Felix, mit eurer Single „Allein Allein“ und dem Album „The Colour of Snow“ seid ihr Ende 2008 einem großen Publikum bekannt worden, doch als Band existiert ihr schon seit über 10 Jahren. Wie fühlt sich der momentan riesige Erfolg an?
Felix Räuber: Der Durchbruch kam natürlich durch „Allein Allein“, auch wenn dieser Song innerhalb der Band im Vorfeld für Kontroversen gesorgt hat, weil er einfach anders ist als die Wurzeln wo wir musikalisch herkommen. Wir machen als Band jetzt schon seit zehn Jahren kontinuierlich und konsequent Musik, wir haben uns noch im Kindesalter als Freunde zusammengefunden um Musik zu machen, ohne genau zu wissen was daraus wird. Es war ein sehr, sehr langer Weg und alles kam Schritt für Schritt. Der Erfolg kam nicht über Nacht, wie man jetzt vielleicht denken könnte. Vor „Colour of Snow“ haben wir ja schon zwei Alben veröffentlicht, nur die große Masse kennt uns erst seit „Allein Allein“.
Was hat sich für euch als Band durch die große Öffentlichkeit verändert?
Räuber: Es ist sehr viel anders geworden. Um uns herum existiert jetzt ein riesengroßes Netzwerk. Es gibt viele Menschen, die uns zuarbeiten, die mit uns zusammenarbeiten. Die Termine sind viel klarer geworden. Wir sind jetzt einfach im Popbusiness; das ist ein völlig neues Gefühl. Früher waren wir Musiker, die immer aus dem Bauch heraus gearbeitet haben, und nur dann Musik abliefern konnten, wenn sie Musik abliefern wollten. Aber im Popbusiness gibt es eben bestimmte Regeln, an die man sich halten muss. Gestern hat uns jemand gesagt, dass wir ab jetzt professionelle Musiker sind – aber wir sind alles andere als professionell, weil wir diese ganzen Popbusinessregeln gar nicht immer einhalten können und wollen.
1998 habt ihr euch als Teenager unter dem Namen „Jack of All Trades“ in Dresden zusammengetan um Musik zu machen. Wie hat sich das angehört?
Räuber: Die Anfangsjahre waren sehr experimentell. Wir haben ganz viel probiert, ganz harte und raue Musik gemacht, mit viel Gitarren und so, meine Stimme war auch ganz anders, weil ich eher geschrieen als gesungen habe. Aber auch damals haben wir schon sechs Mal die Woche geprobt und hatten Musikmachen als festes Ziel vor Augen. Ich kann gar nicht genau sagen, wie das kam. Das war einfach Lust und Energie und auch irgendwie ein Abenteuer. Das ist es bis heute (lacht).
Kannst du dich noch an euren allerersten Auftritt erinnern?
Räuber: Ja, das war absolut lustig. Das war genau am 25.Dezember 1997. Da hat unser damaliger Schlagzeuger Silvester, der heute bei uns Klavier spielt, sein Schlagzeug bekommen und wir haben unter dem Weihnachtsbaum vor den ganzen Verwandten rumgeschrammelt. (lacht)
Und wie hat die Familie reagiert?
Räuber: Die waren schon etwas verwundert. Das war ja noch fernab von guter Musik, wenn man es überhaupt Musik nennen konnte. (lacht) Unser erster richtiger Auftritt vor Publikum fand dann ein halbes Jahr später statt, nachmittags vor einem Kulturzentrum in Dresden, auf der Straße. Da saßen dann halt so ein paar Jugendliche und die Reaktionen waren auch eher verhalten. (lacht)
Ihr seid alle in Dresden aufgewachsen. In mehreren Interviews hast du gesagt, dass es in Dresden keine wirkliche Musikszene gibt. Wie erklärst du dir das?
Räuber: Das ist vielleicht etwas falsch rüber gekommen. Es gibt schon viele Musiker in Dresden, aber du hast halt keinen richtigen Überblick, weil viele in ihrem stillen Kämmerlein arbeiten. Durch die klassische Universität gibt es ja auch viele klassische Musiker in Dresden und auch Jazz ist weit verbreitet. Aber in Sachen Popmusik gibt es einfach kein richtiges Netzwerk. Warum das so ist habe ich auch nie wirklich verstanden.
Was bedeutet dir deine Heimatstadt Dresden?
Räuber: Die bedeutet uns allen sehr sehr viel. Wir sind extrem heimatverbunden, weil wir durch das Leben als Musiker sehr viel reisen und in Dresden einfach unsere Basis ist, unsere Freunde, die uns immer zur Seite standen. Dresden ist unsere Liebe!
Inzwischen hört man euch in ganz Deutschland. Hattet ihr denn schon Zeit die aufregenden Monate der letzten Monate zu verarbeiten?
Räuber: Die Möglichkeit gab es immer mal wieder, aber so richtig checkt man natürlich nicht, was los ist. Da muss man sich selber auch immer wieder runterholen.
Es heißt ja oft, dass der ganze Erfolg alles verändert, aber das Leben geht natürlich irgendwie weiter. Man hat immer noch den selben Kopf, den selben Körper und oft natürlich auch die selben Probleme wie früher. Ich würde nie sagen, dass sich unser komplettes Leben verändert hat, wir leben weiter im Bandkreis, haben immer noch die selben Freunde. Aber es ist schon so, dass wir jetzt ganz andere Sachen erleben als früher. Die können wir aber zusammen als Band ganz gut verarbeiten.
Du trägst als Frontmann eine besondere Verantwortung und ziehst die größte öffentliche Aufmerksamkeit auf dich. Welchen Ansprüchen muss bzw. willst du in dieser Position gerecht werden?
Räuber: Man ist als Frontmann natürlich der Mensch, der so’n bisschen die Entertainment-Rolle übernimmt und Verantwortung tragen muss. Prinzipiell war ich aber von Anfang an der Frontmann und das ist irgendwie normal für mich. Da denke ich heute gar nicht mehr so viel drüber nach.
Inwiefern führt das auch zu Neidgefühlen innerhalb der Band?
Räuber: Doch, das gab es schon. Mit steigendem Erfolg kommt natürlich auch Neid auf, das ist ja ganz normal. Deshalb versuchen wir uns auch immer als gesamte Band zu positionieren, und nicht so Frontmann-fixiert aufzutreten. Wir sind als „Polarkreis 18“ eine Einheit, und hoffen, dass das in Zukunft auch noch stärker deutlich wird.
Das Video zu „Allein Allein“ wurde im Internet-Portal „Youtube“ bereits 10.000 mal kommentiert und in vielen dieser Kommentare geht es um das Thema Homosexualität. Da heißt es dann zum Beispiel „Der Sänger sieht voll schwul aus und guckt mal was der für einen Ausschnitt trägt.“. Wie gehst du mit solchen Kommentaren um?
Räuber: Also, wenn Leute mir eine sexuelle Orientierung zuschieben, die ich selber nicht habe, ist mir das völlig egal. Ich weiß ja was für ein Geschlecht mich anzieht.
Ich bin solche Bemerkungen gewohnt, das liegt ja auch an meiner hohen Gesangsstimme. Man lernt irgendwann da drüber zu stehen. Das geht zwar nicht immer, aber bei Dingen wie Youtube kann man das schon gut umgehen, indem man es sich einfach nicht durchliest.
Es heißt ja, dass der Erfolg alles verändert - aber man hat immer noch den selben Kopf, den selben Körper und oft natürlich auch die selben Probleme wie früher.
Aber wie erklärst du dir, dass vielen Hörern deine sexuelle Ausrichtung wichtiger ist als die Musik?
Räuber: Ich dachte immer wir würden in einer emanzipierten Gesellschaft leben, aber scheinbar ist das noch nicht so. Ich glaube es liegt auch an der Sensationslust der Menschen, also dass Leute einfach nach solchen Informationen gieren. Es ist halt etwas Unbesprochenes, die Leute wissen nicht genau welche sexuelle Ausrichtung ich habe, und ich habe auch gar nicht die Lust da großartig drüber zu sprechen. So kommen halt Fragen auf und man will Antworten haben. Das kann ich schon verstehen, aber im Endeffekt sollte die Musik im Mittelpunkt stehen.
Inwiefern versuchst du denn deine öffentliche Wahrnehmung zu steuern?
Räuber: Unser komplettes Image, wie wir öffentlich auftreten, das ist genau so, wie wir es uns ausgedacht haben. Wir haben als Band immer themenübergreifend gearbeitet, neben der Musik haben wir oft kleine Filme gemacht, die auch auf unseren Konzerten gezeigt werden. Wir sind auch für die Bandfotos und die Bühnenkleidung verantwortlich. Das ist alles unseren Köpfen entwachsen. Was die Medien und die Leute dann daraus machen, kann man natürlich nicht vollständig beeinflussen, aber das ist auch okay. Wir sind sehr zufrieden wie es im Moment läuft.
Wie würdest du denn das „Image“ von Polarkreis 18 beschreiben?
Räuber: Das Image hat schon was Distanziertes. Es ist nichts, wo man sagen kann: Wir geben dem Publikum die Hand! Aber es hat trotzdem was Mitnehmendes, weil die Songs auf dem neuen Album „Colour of Snow“ schon sehr viel poppiger geworden sind und man so die Leute mit den Songs an die Hand nehmen kann. Wobei wir versuchen, auf jeden Fall unser Privatleben verdeckt zu halten, also dass nicht zuviel nach außen dringt.
Welche Rolle spielt Image und öffentliche Darstellung heutzutage im Musikbusiness?
Räuber: Eine extrem große Rolle! Das ist erschreckend wie wichtig Schönheit und äußere Perfektion heute im Musikbusiness sind. Da muss man schon lernen mit umzugehen, weil dich Menschen auf einmal nach solchen Bewertungskriterien einstufen. Und da fragt man sich: „Geht’s hier nicht eigentlich um Musik?“ Und dann stellt man fest, dass es oft leider nicht so ist. Aber das ist schon lange so und wird sich so schnell wohl auch nicht ändern.
Andere „Youtube“- Kommentare beschäftigen sich mit dem Songtext von „Allein Allein“. So wird euch vorgeworfen eine egoistische Gesellschaft zu propagieren, in der jeder ohne Bindung zufrieden lebt. Inwiefern steckt hinter dem Text eine tiefere Aussage?
Räuber: „Allein Allein“ hat einen sehr simplen Text, aber dahinter versteckt sich schon eine tiefgründige Message. Das ist auch der Song an dem wir am längsten gearbeitet haben. Leider ist die Message nicht bei allen so rüber gekommen, das ist schon schade, wie man an diesem Kommentar sieht. Bei unserem Song „Colour of Snow“ ist die Message schon eindeutiger, und da sieht man auch an den ersten Kommentaren, dass die Leute sich viel Gedanken machen über den Text, der sich sehr kritisch mit dem Thema Schule auseinander setzt und mit der Manipulation von Menschen.
Was genau ist denn die Message von „Allein Allein“?
Räuber: Die Message ist ganz klar und einfach. Es gibt ja viele Bands, die das Thema Einsamkeit angehen, indem sie sagen: „Wir sind zusammen allein!“ Zum Beispiel „The Strokes“ mit ihrem Song „Together Alone“. Es geht darum, Einsamkeit in einer anonymen Masse zu beschreiben. Man ist zusammen im Club, aber jeder tanzt für sich alleine. Wir haben das versucht so einfach wie möglich auf den Punkt zu bringen. In Dresden haben wir das Konzertpublikum dazu gebracht, zusammen den Refrain „Allein Allein“ zu singen und diese 2000 Stimmen hört man dann auch in dem Song. Das war schon ein großer Gänsehaut-Moment.
Und wo siehst du die Gründe für dieses massenhafte Alleinsein?
Räuber: Gerade in Großstädten tritt so was natürlich noch häufiger auf als in ländlichen Regionen, wo noch mehr Zusammenhalt herrscht. Je mehr Menschen auf einem Gebiet zusammenleben, desto größer ist oft die Einsamkeit und das ist ja gerade das Paradoxe an der ganzen Geschichte. Deshalb singen wir in dem Song ja auch „Wir sind allein“. Wir leben alle zusammen und doch ist jeder irgendwie alleine. Das hat aber ja nicht nur negative Seiten.
Klingt so, als wärst du gerne auch mal alleine.
Räuber: Mir ist es schon sehr wichtig, auch mal alleine zu sein, weil ich viele Gedanken nur für mich alleine fassen kann, wenn niemand sonst da ist. Aber auf der anderen Seite sind Menschen natürlich auch total wichtig und Liebe, die man ja auch nur zu zweit erleben kann. Es sollte eine gute Mischung sein und die gilt es im Leben zu finden.
Wie sehr kann man überhaupt für sich sein, wenn man stets mit der Band unterwegs ist?
Räuber: Auf Tour hast du kein wirkliches Privatleben, das gibt’s einfach nicht. Deshalb ist das Wichtigste nach einer Tour, erstmal nach Hause zu kommen und die Tür hinter sich zu zu machen. Dann ist man wieder Herr seiner eigenen Wohnung. Das ist ein tolles Gefühl. Aber genauso schön ist es natürlich mit der Band unterwegs zu sein.
Um euren Namen „Polarkreis 18“ ranken sich mehrere Theorien. Zum einen sagt ihr, der Name ginge auf deinen Vater zurück, dem am Polarkreis zwei Fußzehen abgefroren seien. Doch in einem Interview gegenüber ard.de hast du im Februar 2007 gesagt, der Name sei zufällig im Studio entstanden, weil eine Datei im Computer so benannt war. Was stimmt?
Räuber: Das kann ich natürlich so genau nicht beantworten. (lacht laut) Ich kann nur sagen, dass keine der beiden Versionen richtig ist. Wir haben das als Band so beschlossen, dass wir da keine Version so richtig gelten lassen. Da können sich die Fans selber entscheiden, was sie glauben und was nicht. (lacht)
Nicht nur der Bandname, auch der Albumtitel „Colour of Snow“, das Video zu „Allein Allein“ (spielt in einem norwegischen Fjord) sowie eure Bandfotos sind von Eis und Kälte inspiriert. Wie wichtig ist es für den Erfolg beim Publikum, dass man – abseits des Musikalischen – so eine einheitliche, erkennbare Linie hat?
Räuber: Das ist natürlich wichtig. Das ist so etwas wie eine Signatur, das brauchst du als Band. Wir wollten immer etwas Raues und Karges in unserer Musik haben und dieses eisige Image passt da sehr gut. Darüber hinaus gefällt uns dieser eisige Look wunderbar, deshalb ist auch das ganze Marketing darauf abgestimmt.
Und was machen Polarkreis 18 dann im Sommer?
Räuber: Früher hat sich unsere Musik im Sommer lustigerweise immer gewandelt, aber mittlerweile sind wir bei unserer Linie geblieben. In welchem Gewand das nächste Album dann daher kommt werden wir sehen. Wir bleiben auf jeden Fall immer Polarkreis 18 – auch wenn die Sonne scheint! (lacht)
Es. wäre nett wenn ihr euch wieder zusammen tut und wieder Musik macht . Ich habe eure Musik gern gehört , vorallem das Album Allein Allein ,oder die unendliche Sinfonie . Also macht weiter schöne Musik , ich vermisse die schöne Musik von Euch .