Sven, dein Erfolg ist über die vergangenen 30 Jahre konstant geblieben, du tourst nach wie vor durch die ganze Welt und ziehst ein großes Publikum an. Wo liegt deiner Meinung nach der Grund dafür?
Sven Väth: Ich glaube, das liegt daran, dass ich von der Tanzfläche herkomme und ein leidenschaftlicher Tänzer bin. Und wie die Leute wissen, feiere ich auch gerne.
Aber da gehört ja nun noch Einiges mehr dazu.
Väth: Klar, ich denke bei mir waren das Leidenschaft, Pioniergeist und meine Performancekunst, womit ich viel in Bewegung gesetzt habe. Ich habe eine Vision verfolgt, das ist von Etappe zu Etappe gewachsen und ich habe mir schließlich auch das Ziel gesetzt, nicht nur Musik zu machen, Platten aufzulegen und zu produzieren, sondern auch die perfekten Rahmenbedingungen zu schaffen, um unsere Musik auch richtig klingen zu lassen, sie richtig in Szene zu setzen. Sprich, Veranstaltungen zu machen, Clubs zu bauen und zu führen, Musik zu veröffentlichen, zu hören, zu sortieren und zu beurteilen, Künstler zu fördern, indem man ihnen Plattformen bietet, wo sie sich entfalten können. Das Re-Investment in die Szene, also dass man nicht nur abschöpft, sondern auch zurückgibt, das ist mir sehr wichtig. Cocoon erntet nicht nur, sondern sät auch immer wieder. Ich denke, dass mich diese Herangehensweise von vielen Kollegen abhebt.
Aber wenn wir das Drumherum mal weglassen, was zeichnet den einen Abend, die eine Sven Väth Party aus, gegenüber anderen?
Väth: Ich mache halt meine Hausaufgaben. Ich kümmere mich um aktuelle Musik, das gehört zur DJ-Arbeit dazu, sich mit neuer Musik auseinanderzusetzen, die Platten zu selektieren und die neuen Sounds mit einzubinden. Ich rede da jetzt auch von richtigen Platten, ich habe noch Plattenkisten…
Dann geht es darum, die Musik so zu präsentieren, dass man die Leute auch überrascht, dass so viel Leidenschaft dabei ist, dass der Funke einfach überspringt, dass man zusammen dieses Eins-Gefühl lebt – ‚in search of the magic moment of the night’. Diesen magischen Moment versuche ich immer wieder zu kreieren. Ich komme nicht kurz in den Club, spiele mein Set und gehe wieder, sondern ich versuche möglichst lange Sets zu spielen und mit meiner Musik einen Spannungsbogen zu erzeugen. Und die Musik fächert sich dann auch auf in verschiedene Genres. Viele Kollegen spielen ja nur einen Beat durch, die ganze Nacht, ich probiere da schon noch Akzente zu setzen. Und ich glaube, das gefällt den Leuten gut. Die gehen mit mir auf eine Reise.
Wie wichtig war da für dich das Aufwachsen mit verschiedenen Stilen? Immerhin hast du ganz am Anfang noch Foxtrot und Rock’n’Roll aufgelegt.
Väth: Die Stile würde ich da jetzt vielleicht nicht dazurechnen, aber sicherlich, in den 80er, 90er und in den 00er Jahren gab es ja sehr verschiedene Bewegungen und Impulse. Allein im House-Bereich von Speed-Garage bis Minimal, Tech-House usw., da haben sich viele Nischen aufgetan, das wurde immer facettenreicher.
Was ich wahrscheinlich ganz gut kann, ist, mit meinem musikalischem Verständnis und den Erfahrungswerten Dinge miteinander verknüpfen. Ich kann Mixe machen, die genreübergreifend sind, ohne dass direkt ein Bruch passiert. Da steckt auch viel Ausprobieren dahinter. Musik braucht ihren Moment, es gibt Scheiben, wo ich denke: „Mein Gott, wo baust du dieses eine Stück ein?“ Da kann es dann schon mal sein, dass ich eine Stunde auflege und in dieser Stunde den Moment vorbereite, in dem ich diese eine bestimmte Platte spiele. Das sind auch Herausforderungen, die ich mit mir selber austrage. Das ist impulsiv, kreativ, spontan… Und ich glaube, für mich gäbe es nichts Schlimmeres, als die ganze Zeit auf einen Laptop zu starren, auf dem ich mein Tracklisting sehe, dass ich gerade abspiele.
Wo du gerade betont hast, dass du mit Platten, mit Vinyl auflegst – ist der Erfolg deiner Partys auch eine Frage des Formats?
Väth: Die Frage hat sich nie gestellt, weil ich ja immer nur Vinyl gespielt habe. Das ist Bestandteil meiner Performance.
Natürlich lässt sich beobachten, dass ein klassischer Vinyl-Jockey ganz anders agiert. Der hat eine ganz andere Präsenz als jemand, der in den Computer schaut oder jemand, der CDs abspielt. Man hat diese Mechanik, dieses Analoge, das Eingreifen in die Musik – das hat etwas mit dem Handwerk zu tun, das hat auch einen gewissen Soul. Ich denke schon, dass vielen der Unterschied auffällt, wenn ich spiele und nach mir so ein Lapjay. Das klingt ja auch ganz anders.
Aber spielt das unterschiedliche Format für die Leute auf der Tanzfläche wirklich eine Rolle?
Väth: Ich glaube schon, weil die Leute einen DJ arbeiten sehen möchten. Die wollen auf seine Hände schauen, wollen sehen, was und wie er das macht, seine Fingerfertigkeit, sein Gespür für den Mix, wie er seine Akzente setzt. Da ist das Auflegen ja wie ein Instrument spielen. Ich fände es schade, wenn das die Leute nicht mehr interessieren würde. Es kommt natürlich auch darauf an, wie groß die Masse ist, vor der man spielt, dass man das von der letzten Reihe aus nicht mehr mitverfolgen kann, ist klar.
Das Witzige ist heute aber ja, dass viele Produzenten, die sich als DJs verkaufen, sich in ihren Videos oder bei irgendwelchen Fototerminen immer an Schallplattenspieler stellen. Dabei sind das oft genau die, die auf Partys gar keine Schallplatten mehr spielen. DJing wird heute einfach immer noch damit verbunden: mit dem Schallplattenspieler, nicht mit einem Laptop.
Wird das noch lange so bleiben?
Väth: Das wird auf jeden Fall erst mal so bleiben.
Dabei bieten die neuen digitalen Systeme doch viele neue Möglichkeiten für den DJ – Effekte, Loops, etc. – gegenüber dem normalen Abspielen von Vinyl. Läuft die neue Technik dem alten Medium nicht den Rang ab?
Väth: Das sehe ich nicht so. Das sind für mich auch alles verkappte Produzenten, die meinen, sie müssten bei der Musik, die sie spielen, eingreifen und nochmal Effekte draufsetzen oder die Beats manipulieren – so gehe ich nicht an meine Arbeit ran.
Die Tracks, die ich aussuche, die brauchen keine Nachbearbeitung, die brauchen auch keine künstlichen Peak-Time-Effekte. Das hat die Musik von sich aus, darauf lege ich bei der Selektion auch viel Wert. Und die Stücke, die ich aussuche, die haben es auf jeden Fall verdient, von Anfang bis Ende gespielt zu werden, ich muss da keine künstlichen Breaks kreieren, um ein Stück spannender zu machen oder um meine Crowd noch mehr anzupeitschen. Das sollte die Musik mit eigener Kraft schaffen. Das andere sind für mich Effekt-DJs, Lap-DJs. Die mixen heute ja zum Teil gar nicht mehr wirklich, die verstehen nicht mehr, was es heißt, Beats aneinander zu reihen und sauber zu mixen.
Du sprichst mit dem Mixen bzw. Beatmatching eine Fertigkeit an, die immer Bestandteil der DJ-Fertigkeit war, durch die Erfindung des Sync-Buttons aber obsolet geworden ist, die Angleichung der Geschwindigkeit übernimmt nun der Computer. Ist der Sync-Button eine gute Erfindung?
Väth: Der Sync-Button ersetzt eine Fähigkeit, die man als DJ mitbringen sollte. Es beinhaltet ja unheimlich viel Spannung, wenn man als DJ an den Plattentellern steht und zwei Platten ineinander mixt. Dadurch entsteht eine Reibung. Das muss nicht immer perfekt sein, aber das atmet, das lebt – und das erzeugt oftmals ganz spezielle Momente.
Wenn ich weiß, dass ich einfach auf den Sync-Button drücken kann und in dem Moment alles sofort gemixt ist, alles immer gerade läuft – wo ist denn da der Thrill? Wo ist da die Herausforderung? Das Mixen ist eine technische Handwerksarbeit und es sollte zu einem DJ mit dazugehören, dass er das Handwerk beherrscht. Wenn ich jetzt einfach Sync drücke, mir ein Programm das Mischen abnimmt, ja, was mache ich dann eigentlich? Klar, dann brauche ich irgendwelche Effektgeräte oder Knöpfe, an denen ich rumdrehe, sonst sieht es ja blöd aus. Sonst stehe ich nur da, drücke zwischen zwei Tracks einmal auf „Sync“ und sonst nichts. Es gibt DJs, die das machen – vor denen habe ich null Respekt.
Vernichtet der Sync-Button Spannung?
Väth: Er vernichtet die Spannung und die Kreativität eines DJs. Es heißt ja nicht, dass ein DJ die Platten, die er da mal eben auf Sync schaltet, auch in Realtime mixen könnte. Dazu gehört nun mal ein gewisses Talent und ein Gespür.
Das ursprüngliche DJ-Mixen ist eng verbunden mit dem 1210er Plattenspieler von Technics, der für die Clubs zum Standard-Equipment gehört. Nun verdichten sich in letzter Zeit die Hinweise, dass die Produktion des 1210ers ausläuft – was hast du gedacht, als du das erste Mal davon gehört hast?
Väth: Ich habe gedacht: Ein Glück habe ich ’nen ganzen Keller voll von den Teilen! Ich habe mir über die Jahre tatsächlich einige gekauft.
Dass die Produktion eingestellt wird, heißt aber nicht, dass der jetzt sofort weg ist. Es wird glaube ich noch seine 50 Jahre dauern, bis das Modell eingestampft ist. Natürlich sind das schlechte Nachrichten, auf der anderen Seite sind Plattenspieler im High-End-Bereich immer noch sehr gefragt. Viele kaufen Platten im Bereich Klassik oder Jazz…
Aber wenn genau dieser Plattenspieler nicht mehr produziert wird, bedeutet das nicht automatisch das Aus für Vinyl in den Clubs?
Väth: Da bin ich mir nicht sicher. Ich sage jetzt mal Nein. Aber es wird bestimmt nur noch eine kleine Anzahl von DJs geben, die das weiterführen. Wobei sich natürlich die Frage stellt, wer noch Vinyl produziert, wer da noch Wert drauflegt.
Ich bin selbst auch großer Vinyl-Liebhaber. Trotzdem die Frage: Macht es wirklich so viel Sinn, im Clubbereich an Vinyl festzuhalten?
Väth: Ja, ich bin der Meinung, dass die, die heute Vinyl rausbringen, sich mit der Musik viel mehr Mühe geben, als Leute, die ein Mp3- oder Wave-File online stellen. Da gibt es in den Download-Portalen dann bestimme Opinion-Leader, die dort ihre Charts veröffentlichen – und jemand, der zu faul ist, der keine Lust oder keine Zeit hat, sich mit der Musik auseinanderzusetzen, was macht der? Der wird sich natürlich genau diese Tracks downloaden, die dort in den Charts stehen.
Ich muss sagen: Ich fand es immer spannend, Musik zu finden, danach zu suchen – und Musik findet einen auch. Genauso der soziale Aspekt, in einen Schallplattenladen zu gehen, mit Kollegen über die Musik zu reden, oder über das vergangene Wochenende, sich zu treffen und Musik zu hören – das hat für mich immer zu meinem ganzen DJ-Dasein dazugehört.
Wenn ich dich richtig verstehe, siehst du Vinyl als eine Art Garantie für die musikalische Qualität einer Produktion…
Väth: Ja, die Leute, die heute Vinyl produzieren und vertreiben, die tun das aus einer gewissen Überzeugung heraus, die geben sich dann um so mehr Mühe, dass das gut klingt. Wenn ich mich an die 90er Jahre erinnere, da hat jeder DJ sein eigenes Label gehabt, damals gab es eine Flut von Vinyl, das war geradezu Vinyl-Verschwendung, wie viel da rausgekommen ist, da konnte man sich gar nicht durchhören durch die Berge. Heute dagegen habe ich eine überschaubare Menge an neuen Platten, die ich wöchentlich zugeschickt bekomme und zusätzlich gehe ich noch in den Plattenladen. Ab und zu brennt mir ein Mitarbeiter bei Cocoon aber auch eine CD mit Demos, die wir bekommen, da teste ich auch mal einen Track mit einem CDJ-2000-Player, ein Gerät, mit dem gut arbeiten kann.
Paul van Dyk erzählte uns im Interview, er bekäme jede Woche etwa vier Gigabyte neuer Musik, 500-600 Tracks zugeschickt.
Väth: Damit kann ich überhaupt nichts anfangen, das wäre für mich eine Horrorvorstellung.
Vinyl ist Bestandteil meiner Performance.
Wenn Musik für DJs nur noch digital vertrieben wird – besteht dann die Gefahr einer Globalisierung des Sounds, einer Gleichmachung ohne regionale Besonderheiten?
Väth: Die Gefahr besteht auf jeden Fall. Aber da sehe ich in Frankfurt oder in Berlin schon noch genügend Leute, die Wert darauf legen, dass es in ihrer Stadt einen Plattenladen gibt und dass dort auch Platten verkauft werden, dass sich die Szene da auch trifft.
Wenn das irgendwann mal weg ist, das wäre wirklich schade.
Woher kommen die Produzenten auf deiner jüngsten Mix-CD „The Sound of the Eleventh Season“, aus welchen Ländern?
Väth: Hauptsächlich aus Deutschland. Es ist interessant, letztes Jahr war die „10th Season“ die internationalste meiner Mix-CDs, da waren fast ausschließlich internationale Produzenten dabei, diesmal ist es sehr deutsch geworden.
Da ist unter anderem der Shooting-Star Daniel Stefanik aus Leipzig, DJ Koze hat es mit drei Produktionen auf die CDs geschafft, dann Till Krüger aus Stuttgart mit zwei Stücken, Kabale und Liebe, Martin Buttrich, Basti Grub, Johnny D. … Das sind schon alles deutsche Acts. Eine Ausnahme sind Plaid aus England.
Ich denke, es ist vielleicht generell so, dass in Deutschland seit einigen Jahren am innovativsten und kreativsten gearbeitet wird. Ob das jetzt im Ambient-Bereich ist oder bei House, Electro, Techno, Trance – da haben wir hier ziemlich die Nase vorn. Deutschland hat da wirklich viele Stilformen geprägt, die auch kopiert und nachgeahmt werden. Und es sind inzwischen sehr viele Künstler nach Berlin gezogen sind, die hier Musik machen und veröffentlichen wollen. Das hat auch dazu beigetragen, dass es einen großen Output gibt.
Wie viel Platten nimmst du mit zum Auflegen?
Väth: Ich habe drei Taschen dabei, zwei a 100 und eine a 50 Stück. In der einen habe ich alles housige und tech-housige, die andere geht mehr in die technoide und abstrakte Richtung, und in der dritten sind dann viele von unseren Veröffentlichungen auf Cocoon Recordings und Classics.
Von den international gebuchten DJs sind nur noch wenige mit Plattenkisten unterwegs. Eine letzte Frage zu der Thematik: Die Industrie preist stets den neuen Technik-Standard an, lesen geht digital mit E-Book-Readern, fotografieren und filmen funktioniert längst digital, Auflegen ebenfalls. Können wir irgendwann auf analog verzichten?
Väth: Da fragst du den Falschen. Ich würde das nicht sagen. Ich hoffe es jedenfalls nicht…
Aber was ist der Kern vom Analogen, warum glaubst du, brauchen wir das?
Väth: Weil… ich weiß es nicht. (lange Pause) Es hat ein Eigenleben.
Bezogen auf die Musik, ein Beispiel: Ich habe in den 90er Jahren viel mit Musikern zusammen produziert und komponiert und es war schon erstaunlich, was da aus diesen analogen Geräten herausgekommen ist. Obwohl wir gar nichts gemacht haben. Die Maschinen hatten ihr Eigenleben – und da sind oft die besten Überraschungen passiert.
Von der Zukunft des Vinyls zu deiner Zukunft. Auch wenn du dir um die Rente vermutlich keine Sorge machen musst: Wie lange willst du als DJ arbeiten? Hast du da konkrete Vorstellungen?
Väth: Nein. Vielleicht werde ich es irgendwann mal spüren, dass ich ein bisschen runterdrehen muss. Aber ich glaube, ich werde immer Musik machen und Menschen zum Tanzen bringen wollen. Ob das später nur für meine Familie ist, oder für eine eingeschworene Gemeinde, oder ein kleines Festival – ich weiß es nicht. Ich habe nach wie vor viel Spaß an meiner Sache und bekomme es auch immer wieder erwidert von meiner Crowd. Das Feedback ist immer gut.
Sind deine Fans mit dir erwachsen, älter geworden?
Väth: Ja, da gibt es einige. Erstaunlich ist aber auch, dass eine neue Generation nachgekommen ist. Es sind viele junge Leute, die Spaß haben an der Musik, die ich auflege.
Aber was die Älteren anbelangt, glaubst du, man wird in Zukunft auch viele Leute jenseits der 65 in Techno-Clubs antreffen?
Väth: Auf Ibiza ist das so. Da haben wir bis zu 80-Jährige im Club, auf den Cocoon-Partys, da trifft sich alles bei uns. Ansonsten liegt es an einem selbst, wie man sich motiviert, ob man noch Spaß hat am Tanzen.
Ich habe mir schon viel Gedanken über dieses Thema gemacht und versuche mit dem Cocoon Club neue Konzepte umzusetzen, in Verbindung mit Restaurants und Sterne-Gastronomie, worüber ich die Leute dann auch wieder an die Musik heranführen möchte. Das gelingt ja auch, viele Clubs sind heute offener geworden, auch mal ein Restaurant oder eine Lounge mitanzuschließen. Zum Cocoon gehören drei Restaurants und 2010 ist unser Koch Mario Lohninger vom Gault-Millau als Koch des Jahres ausgezeichnet worden, was schon ein großes Lob ist, auch für uns.
Das heißt, es ist schon möglich, dass die Älteren kommen und gepflegt etwas essen gehen wollen, Wein trinken – und dass sie danach sagen: „Komm, wir gehen nochmal tanzen in den Club.“
Was sich in den letzten Jahren auch ein wenig verändert hat, sind die Zeiten. In Berlin muss man für die After-Hour nicht mehr bis früh auf den Beinen sein, sondern man kann Sonntag nachmittags um vier ausgeschlafen in die Panorama Bar im Berghain gehen und der Laden ist voll.
Väth: Da ist Berlin aber auch eine ganz große Ausnahme. Wo kann man mittags in der Großstadt tanzen gehen? Das gibt es nicht in London, nicht in New York, nicht in Tokyo. Wenn man sich Städte wie Paris oder New York anschaut, die sind alle stehengeblieben, da machen die Läden um 5 oder 6 Uhr zu, dann geht nichts mehr. In Berlin stehen da alle Tore offen und das zieht auch viel Publikum an.
Wobei auf Ibiza natürlich auch tagsüber gefeiert wird, in den Beach-Clubs. Das ist dann aber die Sommersaison.
Welche Zeit ist dir fürs Auflegen die liebste?
Väth: Am liebsten spiele ich von Anfang bis Ende.
Also von Mitternacht bis um 6h.
Väth: Zum Beispiel, ja.
Wie lang ist das durchschnittliche Sven Väth-Set?
Väth: Im Herbst und Winter spiele ich drei bis vier Stunden, im Frühjahr wird es ein bisschen mehr und im Sommer sind es dann auch mal acht bis 15 Stunden.
Wie kriegst da du unter der Woche einen richtigen Tagesrhythmus hin?
Väth: Rhythmus ist so eine Sache. Ich habe natürlich meine kleinen Rituale, die versuche ich einzuhalten, so gut es geht, dazu gehört Sport, Sauna, Massagen und Training. Dann bin ich dieses Jahr Papa geworden, verbringe also viel Zeit mit meinem Sohn… Das ist Time-Management. Und mir ist wichtig, dass ich immer wieder auch den Abstand zu dem Ganzen finde, ich brauche Ruhephasen. Jetzt in meiner ayurvedischen Zeit, von Oktober bis Januar, trinke ich kein Alkohol, esse kein Fleisch und schaue, dass ich am Wochenende spätestens um fünf im Bett bin.
Was trinkst du dann, wenn du vier Stunden auflegst?
Väth: Wasser. Vielleicht noch eine Cola light, aber das war’s dann auch schon.
Seit wann machst du das so?
Väth: Seit 15 Jahren.
Und die Alkoholversuchung?
Väth: Ich fühle mich ohne Alkohol wohl, ich bin unbenebelt, pur und rein. Ich widme mich dann ausschließlich der Sache, komme in den Club, gehe konzentriert an meine Performance ran, habe Spaß dabei und spüre wie real das alles ist.
Im Sommer ist das auch mal anders, da rauscht man mal so ein bisschen durch, hier und da.
DJs, so das Klischee, sind bei Frauen beliebt. Aber sind die Arbeitszeiten nicht eigentlich ein Beziehungskiller?
Väth: Ich bin jetzt fast zehn Jahre mit meiner Frau zusammen, wir haben da schon unseren Rhythmus gefunden. Sie kommt auch öfters mit auf Events und reist mit in andere Städte, die sie mag. Wir haben uns da gut eingegroovt.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figur bist du?
Väth: Also, du willst jetzt nicht hören, ich wäre gerne Hotze, oder? (lacht laut)
Ich fand das gallische Dorf immer gut. Das ist so ein kleines Party-Dorf, wo die Leute auch mal am Zaubertrank naschen, alles von außen abwehren, independent bleiben und dabei sehr viel Spaß haben. Ich fand das gallische Dorf eigentlich immer ganz gut als Bild für die Techno-Szene, deswegen wäre ich einer der Bewohner.
Ich habe die 90er Techno-Szene aktiv miterlebt und -gestaltet. Spiele ich heue meine 90er-Sets, hebt der Floor ab, genau so wie damals. Im Gegensatz zu den ’neuen‘ Minimal-DJs, die mit ihren Usb-Sticks auflegen, die sich Tracks klauen und kopieren die von Musikern produziert worden sind die ihre Software-Instrumente klauen und kopieren mit denen sie Presets abfeuern die ebenfalls geklaut oder kopiert sind. Früher waren Instrumente teuer und nicht jeder Idiot hatte darauf Zugriff. Nur die, die es wirklich wollten, konnten es sich leisten. Und das hat die Technomusik idealistisch und einzigartig gemacht. Der Brei von heute wird weder gehört noch gefühlt. Auf diversen Partys sind heute Menschen, die morgen wieder die Musik aus dem Radio hören, also nichts von Musik verstehen, erst recht nicht, wenn niemand etwas dämliches singt.
Sven Väth finde ich absolut klasse. Es macht Spaß, sich von seiner Arbeit mitreißen zu lassen und mit ihm zu feiern.
Mein Mann war früher selbst als DJ (nicht professionell) unterwegs.
Ich habe mich köstlich amüsiert, dass er nicht wusste, dass Sven Väth Deutscher/Hesse ist (hat er nach Jahren jetzt erst von mir erfahren)
und sich die ganze Zeit mit ihm in englischer Sprache unterhalten hatte.
Herrlich!
Dieses weltweite musikalische Gleich-Klingen und das Verloren-Gehen lokaler musikalischer Identität/Mentalität stört mich ebenfalls.
Außerdem wird weltweit fast nur noch in englischer Sprache gesungen.
Spanisch wird auch noch gefördert. Ansonsten hört sich vieles gähnend langweilig an. Auch im Elektro-Bereich hört sich das meiste gleich an.
Ich suche selbst nach völlig neuen Impulsen, auch in anderen Sprachen.
Auch modisch präsentieren sich die meisten Künstler völlig gleich. Vielleicht liegt es an den Musikfirmen?
Köstlich, was für ein dummes Gelaber über Vinyl und digitales Auflegen! Die dämlichste und unnötigste Diskussion der letzten Jahre. Väth hat bewiesen, dass er sich mit dem digitalen Auflegen gar nicht befasst hat und ihr die dummen Standardargumente der Vinylliebhaber bringt.
Früher, also Ende der 80’er/ Anfang der 90’er haben wir Techno auch als Lebenseinstellung verstanden und da ging es auch um den technologischen Fortschritt. Beeper, Laserpointer und alle möglichen neuen Gadgets waren in der Szene sofort verbreitet. Mobiltelefone erhielten auch schnell Einzug in die Szene. es ist doch eine logische Konsequenz, dass digital produzierte Musik auch digital gemixt wird…
Dem durchschnittlichen Clubgänger ist es total egal, womit ein DJ arbeitet!! Es ist auch egal ob der DJ sich einen Knoten in die Arme mixt oder nicht. Entscheidend ist nur die Musik, die aus dem Boxen schallt und ob die Leute abgehen oder nicht…
Du bist genau so einer der niemals mit platten mischen könnte. Dem großen eh total überfluteten Einheitsbrei ist das egal – ja. Aber wer techno liebt der liebt den DJ und zwar der mit platten oder live auflegt das ist kunst. Tracks zu selektieren , lauter leiser hier effekt da bass rein bass raus das macht man doch nur weil einem sonst langweilig wird :D:D:D:D:D
Die Teccno-Szene ist entstanden, weil Menschen, die von Musik keine Ahnung hatten, keine Note lesen oder ein Instrument spielen konnten, auch selbst Mucke machen wollten – ob auflegen oder „produzieren“. Sie würden auch nie ein nur annähernd anspruchsvolles digitales mixing hinbekommen, deswegen hängen sie an Vinyl denn das hat einen entscheidenden Vorteil: man kann die technische Unzulänglichkeit des Materials immer für die eigene Unfähigkeit für tatsächlich kreative Live-Performance vorschieben. Und bei der grundsätzlichen Beschränktheit der musikalischen „Substanz“ auf ein immer neues Mindestmaß ist auch keinerlei „handwerkliches“Können erforderlich, denn wenn ein Track sich anhört wie der andere ergibt sich eben auch das Mixen von selbst.
Aufn Boden Geblieben, weiter so !
Laber Rhababer
„Die wollen auf seine Hände schauen, wollen sehen, was und wie er das macht, seine Fingerfertigkeit, sein Gespür für den Mix, wie er seine Akzente setzt. “
DER STEHT DOCH NUR NOCH AUF/IN ?´NER KNAZEL – DA SIEHT MAN DOCH NIX VON UNTEN…
DER VERSUCHT HIER WISCHIE WASCHIE ZU VERLEUGNEN WAS NICHT AUFZUHALTEN IST – ALTER MANN