen die Mauer zurückwünschen und dass früher doch alles besser war. Es wurde die Frage gestellt, warum wir dem Osten überhaupt so viel Geld gegeben haben. Aus diesem Zeitgeistgefühl heraus habe ich versucht meine ganz private Fragestellung zu entwickeln: Was würde passieren, wenn sich ein Bundesland, in diesem Fall Mecklenburg-Vorpommern, erneut abspaltet?

Im September 2009 kam eine Forsa-Studie zu dem Ergebnis, dass sich von 1002 Befragten 16 Prozent der Westdeutschen und 10 Prozent der Ostdeutschen die Mauer zurückwünschen. Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
Hofmann: Ich glaube, dass viele Leute noch immer mit Vorurteilen behaftet sind. Die Forsa-Umfrage wird aber noch spannender, wenn Sie der Frage nachgehen, was denn im Osten alles gut war. Viele sagen zum Beispiel, dass die soziale Versorgung, die Kinderversorgung und auch die Nähe und Freundlichkeit der Nachbarn damals besser war als heute. Aber oft ist das  auch ein Nicht-Wissen. Es ist Blödsinn zu sagen, dass das soziale Gefüge im Osten besser war, ohne zu beachten, wie dieses soziale Gefüge überhaupt entstanden ist.

Das Szenario im Film geht folgendermaßen: Nach weltweiten Anschlägen auf Öl-Raffinerien fehlen wichtige Rohstoffe und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. In Rostock herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände und Mecklenburg-Vorpommern droht die Abspaltung vom Rest der Republik. Wie realistisch ist das?
Hofmann: Es gab ja Situationen im letzten Jahr, da waren wir gar nicht so weit von diesen Zuständen entfernt. Wenn Sie sich mal an einige Bilder erinnern, wie zum Beispiel die Befürchtungen um die Opel-Entlassungen, die Pleite der Lehman-Bank oder auch an andere Länder wie Spanien oder Amerika denken, die mit einer massiven Zunahme der Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben. Das Stimmungsbild, das wir in Deutschland hatten und teilweise immer noch haben, war schon sehr stark geprägt von der Fragestellung: Stehen wir die Krise überhaupt durch? Das war das führende Thema im Wahlkampf.

Mit welchen Reaktionen rechnen Sie nun nach der Ausstrahlung? Der Film schürt ja auch Ängste…
Hofmann: Der Film wird bestimmt auch Leute ängstigen, weil er ein Zukunftsszenario beschreibt, dass eben beängstigend ist. Das ist einfach eine neue und sicherlich auch provokante Form von Fernsehen, die ich hier ausprobieren will. Der Wunsch von mir ist eine Auseinandersetzung mit diesem Thema. Der Film stellt die Frage nach der politischen Verführbarkeit der Menschen und ob wirklich ein Bürgerkrieg entstehen würde, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Wenn Sie sich angucken, wie viele Autos mittlerweile in Berlin oder auch hier in Hamburg brennen, sehen Sie, wie viel sozialen Brennstoff es in der Gesellschaft gibt. Insofern ist das schon ein sehr aktuelles Thema, auch wenn wir es im Film natürlich überspitzt darstellen.

Wie sieht man denn die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wenn man selbst so gut im Geschäft ist wie Sie?
Hofmann: Ich bin sicher sehr privilegiert, das weiß ich auch. Und gerade weil ich das weiß, gehe ich sicherlich anders mit der Situation um, wenn ich mir bewusst mache, dass andere diese Privilegien eben nicht haben. Das war auch ein maßgeblicher Grund, warum ich diesen Film überhaupt gemacht habe. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Sicherung des sozialen Friedens das zentrale politische Thema der nächsten Jahre sein wird.

Die Vorbereitung und die Dreharbeiten zu „Die Grenze“ waren sehr aufwendig. Wie würden Sie den Entstehungsprozess dieses Filmes beschreiben?
Hofmann: Ich hatte eine sehr klare Vorstellung, wer da mitspielen soll. Wir haben den Schauspielern das Buch regelrecht auf den Leib geschrieben. Ich wollte unbedingt die Paarung Thomas Kretschmann vs. Benno Fürmann haben, aber auch Anja Kling, Uwe Kockisch oder Marie Bäumer waren die absolute Wunschbesetzung. Ich hab sie dann auch alle gekriegt: Das hat mich sehr glücklich gemacht. Ansonsten ist es eigentlich immer so bei Dreharbeiten, dass sich die Stimmung des Films auf das ganze Team überträgt – das war  schon bei Projekten wie „Die Flucht“ oder „Dresden“ der Fall. Es war ein sehr intensiver, ein sehr heftiger Dreh, weil wir immer sehr viele Schauspieler und tausende Komparsen im Einsatz hatten. Die Komplexität des Films liegt aber auch im Thema. Ob du nun in Stralsund oder auf dem Marktplatz in Rostock drehst – du hast immer eine Berührung mit den Menschen dort. Überall wo wir mit dem Film waren, hatten wir sofort eine Spiegelung von dem Thema in den Leuten, in den Statisten. Die Debatte, die der Film auslösen sollte, hat er auch im Team, bei den Schauspielern und den Komparsen ausgelöst. Man hat sich ständig gefragt: „Was machen wir eigentlich hier?“

Während der Dreharbeiten in Stralsund kam es laut Presseberichten fast zum Eklat. Passanten hielten den Wiederaufbau der Mauer für Realität. Was war da los?
Hofmann: Die Leute standen auf dem Marktplatz und Katja Riemann, unsere Bundeskanzlerin, hat eine Rede gehalten. Das hat viele natürlich erstmal verwirrt, aber erstaunlich viele Leute haben auch sehr differenziert reagiert und untereinander diskutiert, wie das wohl wäre, wenn sich Mecklenburg-Vorpommern wirklich abspalten würde. Das fand ich schon interessant. Natürlich gab es auch ein paar Leute, die gegrölt haben, aber das hat man ja immer bei solchen Veranstaltungen.

Die Figur Rolf Haas, dargestellt von Benno Fürmann, der sich im Auftrag des Verfassungsschutzes in die rechtsextreme Partei DNS als Malwurf einschleusen lässt, erinnert sehr an die Darstellung von Leonardo di Caprio als Mafia-Maulwurf Billy Costigan in „The Departed“. Inwiefern war diese Rolle, dieser Film eine Inspiration?
Hofmann: Von „The Departed“ haben wir uns da gar nicht inspirieren lassen, und auch Benno Fürmann hat seine Rolle auf ganz eigene Weise angelegt. Benno ist eine ganz eigenständige Schauspielerpersönlichkeit. Er beschäftigt sich wirklich wahnsinnig intensiv mit seinen Rollen und entfaltet dann auch eine ganz eigene Wirkung. Für ihn gab es auch gar keinen Plan B. Meine Vorbilder für den Film selber waren dann eher Filme wie „Der Staatsfeind Nr.1“, also so richtige Jerry Bruckheimer-Blockbuster.

Zitiert

Ich muss ganz ehrlich sagen – es hat mich schon gereizt, mit Maximilian Schnell so eine Art moderne Hitler-Figur zu schaffen

Nico Hofmann

In „Die Grenze“ wird ein sehr negatives Politikbild gezeigt: Der skrupellose und brutale Anführer der rechtsextremen Partei DNS, Maximilian Schnell (Thomas Kretschmann), möchte mit allen Mitteln an die Macht und schreckt auch vor Mord nicht zurück, doch die Bundeskanzlerin Carla Reuer (Katja Riemann) sitzt nahezu handlungsunfähig im Kanzleramt und sieht zu, wie Radikale die Straßen verwüsten. Inwiefern besteht die Gefahr, dass die bereits existierende Politikverdrossenheit so noch mehr Nährstoff bekommt?
Hofmann: Der Film arbeitet ja mit Zuspitzungen. Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Land in der Tat eine enorme Politikverdrossenheit haben, die ich gar nicht mehr zu steigern brauche. Ich wünsche mir aber, dass durch den Film auch eine Auseinandersetzung darüber stattfindet, warum wir eigentlich so politikverdrossen sind. In vielen Bereichen wird Politik überhaupt nicht mehr richtig vermittelt. Viele Inhalte werden von den Leuten nicht verstanden, weil sie keine attraktive Vermittlung der Inhalte bekommen. Die hilflose Kanzlerin im Film ist dann eben eine Zuspitzung der politischen Hilflosigkeit. Ich muss ganz ehrlich sagen – es hat mich schon gereizt, mit Maximilian Schnell so eine Art moderne Hitler-Figur zu schaffen, die sich allen zur Verfügung stehenden medialen Möglichkeiten bedient, um die Leute zu verführen. Das hat man ja auch an Jörg Haider in Österreich gesehen, der sich sehr sexy, sehr attraktiv verkauft hat. Populismus in der Politik ist noch immer eine große Gefahr, gerade wenn es in der Gesellschaft brodelt.

Sie sind sehr viel unterwegs, fliegen in Flugzeugen um die Welt, schlafen meistens in Hotels. Wie entspannen Sie sich?
Hofmann: Ich war jetzt grade in Kapstadt, um einen neuen Film von Vivien Naefe vorzubereiten, dann ging es weiter nach Singapur, wo im März die Dreharbeiten zu „Dschungelkind“, unter der Regie von Roland Suso Richter starten und anschließend war ich noch in Los Angeles wegen drei anderen Projekten. Ich bin gerade wirklich gejetlaged, kann nicht mal die genaue Uhrzeit sagen. Ich versuche aber, jeden Tag Yoga zu machen, egal wo und in welcher Zeitzone der Welt ich gerade bin. Heute Abend bin ich nach vier Wochen endlich mal wieder zu Hause in Berlin und werde mich auf mein Laufband stellen. Das hält mich irgendwie im Leben. Ich bin fünfzig geworden und kann Ihnen nur sagen – man merkt die physische Anspannung, die wird stärker denn je.

Mit Ihrer Firma teamWorx zählen Sie zu den wichtigsten Fernsehproduzenten in Deutschland, sind europaweit Marktführer im Bereich der Event-Produktion. Was sind Sie für ein Typ Chef?
Hofmann: Ich glaube, dass ich extrem kollegial bin und gerade als Professor an der Filmhochschule in Ludwigsburg schon viele Talente gefördert habe. Ich hatte jetzt gerade Diplomprüfungen und einer meiner Studenten, ein 26-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, war mit seinem Film aktuell im Wettbewerb der Berlinale 2010 vertreten. Ich bin wahnsinnig stolz, wenn ich sehe, dass ich diese talentierten Menschen fördern kann. Das gilt auch für die eigene Firma. Ich habe Mitarbeiter, die in meiner Firma groß geworden sind und jetzt alleine große Event-Produktionen mit einem Millionen-Budget betreuen. Denen kann ich auch voll und ganz vertrauen. Ansonsten bin ich oft wahnsinnig ungeduldig und kann auch sehr emotional reagieren, wenn mir die Filme nicht gefallen, die Schnitte falsch gesetzt sind. Das gilt natürlich nicht nur für die Firma, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Regisseuren. Es muss einfach stimmen. Durch die hohen Summen entsteht ja auch ein hoher Druck.

Wo Sie die hohen Summen ansprechen – nun sieht man im Film „Die Grenze“ sehr viele Produkte der Marke Apple: Computer und iPhones. Inwiefern gibt es da eigentlich eine wirtschaftliche Kooperation?
Hofmann: Da müssen Sie den Regisseur Roland Suso Richter fragen, denn bei dem besteht die ganze Wohnung aus Apple. Ich persönlich habe gar keinen Computer und auch kein iPhone. Es gibt hier definitiv kein Product-Placement, ich werde keine müde Mark von Apple für den Film bekommen.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Welche anderen Film-Produzenten bewundern Sie? Sie haben mal gesagt, Bernd Eichinger wäre so etwas wie eine Vaterfigur…
Hofmann: Es gibt viele Produzenten, die ich bewundere, weil ich ja mit vielen auch aufgewachsen bin und mit ihnen zu tun hatte, als ich selbst noch Regie geführt habe. Bei Bernd Eichinger habe ich sicherlich am meisten gelernt, habe ja auch drei Jahre für ihn gearbeitet. Bei ihm merkt man einfach, dass er ein leidenschaftlicher Macher ist, das hat mich immer beeindruckt. Auch Regina Ziegler ist eine ganz wichtige Weggefährtin von mir, mit der ich nach wie vor massiv befreundet bin. Ich bewundere aber auch Produzenten wie Wolfgang Rademann, der eine unglaubliche Karriere im deutschen Fernsehbereich hinter sich hat, mittlerweile siebzig ist, aber immer noch wie fünfzig wirkt, und ein unglaublich lebenslustiger Mensch ist.

Sie meinten vorhin, dass Sie für „Die Grenze“ alle Schauspieler bekommen haben, die Sie wollten. Gibt es denn einen Schauspieler mit dem Sie immer schon mal arbeiten wollten, der bisher aber immer abgesagt hat?
Hofmann: Eigentlich habe ich bisher immer alle Schauspieler bekommen, die ich wollte. Eine Schauspielerin, die mir bisher aber schon bei acht Filmen abgesagt hat, ist Jessica Schwarz. Bei der Verfilmung von David Safiers Erfolgsroman „Jesus liebt mich“, den wir bald in Südafrika drehen, ist sie nun aber endlich dabei und das freut mich sehr. Ich habe aber auch großen Respekt davor, wenn wir mir jemand sagen kann, warum er nicht mitmachen will, und das hat Jessica Schwarz immer getan.

Was sind Sie privat für ein Fernsehgucker?
Hofmann: Ganz ehrlich: Ich schaue wirklich alles. Ich bin ja auch viel in Hotels, habe jetzt zum Beispiel den kompletten Zweiteiler „Gier“ von Dieter Wedel angeschaut. Mich interessiert dann auch wirklich, was jemand gemacht hat. Ich muss so einen Film dann auch komplett und hochkonzentriert gucken. Es gibt ja Kollegen, die sehen sich zehn Minuten von einem Werk an und bilden sich dann eine Meinung – das kann ich nicht. Wenn ich mal was nicht schaffe, nehme ich es mir auf. Wenn ich jetzt nach Berlin zurückkomme, habe ich bestimmt fünfzehn DVDs auf dem Tisch liegen. Ich rufe dann auch begeistert jemanden an, wenn mir was besonders gut gefallen hat.

Sie arbeiten oft gleichzeitig an mehreren Filmprojekten, erfüllen Lehraufträge in München, Berlin und Ludwigsburg und sitzen in verschiedenen Gremien und Jurys, zum Beispiel vom „Deutschen Fernsehpreis“. Wie behält man bei all den Projekten den Überblick?
Hofmann: Den Überblick behalten Sie nur durch Delegierung, wenn Sie ein gutes Team haben, auch mit vielen jüngeren Leuten in der Firma, die Ihnen dann auch komplett die Arbeit abnehmen. Das große Projekt „Hindenburg“ für RTL macht zum Beispiel eine Mannschaft bei uns im Haus komplett alleine. Damit habe ich gar nichts mehr zu tun. Wir machen im Schnitt zwischen 25 und 28 Filme im Jahr und letztes Jahr war ich vielleicht an fünfzehn Produktionen beteiligt. Ich versuche mich jetzt 2010 wirklich auf acht bis zehn Projekte zu konzentrieren und den Rest an andere zu verteilen. Sie können nicht auf so vielen Baustellen mit derselben Intensität arbeiten. Das geht einfach nicht.

2 Kommentare zu “Eine provokante Form von Fernsehen.”

  1. ohne namen |

    Großer Unfug

    Ich finde das ist alles großer quatrsch

    Antworten
  2. Ralf |

    Sat 1 – Soße

    Und wie sieht das dann aus? Die „ganz persönliche Fragestellung“ wird das übliche kalkuliertes Öd-TV. Direkt im Anschluss: in der Werbepause der „Neonazis in Deutschland-Doku-zum-Event-Movie“ wird auf den zweiten Teil von „Die Grenze“ geteast und auf die folgende Doku, am selben Abend: „Eva Braun – Ihr Lieben und Sterben“… Bizarr. Geschichte und „soziale Wirklichkeit“ als gleichmachende Auswurfmaschine für effekthascherische Schlagzeilen und plakative Bilder…

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.