Richard Dorfmeister

Jeder hat zu mir gesagt: „Lern was Ordentliches!“

DJ und Produzent Richard Dorfmeister über das Tosca-Album "Dehli9", das Label G-Stone, politische Statements in elektronischer Musik und Partys zu Kriegszeiten

Richard Dorfmeister

© Markus Rössle

Richard, wenn man dich telefonisch nicht erreicht, grüßt du auf deiner Mailbox immer mit: „This is Dr. Rich“. Dein Spitzname?
Richard Dorfmeister: Ja, quasi. Das hat jetzt natürlich nichts mit Geld zu tun, sondern mit einer Wiener Busgesellschaft, die heißt „Dr. Richard“. Die fahren die ganze Zeit rum in Wien und da das so eine permanente Einrichtung ist, fand ich es ganz amüsant, das als Namen zu verwenden.

Mit dem Musiker-Kollegen Rupert Huber hast du vor wenigen Wochen ein neues „Tosca“-Album herausgebracht, das den gleichen Namen trägt, wie deine erste Schulband, „Dehli9“. Ich habe gelesen, dass du in der Band damals zum Beispiel Flöte gespielt hast.
Dorfmeister: Ja, ich habe klassische Querflöte gelernt.

Welche Komponisten hast du gespielt?
Dorfmeister: (lacht) Bach oder so, die Klassiker halt. Händel und was man so in der Schule lernt, diverse Etüden und so weiter.

Wie kamst du zur elektronischen Musik?
Dorfmeister: Erst mal kam ich zum Jazz. Zur Elektronik kam ich dann, als die Homecomputer langsam erschwinglich wurden. In den 80ern war das ja erst alles unbezahlbar und irgendwie nur Science-Fiction.

Wie entstand dein erster Song zu Hause?
Dorfmeister: Das kann ich nicht mehr genau sagen. Ich weiß nur, dass es mich damals sehr fasziniert hat, dieses System, dass du einen Atari und einen Sampler nimmst und über Midi einfach Sounddaten ansteuerst. Das war spektakulär und hat mich total begeistert, zumal das ja alles mit Low Budget möglich war. Das war damals die Homestudio-Revolution.

Hast du dir damals schon gedacht, dass im Bereich der elektronischen Musik mehr oder weniger deine Zukunft liegen würde?
Dorfmeister: Nein, das kann man so nicht sagen. Weil damals hat keiner zu mir gesagt: „Hey super! Das ist die Zukunft! Genial!“ Sonder jeder hat mir gesagt: „Lern was Ordentliches, mach was Anderes!“. Die Ermutigung von außen war also nicht besonders groß und es war schwer da durchzukommen.

An welchem Punkt hast du dir denn gesagt, diesen Weg trotzdem weiterzugehen?
Dorfmeister: Ich weiß nicht, das lag vor allem an der Zusammenarbeit mit Peter Kruder, die sehr schnell Früchte getragen hat.

Die neue „Tosca“-Doppel-CD „Dehli9“ sieht sehr edel aus, ein Booklet findet man allerdings nicht.
Dorfmeister: Also, wir haben uns damit schon große Mühe gegeben. Aber wir sind eher so Minimal-Typen, da noch ein Booklet reinzuheften wäre zu viel des Guten gewesen.

Ich erinnere mich nur gerade an das „G-Stone-Book“, dass ihr vor ein paar Jahren rausgebracht habt. Eine CD, versehen mit einem Wälzer von Booklet, mit vielen Fotos und Texten.
Dorfmeister: Ja, aber wir wollen natürlich nicht noch ein G-Stone-Book machen. Es gibt aber eventuell ein Projekt, dass wir mit einem Fotografen ein Photo-Book machen und dazu den Soundtrack erstellen.

Inzwischen tretet ihr mit „Tosca“ auch live auf. Wie sieht das aus?
Dorfmeister: Earl Zinger, Tweed und Sugar B machen die Vocals, der Rupert Huber sitzt am Piano, wir haben eigene Visuals – wir machen sozusagen das volle Album-Programm.

Bewegst du dich auf der Bühne, hinter den Turntables lieber als im Studio?
Dorfmeister: Nein, das macht mir beides gleich viel Spaß. Die Arbeit im Studio erfordert allerdings viel mehr Hirnschmalz als das andere. Im Studio arbeite ich ja für die Ewigkeit, beim Auflegen ist das wie Schall und Rauch. Du musst im Studio einfach viel genauer arbeiten, viel detaillierter denken.

Ist dir das Auflegen mal irgendwann langweilig geworden?
Dorfmeister: Nein, so ein Quatsch. Wenn ich das langweilig finden würde, dann würde ich heute etwas anderes machen. Ich lege ja auf, weil mir das einen Kick gibt, weil es mich immer wieder neu fordert.

Aber wenn du auf Tour bist und jeden Abend …
Dorfmeister: Ich spiele ja nicht jeden Abend. Ich time das schon so, dass so etwas nicht passiert. Wir haben zwar mit Kruder&Dorfmeister gelegentlich solche Touren gehabt, wir haben dann aber gelernt, dass anders und besser zu timen.

Bist du ein Nachtmensch?
Dorfmeister: Nicht notwendigerweise.

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Qualität ist immer gefragt, egal ob der Markt untergeht oder nicht.

Richard Dorfmeister

Aber deine Hauptarbeitszeit liegt in der Nacht …
Dorfmeister: … was nicht heißt, dass ich den ganzen Tag schlafe. Ich muss mich ja auch schließlich um Dinge kümmern wie das Label. Da kann ich meistens nicht den ganzen Tag schlafen.

Euer Label G-Stone hat eigentlich schon seit der Grünung einen sehr guten Ruf. Wie würdest du eure Label-Philosophie beschreiben?
Dorfmeister: Es ist so, dass wir überhaupt nur das machen, was wir wollen. Deswegen gibt es G-Stone immer noch und deswegen haben wir auch nie einen Vertrag mit einem der Major-Labels abgeschlossen, um eben diese Freiheit zu haben, eine Plattform zu bauen, wo man veröffentlichen kann, was man will. Es gibt hier keinen, der mir etwas sagt, der mir Anweisungen gibt, wir entscheiden für uns selbst. Das ist immer das Ziel gewesen. Ich möchte auch immer nur mit Partnern zusammenarbeiten – wie zum Beispiel dem Label !K7 – wo ich den Chef kenne, wo ich nicht mit jemand reden muss, der nur der Angestellte ist.

Aber den Markt müsst auch ihr im Auge behalten, oder?
Dorfmeister: Wir sind uns dem Markt immer bewusst, aber dadurch, dass wir eh nicht so viel veröffentlichen, spielt der nicht die große Rolle. Qualität ist immer gefragt, egal ob der Markt untergeht oder nicht.

Mit jedem neuen Album geht ihr auch ein gewisses Risiko ein.
Dorfmeister: Ja, ein Risiko gehst du natürlich schon von vornherein ein, weil du ja dein Geld ins Label steckst. Das ganze ist, wenn du so willst, ein Risikounternehmen. Aber wer nicht wagt … und so weiter.

Als Duo Kruder&Dorfmeister habt ihr mit mehreren Scheiben Ende der 90er nicht nur großen Erfolg gehabt sondern auch gewisse Standards gesetzt. Heute fragen sich natürlich viele Partygänger, wann es mal wieder etwas neues von Kruder&Dorfmeister gibt. Ist Tosca da vielleicht eine Art Probebühne?
Dorfmeister: Das ist nicht genau definiert. Wir machen die Produktionen wie sie kommen und wenn ein Kruder&Dorfmeister-Album plötzlich entsteht, dann entsteht das halt.

Ihr scheint das also nicht längerfristig zu planen?
Dorfmeister: Nein, das ist immer so eine Art Grauzone bei uns. Aber aus irgendwelchen Gründen haben wir ja bisher immer etwas zusammenbekommen. Jedenfalls funktioniert das ganz sicher nicht nach den typischen Produktionsgesetzen einer Plattenfirma.

In einem Interview mit dem Drum’n’Bass-DJ LTJ Bukem erfuhr ich einmal, dass der überhaupt nicht gerne reist, sondern am liebsten alle Clubs gleich um die Ecke hätte. Ist es mit dir ähnlich?
Dorfmeister: Nein, das lustige ist doch gerade, dass man irgendwo hinfährt. Es geht doch nicht nur um den Club, es geht um die Stadt, um die Kultur, um die Leute. Ich fahre nirgendwo hin nur wegen eines Clubs. Klar geht es auch um die Musik. Aber wenn die Clubs alle um die Ecke wären, dann wäre das doch völlig langweilig.

Hast du Lieblingsclubs?
Dorfmeister: Nein. Jeder Club hat was Gutes und was Schlechtes, es gibt keinen ultimativen Club in dem Sinne. Das Flex in Wien hat zum Beispiel ein irrsinnig gutes Soundsystem, ist aber vom Ambiente her nicht so superstark. Dann gibt es supergenial eingerichtete Clubs, wo aber der Sound nicht so toll ist. Das ist wie im Leben, die Idealsituation ist eh nie vorhanden, man kann sich dem immer nur annähern und irgendwann erreicht man dann vielleicht einen guten Moment. Um diesen Moment geht es eigentlich, den musst du erwischen, das ist der ganze Trick.

Nun hast du schon wer weiß wie viele Städte gesehen, ist Wien aber immer noch deine liebster Aufenthaltsort?
Dorfmeister: Würde ich nicht so sagen. Ich bin hier geboren, deswegen bin ich halt noch da. Ich habe mein Studio hier und die Infrastruktur ist gut. Ich könnte mir aber auch vorstellen in Tel Aviv zu leben oder in Berlin. Kein Problem.

Berlin, Tel Aviv, Wien – auch wenn das nicht dein Fall sein mag, und wohl eher Zufall ist: in allen drei Städten gab bzw. gibt es die Love-Parade.
Dorfmeister: Ja, in Wien gab es die das erste Mal vor zehn Jahren. Da haben wir auch auf einem Wagen aufgelegt. Aber ab dem zweiten Jahr wurde die Veranstaltung fürchterlich missbraucht für viele Werbe-Actions. Da sind wir dann schon nicht mehr dabei gewesen.

Hast du denn die Love-Parade je als ein politisches Statement verstanden, ausgegangen davon, dass sie ja von den Veranstaltern anfangs als politische Demonstration angemeldet wurde?
Dorfmeister: Ja, ursprünglich schon. Aber das ging sehr schnell vorbei mit der politischen Ansage.

Aber wie ist das mit politischen Statements in elektronischer Musik?
Dorfmeister: Statements sind auf jeden Fall möglich, leider nur gibt es davon viel zu wenig. Unser politischer Ansatz ist der, dass wir mit extremem Minimalismus an die Sache rangehen und uns damit auch ein bisschen gegen den ganzen Konsumwahn richten. Aber das ist andrerseits auch immer heikel, weil politische Statements natürlich sehr schwer umzusetzen sind. Wenn man es zu plakativ macht, dann kommt das auch nicht gut, ich finde, das muss immer eher sublim eingefädelt sein.

Dorfmeister: Ich würde im Moment die Platte auflegen „War is coming“ von der Band „War“.

Wie reagierst du als DJ denn im Moment auf die politische Situation?
(das Interview wurde eine Woche vor Beginn des Irak-Kriegs geführt)Der Titel scheint auch der Inhalt des Songs zu sein. Resignation?
Dorfmeister: Ich kann das Geschehen doch nur kommentieren. Dass der Krieg kommt, war doch vor drei Monaten auch schon klar. Jetzt passiert er halt, jetzt schreien alle, aber schon vor drei Monaten war abzusehen, dass er in den nächsten Tagen stattfindet.

Vor anderthalb Jahren habe ich in Berlin beobachtet, wie bereits eine Woche nach den Ereignissen des 11.September wie immer Partys veranstaltet wurden. Wie stehst du dazu, würdest du aufgrund solcher Ereignisse eine Party absagen?
Dorfmeister: Also, zum Glück kommt so etwas wie der 11.September nicht andauernd vor. Das war natürlich ein großer Schock für alle und es gab eine gewisse Pause. Aber auf der anderen Seite, in Tel Aviv leben die Menschen seit Jahrzehnten auf einem Pulverfass – und dort wird gefeiert bis zum abwinken. Die Leute wollen sich einfach ablenken von dem Wahnsinn, der dort permanent passiert. Das kann man ja auch niemandem verübeln, dass sie sich ablenken wollen von diesem Irrsinn. Sonst wirst du doch wahnsinnig. Wenn es sein muss, sage ich auch Partys ab, bisher war ich allerdings noch nicht in so einer Situation. Ich mache die Partys ja auch nicht nur wegen dem Job. Ich mache das ja, weil ich ein ideales Ding fabrizieren will. Das macht auch ziemlich viel Arbeit, einen Auftritt perfekt hinzukriegen. Eine Party absagen ist sehr einfach – aber eine Party gut hinzuorganisieren, das ist um einiges schwieriger.

Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figur bist du?
Dorfmeister: Ich bin nicht der absolute Comic-Fan. Aber wenn du mich schon fragst würde ich sagen, ich bin Tim, von „Tim und Struppi“.

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