Fettes Brot

Jeder muss letztendlich seinen eigenen HipHop finden.

Speedy Konsalik aka Dr. Renz von Fettes Brot über Rio Reiser, Bandsitzungen, Medienpräsenz und dass Casting-Shows kaum etwas mit Musik zu tun haben

Fettes Brot

© Edel Records

Speedy, ihr habt mit Fettes Brot einen Song zum sogenannten "Rio Reiser Familienalbum" beigesteuert und den Song "Ich bin müde" gecovert. Welche persönlichen Berührungspunkte hattest du vorher mit der Musik von Rio Reiser?
Speedy Konsalik: Bei mir fing das etwas später an. Zu der "Ton, Steine, Scherben"-Zeit habe ich seine Musik noch nicht gehört. Erst durch seine ersten Solo-Sachen bin ich auf ihn aufmerksam geworden und habe mich dann rückwärts durch seine anderen Songs und LPs gehört. Seine ersten Hits im Radio, seine ersten Solo-Erfolge, das war für mich schon irgendwie frappierend witzig. Zum Teil waren es ernste Themen, zum Teil aber auch Songs mit viel Seele und Gefühl. Ich finde seine Texte sehr universell, selbst in einem politischen Kampflied steckt bei ihm oft ganz viel Liebe, Sehnsucht und Leidenschaft drin. Und andersherum gibt es in seinen Liebesliedern auch eine politische Ebene.
Als man unsere Band dann gefragt hat, ob wir Lust hätten, bei dem Familienalbum mitzumachen, waren wir kurz entschlossen sofort dabei, wir sind schließlich alle drei große Fans von ihm.

Als ihr euch nun an "Ich bin müde" rangemacht habt, gab es Berührungsängste?
Speedy Konsalik: Nein, Angst nicht, das war eher eine Herausforderung für uns, der wir uns aber auch gewachsen gefühlt haben. Es gab natürlich auch eine große Ehrfurcht vor dieser großen Persönlichkeit, wir wollten seinem künstlerischen Werk gerecht werden, leider kann er sich ja nicht mehr beschweren. Aber da wir Fans von Rio Reiser sind, ist uns das nicht so schwer gefallen und ich denke, das was wir gemacht haben, hätte ihm gefallen.

Sich an einem Rio Reiser Album zu beteiligen, hat das für euch auch etwas mit einem politischen Statement zu tun?
Speedy Konsalik: Klar, alles was man macht, ist politisch, auch was Musik angeht. Interessant ist aber, das auf dem Familien-Album gar nicht so viele von seinen politischen Songs vertreten sind. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass es sich komisch anfühlt, solche Songs, die damals so aktuell waren, heute noch mal so darzubieten, dass es nicht peinlich wird. Das ist damals auch eine ganz spezielles Stimmung gewesen, die die "Scherben" mitgeprägt haben – insofern ist es schwierig, heute so einen Song zu singen, weshalb sich viele der Interpreten auf dem Album mehr mit den Songs auseinandergesetzt haben die das Thema Liebe behandeln.

Gibt es denn hin und wieder Projekte solcher Art, die ihr ablehnt?
Speedy Konsalik: Ja, das schon. Ich kann jetzt keines speziell nennen, aber wenn ich die Protokolle unserer Bandsitzungen zugeschickt bekomme von unserem Management, steht da oft drin, dass dieses und jenes abgesagt wird.

Ihr macht richtige Bandsitzungen?
Speedy Konsalik: Ja, klar, da sitzen wir dann einfach zu dritt mit unserem Manager Jens, der uns seit Kindertagen begeleitet, der schon unsere Manager sein wollte, als wir noch gar nicht wussten, dass wir jemals einen brauchen würden – er ist unser Manager geblieben. Wir treffen uns immer, wenn etwas anliegt, da werden so ordinäre Sachen besprochen wie Konzertanfragen, Interviewanfragen, ob wir uns an irgendwelchen neuen Platten beteiligen wollen – und ganz oft sollen wir auch nur etwas spenden. Aber alles läuft eben heute bei unserem Manager zusammen. Die Zeiten, wo wir noch selbst alle Anrufe entgegengenommen haben, sind vorbei.

In Bezug auf Interviewanfragen, hin und wieder seit ihr auch in der Bravo aufgetaucht, war das immer in eurem Sinne?
Speedy Konsalik: Also, wir haben das mit der Bravo ganz am Anfang einmal versucht, wobei uns die Zusammenarbeit damals nicht so gefallen hat. Zu unserem dritten Album haben wir es dann wieder drauf ankommen lassen, das lief eine Zeit lang gut, bis in der Bravo wieder etwas kam, was uns übel aufgestoßen ist. Seit dem haben wir auch gesehen, dass die Bravo so wichtig nun auch wieder nicht ist und seitdem fahren wir auch ganz gut ohne Mithilfe der Teeniepresse.
Generell gefallen uns heute besonders die Medien nicht so gut, wo es nicht so sehr um die Musik geht sondern darum, dass wir prominent sind, wo es also nicht um das geht, was die Leute können, sondern allein um die Prominenz. Wir haben auch noch nie etwas mit der BILD-Zeitung gemacht – und das war glaube ich auch ganz gut so.

Wo sind Fettes Brot, wenn nicht im Studio?
Speedy Konsalik: Wir sind tatsächlich über die Jahre so etwas wie Freunde geworden und wir treffen uns erstaunlicher Weise auch mal privat, selbst wenn wir viel miteinander um die Ohren haben. Es sind aber meistens auch die ganz gewöhnlichen Dinge wie Einkaufen, Sport treiben, sich mit Freunden treffen und ins Kino gehen – wobei ich schon länger nicht mehr im Kino war. Ich bin gerade letztes Jahr Vater geworden, seitdem bin ich nicht mehr dazu gekommen.

Zitiert

Wir kommen alle aus der klassischen deutschen Mittelschicht.

Fettes Brot

Gemäß eures Rio Reiser Songs "Ich bin müde" nun die Frage: gab es in den elf Jahren Fettes Brot Müdigkeitserscheinungen?
Speedy Konsalik: Also, die ganz große Krise haben wir bisher nicht erlebt. Es gibt aber halt die üblichen Aufs und Abs an kreativer Energie, die einem zur Verfügung steht – und rückblickend kann ich schon feststellen, dass ein paar Schaffensperioden gab, wo ich heute denke, da hätte man die Sache auch besser machen können. Irgendwie haben wir uns aber immer wieder neu beleben und neu erfinden können.

Nun hat sich das Musik-Business in den letzten Jahren stark verändert – es für euch schwerer geworden, sich als Band zu behaupten?
Speedy Konsalik: Nein, im Gegenteil, ich finde, es ist leichter geworden, weil wir als Band heute viel genauer wissen, was wir wollen und was nicht. Am Anfang einer Karriere ist man ja erst mal viel damit beschäftigt, seinen Weg zu finden. Das ist heute nicht mehr so, wir wissen ziemlich genau, wo wir hinwollen und was wir erreichen wollen. Wobei es dabei vor allem um die künstlerischen Fortschritte geht, dass wir einfach Lust haben, uns musikalisch weiter zu entwickeln, neue Sachen auszuprobieren, Herausforderungen anzunehmen, Leute kennen zu lernen, mit denen man sich weiterentwickeln kann. Es gibt auch keine Ängste vor irgendwelchen Hitparaden-Konkurrenten, die Zeiten sind auch vorbei, wo wir versucht haben, Musik zu machen, mit der Vorstellung, dass sie ein Hit werden könnte. Solche Songs, haben wir gemerkt, floppen auf jeden Fall. Am besten haben immer die Sachen funktioniert, wo es uns völlig egal war, was damit passiert.

Beobachtet ihr auch Entwicklungen, wie die steigende Anzahl von Musik-Casting-Shows?
Speedy Konsalik: Es ist natürlich so, dass "Deutschland sucht den Superstar" eins der medienwirksamsten Ereignisse in der letzten Zeit war. Doch für die Musik bedeutet die Musik ja eigentlich nicht wirklich etwas, da geht es doch nur um die Art und Weise, wie man Musik vermarkten kann …

… und musikalische geht es bei den Sendungen steil bergab.
Speedy Konsalik: Naja, bei den Casting-Shows warst du ja noch nie irgendwo anders, als unten am Berg, oder? Mich interessiert das musikalisch überhaupt nicht. Gesellschaftlich ist es vielleicht interessant, die Leute zu sehen, wie sie ihre große Chance wittern, andere Leute zu sehen, die diese Chancen kaputt machen oder eben die kleinen Leute groß raus bringen – mit Musik hat das allerdings überhaupt nichts zu tun.

Noch einmal zurückgeblickt – als ihr mit Fettes Brot anfingt, habt ihr wesentlich dazu beigetragen, dass der deutsche HipHop ein Format bekam. Welche Schwierigkeiten hattet ihr in der Anfangszeit in Bezug auf die Art der Texte?
Speedy Konsalik: Also, wir haben uns von vornherein textlich immer sehr vielfältig geäußert. Wir haben natürlich viel über Partys gerappt, weil wir in einem Alter angefangen haben, Musik zu machen, wo wir viele halt auch Partys gefeiert haben. Wir haben aber genauso von vornherein auch über andere Sachen gerappt, nur wurde das in der Beurteilung unserer Band oft nicht so wahrgenommen. Mittlerweile sind wir aber für unsere Vielseitigkeit bekannt, denke ich, man nimmt uns nicht mehr als die Party-Bengel wahr, die auf Plattdeutsch über Disco-Beats rappen.
Was den HipHop an sich betrifft, ist das halt unsere Jugendkultur gewesen, aus der wir dann irgendwie unser berufliches Standbein entwickelt haben, was natürlich nie so geplant war. Es war aber einfach die angenehmste Art, unsere Zeit als Jugendliche rumzukriegen, auf irgendwelche Jams zu gehen, Breaker, DJs und Rapper zu sehen und dann selbst auf der Bühne zu stehen um andere Leute zu unterhalten. Wir haben dann in dieser Szene, die sich mit der Zeit auch wirtschaftlich verändert hat, auch in den Medien immer präsenter wurde, mehr oder weniger bewusst versucht, unseren Weg zu gehen. Natürlich sind wir auch an allen Ecken und Enden damit angestoßen. Ob das jetzt die Szene war, von der uns große Teile nie für richtig voll genommen haben oder die Medien, die einen auf irgendeinen Status reduzierten, den man eigentlich nicht bedienen wollte.

Aus welchen sozialen Verhältnissen kamt ihr eigentlich, wenn man fragen darf?
Speedy Konsalik: Wir kommen alle aus der klassischen deutschen Mittelschicht. Das war am Anfang auch eine wichtige Frage, die wir uns persönlich nie gestellt hatten, die aber sehr oft an uns herangetragen wurde. In autonomen Jugendzentren wurde schon mal kritisch nachfragt, ob wir aus unserer sozialen Herkunft heraus überhaupt Musik machen dürften, die ursprünglich das CNN der Schwarzen in Amerika war und die quasi dafür da ist, auf gesellschaftliche Missstände hinzudeuten. Aber wir haben HipHop schon immer so interpretiert, das jeder letztendlich seinen eigenen HipHop finden muss, dass es darum geht, sich selbst zu repräsentieren. Das ist mit den Jahren aber auch viel selbstverständlicher geworden, da hatten wir am Anfang noch wesentlich mehr Beton-Köpfe zu überzeugen, als es heute der Fall ist.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist Comic, welche Figur bist du, bzw. welche Figuren wären deine beiden Mitstreiter?
Speedy Konsalik: Also, Björn Beton ist Calvin von "Calvin und Hobbes". König Boris wäre Käpt’n Haddock von "Tim und Struppi" – der mit den hundertausend heulenden Höllenhunden.

Und du?
Speedy Konsalik: Ich bin der faule Kater Garfield. Die Comics habe ich früher gerne gelesen und auch gezeichnet. Wie andere Ottifanten zeichnen konnten, konnte ich den Garfield zeichnen.

Speedy im richtigen Leben also ein Faulpelz?
Speedy Konsalik: Auf eine gewisse Art schon, ich liege gerne rum und mache gar nichts …

… und die anderen beiden machen die Musik?
Speedy Konsalik: Nein, Garfield ist auch sehr musikalisch, das wissen nur viele nicht. Ich halte mich also nicht ganz aus de´n musikalischen Fragen raus.

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