Nina Hoss

Bei Frauen droht es schnell mal zu gefühlig zu werden.

Nina Hoss über ihre Rolle in "Die Weisse Massai", wie sie Afrika erlebt hat, Nackt-Szenen und wie unterschiedlich Männer und Frauen Regie führen

Nina Hoss

© Constantin Film

Frau Hoss, kannten Sie eigentlich das Buch von Corinne Hofmann, auf dem Ihr neuer Film "Die weiße Massai" basiert, als Ihnen die Rolle angeboten wurde?
Hoss: Nein. Der Hype um das Buch ist völlig an mir vorbeigegangen. Ich frage mich, wo ich damals gewesen bin. Alle meine Freunde kannten das Buch, nur ich nicht. Als dann feststand, dass ich die Rolle spiele, habe ich es natürlich zur Vorbereitung gelesen.

Corinne Hofmann schwärmt von der herrlichen Tropenluft, die sie empfängt, als sie am Flughafen von Mombasa ankommt. Welchen Geruch verbinden Sie mit Afrika?
Hoss: Bei mir sind es weniger die Gerüche als die intensiven, warmen Farben, die eine absolut beruhigende Wirkung haben. Es gab eine Situation, in der ich die Dreharbeiten unterbrechen und nach Berlin zurückfliegen musste, um dort Theater zu spielen. Das hat mich unglaublich gestresst. Als ich dann aus Berlin zurückkam und mit dem Flugzeug in den Busch eintauchte, war ich sofort ganz ruhig. Dieses Rot der Erde, die Wärme – das ist Afrika für mich.

Waren Sie das erste Mal in Afrika.?
Hoss: Ja. Ich kannte diesen Kontinent überhaupt nicht, habe mich aber schon immer sehr dafür interessiert. Es war mir klar, dass ich irgendwann dorthin reisen würde. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, als mir die Rolle angeboten wurde und ich Gelegenheit hatte, fast drei Monate lang in Kenia zu drehen. Es war ein großes Abenteuer, das mich sehr bereichert hat.

Wie muss man sich die Umstände beim Dreh vorstellen? Wie haben Sie gelebt?
Hoss: Als Teil einer Film-Crew und gerade als Hauptdarstellerin darfst du nicht ausfallen. Deshalb waren alle sehr bemüht um uns und haben dafür gesorgt, dass wir etwas Gutes zu essen bekommen. Das Team hat alles Mögliche getan und zum Beispiel europäisches Essen mitten im Busch serviert – völlig absurd. Ich hatte nicht eine einzige Magenverstimmung und die habe ich in fremden Ländern sonst immer. Wir haben in einem Zeltlager geschlafen, was mir sehr gut gefallen hat. Ich mag das. Es liegt mir mehr als eine Nacht im Luxushotel. Extremsituationen fordern mich eher heraus, als dass ich Angst vor ihnen habe.

In Ihnen steckt also eine Abenteuerin?
Hoss: Ja, schon. In einem Land wie Afrika finde ich es allerdings doch besser, gewisse Anlaufpunkte zu haben – Menschen, die einem sagen, welche Orte man sich anschauen soll. So bekommt man einen tieferen Einblick. Privat stiefele ich auch schon mal mit dem Zelt auf dem Rücken durch die Pyrenäen. Das ist viel spannender, als Tage lang am Strand zu liegen.

Carola, die Frau, die Sie spielen, gibt ihre gesicherte Existenz in der Schweiz auf und entscheidet sich für ein Leben im Busch. Warum tut sie das?
Hoss: In dem Moment, als sie den Massai-Krieger zum ersten Mal sieht und sich in ihn verliebt, ist sie bereit für Veränderung. Sie hat eine große Offenheit, gepaart mit Naivität. Carola ist neugierig auf das Leben und die Menschen, aber auch sehr stur. Was sie sich in den Kopf setzt, zieht sie durch. Sie will, dass ihr Experiment klappt. Gleichzeitig hat sie eine gewisse Scheuklappenmentalität, ohne die sie das Leben im Busch wahrscheinlich überhaupt nicht ausgehalten hätte. Dort ist man ganz auf sich zurückgeworfen. Du hast niemandem, mit dem du über das, was du erlebst, reden kannst. Damit muss man umgehen können.

Können Sie sich vorstellen, ähnlich zu handeln?
Hoss: Ja, ich bin ich genauso. Man lebt nur einmal. Und wenn man eine große Sehnsucht spürt und das Gefühl hat, etwas ausprobieren zu müssen, dann sollte man das auch tun – selbst wenn man scheitert. In diesem konkreten Fall hätte ich mich aber anders entschieden. Das wäre nicht mein Ding. Ich wüsste nicht, was ich im Busch soll.

Gibt es in Ihrem Leben auch diese eine große Sehnsucht?
Hoss: Ich bin niemand, der von großen Träumen lebt. Ich bin im Hier und Jetzt sehr glücklich. Ich habe eine Arbeit, die mich erfüllt und die mich mit interessanten Menschen zusammenbringt. Meine Sehnsucht ist, dass es so bleibt, wie es ist.

Corinne Hofmann schwärmt von der offenen, fröhlichen Art des Samburus-Volkes. Wie haben Sie diese Menschen erlebt?
Hoss: Genau so. Diese freundliche Art hat es ihr überhaupt erst möglich gemacht zu bleiben. Die Menschen sind sehr warmherzig, offen und neugierig. Dabei haben sie auch etwas sehr Ernsthaftes und Stolzes. Es war eine tolle Erfahrung, gemeinsam mit ihnen zu drehen. Die haben uns wirklich an die Wand gespielt. Es gibt im Film zum Beispiel eine Gerichtsszene, in der Carola zur Strafe einige Ziegen abgeben muss. Den Samburu-Männern wurde der Fall nur kurz geschildert und die haben einfach drauf los gespielt – wenn nötig, auch zehnmal hintereinander. Zeigen Sie mir einen deutschen Statisten, der das hinbekommt.

Der Film behandelt auch kritische Themen, zum Beispiel die Sexualität zwischen Mann und Frau oder die Beschneidung von Mädchen.
Hoss: Aus unserer Perspektive wirkt Vieles im Verhalten der Samburus natürlich befremdlich. Der Film zeigt, wie Carola mit dem, auf das sie stößt, umgeht. Er verurteilt aber nicht. Das war mir sehr wichtig. Keinem der beiden wird am Schluss die Schuld am Scheitern der Beziehung gegeben. Sie konnte einfach nicht funktionieren, weil beide zu verschieden sind.

Das heißt, eine Beziehung zwischen zwei fremden Kulturen ist zum Scheitern verurteilt?
Hoss: Ich bin wohl zu romantisch, um nicht daran zu glauben, dass sie doch funktionieren kann. Ich denke aber schon, dass man auf große Schwierigkeiten stößt. Das hat auch mit der jeweiligen Gesellschaft zu tun. Die Beziehung hätte auch in der Schweiz nicht funktioniert. Man stößt an Grenzen und auf Widerstände, die mit der Beziehung selbst gar nichts zu tun haben müssen, aber die sie trotzdem belasten.

Im Film gibt es sehr intime Liebesszenen. Wie gehen Sie mit Nacktheit beim Drehen um?
Hoss: Das frage ich mich auch. Es ist wirklich witzig: Ich drehe solche Szenen wahnsinnig ungern und trotzdem ziehe ich mich in fast jedem Film aus. Wichtig ist für mich, dass die Szene schlüssig ist. In diesem Film wäre es völlig bekloppt gewesen, die beiden halb angezogen unter dem Laken zu zeigen. Ich habe mit der Regisseurin sehr lange darüber geredet, ob es wirklich notwendig ist, alles zu zeigen. In diesem Fall war es das. Schließlich geht es darum, dass Carola ihrem Mann Lemalian eine andere Form der Sexualität zeigt.

Corinne Hofmann hat sich für die Verfilmung eine Regisseurin gewünscht, weil sie glaubt, eine Frau könne sich besser in die Geschichte einfühlen. Teilen Sie diese Meinung?
Hoss: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ein Mann sogar mehr von Frauen versteht. Bei Frauen droht es schnell mal zu gefühlig zu werden. Ein Mann hat oftmals einen viel nüchterneren Blick auf die Geschichte. Umgekehrt kann es aber auch funktionieren, Claire Denis zum Beispiel macht ganz unglaubliche Männerfilme. Im Fall von "Die weiße Massai" war ich sehr froh, dass Hermine Huntgeburth Regie geführt hat, weil sie so unsentimental ist. Es ist uns gelungen, nicht dem Kitsch zu verfallen, der ja auch in der Geschichte liegt und den wir zum Teil natürlich bedienen. Wir erzählen schließlich eine Liebesgeschichte.

Neben Ihrer Arbeit für Film und Fernsehen haben Sie immer Theater gespielt. Wie wichtig ist Ihnen die Bühne?
Hoss: Ich habe auf dem Theater begonnen und genieße den Luxus, Theater und Film kombinieren zu können, und das auf einem relativ guten Level. Beides befruchtet sich. Ich kann natürlich nicht die Mittel des Theaters im Film einsetzen und umgekehrt, aber trotzdem hat die Art und Weise der Arbeit, so unterschiedlich sie ist, miteinander zu tun.

Inwiefern unterscheidet sich das Spiel auf der Bühne von dem vor der Kamera?
Hoss: Es ist immer schwierig über den Beruf zu sprechen, über das, was da mit einem passiert. Ich beschreibe es mal so: Beim Drehen hast du eine Grundlage. Bevor ich eine Figur spiele, sehe ich mir Bilder und Gemälde an, höre eine bestimmte Musik. So angefüllt mit Ideen und Vorstellungen komme ich dann zum Set und treffe auf Partner, die alle ganz eigene Vorstellungen haben. Wenn sich beide öffnen und sich aufeinander einlassen, können sich Dinge ergeben, die man beim Lesen des Drehbuchs nie erahnt hätte. Das sind absolute Glücksmomente. Beim Theater würdest du fünf Wochen daran arbeiten, um diesen Moment wieder herzustellen.

Sie haben eine sichere Hand, was die Wahl Ihrer Arbeiten betrifft. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was Sie spielen?
Hoss: Für mich ist nicht allein der Stoff wichtig, sondern wie sich das Team zusammensetzt – wer sind die Partner, wer führt Regie? Das heißt aber nicht, dass ich gefeit davor wäre, auch falsche Entscheidungen zu treffen. Das muss einem Schauspieler oder Regisseur aber auch vergönnt sein. Wir müssen scheitern dürfen. Als Schauspieler liefert man sich zu einem gewissen Grad ja aus. Ich kann noch so gut spielen, wenn der Film schlecht geschnitten ist, bin ich verloren.

Der Film "Das Mädchen Rosemarie" hat Sie schlagartig berühmt gemacht. Wie gehen Sie damit um, prominent zu sein?
Hoss: Man wird sehr schnell kategorisiert – entweder du bist ein Star oder du bist eben keiner. Ich verstehe das. Es macht mir ja auch Spaß, zu einer Filmpreisverleihung zu gehen und dann ein bestimmtes Bild zu erfüllen. Ich bin aber genauso gern privat und möchte es mir ungern nehmen lassen, mich einfach in den Bus zu setzen. Unangenehm wird es, wenn man mir auch noch zuschaut, wie ich meine Socken kaufe. Aber selbst das ist in Ordnung. Wer den Beruf des Schauspielers ergreift, musst sich damit abfinden, dass er Teil des öffentlichen Lebens ist und unter Beobachtung steht.

Ein Kommentar zu “Bei Frauen droht es schnell mal zu gefühlig zu werden.”

  1. susan |

    Nina Hoss eine wunderbare Schauspielerin

    Ich finde dieses Interwiev sehr interessant,da ich Nina Hoss sehr bewundere.Und dieses hinterlässt einen netten Eindruck.Außerdem hab ich den Film „Die weisse Massai“ im Kino gesehen und da entstanden auch viele Fragen,wodurch einige hiermit beantworte wurden.

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