Am 19.04. fand in München ein Pressegespräch mit dem BR-Intendanten und ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm statt. Es ersetzte die Pressekonferenz, die normalerweise im Anschluss an die Intendantensitzung stattfindet, die aber nach der Intendantensitzung in Bremen am 17.04. „aus organisatorischen Gründen“ entfiel. Das Gespräch fand im Büro des BR-Intendanten statt, eingeladen war nur ein kleiner Kreis von Journalisten. Ich selber erhielt die Einladung nicht direkt (auch zur Jahresauftakt-PK der ARD am 07.02. war ich nicht eingeladen, die ich deshalb verpasste), durfte aber dennoch teilnehmen.
Ulrich Wilhelm sowie Albrecht Frenzel (Verwaltungsdirektor BR, Vorsitzender der Finanzkommission ARD/ZDF) und Birgit van Eimeren (Medienforschung beim BR) gaben 30 Minuten Statements ab, bei denen es u.a. um die Auseinandersetzung mit den Bundesländern um Einsparungen bei den Rundfunkanstalten ging sowie um eine neue Akzeptanz-Studie. Anschließend konnten die Journalisten 30 Minuten lang Fragen stellen, diesmal waren auch nicht-öffentlich-rechtliche Journalisten dabei, u.a. von SZ, dpa und meedia.de.
Erwähnenswert:
– Wie schon vorher bekannt war, sieht Ulrich Wilhelm (nach einem ersten Sparkatalog (PDF)) keine weiteren Einsparmöglichkeiten mehr bei der ARD ohne dass dadurch das Programm beschnitten wird.
– Die ARD betrachet sich als „öffentliches Gut“, vergleichbar mit öffentlichen Schulen, öffentlichen Krankenhäusern und öffentlichem Nahverkehr.
– Ulrich Wilhlem kann sich tatsächlich vorstellen, weniger Krimis zu senden. „Für meinen Geschmack könnten wir gut und gerne weniger Krimis machen und an die Stelle allerdings andere wertige Angebote setzen. (…) Ich würde mir wünschen, gerade an Feiertagen wie Ostern und Weihnachten, nicht diese Krimihäufungen, sondern anspruchsvolle Literaturverfilmungen, die wir auch in der Vergangenheit oft hatten, mit grandiosen, preisgekrönten Werken.“
– Ebenso kann sich Ulrich Wilhelm vorstellen, zur Primetime mehr Information zu senden. „Ich bin überzeugt davon: So wie sich unsere Welt entwickelt, mit immer neuen höchst komplizierten Themen, müssen wir noch mehr Erklärstrecken anbieten. Das bedeutet auch mehr Sendefläche dafür.“
– In die Zeit des neuen ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm (seit 01.01.2018) fiel auch die ARD-Sendung „Schlager Champions“ mit der Verleihung der „Eins der Besten“, die am Samstag 13. Januar zur Primetime um 20.15 Uhr ausgestrahlt wurde. Florian Silbereisen moderierte, seine Partnerin Helene Fischer bekam gleich vier Trophäen, außerdem wurden Semino Rossi, Ben Zucker, Fantasy, die Kelly Family und posthum Daliah Lavi mit dem Preis bedacht. Ermittelt wurden diese ‚Sieger‘ (Nominierierungen gab es übrigens gar keine) laut ARD „in Zusammenarbeit mit der GfK Entertainment und MusicTrace“, was auf eine Vergabe nach Verkaufszahlen schließen lässt. Doch da wundert sich bzw. widerspricht nun das Portal schlager.de: „Es war schon irgendwie merkwürdig, als Maite Kelly (im vergangenen Jahr 52 Wochen in den Charts) Semino Rossi (aktuell 23 Wochen Chartspräsenz mit seinem aktuellen Album) die „Eins der Besten“ überreichen sollte, die sie (selbst weit erfolgreicher) nicht bekam. (…) Die GfK ermittelt auch die von Schlager.de wöchentlich veröffentlichten „Top 20 Schlager-Charts“. Darin war die Kelly Family noch nie vertreten (zumindest mit ihrem aktuellen Album), weil sie so was wie irische Folklore oder Popmusik macht, jedenfalls keinen Schlager. (…) Dass die Kelly Family quasi in fast jeder Silbereisen-Show vertreten war, muss man vermutlich nicht verstehen. Warum sie zur Belohnung aber auch noch einen Schlager(!!)-Preis für ihr zwar erfolgreiches, aber nun mal nicht dem Schlager-Segment zugehörigen Album bekommt, verstehe, wer will.“
Nun wollte ich von Ulrich Wilhelm wissen, wie bei der Sendung die Vergabepraxis aussieht. Doch da war ich an der falschen Adresse. Wilhelm kennt die Sendung gar nicht. Er ist Intendant des BR, verantwortlich für die Schlagerchampions ist aber der MDR. Mir wurde daraufhin eine Antwort von der Pressestelle von Das Erste versprochen, die ich hier nachreichen werde, sobald sie eintrifft.
+++ Im Folgenden ein Auszug aus dem Pressegespräch +++
Herr Wilhelm, eine Frage zu den Sparbemühungen mit einem gemeinsamen nationalen Sendezentrum bei Sportgroßereignissen. Gibt es Berechnungen darüber, ob das günstiger war, als vor Ort in Pyeonchang mit der Mannschaftsstärke aufzuwarten?
Sie sparen vielleicht Flugkosten, aber Hotelkosten haben Sie trotzdem – diese Doppelstruktur, statt eine Struktur vor Ort: Will man damit nur dem Eindruck „ihr schickt immer so viel Leute dort hin“ entgegenwirken, oder ist das auch mit Fakten unterfüttert?
Ulrich Wilhelm: Ja, ganz erheblich. Zum einen haben wir über die Jahre die Zahl der Kolleginnen und Kollegen, die insgesamt bei den Sportgroßereignissen eingesetzt werden, reduziert. Zum Zweiten ist der Teil, der aus der Heimat heraus die Berichterstattung sowohl journalistisch – das waren ja auch Sportjournalisten in Leipzig, nicht nur die Kollegen von der Technik – größer geworden. Der Teil, der an den Austragungsort geht, ist kleiner geworden. Und natürlich spart das Geld, sonst würden wir das nicht machen.
Albrecht Frenzel (Verwaltungsdirektor BR, Vorsitzender der Finanzkommission ARD/ZDF): Im Vergleich zum Vorläufer-Ereignis, Winterspiele Sotchi, war Pyeonchang etwas günstiger. Wobei die Schwierigkeit für den MDR war, dass wir die Rechte erst sehr spät erworben haben – wo im Grunde schon alle Hotels gebucht waren, mussten wir noch versuchen, reinzukommen. Es ist aber gelungen, leicht unter dem Vorjahresansatz in der Kalkulation zu bleiben. Da ist eine spürbare Entlastung. Wenn wir früher an den Start hätten gehen können, wäre die natürlich größer gewesen. Es ist auch gelungen, weniger Leute als bei den Vorläufereignissen zu entsenden, weil man sehr viel mehr an unilateralem Geschehen, Kommentierungen usw. in dem Fall aus Leipzig realisiert hat.
Wilhelm: Der Schritt von den Spielen vor Sotchi (Vancouver) zu Sotchi, der war schon deutlich nach unten, weil wir da erstmals das Thema eines Medienzentrums in Deutschland groß geschrieben haben. Da war es eine deutlichere Reduzierung.
Die ARD und das ZDF sagen gegenüber den Bundesländern: Wir können nicht mehr sparen. Das würde darauf hinauslaufen, dass die Sender das Ziel der Beitragsstabilität nicht erreichen. Andererseits wissen wir, dass einige Länder einer Beitragserhöhung sehr skeptisch gegenüber stehen. In gewisser Weise läuft das auf einen Konflikt zu – wie ist dafür Ihre Prognose?
Wilhelm: Ich gehe nicht davon aus, dass es wirklich zu einem Konflikt kommt. Die Länder haben dieses Ziel der Beitragsstabilität immer wieder in einen Gesamtzusammenhang gestellt. So ja auch in dem Beschluss der Rundfunkkommission, als sie den Bericht von uns erbeten hatten, wo sie immer auch sagten: Die Qualität der Programme darf nicht beschnittten werden. Das war immer unter der Prämisse: Wo gibt es Einsparpotentiale, die nicht die Qualität der Programme zutiefst verändern? Und kommen wir mit dem Volumen, dass da von den Häusern genannt wird – von ARD, ZDF und Deutschlandradio – in eine Größenordnung, die die Beitragsstabilität ermöglicht?
Da ist die klare Antwort, die auch überprüfbar ist – durch die KEF, durch die Gremien, wenn wir die Wirtschaftspläne jeweils erstellen, für die Jahre 19, 20 – kann man sich ja genau anschauen. Wo ist in der Struktur, ohne an Redaktionsetats im großen Stile gehen zu müssen, ohne an das Sendeschema gehen zu müssen, ohne ganze Sendungen streichen zu müssen – wo gibt es in der Struktur noch welche Summen, die man überhaupt ausmachen kann, für eine Kürzung?
Und es zeigt sich, dass es Beitragsstabilität nur geben kann, wenn man tief in die Programme einschneidet. Das ist nichts Neues. Das entspricht dem gesicherten Stand der Debatte. Die Länder selbst haben diese Zahl von an die drei Milliarden genannt, die kumuliert in den Jahren 2021-24 fehlen würden – und die Frage: Gibt es drei Milliarden, die da zu heben wären, ohne an die Programme zu gehen? Die naheliegende Antwort, weil wir ja auch bisher schon immer einer Kontrolle unterliegen, durch KEF, Wirtschaftsprüfer usw., ist Nein. Die gibt es nicht.
Die Frage die sich daraus ergibt, und die ist letztlich nur gesellschaftlich zu beantworten: Sollen die Programme in einem solchen Ausmaß gestrichen werden, auf so kurze Frist. Wir reden ja von einer Wirksamkeit schon zum 01.01.2021. Das wird von den Ländern im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit beurteilt werden, auch von der KEF, und wir werden uns die jeweiligen Situationen genau anschauen, im Rahmen unserer Zuständigkeit: Sprich, Programmautonomie, Rundfunkfreiheit, Einhaltung aller verfassungsrechtlichen Garantieen, die uns gegeben sind.
Sie haben sich positiv geäußert zu dem Votum in der Schweiz gegen die No-Billag-Initiative. Dort hat der Rundfunk bereits ein halbes Jahr zuvor angekündigt, den Rundfunk-Beitrag zu senken, um 19 Prozent. Ist das in Deutschland möglich?
Wilhelm: Es ist möglich, um den Preis einer Ausdünnung der Programme.
Wenn wir langfristig schauen: Ist so eine Senkung möglich, um Kritikern des Beitrags entgegen zu kommen?
Wilhelm: Die Frage ist: Wer ist wie zahlreich, auf welcher Seite? Der Zuspruch des Publikums wächst. Das messen wir auch in den unterschiedlichen Reichweitenmessungen, das ist ja ein erfreulicher Befund. In dem Maße, in dem wir bei Mediatheken auch bessere Angebote machen, uns dort professionalisieren in unseren Online-Angeboten, gelingt es uns, in Teilen der Bevölkerung wieder neuen Zuspruch zu bekommen, wo vor einigen Jahren noch Fragezeichen waren. Es ist ja eine große Anstrengung und ein positives, erstes Ergebnis dieser Anstrengung.
Das Zweite ist: Die Frage kann von den Sendern nicht beantwortet werden. Wir sind ein öffentliches Gut, genau wie öffentliche Schulen, öffentliche Krankenhäuser, öffentlicher Nahverkehr und dergleichen mehr. Die Frage, welchen Platz soll dieses öffentliche Gut Rundfunk in unserem Land haben, die muss am Ende der Gesetzgeber entscheiden. Er muss diese Interessen ausgleichen. Es stimmt, es gibt eine stark vernehmbare Minderheit, die sagt: Dieses wollen wir so nicht. Und es gibt eine große Mehrheit, die sehr verlässlich und regelmäßig unter Wertschätzung unsere Programme nutzt. Und wie immer, wenn Interessen in der Bevölkerung auszugleichen sind, ist es in einer repräsentativen Demokratie Sache des Gesetzgebers, dieses auch zu leisten.
Was wir leisten müssen, ist, Programme in Unabhängigkeit und guter Qualität zu erstellen und immer wieder auch mit den Programmen zu überzeugen. Aber tatsächlich waren ja auch die Ausweitungen der früheren Jahrzehnte immer Akte des Gesetzgebers. Die Beauftragung von Phoenix oder zuletzt Funk, das ist eine Abwägung des Gesetzgebers. Das ist aber doch in allen Themen so: Welchen Anteil sollen private Krankenhäuser oder Schulen haben und welchen öffentliche Krankenhäuser bzw. Schulen. Das wird durch vieles immer wieder neu festgelegt und spiegelt am Ende einen gesellschaftlichen Konsens wieder.
Eine Nachfrage zu den Einsparpotentialen: Der Regisseur Friedemann Fromm sagte mir im Interview (erscheint Anfang Mai auf PI), „Ich persönlich glaube, dass wir gut auf 30 bis 40 Prozent der Krimis verzichten könnten“. Wollen Sie vielleicht dort sparen?
Wilhelm: Das ist keine Einsparung. Wenn wir die Krimis ersetzen würden, zum Beispiel durch Literaturverfilmungen, oder andere fiktionale Stoffe, dann ist das ein Thema unseres Programms, aber kein Thema des Einsparens. Auch der von Ihnen befragte Künstler würde nicht dafür plädieren, dass man dann nichts sendet, oder nur Dauertalksendungen.
Können Sie seine Forderung zumindest verstehen?
Wilhelm: Ich habe mich dazu doch schon persönlich bekannt. Für meinen Geschmack könnten wir gut und gerne weniger Krimis machen und an die Stelle allerdings andere wertige Angebote setzen. Das heißt ja nicht, dass wir das Programm in der Qualität ausdünnen. Sondern ich würde mir wünschen, gerade an Feiertagen wie Ostern und Weihnachten, nicht diese Krimihäufungen, sondern anspruchsvolle Literaturverfilmungen, die wir auch in der Vergangenheit oft hatten, mit grandiosen, preisgekrönten Werken.
Ein anderes Thema, wo ich mich immer schon bekannt hatte: Talk ist zu dominierend in der Aufarbeitung politischer Themen. Ich kann mir ergänzend mehr Dokumentationen, mehr Reportagen, mehr Sondererklärformate an der Stelle vorstellen. Aber wir sind neun (Rundfunkanstalten), alle neun haben die gleiche Berechtigung, das Programm zu gestalten und ich bilde mir nicht ein, dass es nach meiner Nase gehen muss. Sondern ich werbe dafür, ich appeliere. Wir versuchen auch als BR immer wieder spannende Akzente zu setzen, im Rahmen unserer Zulieferungen. Aber am Ende müssen wir das immer wieder gemeinsam klären, in den unterschiedlichen Runden. Die Intendanten sind auch nicht die, die in erster Linie das Programmgestalten, sondern die Spielfilmchefs, Dokumentarfilmchefs usw.
Wenn Sie Ihren Brief an die Länder schicken wird die Schlagzeile wahrscheinlich sein: Die ARD will nicht sparen.
Wilhelm: Wir sagen: mehr geht nicht, ohne die Programme auszudünnen. Wenn Sie auf Sendungen im großen Stil verzichten, und sagen: Wir senden nur Musik, statt anspruchsvolle Reportagen, Feautures und dergleichen, da geht immer mehr. Die Länder wollen das aber selbst nicht. Und im Rahmen der Programmautonomie sagen wir: Das ist nicht sinnvoll. Weil wir damit genau das Publikum verlieren. Wir werden immer gemessen an der Frage: Haltet ihr das Publikum, erreicht ihr Publikum, habt ihr attraktive Angebote für das Publikum? Die Medienwelt hat eine permanente Debatte: Sind wir in der Qualität gut genug, erreichen wir die jungen gut genug, erreichen wir unterschiedliche Zeilgruppen. Und dann sagen wir: Wenn uns diese Messlatte mit Recht vorgegeben wird, von allen, die uns kritisieren und bewerten, dann sind wir nicht diejenigen, die sagen: Wunderbar, wir dünnen das Programm aus. Sondern der Gesetzgeber hat die Mittel, den Programmauftrag zu reduzieren. Das will er aber nicht nach eigenem Bekunden.
Sie haben uns erklärt, dass alle ARD-Anstalten sparen. Doch warum wird nicht einzeln kommuniziert, was die einzelnen Anstalten einsparen?
Wilhelm: Das ist der Unterschied zum ZDF, die gemeldet hat, was sie im eigenen Haus sparen. Das ist bei uns außerhalb dieser Berichte, weil das jeder Sender selber macht bzw. erleidet, diese Maßnahmen. In unserem Brief an die Länder steht durchaus drin, dass wir in den eigenen Häusern, dass jeder sehr umfassende Einsparungen seit Jahren macht, dass wir auch anarbeiten gegen die Teuerung, die wir als ARD in keinem Jahr ausgeglichen bekommen haben, 2009 bis 2020. Das alleine schon bedeutet, dass sehr viel an Einsparungen läuft. Wir werden das sicher in der begleitenden Kommunikation deutlich machen. Allein für den BR haben wir die Zahlen ja. Der Rechnungshof hat es ja auch jetzt unter die Lupe genommen und im Juli gibt es eine öffentliche Haushaltsausschusssitzung im Bayerischen Landtag, wo genau unterlegt wird, wie viel der BR in den letzten Jahren eingespart hat.
Albrecht Frenzel: Wir sind (beim BR) gestartet mit einem festgestellten Fehlbetrag von 300 Millionen bezogen auf die Beitragsperiode und wir werden die Beitragsperiode ausgeglichen abschließen.
Wilhelm: Das ist eine enorme Reduktion, durch Personalabbau, leider auch durch das Verlieren von Sendungen und viele Einzelposten mehr.
Albrecht Frenzel: Die Diskussion bei den Ländern landet am Ende immer zwangsläufig bei der Höhe des einheitlichen Rundfunkbeitrags, der für alle Landesrundfunkanstalten in gleicher Weise gilt. Es wird sofort bewertet: Wie viel bringen eure Sparvorschläge bis 2024 – das sind gerade mal 20 Beitrags-Cent. Wir müssen dann gegenüber den Ländern unter den Bedingungen des Einheitsbeitrags klar machen, was mit dem Rundfunkbeitrag die letzten Beitragsperioden passiert ist. Da ist es so, dass die ARD – anders als das ZDF – unter dem Verbraucherpreisindex lag. Wenn Sie das Jahr 1997 als Basis nehmen hat sich der Verbraucherpreisindex bis 2017 um 31 Prozent erhöht, das verfügbare Einkommen der ARD aber nur um 23 Prozent. Die Steuererträge sind deutlich drüber hinausgegangen. Das wird in der Diskussion ein bisschen unterbelichtet. Wenn wir von Bereichen öffentlicher Daseinsvorsorge sprechen, dann ist es bei allen Bereichen – außer dem Rundfunk – automatisch dynamisiert über den Preis und die Einkommensentwicklung. Umsatzsteuer und Einkommensteuererträge steigen einfach, ohne dass ich am System etwas ändere. Bei uns ist es so, dass Sie jedes Jahr über einen Fixbetrag entscheiden müssen, in 16 Landtagen. Wir haben trotz Tarifsteigerungen, die sich an den Länderabschlüssen über 2 Prozent orientieren, am Ende auch beim Personal einsparen müssen, in dem wir halt einfach freiwerdende Stellen nicht mehr besetzt haben. Im BR sind es 450 Planstellen weniger in 10 Jahren im Fernsehproduktionsbetrieb. Ich denke, die entscheidende Argumentation muss dann schon sein, in der Auseinandersetzung mit den Ländern: Begründet uns doch bitte: Warum ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk der einzige Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge, der keinen Teuerungsausgleich bekommt? Und wenn das so ist, wenn das so gewollt ist, dann sagt ihr, die ihr das gesetzlich, staatsvertraglich beauftragt habt, wo wir einsteigen sollen. Solange die Gesetzeslage so ist wie sie ist, ist es die Aufgabe der Intendanten und ihrer Mitarbeiter, den Programmauftrag zu erfüllen und auch zu beschützen.
Um wie viel Prozent müsste der Rundfunk-Beitrag 2021 steigen, damit es nicht zu einschneidenden Einschnitten ins Programm kommt?
Wilhelm: Ich sage nicht, dass wir nicht einsparen können. Sondern wir können nicht über das, was wir schon vorgelegt haben, mit den 310 Millionen für die ARD, an Auswirkungen in den Jahren 2021 bis 2024 jetzt erneut solche Größenordnungen vorlegen, die dann auch schon – so die Frage der Länder – wirksam werden, zum 01.01.2021. Das ist nicht möglich, ohne fundamental ins Programm einzuschneiden. Auch weil der Fixkostenanteil, an dem wir kurzfristig gar nichts ändern können, durch tarifliche, gesetzliche und vertragliche Bindungen, riesig ist, und wir ja immer nur bei den wenigen freien Mitteln solche Summen überhaupt schöpfen können. Das sind in der Regel die Redaktionsetats oder die Vergaben für fiktionale Filme und dergleichen. Ein schmaler Teil sind frei bewegliche Mittel und ein großer Teil sind sehr mittel- und langfristig festgelegte Kosten, die wir nur über Personalabbau langsam abschmilzen können. Oder über Tarifabschlüsse unterhalb des Länderniveaus, wie der letzte von uns, der unterhalb des öffentlichen Dienstes bewusst geblieben ist, nach langen Verhandlungen. Ich setze darauf, dass diese Einschätzungen von uns, die belegbar sind, zur Überzeugung führt: Ja, die Beitragsstabilität war ein wichtiges Ziel, wir haben sie auch geschafft, von 2009-2020, die längste Zeit in der Geschichte des Rundfunks, wo das gelungen ist – aber ein Teuerungsausgleich ab 2021 ist eine berechtigte Erwartung.
Wie hoch müsste der Beitrag dann ausfallen?
Wilhelm: Das ist eine Sache des KEF-Verfahrens, das wäre unsinnig dem vorzugreifen.
Georg Restle von Monitor hat in einem Interview gesagt, dass er nicht verstehe, warum im Hauptprogramm in der Primetime zwischen 20.15 und 21.45 bis auf Ausnahmen „keine politischen Informationen“ gesendet werden. Laut Restle sollte ein öffentlich-rechtlicher Sender „die Leute befähigen, am politischen Prozess teilzunehmen“. Wie stehen Sie dazu?
Wilhelm: Ich glaube nicht, dass die Aussage so stimmt, weil es ja durchaus politische Sendungen gibt in dem Zeitraum. Aber ich persönlich, das habe ich auch immer gesagt, schon seit Jahren, würde mir mehr wünschen. Ich bin überzeugt davon: So wie sich unsere Welt entwickelt, mit immer neuen höchst komplizierten Themen, müssen wir noch mehr Erklärstrecken anbieten. Das bedeutet auch mehr Sendefläche dafür.
Die ARD hat im Januar in der Samstagabendshow „Das Große Fest der Besten“ den Preis „Eins der Besten“ verliehen. Wie sah dort das Jury/Preisvergabe-Verfahren aus? Und kann sich die ARD noch eine Award-Show leisten, bei der das Preisvergabe-Verfahren nicht transparent ist?
Wilhelm: Da bin ich jetzt ehrlich gesagt blank.
Wissen Sie etwas über diese Sendung?
Wilhelm: Nein, ich kenne die Sendung nicht.
(Das ARD-Presseteam hat aber Antworten zur Sendung versprochen, sobald ich diese habe, werde ich sie hier nachtragen.)