Frau Kuttner, in Ihrem Buch „Wachstumsschmerz“ schreiben Sie aus der Perspektive der Protagonistin Luise, die sich Anfang 30 mit vielen Fragen des Erwachsenwerdens konfrontiert sieht. Wie haben Sie sich auf das Thema vorbereitet?
Kuttner: Ich habe für die Thematik ein bisschen recherchiert, darüber, was das Problem am 30-sein ist, warum sich das so anfühlt, als wenn sich im Leben gerade ganz viel ändert.
Wie recherchiert man so etwas?
Kuttner: Ich habe mich mit Freunden unterhalten, die tatsächlich gerade alle ihre Jobs kündigen, die sie seit zehn Jahren haben, um etwas Anderes zu machen, um jetzt doch noch Fotograf zu werden oder um nochmal zu studieren. Das tauchte erstaunlich häufig auf, jeder meiner Freunde hat das, jeder hat gerade irgendwo gekündigt und baut sich etwas Anderes auf. Das fand ich faszinierend und ich habe versucht, herauszufinden, was deren Problematik ist.
Sie selbst haben mit dem Problem aber nicht zu kämpfen?
Kuttner: Nein, ich empfinde das nicht so doll, ich möchte eigentlich ganz gerne bei meinem Job bleiben. Wobei es immer wieder Momente gab – das war auch der ausschlaggebende Punkt für das Buch – dass ich in meiner Küche saß und angepisst war vom Fernsehen.
Fernsehen ist zwar mein Beruf, aber schon auch hässlich. Fernsehen fetzt schon nicht so richtig, Fernsehen wird immer hässlicher, anstrengender und immer döfer, wo ich mich auch schon oft gefragte habe: Warum ist ausgerechnet das mein Job, warum arbeite ich in einer Branche, die gerade so doof wird und mir so wenig Spielraum lässt, für Sachen, die ich gut finde?
Eine Freundin meinte dann zu mir, ich könne ja einfach einen Laden aufmachen, oder eine eigene Kollektion rausbringen. Da dachte ich zuerst „Hä, wie bitte?“ und dann „Ja, stimmt, das könnte ich.“ Einerseits will ich nichts anderes machen, andererseits bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dieses wunderbare Büffet an Möglichkeiten ausschlage.
Luise grübelt fortwährend über solche Dinge, hadert mir ihrem Beruf, ihrer Beziehung, ihrer Modelkarriere. Sind Sie persönlich auch so eine Grüblerin?
Kuttner: Nein. „Wachstumsschmerz“ ist ja auch kein autobiographisches Buch. Ich kann viele Gefühle ganz gut beschreiben, weil ich die auch schon hatte, ich kann sie mir aber auch einfach ausdenken oder sie von anderen Leuten klauen.
Ich hatte in meinem Leben schon ein paar Trennungen, ich weiß, wie Liebeskummer geht, ich weiß, wie es ist, wenn man sich als Mädchen viel zu viele Köpfe macht. Deswegen kann ich das ganz gut aufschreiben. Ich kann natürlich auch grübeln, aber ich habe dieses Problem nicht so doll.
Bei Luises Orientierungslosigkeit stößt man im Buch auch auf den Begriff der „Quarterlife Crisis“. Ist das ein ernstzunehmendes Phänomen oder nur ein übertriebenes Wehwehchen?
Kuttner: Ich finde das nicht übertrieben. Nur passt „Quarterlife“ nicht so richtig, weil sich das auf die Zeit direkt nach dem Abi bezieht, was ich überhaupt nicht problematisch finde. Ich würde gerne die „Thirdlife Crisis“ erfinden, das ist es für mich viel eher. Ich glaube schon, dass man erstmal zehn Jahre Erwachsen-Sein spielt und dann merkt, dass es jetzt wirklich losgehen muss. Ich habe viele Leute in meinem Umfeld gesehen, die sich darüber Gedanken machen, manche Leute bekommen deswegen auch Depressionen. Es ist ein Umbruch und ich glaube, dass es heutzutage schwierig ist, immer alles entscheiden zu dürfen. Es fetzt, aber es nimmt einem auch Sicherheit. Das ist ja die grundsätzliche Frage: Will man die Sicherheit, die unsere Eltern hatten, dafür weniger Auswahl, oder will man ganz viel Auswahl und dafür weniger Sicherheit?
Kann es auch sein, dass einem die Industrie und die Medien zu viel weismachen wollen, welches das ‚richtige’ Leben ist, so dass man selbst verlernt von innen heraus und selbstbestimmt zu leben?
Kuttner: Das kann schon sein. Aber ich will nicht mit der Flinte auf die Medien zeigen, denn unterm Strich sind wir alle groß genug um selber entscheiden zu können, egal was uns die Medien vorleben. Es wird einem natürlich schon suggeriert, dass man alles werden kann. Da ist aber auch etwas Wahres dran, ich glaube, dass du mit einem Grundlevel von Talent und Ehrgeiz wirklich… Also, hätte ich es richtig doll gewollt, hätte ich zum Beispiel auch Politikerin werden können. Vielleicht nicht Bundeskanzlerin, aber ich hätte zumindest in diese Richtung gehen können. Ich finde diesen Gedanken, dass man fast alles werden kann, auch ganz schön. Es erfordert heute nur ein bisschen mehr Stärke, um mit der großen Auswahl an Möglichkeiten fertig zu werden. Das kann einen auch überfordern.
Geht es in Ihrem Buch um Lösungen?
Kuttner: Nein. Man guckt einfach in einen Zeitrahmen von einem Menschen rein, da passieren bestimmte Dinge, Luise macht sich ihre Gedanken und kommt auch zu gewissen Schlüssen. Das sind aber keine irrsinnig großen oder bahnbrechenden Schlüsse a la „Ping, jetzt habe ich es gepeilt.“
Es geht bei mir nie so richtig um Lösungen. Erstens habe ich keine, die für alle Leute gelten und zweitens finde ich es auch gefährlich, anderen Leuten Lösungen vorzuschlagen, jeder soll es so machen wie er will. Ich wollte nur kurz einen Einblick in das Leben einer bestimmten Person bieten, die aber immer noch allgemeingültig genug ist, als dass sich relativ viele Leute angesprochen fühlen.
Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb über Ihr Buch „Mängelexemplar“ es sei weniger ein Roman, sondern eher ein Ratgeber. Lag die Rezensentin da falsch?
Kuttner: Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob das Buch Menschen hilft. Allerdings habe ich sehr viele Emails bekommen, in denen stand: „Hallo, du hast genau mein Leben aufgeschrieben.“ Ich glaube, der Aspekt von „Mängelexemplar“, der Menschen geholfen hat, war nicht so sehr der Umgang mit einer Depression, sondern die Erkenntnis: „Es geht anderen Menschen auch so wie mir.“ Für viele Leute war es toll, sich darin selber wiederzufinden, zu wissen, dass man nicht alleine oder verrückt ist. So richtige Ratgeber-Tipps habe ich in dem Buch auch nicht gegeben, weil Caro, die Hauptfigur in „Mängelexemplar“, ja total viele Sachen falsch macht, sie scheitert ja permanent.
Was erwarten Sie selbst als Leserin von einem Buch?
Kuttner: Wenn ich Bücher lese will ich wirklich unterhalten und berührt werden. Was aber auch bedeutet, dass ich nicht die gesammelten Nietzsche-Werke lese, sondern unterhaltsame Sachen, die im besten Fall auch irgendwas mit mir machen. Ich mag auch schöne Sprache, was natürlich eine Geschmacksfrage ist, und ich mag es, wenn Bücher realistisch sind, wenn das Thema irgendwie echt ist, wenn die Geschichte in Echt passiert sein könnte. Ich lese keine verrückten Fantasy-Romane, oder irgendwas, was von meinen Leben so weit weg ist, dass es mich nicht genug berührt.
Müssen Sie am Ende etwas aus einem Buch ‚mitnehmen’?
Kuttner: Nein, aber es ist schön, wenn es passiert. Damit meine ich jetzt gar nicht große Weisheiten, sondern manchmal nur so Berührungen. Das finde ich immer schon toll, wenn ich dann weinen muss, oder mich das Buch muffelig macht.
Wollen Sie, dass die Leute aus Ihren Büchern etwas ‚mitnehmen’?
Kuttner: Ich will gar nichts. Ich fänd’s schön, wenn es sich verkauft, wenn es viele Menschen lesen, aber das ist erstmal so ein wirtschaftlicher Aspekt. Natürlich wäre es toll, wenn es vielen Leuten gefällt, aber ich habe keine bestimmte Zielgruppe vor Augen, die es lesen soll. Ich hab keinen Zeigerfinger reingesteckt, ich erwarte nicht, dass Leute was daraus mitnehmen. Ich glaube es reicht mir, so öde das auch klingen mag, jemanden damit zu berühren. Das ist auch gar nicht so leicht, jemanden zu berühren.
Ansonsten denke ich darüber nie nach, was die Leser da mitnehmen, oder wer mein Buch überhaupt liest. Ich könnte auch niemandem sagen, warum er das Buch lesen soll – das ist ja diese klassische Radio-Interviewfrage: „Warum soll man zu deiner Lesung kommen?“ Da kann ich immer nur antworten: „Nee, man muss gar nicht kommen.“ Ich könnte da nicht ein Argument bringen – weil es so subjektiv ist, dass ich auch verstehen würde, wenn Leute mein Buch scheiße finden.
Vielleicht bin ich so etwas wie eine verhinderte Rampensau.
Es gibt in Ihrem Buch eine Model-Agentin, die an einer Stelle erklärt: „Da draußen laufen eine Menge junger Menschen rum, die gesehen werden wollen, sich abheben wollen, vielleicht sogar etwas verändern wollen.“ Was davon trifft auf Sarah Kuttner zu?
Kuttner: Ich glaube, dass ich das nicht so richtig einschätzen kann. Ich mache meine Arbeit schon immer in der Öffentlichkeit, beim Radio angefangen, da weiß ich nicht mehr so richtig, ob das jetzt mit diesem Gesehen-werden-wollen zu tun hat. Wobei es immer wieder Momente gibt, in denen ich erleichtert feststelle, dass ich augenscheinlich nicht öffentlichkeitsgeil bin.
Was für Momente meinen Sie?
Kuttner: Zum Beispiel wenn ich versuche, mich bei Roten Teppichen hintenrum reinzuschleichen. Wenn mir das gelingt, finde ich das richtig toll.
Richtigen Kontakt zur Öffentlichkeit habe ich ja auch weniger beim Fernsehen – da ist der Job ja vorbei wenn die Kamera aus ist – sondern vor allem bei meinen Lesungen. Da bin ich dann auch richtig gerührt, wenn dort 300 Leute sitzen, die für mich Schuhe angezogen und ihr Haus verlassen haben, weil sie mich sehen wollten. Aber im Grunde habe ich nicht mehr das Bedürfnis, gesehen und gehört werden zu wollen oder noch berühmter zu werden. Ich will nur meinen Beruf so erfolgreich machen, dass ich davon gut leben kann und ein, zwei Lorbeeren abkriege. Vielleicht bin ich so etwas wie eine verhinderte Rampensau.
Im Zitat der Modelagentin aus Ihrem Buch ging es auch um Menschen, „die vielleicht sogar etwas verändern wollen“. Gibt es bei Ihnen dieses Bedürfnis?
Kuttner: Ich habe nie Sachen vor, das ist so ein bisschen das Problem. Ich glaube, es wäre vermessen, wenn ich sagen würde, dass ich etwas verändern will. Da müsste ich mir viel mehr Mühe geben, größere Sachen machen, Stiftungen gründen oder heimlich Terroristen töten. Klar spende ich regelmäßig Geld irgendwohin, oder mache Sachen für umsonst für einen guten Zweck, aber damit verändere ich ja nichts. Dieses Wort ist einfach zu groß, ich habe auch gar nicht das Gefühl, dass das mein Job ist. Sollte ich dennoch mit dem was ich tue irgendetwas oder irgendwen verändern wäre das schön. Aber das ist nicht das was mich antreibt.
Sie haben viele Fans, glauben Sie, die finden Sie als Person gut, oder geht es da nur um die öffentliche, in den Medien präsente Sarah Kuttner?
Kuttner: Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass der Unterschied so groß ist, wie das immer behauptet wird. Wenn ich arbeite, bin ich immer noch ich, wenn ich auf Facebook ein Foto von Senfeiern poste, dann habe ich die gerade gekocht und gegessen und wenn ich schreibe, dass ich gerade aufgeregt bin, weil ich bei Justus Jonas (Oliver Rohrbeck) im Studio bin, weil er die Regie bei meinem Hörbuch macht, dann ist das auch echt, weil ich jeden Abend „Die drei Fragezeichen“ höre. Ich glaube auch, dass das etwas ist, was die Leute an mir mögen
„Ich bin kein Quotenbringer“ haben Sie mal in einem Interview gesagt, auch dass Sie als Senderchef sich selbst nur einen späten Sendeplatz geben würden. Warum sind Sie kein Quotenbringer?
Kuttner: Keine Ahnung. Vielleicht bin ich zu speziell? Wobei ich mich selber ja als viel durchschnittlicher empfinde, als die Leute mich immer beurteilen. Ich bin nicht mega-mega-quäkig, springe nicht die ganze Zeit rum, ich sage nicht die ganze Zeit „Scheiße“ und „Ficken“ – alles Dinge, die mir immer gerne zugeschrieben werden. Ich bin im Grunde genommen total harmlos. Ich glaube, dass ich als Interviewerin ganz gut funktioniere, weil ich es mit so einer Form von Charme schaffe, dass Leute mir natürlicher Sachen erzählen, als sie es sonst in einer Studioumgebung tun würden. Vielleicht könnte ich tatsächlich ein Quotenbringer sein, wenn man mich mit der richtigen Sache zur richtigen Zeit platziert.
Warum passiert das nicht?
Kuttner: Es gibt nicht mehr viel Experimentier-Spielraum beim Fernsehen. Es traut sich keiner mehr was, deswegen kann ich auch meinen eigenen Marktwert überhaupt nicht einschätzen, abgesehen davon, dass ich gar keine Ahnung von Marktwerten habe.
Vielleicht bin ich nicht glatt genug? Auf der anderen Seite mögen die Leute glatt gar nicht so gerne. Ich habe keine Ahnung, ich wurde ja noch nie 20:15 Uhr irgendwo gesendet. Vielleicht hätte das eine hohe Quote? Ich erreiche im Grunde immer nur die Quoten, die auf dem Sendeplatz normal sind, bin aber auch nie drunter. Insofern, es ist nicht so, dass ich jeden Sender zum Verrecken bringe, wenn da meine Sendung läuft. (lacht.)
Eingangs sagten Sie, dass das Fernsehen „immer hässlicher, anstrengender und döfer wird“. Worauf beziehen Sie das?
Kuttner: Ich spreche da allgemein aus Erfahrung. Beim Fernsehen geht es halt ums Geld, das ist auch in Ordnung, weil es eigentlich nur ein Business ist. Es ist nichts Künstlerisches. Es geht nicht darum, Leute zu unterhalten. Es geht immer und ausschließlich darum, Geld zu verdienen. Das wusste ich vermutlich schon immer, aber es gab Zeiten, in denen der Spielraum größer war, in denen sich die Leute auch mehr getraut haben. Heute mache ich Fernseh-Staffeln, die drei Folgen haben. Das dürfte meiner Meinung nach gar nicht „Staffel“ heißen, denn eine Staffel hat mindestens sechs Folgen. Was soll das? Wieso testen alle Leute immer nur?
Die Privaten machen das ja inzwischen so, dass sie eine Sache einmal senden, und wenn die nicht läuft, wird die sofort abgesetzt, sofort! So schnell kann man sich als Fernsehzuschauer gar nicht daran gewöhnen, dass da etwas ist. Am Ende wird dann nur noch das genommen, was irgendwie einfach ist und was funktioniert.
Zum Beispiel?
Kuttner: Es gibt auf Sat.1 eine Sketch-Show, die komplett pointenlos ist. Es sind noch nicht mal schlechte Pointen, sondern es passiert einfach nichts. Ich sitze dann mit einer versteinerten Miene davor und denke: Warum läuft das immer noch? Das ist ja gar nicht lustig. Es weiß auch jeder, dass das qualitativ gesehen nichts wert ist, aber es läuft, weil irgendein Idiot, oder weil viele Idioten sich das angucken. Das macht mich irre, dass diese Entscheidung wirklich nur noch finanziell getroffen wird. Auf der anderen Seite kann ich es verstehen, weil sonst Leute entlassen werden müssten, man kriegt nicht genug Gelder usw. Vielleicht muss man einfach nur akzeptieren, dass Fernsehen nicht schön ist, sondern ein Business wie alle anderen auch: Man verkauft immer das, was die Leute am meisten wollen. Ich weiß gar nicht welcher Sender jetzt nochmal eine neue Casting-Show rausbringt …
Ich glaube auf Vox gibt es bald ein Model-Casting mit Eva Padberg.
Kuttner: Ja, so was meine ich. Irgendwann gibt es nur noch Kochsendungen! Dass immer noch mehr Leute versuchen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, finde ich verwirrend. Das ist so eklig, das ist auch so viel Geld – damit könnte man zehn kleinere, tollere Sendungen machen. Aber so ist das halt.
Es sagen ja viele Leute über das Fernsehen, dass es kein schönes Business ist. Leider ist es das Einzige was ich kann, und auch wirklich gerne mache in meinem geschmäcklerischen Rahmen. Aber manchmal ist das halt wie für ein Arschloch zu arbeiten.
Dieses grundsätzlich fehlende Interesse, sich etwas zu trauen, das nehme ich den Leuten übel.. Man hätte das Geld dafür, zwei von 24 Stunden am Tag etwas zu senden, was nur gut ist, wo man sich etwas traut. Aber stattdessen heißt es: „Immer mehr, immer größer, noch mehr Geld.“ Das nehme ich denen übel, denn das Fernsehen hat so eine große Macht, Fernsehen erzieht die Leute geschmäcklerisch. Da muss man aufpassen, dass man nicht den ganzen Tag nur Süßigkeiten verfüttert. Sonst werden wir irgendwann ein Volk von Mega-Assis.
Wie sieht denn Ihr Fernsehkonsum aus?
Kuttner: In erster Linie sehe ich diese ganzen tollen Ami-Serien auf DVD. Die machen teilweise wirklich enorm tolles Fernsehen. Auf der anderen Seite zappe ich mich natürlich auch durch den ganzen Kack im Fernsehen. „Explosiv“, Katzenberger. Ich bin nur nie lange da. Ich schaffe es, an einem Abend zehn Sendungen zu gucken, die alle gleichzeitig laufen.
In Ihren beiden Romanen geht es um Befindlichkeiten die Sie in Ihrem persönlichen Umfeld beobachtet haben, in „Mängelexemplar“ um Depressionen, in „Wachstumsschmerz“ um das Erwachsenwerden, die Zeit um die 30, die erste gemeinsame Wohnung etc. Wird es in Ihrem nächsten Buch ums Kinderkriegen gehen?
Kuttner: Weiß ich nicht. Auch bei „Mängelexemplar“ wusste ich nicht, wovon das nächste Buch handeln wird, oder ob es überhaupt ein nächstes gibt.
Wäre das Thema zumindest eine Option für Sie?
Kuttner: Nee, ich glaube dafür sollte ich dann tatsächlich ein Kind kriegen.
Ich finde das auch immer so ein bisschen doof, wenn Leute darüber ein Buch schreiben. Die haben dann oft den Anspruch: „Wir schreiben jetzt das ganz andere Parenting-Buch“.
Ich weiß es nicht, es steht ja jetzt auch kein Kind an. (überlegt) Ich kann so weit nicht denken. Ich denke nie so weit. Ich weiß nicht mal, was ich heute zum Abendbrot esse.
Eine Schlussfrage: An einer Stelle in „Wachstumsschmerz“ ist von einer Kunstausstellung die Rede, bei der sich in einer Videoinstallation junge Männer in Dauerschleife mit Schuhcreme einschmieren. War das echt oder haben Sie sich das ausgedacht?
Kuttner: Das war echt, ich habe das mal im „Hamburger Bahnhof“ in Berlin gesehen. Ich bin da hin, weil ich mir gesagt hatte „Heute mal Kunst!“ – und bin wirklich megaschlechtgelaunt wieder rausgekommen. Ich habe das alles nicht verstanden, es gab da diese komischen Videos, auf einem wurde in Dauerschleife ein Kaktus rasiert und auf einem anderen war tatsächlich ein nackter Mann mit Mini-String-Tanga zu sehen, der sich mit Schuhcreme eingecremt hat. Und als er fertig eingecremt war, fing es wieder von vorne an. Das hat mir wirklich schlechte Laune gemacht, weil ich dachte: Warum bitte ist das jetzt Kunst? Warum steht das hier im Hamburger Bahnhof und ist wahrscheinlich zwölfhunderttausend Euro wert? – Ich habe das nicht kapiert, es konnte mir auch keiner so richtig beantworten. Die einzige Antwort, auf die ich dann selber gekommen bin, war: Weil es irgendwas mit mir macht. Aber ist das schon Kunst? Mich wütend zu hinterlassen? Dann wäre eine Backpfeife ja auch Kunst.