Die Prinzen

Das jüngste Baby ist immer das geilste

Sebastian Krumbiegel, Tobias Künzel, Jens Sembdner, Henri Schmidt und Wolfgang Lenk von Die Prinzen über ihr Album "D", CD-Brennerei und wieso sich die No Angels selbst managen sollten

Die Prinzen

© Sony BMG

Hallo alle miteinander! Euer gerade erschienenes Album trägt den Titel "D", die Single "Deutschland" habt Ihr bereits vor ein paar Monaten veröffentlicht – welcher Situation entsprang die Idee, ein Album mit dem Thema Deutschland zu machen?
Krumbiegel: Das Thema flog doch die letzte Zeit durch die Gegend, die Leute haben viel über Deutschland gesprochen, über Leitkultur, darüber, ob man stolz sein kann, ein Deutscher zu sein, oder nicht… Da sind uns viele Sprüche bitter aufgestoßen, die von Politikern missbräuchlich für Wahlkämpfe und für populistische Meinungsfindungen gebraucht wurden, da wollten wir das Thema ein mal auf unsere Weise umsetzen.

Wie ist Euer Statement zur "deutschen Leitkultur"?
Krumbiegel: Die Diskussion ging ja jetzt, nach den Anschlägen in den USA, wieder los und irgendwelche Leute haben gesagt, gerade jetzt wäre so etwas wie Leitkultur ganz wichtig. Ich finde aber dieses Gerede von der Leitkultur ziemlich arrogant und überheblich. Viel mehr sollte man gerade in der heutigen Zeit, wo die Kulturen durch Globalisierung und Medien aufeinander krachen, aufpassen, dass man sich nicht abgrenzt, sondern dass man versucht, andere Kulturen zu verstehen, und mit ihnen versucht friedlich miteinander auszukommen.

Gab es mit Eurer Single "Deutschland" Probleme bei den Radio- und Fernsehsendern?
Krumbiegel: Ja, logisch. Das ist ein unbequemes Lied und deshalb ist es vielen unbequem, das Lied zu spielen. Das heftigste was wir erlebt haben: wir sollten ein Konzert in Stuttgart haben – im "Ländle Baden Württemberg" – wo uns gesagt wurde, "das Lied wird nicht gespielt, weil die Stadt Stuttgart das nicht wünscht".
Schmidt: Da haben wir den Vertrag nicht unterschrieben und sind nicht aufgetreten.

Werdet Ihr eine Katastrophe, wie sie in New York geschehen ist auch verarbeiten in Texten, in einem neuen Song?
Krumbiegel: Garantiert, da bin ich mir schon ziemlich sicher, dass das irgendwie geschieht. Man kann sich das zwar nicht großartig vornehmen, aber jeder spricht zur Zeit darüber und so etwas geht nicht spurlos an dir vorüber. Ich glaube, wir hatten alle unheimliche Angst und waren sehr geschockt, als die Anschläge passiert sind. Nur darf man auch nicht gleich den Kopf in den Sand stecken.

Bei Euch ist also nicht die Endzeitstimmung ausgebrochen?
Krumbiegel: Zwischenzeitlich war es das schon, wir haben ein Konzert abgesagt, wir haben Fernsehauftritte abgesagt, wir haben uns erst mal zurückgehalten. Wenn so etwas passiert ist kannst du dich nicht auf die Bühne stellen und auf Kosten eines Großteils der Welt Party machen.

Wie lange habt Ihr an dem neuen Album gearbeitet?
Krumbiegel: Lange!
Schmidt: Wir haben Anfang 2000 begonnen die Songs zu schreiben. Dann sind wir im November 2000 mit dem bis dahin entstandenen Material in das Hamburger Boogie-Park Studio gegangen, wo wir schon die ersten vier Prinzen-Alben produziert haben. Dort ist dann noch mal neues Material entstanden und erst Ende Juni 2001 waren wir mit der Produktion des Albums fertig. Insgesamt also fast anderthalb Jahre, so lange haben wir uns noch nie für ein Album Zeit genommen. Aber wir sind auch überzeugt davon, dass sich das lange Arbeiten gelohnt hat…
Künzel: …eine der besten Pop-Platten diesen Jahres.

Welches Eurer neun Alben ist Euer Favorit?
Krumbiegel: Das letzte natürlich, das jüngste Baby ist immer das geilste. Ich glaube auch, dein neuestes Album ist immer das, worauf du am meisten stolz bist.

Die allgemeine Stimmung in der Popmusik-Branche ist schon seit einiger Zeit auf einem Tiefpunkt, wie sich auch zur Popkomm zeigte. Hat das auch großen Einfluss auf Euch?
Künzel: Wir haben den großen Vorteil, dass wir live singen können, dass wir Konzerte machen können. Das kann man nicht kopieren und wer die Prinzen sehen will, geht zu den Prinzen. Bands, die aber nur Platten und Playback-Auftritte machen sind natürlich im Moment ein bisschen angeschmiert, vor allem wegen der ganzen CD-Brennerei. Für uns sind die Platten natürlich nach wie vor wichtig, aber das ist nicht mehr die Haupteinnahmequelle.
Krumbiegel: Uns ging es von vornherein immer darum, Musik zu machen. Natürlich ist das ärgerlich, wenn jetzt überall – wie so schön gesagt wird – "Märkte wegbrechen" und die Nachfrage sinkt. Aber Geld war noch nie unser vordergründiger Motor. Und wir sind auch nach zehn Jahren nach wie vor dabei, weil wir uns gut leiden können, weil wir zusammen Musik machen wollen und weil wir stolz sind auf das, was wir machen. Wenn wir Konzerte geben ist das egal, ob wir in einem kleinen Club vor 100 Leuten spielen oder vor großem Publikum auf irgendeinem Festival. Es macht uns immer Spaß und ich glaube, dass ist am wichtigsten.

Verfolgt Ihr die Diskussion um Musik im Internet?
Künzel: Klar, logisch.
Krumbiegel: Das Downloaden kann man ja keinem verbieten, du kannst ja jemandem, der etwas umsonst kriegen kann, nicht sagen: "geh gefälligst in den Laden und kauf dir die Platte!"
Lenk: Ich denke schon, wenn sich jemand etwas runterlädt, was es eigentlich auf CD gibt, wo jemand viel Geld reininvestiert hat dann ist das illegal und das muss klar gesagt werden.
Krumbiegel: Aber es spielt ja auch das Commitment der Fans zu einer Band eine Rolle. Wenn du Fan einer bestimmten Band bist, dann kaufst du dir auch eher eine Konzertkarte oder eine Platte, als dir irgendetwas runterzuladen.

Sträubt Ihr Euch als Musiker generell, Musik aus dem Internet runterzuladen?
Künzel: Es kommt darauf an, wenn du etwas zum arbeiten brauchst, ist das manchmal ganz praktisch sich etwas runterzuladen. Aber wenn ich eine Band toll finde, dann kaufe ich mir die CD, das ist ja auch immer eine kultische Handlung, in den Laden zu gehen und sich eine CD zu kaufen. Sonst hast du so einen komischen billigen Rohling und schreibst irgendetwas mit Filzstift drauf – das hat für mich nicht den Stellenwert, wie wenn ich mir einen industriell gefertigten Tonträger kaufe.
Schmidt: Außerdem ist es immer wieder spannend, eine halbe Stunde zu versuchen, die eingeschweißte CD aus der Folie auszupacken und das Preisschild zu entfernen.
Sembdner: MP3-Dateien runterzuladen ist schon ungemein praktisch, weil man viel schneller an die Sachen rankommt als wenn man etwas kaufen will. Aber natürlich ist es ein sehr großes Manko, dass die Plattenfirmen nicht viel früher drauf gekommen sind, Musik im Internet anzubieten. 50 Pfennig pro Song, und wenn man online sein Konto dafür hätte – ich denke, dass würden die Leute schon machen, aber solche Systeme sind ja bisher nur in Planung
Künzel: Die ganze Diskussion hat auch einen großen Vorteil, nämlich dass die Plattenfirmen sich jetzt wieder anfangen Gedanken über Booklets und Cover zu machen, da wurde eine Zeit lang sehr wenig Zeit und Geld reininvestiert. Wir merken jetzt auch bei uns, dass auf so etwas wieder mehr Wert gelegt wird, dass ein Artwork entsteht, was man nicht einfach so kopieren kann.

Wie sieht Euer Alltag zur Zeit aus, momentan verbringt Ihr sicher sehr viel Zeit miteinander, denke ich…
Schmidt: Ja, sehr viel. Wir müssen zur Zeit vor allem für die anstehende Tour proben, wozu uns eigentlich – dass ist schon seit zehn Jahren dasselbe – die Zeit fehlt, weil wir immer von einem Interview zum anderen rennen usw. Aber wir kriegen das schon hin und wir freuen uns auch sehr auf die Tour, da es nach über zwei Jahren wieder ein neues Prinzen-Programm gibt – wir sind heftig am üben. Und so sind wir jeden Tag bestimmt 10 Stunden zusammen.

Gibt es Auszeiten?
Lenk: Nein, Auszeiten wünscht sich im Moment auch keiner von uns.
Künzel: Du bist natürlich mal ein paar Stunden zu Hause, vielleicht auch mal einen Tag, aber viel mehr nicht.
Krumbiegel: Ähnlich wie die ersten Jahre, als wir angefangen hatten. Da waren wir immer unterwegs, auf Tour und wir haben eben diese klassische Mühle mitgemacht: Platte -Promotion – Tournee – Platte – Promotion – usw. Wir hatten so gut wie gar keine Zeit für andere Dinge. Das verschleißt natürlich irgendwie und irgendwann denkst du "jetzt brauche ich meine Ruhe". Und als wir zwischenzeitlich etwas weniger erfolgreich waren und nicht aus jedem Fernseher rausgeguckt haben, da haben wir uns ein Jahr Pause gegönnt, weil wirklich nichts mehr ging.

Der erste Song auf dem neuen Album heißt "Popmusik" – Michael Jackson, ehemals "King of Pop" bringt auch eine neue Platte heraus, was glaubt Ihr, wird er noch mal Erfolg haben können?
Künzel: Das kann man schwer sagen, er ist ein Weltstar und man muss immer damit rechnen, dass er Erfolg haben wird. Und da er nicht der schlechteste ist, wäre ihm das auch zu gönnen.
Schmidt: Obwohl ich schon erschrocken war, als ich neulich mal wieder ein Foto von ihm sah…
Krumbiegel: …ich denke, dass er ziemlich arm dran ist, jemand der schon immer seine Seele verkauft hat.

Gab es in denn in den zehn Prinzen-Jahren Momente, wo Ihr für den Job auch mal Eure Seele "verkaufen" musstet?
Krumbiegel: Klar, deswegen gibt es pausenlos Diskussionen.
Lenk: Es gibt Fernsehsendungen, wo man keinen Bock hat hinzugehen, weil das Umfeld vielleicht ein bisschen daneben ist.
Künzel: Oder es gibt Compilations, die von der Plattenfirma über unsere Köpfe hinweg veröffentlicht werden, weil man das beim Vertragschluss verschlafen hatte. Da siehst du dann deine eigenen Songs auf irgendwelchen Samplern und kommst richtig ins Schlucken. So etwas lässt sich allerdings kaum vermeiden, du kannst nur mit den Jahren immer aufmerksamer werden und versuchen solche Sachen so weit wie möglich einzuschränken.
Krumbiegel: Wir haben seit etwa einem Jahr den Vorteil, dass wir uns selbst managen. Das ist schon sehr praktisch, weil wir wirklich die volle Kontrolle über alles haben, was mit uns, oder in unserem Namen passiert. Alle Anfragen und alles, was in irgendeiner Weise mit den Prinzen zu tun hat bekommen wir auf unseren Tisch und wir fünf, bzw. wir sieben entscheiden dann, was wirklich abgeht. Manchmal musst du dann vielleicht auch einen Anwalt aktivieren um diesen oder jenen Dingen einen Riegel vorzuschieben.

Wenn man im Büro Leipzig der Prinzen anruft hat man meistens Dich am Telefon Henri.
Schmidt: Ja, oder es geht mal ein paar Wochen gar niemand dran – kleiner Scherz am Rande.

Aber wächst einem das nicht über den Kopf, wenn man hauptberuflich Musiker ist, aber trotzdem den ganzen Bürokram erledigen muss?
Schmidt: Es gibt drei oder vier Genies in Deutschland, die das bewältigen können…
Sembdner: …und einer davon ist Henri.
Schmidt: Sicher ist das eine Mehrbelastung. Aber es ist eine Mehrbelastung, die sich lohnt, auch weil du zu vielen Partnern persönlichen Kontakt hast und immer wieder dazulernst. Du hast über alles die Kontrolle und – das soll nicht unerwähnt bleiben – du sparst einen Haufen Geld.
Krumbiegel: Wir können das weiterempfehlen: No Angels, managt Euch selber!

Hat Henri Euch noch nie etwas vorenthalten?
Sembdner: Das werden wir in den nächsten Tagen mal prüfen (lacht).
Künzel: Nein, Henri kann uns nichts vorenthalten, wir gehen ja alle im Büro ein und aus.

Wie schont Ihr eigentlich Eure Stimmen bei dem ganzen Stress?
Lenk: Gar nicht.
Sembdner: Rauchen…
Krumbiegel: …saufen.
Schmidt: Wir hatten schon lange keinen Krankheitsfall mehr.
Lenk: Ich erinnere mich noch an unsere ersten beiden Tourneen, da sind Sebastian und Tobias permanent mit diversen Schals und Honig-Tee rumgelaufen, mit Koffern voller Medikamente…
Künzel: …bis wir festgestellt haben, dass das auch mit Bier geht.

Ihr habt etliche Ohrwürmer und Top-Hits auf den Markt gebracht – werdet Ihr einmal einen Eurer eigenen Songs covern?
Krumbiegel: Ich denke, solange uns noch neue Songs einfallen und solange wir noch fit und frisch im Kopf sind brauchen wir das nicht. Ich finde ich es sowieso ziemlich fürchterlich, dass vor kurzem die deutschen Top-Ten zu 60 Prozent aus Covers bestanden.
Künzel: Aber wir spielen natürlich live viele unserer alten Hits. Das macht unheimlich Spaß, wenn dann im Publikum nach den ersten drei Tönen alle Hände in die Luft gehen…

Ihr verspürt also noch den Kick, wenn Ihr auf der Bühne steht und seid jedes Mal noch überwältigt, wenn die Menschenmassen mitsingen?
Künzel: Ja, es macht sehr viel Freude.
Schmidt: Jedes Mal, bevor du auf die Bühne gehst, weißt du, dass ein Publikum im Saal ist mit einer großen Erwartungshaltung, das macht einen immer wieder aufgeregt. Logischerweise waren wir früher vor unseren ersten Konzerten aufgeregter als es jetzt der Fall ist, aber die Aufregung an sich vor den Auftritten hält an. Ich freue mich jetzt schon auf den Beginn der nächsten Tour, da werde ich dann wieder zwei Stunden vor Konzertbeginn anfangen, aufgeregt hin- und herzulaufen.

Die Prinzen – 10 Jahre alt, oder 10 Jahre jung?
Sembdner: Jung! Guck uns doch an.

Haltet Ihr Euch denn auf besondere Weise fit, geht Ihr vielleicht ins Fitness-Center?
Künzel: …wir gehen dran vorbei.
Krumbiegel: Ich hatte letztes Jahr einen Bandscheibenvorfall und war gezwungen Sport zu machen, was mir auch sehr gut getan hat. Nur war ich zu undiszipliniert, das fortzuführen. Wir haben uns aber für die kommende Tour vorgenommen, wenigstens eine halbe Stunde am Tag etwas für unsere Körper zu tun.

Das Leben ist ein Comic – welche Comicfiguren seid Ihr?
Schmidt: Obelix – aber am Schreibtisch.
Krumbiegel: Na denn bin ich Idefix.
Künzel: Ich? Na, das kleine Arschloch. Und du (zu Jens Sembdner) bist der alte Sack.
Sembdner: Nein, ich wäre gern der Blaue Sauser, diese kleine Schlange bei Sancho und Pancho.
Lenk: Ich bin der rosarote Panther!
Krumbiegel: Da fällt mir ein, ich fand Arthur der Engel immer sehr gut, so ein Schutzengel, der auf die Erde kam und die Menschheit gerettet hat. Das würde doch gut zu mir passen, oder?

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