Pole

Kontinuität schafft Kreativität!

Stefan Betke alias Pole über Album "Pole", die Berliner Elektro-Szene und sein Label Scape

Pole

© Mute

Stefan, dein neues Album "Pole" ist deutlicher am HipHop orientiert, als seine Vorgänger, gleich wohl liegt Dub als Arrangement über den Tracks. Wie entstand diese neue Thematik?
Betke: HipHop ist auf jeden Fall die Musik, mit der ich mich gerade in den Jahren ’90 bis ’97 sehr beschäftigt habe, sie auch gerne gehört habe. HipHop war mir eigentlich immer näher als Dancefloor oder Techno. Insofern stellt diese Thematik eine Art Rückbesinnung auf alt bekanntes dar. Zudem bringt HipHop und Rap eine sinnvolle Ergänzung zu den Dub-Arrangements und füllt die Tracks wärmer auf. Die Musik ist nun eher cool als kühl.

Wie entstand die Zusammenarbeit mit dem Rapper Fat Jon aus Ohio?
Betke: Ich habe Jon hier in Berlin im Club Icon erlebt, ich hatte auch schon zwei, drei Maxis von ihm erworben. Zudem haben wir einen gemeinsamen Bekannten hier in Berlin, den Thomas Morr, von Morr Music. Thomas hatte uns dann letztendlich zusammen gebracht. Ich fand die Musik von Fat Jon sehr gut und war bis zu unserer Zusammenkunft lange erfolglos auf der Suche nach einem geeigneten Rapper – für mich war da keine geeignete Stimme dabei oder die Kommunikation passte nicht recht. Ich habe Fat Jon dann die Stücke vorgespielt, er hat mir seine Ideen dazu erklärt, wir besprachen die Thematik und unsere Vorstellungen zur musikalischen Gestaltung waren schließlich sehr parallel. Kurzum: Die Chemie stimmte und wir erarbeiteten die neuen Arrangements. Ein wahrer Glücksgriff. Das passte!

Wenn die Harmonie stimmt, dürfen wir also noch mehr von Pole & Fat Jon erwarten?
Betke: Nun, wir gehen jetzt erst einmal zusammen auf Tour, auf jeden Fall bis August. Ich habe bis jetzt noch nicht im Detail über neue Releases nachgedacht, aber generell könnte ich mir eine weitere Zusammenarbeit mit Fat Jon sehr gut vorstellen – er denkt sich übrigens dasselbe mit mir, ja!

Das Album "Pole" folgt inhaltlich einer Entscheidung zur deutlichen Reduktion. Gleichwohl ist das Gesamt-Arrangement wärmer als die davor veröffentlichen Alben, nicht zuletzt dank Kontrabassist August Engklide und Saxophonist Thomas Haas. Besinnung auf das Wesentliche?
Betke: Ja, Besinnung auf das Wesentliche und das ist das Musikalische. Es stimmt, der Sound ist wärmer geworden, wir haben viel mehr Raum für flüssigen Lauf gelassen, das Album ist organischer gestaltet, wir haben alles bewusst etwas unbearbeiteter gelassen, nicht nur was Kontrabass und Saxophon betrifft, sondern auch meine E-Piano-Parts. Mixmethode und Soundnachbearbeitung standen unter dem Motto "Zulassen können". Es war mir wichtig, diese Ebene des "Zu zulassen", die auch schon immer in meiner Musik immanent war, nicht durch eine intellektuelle Distanz zu überschatten.

Wo und wie lange habt ihr das Album produziert?
Betke: Zum größten Teil entstand das Album in Berlin. Bis auf einige Arrangements von August Engklide, die er bereits in Kuba aufnahm. Thomas Haas dagegen hatte sämtliche Parts in seinem Kopenhagener Studio aufgenommen, da er als einer der gefragtesten Jazz-Saxophonisten Dänemarks derart überbeschäftigt ist, dass er kaum nach Berlin kommen konnte. Was die Zeitdauer betrifft: Das vorliegende Album ist über einen Zeitraum von drei Jahren entstanden, wobei die eigentliche Produktionsphase relativ schnell ging. Es war einfach so, dass ich viel auf Tour war, es einige Zeit gedauert hat, bis wir Musiker endlich zusammenkamen, da jeder in unterschiedliche Projekte eingebunden war und es davor auch einige Zeit gedauert hat, bis ich die passenden Musiker, also August, Thomas und Jon für das aktuelle Projekt gefunden habe. Die drei Jahre bis zum aktuellen Album sind also keine Produktionszeit. In gewissem Sinne allerdings fließen diese drei Jahre kreativ in dieses Album ein, denn in dieser Zeit sind ja auch Erfahrungen gewonnen worden, ob musikalisch oder menschlich und diese Einflüsse spürt man jetzt natürlich auch in der Musik. Kontinuierliche Weiterentwicklung der bestehenden Musikbasis, dafür steht Pole. Kontinuität schafft Kreativität!

Würdest du denn sagen, dass es ab jetzt bei "Pole" einen musikalischen Richtungswechsel gibt? Sind Ausflüge zum BigBeat oder zum Jazz geplant?
Betke: BigBeat auf keinen Fall, das ist überhaupt nicht mein Ding. Es wird schon diese eigene Sprache bleiben, die ich da für mich entwickelt habe. Ich bin aber eindeutig bestrebt, diese Sprache weiter zu entwickeln, weiter voran zu treiben. Ich werde auf jeden Fall weiter mit anderen Musikern wie August oder Thomas kollaborieren. Mal schauen, was da kommt. Als Musiker sollte man definitiv offen für Neues sein.

Du hast deine Plattenfirma gewechselt und bist nun bei "Mute Records". Was bedeutet das für deine musikalische Arbeit und darüber hinaus für Dein Label "Scape"?
Betke: Mein alter Vertrag bei "Play it again Sam" (PIAS) lief aus, den habe ich bis zum Ende erfüllt. Die alten Leute, mit denen ich dort zusammenarbeitete, waren nicht mehr da und so musste ich mich neu orientieren. Es passte nicht mehr. Ich habe mir überlegt auf unserem eigenen Label "Scape" weiter zu machen, das wäre mir dann allerdings zu viel gewesen. Da hätte ich mich nicht mehr nur um die Musik, sondern auch um den Vertrieb, die Promotion und so weiter kümmern müssen — fulltime immer mit demselben Projekt, das hätte viel kreative Energie gekostet. Parallel zu diesen Überlegungen lernte ich den "Mute"-Chef Daniel Miller kennen und produzierte daraufhin einige Remixes für "Mute". Ich habe die Arbeitsweise, die Ideen und die persönliche Art von Daniel Miller und "Mute" schließlich sehr schätzen gelernt, umgekehrt ging es genau so. Ja, und dann kam es irgendwann zwangsläufig dazu, dass wir sagten, "Lass uns doch mal zusammen gehen" und so ging das Spiel mit "Mute" los. Wunderbar, alle Seiten sind zufrieden. Ich habe sämtliche musikalische Freiheiten und "Mute" vertreibt meine Produkte, hält mir den Rücken frei und verschafft mir den Raum, den ich brauche. Das ist Arbeitsteilung auf einem sehr hohen, professionellen Niveau. So darf es gerne weiter gehen.

Sind auch Kollaborationen mit anderen "Mute"-Künstlern geplant?
Betke: Sofern es passt, bin ich für alles offen, aber bislang ist nichts geplant. Wie auch immer, ich plane nicht, im Vorprogramm von "Depeche Mode" aufzutreten.

Einer der Titel von "Pole" heißt "Green is not Green-Yellow". Was steckt hinter diesem Titel?
Betke: Das bedeutet, dass Grün hier nicht Grün ist, sondern Gelb! Viele Leute werden nicht präzise, kommen nicht auf den Punkt und erzählen Schwachsinn, den sie eigentlich nicht meinen. Da liegt die Wurzel vieler Konflikte. Was soll ich verstehen, wenn Du mir nichts zu verstehen gibst? Sie sollen das, was sie denken, sagen. Also, wenn du Grün denkst, rede nicht Gelb, bitte schön!

Inwiefern beeinflusst dich eigentlich die Berliner Elektro-Szene?
Betke: Ach, da war ich nie richtig drin. Das finde ich für mich persönlich auch nicht wichtig, so Berlin-spezifisch zu klingen. Generell ist Berlin spannend, hier gibt es sehr gutes Framework, deswegen bin ich ja damals von Köln nach Berlin gezogen. Allerdings ist mein Sound schon in Köln so definiert gewesen, wie er es jetzt in Berlin ist. Ich denke, dass ich eher unberlinerisch, undeutscher klinge und mich wesentlich englischer, angelsächsischer anhöre. Wie auch immer, jedenfalls nicht deutsch.

Zehrst du von deinen Live-Auftritten?
Betke: Oh ja. In gewisser Weise spielt ein Live-Auftritt immer wieder in die Produktion mit ein. Zuerst gehst du ins Studio, machst die Stücke nur für Dich. Dann kommst du auf die Bühne, willst das Publikum entertainen, du fährst deine Energie aus und testest quasi deine Arbeit. Dabei entsteht Feedback, die Leute geben dir ihre Vibes zurück. Du lernst dadurch. So entsteht ein permanenter, kreativer Dialog, der wiederum später im Studio seinen Ausdruck findet. Und wieder: Musik ist eine Sprache, Sprache ist Basis für Kommunikation. Dialog ist Teil der Kommunikation. So, wie sich Sprache stets in einem Prozess befindet, ist auch Musik einem kontinuierlichen und kreativen Prozess ausgesetzt. Bühnenarbeit ist für mich eine Art erweiterter Studioarbeit.

Stefan, zum Schluss einiges zur Assoziation. Bitte antworte so knapp wie möglich:
1) Ethik in der Musik?

Betke: Überflüssig!

2) Ocean Club?
Betke: Schmelztiegel!

3) Rechenzentrum?
Betke: Very good visuals!

4) WMF?
Betke: Out of Order!

5) Crooklyn Dub Consortium?
Betke: Boring!

6) DJ Spooky?
Betke: Overhyped!

7) Beruf ?
Betke: Leben ist Beruf.

8) Leben?
Betke: Beruf ist Leben!

9) Politik?
Betke: Gehört mal aufgeräumt!

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