K.I.Z.

Das Coolness-Ding

Sil Yan (DJ Craft) und Maxim von K.I.Z. über HipHop-Klischees, provokante Texte, imaginäre Gegner, Ghetto-Rap und ihr Verhältnis zu Frauen

K.I.Z.

© Royalbunker

Sil Yan, in eurem Video „Geld essen“ küssen sich zwei Schwule in Rapklamotten. Ist das jetzt, angesichts der schwulenfeindlichen Äußerungen von Rappern wie G-Hot und Bushido ein Tabubruch?
DJ Craft: Also, zum Video: da wir persönlich keine schwulen Rapper kennen, wurde da einfach ein schwules Pärchen gecastet die sich fürs Video HipHop-Klamotten angezogen haben. Wir wollten natürlich schocken und etwas machen, was noch nie da war und wenn man so will einen Tabubruch wagen. Das passt jetzt natürlich zu der ganzen Auseinandersetzung mit G-Hot und dessen schwulenfeindlichen Aussagen. Und wir haben damit unser persönliches Statement abgegeben: Wir akzeptieren Schwule und wir wollten andere Rapper ein bisschen schocken.

Man hat’s ja auch wahrlich nicht leicht als Rapper, wenn man einerseits nicht so klingen möchte wie Bushido, aber andererseits auch nicht so wie die Fantastischen Vier…
DJ Craft: Wir wollen es nicht jedem Recht machen. In unseren Texten gibt es viele Querverweise und Metaphern, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen. Wir bringen es aber nicht direkt auf den Punkt, nach dem Motto: erstens, zweitens, drittens. Sondern die Hörer müssen es herausfiltern und verstehen und sich dann eigene Gedanken dazu machen. Wir wollen den Leuten nicht den Denkprozess abnehmen. An der Art der Performance können die Leute erkennen, was ernst ist und was nicht.

Gibt es denn HipHop-Klischees, die auch auf euch zutreffen?
DJ Craft: Naja, das Coolness-Ding halt. Wir wollen auch cool sein und niemals lächerlich. Das ist wichtig. Wir wollen ernstgenommen werden, auch im sogenannten ‚Gangster-Rap’-Milieu.

Und was genau ist das Coole daran?
DJ Craft: Das Coole daran ist, dass man von diesen Menschen respektiert wird. Dadurch findet man dann auch einen Zugang zu diesen Leuten. Ich gebe zum Beispiel DJ-Workshops an Hauptschulen und Jugendzentren, auch in Problembezirken. Und da musst du schon ein bisschen auf dicke Eier machen. Wenn die dann hören, „der war mit „The Game“ auf Tour, hat das und das gemacht…“ dann haben sie auch eine andere Sicht auf dich und respektieren dich. Wenn du das geschafft hast, kannst du mit ihnen auch über Sachen reden, die du in deinem eigenen Leben erfahren hast und ihnen weitervermitteln willst.

Ihr macht ja sehr viele Lieder über den Phallus. Was ist so faszinierend daran, über Schwänze zu singen?
DJ Craft: Der Penis ist einfach ein Werkzeug. Eine Metapher, die man immer wieder neu erschaffen und mit neuen Bildern verbinden kann. Im Rap geht es immer ums Battlen mit dem imaginären Gegner, gegen den man so intim wie möglich wird.

Und wer ist dieser imaginäre Gegner?
DJ Craft: Meistens eine Attitüde oder ein Rapstyle, der uns nicht gefällt. Z.B. das übertriebene Verwenden von Anglizismen oder wenn einer hier so tut als wäre er der Down-South-Rapper aus den Staaten, aber einfach nichts Eigenes bringt. Und dessen Intimsphäre triffst du, wenn du über seinen Schwanz redest und ihm vor Augen führst, dass er den kleinsten Penis der Welt hat, oder dass du ihm seine Frau ausspannst. Oder seine Mutter fickst.

Witzig fand ich die Zeile: „Mein Penis ist so lang, ich muss ’ne Fernbeziehung führen.“ Darüber musste der Knabe in mir schmunzeln. Aber ist das auf Dauer nicht so ein Schulhof-Hihihi-Humor?
DJ Craft: Es gibt natürlich Aussagen, die sehr krass sind, wo dann die Ironie und der Spaßfaktor ein bisschen unter den Tisch fällt. Aber das gehört dazu. Es geht auch darum, zu provozieren und auch der Härteste zu sein. Man muss härtere Vergleiche bringen als andere Rapper, sollte aber dann im gleichen Track auch noch was Lustiges auf Lager haben. Das springt ja immer hin und her.

Kannst du mir denn noch ein oder zwei Lieblingslines von euch nennen, wo du wirklich sagst: Das ist Goethe vom Kotti?
DJ Craft: Geh deinen Weg, leb dein Leben, sei du selbst, fick deine Mutter. Das ist Super.

Und wo ist der Sinn dabei?
DJ Craft: Es gibt unendlich viele von diesen Kopfhoch-Liedern, wo es dann aus der Ich-Perspektive heißt: „Ich gehe meinen Weg. Du kannst das auch schaffen. Zieh einfach dein Ding durch.“ Wir wollen das halt ein bisschen ins Lächerliche ziehen, weil’s halt jeder macht.
Das ist ja auch Blödsinn wenn ein 20-Jähriger von sich behauptet, er könnte andere belehren. Ich bin 22 und würde von mir selbst behaupten, noch nicht genug Erfahrung zu haben, um andere zu belehren. Ich kann ein paar Sachen wiedergeben und Erzählen, aber mehr auch nicht.

Kriegst du denn bei Tracks wie „Ghetto Gospel“ von 2Pac noch eine Gänsehaut? Da geht es ja auch immer um das Gleiche. Am Anfang hängt ein junger Schwarzer mit seinen Kapuzenpullikumpels ab, dann geht er nach Hause, wird erschossen, die Schlafmantel-Mama weint und die Polizei macht den Kreidekreis.
DJ Craft: Das ist auch bei den Amis schon sehr überzogen. Diese Plattitüden zecken mich auch nicht mehr.

Man sagt ja immer: „Heute ist alles Mist, aber früher da gab es Public Enemy…“
DJ Craft: Das war ja auch auf die Fresse. Da ging’s auch ums Provozieren. An die Grenzen zu gehen, von den einen gehasst und von den anderen geliebt werden. Ich mag keine Musik, die mit dem Hintergedanken gemacht wird, so vielen Leuten wie möglich zu gefallen. Das finde ich einfach wack.

Hatte denn eure „Reclaim the U-Bahn“-Aktion am U-Bahnhof „Schlesisches Tor“ am 20.August 2007 auch einen Hauch von Public Enemys „Don´t Believe the Hype“?
DJ Craft: Ja, schon.

Oder war das nur Guerrilla-Marketing für das neue Album?
DJ Craft: Nee. Es ging uns darum, wirklich eine besondere Aktion zu machen, für unsere Fans. Es war angekündigt, dass wir in der U-Bahn spielen. Es war ein Montagabend in den Ferien, wir haben also nur mit 50 Leuten gerechnet, oder höchstens 100. Damit wären zwei Waggons voll gewesen. Wir hatten eine Anlage mit Funk dabei. Wir hatten es nicht angemeldet und dachten, dass wäre nicht so das Ding. Und wenn die Bullen kommen und sagen: Hört bitte auf, dann hören wir auch ohne Gewalt auf. Das war der Plan. Dann waren aber die Bullen schon von vornherein da und es kamen fast 1000 Leute dahin. Es war übelst voll. (Maxim tritt ein)

Christoph Schlingensief hat ja auch mal ein paar Sendungen in der U-Bahn gemacht. Ist die U-Bahn das Berliner Medium für euch? So eine „Linie1“ auf 2007…
DJ Craft: Die Leuten sollten die Stadt nutzen dürfen und sehen, dass man überall was machen kann, Musik machen kann, sich treffen kann. Und dass man sich nicht immer fügen muss, von wegen, das ist ein Cafe und ich kann mich jetzt nur in dieses Cafe setzen. Man sich auch einfach daneben setzen können, was zu essen und zu trinken mitbringen – und feiern.

Seid ihr angezeigt worden?
Maxim: Nee, sind wir nicht. Die BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) wollte auf Schadensersatz pochen, haben sie aber nicht gemacht, weil das auch sehr schwer werden würde, weil die U-Bahn im Endeffekt angehalten wurde weil Leute über die Gleise gelaufen sind, und das ist ja nicht unsere Schuld.

Ich komme noch mal auf G-Hot und seine schwulenfeindlichen Äußerungen auf dem Track „Keine Toleranz“ zurück, der von euch auf eine witzige Art und Weise karikiert wurde. Wenn man sich G-Hot anguckt und seinen eher schmächtigen Körper und sein blondes Milchbubigesicht, macht der solche Sprüche doch wahrscheinlich nur, um eben auch in türkisch-arabischen HipHop-Kreisen respektiert zu werden.
Maxim: G-Hot ist übrigens selbst Türke, aber er ist halt blond. Aber es kann schon sein, dass wenn sogenannte "deutsche Kartoffeln" auf hart machen, dass die das dann richtig betonen. Man muss sich nur die deutschen Gangs in Berlin angucken, die sind teilweise übelst hart.

Im HipHop wird gerne gesagt: „Ich bin so real, ich bin der realste.“ Selten wird allerdings gesagt, warum derjenige „real“ ist oder was genau „real sein“ sein soll. Geht es darum eventuell in eurer Single „Geld essen“?
Maxim: Nee, soweit haben wir da nicht gedacht. Es ging einfach um’s schlachten.
DJ Craft: Das ist ja nicht wie im Deutschunterricht.
Maxim: Aber es stimmt schon. Die Leute sind schon immer sehr unkonkret. Erzählen, wie echt sie sind und dass sie genau das Richtige machen, ohne zu sagen, was es genau ist. Aber das ist in jeder Musikrichtung so, auch in der Popmusik. Xavier Naidoo macht auch sehr unkonkrete Sachen, zumindest neuerdings. Der erzählt dann was, von wegen die Welt geht unter und Gott wird uns irgendwie Hilfe schicken.

Wo würdet ihr denn mal konkret werden und den Finger auf die Wunde legen?
Maxim: Es ist ja immer die Frage wie man’s macht. Wenn man sich hinstellt und sagt: Hört jetzt alle auf, Auto zu fahren wegen der Klimaveränderung, dann ist das schwierig in einen Rap-Kontext zu bringen. Die Leute wissen ja, dass das scheiße ist, wenn die Polarpole abschmelzen und so. Das Problem ist nur, dass sie dann doch weiter Auto fahren wollen und keine Alternative sehen. Darüber jetzt zu rappen wäre genauso als wenn wenn wir uns hinstellen und sagen würden: „Hört auf Drogen zu nehmen, das ist voll schlecht, da platzt euch der Kopf ab“. Das hilft nicht weiter. Die Leute haben ja Gründe Drogen zu nehmen. Da würde ich eher sagen: „Such’ dir ne Alternative“.

Also, ihr habt keinerlei Mission…
DJ Craft: Naja, also ehrlich ist es dann, wenn man persönliche Sachen preisgibt, eigene Gefühle, Familienprobleme, Beziehungsgeschichten und solche Sachen. Wo man Direktheit mit Coolness verbinden kann, mit allen Faktoren, die wir mittlerweile haben. Das ist natürlich eine Herausforderung.

Kann man das in dem Genre auf Deutsch schaffen?
Maxim: Klar, man muss nur konkret sein, anstatt Sachen zu sagen wie „Haltet zusammen“ oder „Schaut nicht weg!“. Einfach beschreiben, wie fünf Typen oder Mädchen in der Bahn zusammensitzen und sich alle voneinander wegdrehen, um irgendwie ihre MP3-Player zu hören. Solche Szenen zum Beispiel.

Gelungen war in diesem Sinne dann wohl der Track „Was willst du machen?“ . Da war ja alles drin von „Du Opfer“ bis „Kottbusser Tor“…
DJ Craft: Der war auch für alle Parteien.
Maxim: Die Zehlendorf-Kids meinten dazu: „Klasse, da werden endlich mal diese Typen in Kreuzberg beschrieben“. Und irgendwelche Boxer meinten dazu nur: „Klar, so ist mein Leben“. Das war eine sehr liebevolle Verarschung.

Gibt es auf eurem neuen Album „Hahnenkampf“ irgendein Über-Thema, einen klaren Strang den ihr abarbeitet?
Maxim: Gewalt. Sex.
DJ Craft: Wir sind ja jetzt Mainstream und nicht mehr Underground. Wir sind ne Boygroup. Es geht nur noch darum, alle Herzen zu brechen und ganz viel Geld zu machen und unglaublich viel Koks zu konsumieren. (lacht)
Maxim: Wir haben da eigentlich gar keine Lust drauf, sind jetzt aber auch Marionetten.
Aber nochmal zu deiner Frage: Jedes Lied ist einzeln entstanden. Wir haben jetzt aber nicht den Rundgang durch die Gesellschaft gemacht. Wir haben geschaut, dass unser Album rund ist. Wir haben auch unsere Themen-Tracks. Bushido hat ja auf seinen Alben immer zwölf Tracks, auf denen er irgendwelche Mütter beleidigt, vier Ghetto-Tracks und zwei Liebeslieder. Wenn die Dinger nicht dazwischen wären, dann könnte man sich die ganzen Battle-Dinger auch gar nicht mehr anhören. Die kriegen dadurch ’ne ganz andere Farbe.
DJ Craft: Auf unserem Album sind Storytelling-Songs, Partybomben, Schlager, ein bisschen Punkrock und Jazz.

Wenn euch ehemalige Klassenkameraden begegnen, kommen die euch manchmal dumm, von wegen, „der Maxim oder der Craft haben wie immer nur den Schwanz im Kopf wie damals auf der Klassenfahrt mit 15"? Oder ist es eher so, dass die sagen: „Das sind unsere Jungs“?
Maxim: Es geht. Ich war auf einem französischen Gymnasium und viele meinten zu mir: „Mann Maxim, du musst doch studieren, Philosophie oder so…“ Und wenn man sich traf , dann machen die meisten irgendein International Business am Arsch der Welt und so. Wenn ich dann gesagt habe, dass ich Musik mache, dann wurde erst mal rumgedruckst.
Inzwischen krieg ich aber manchmal irgendwelche Mails, von wegen „Mann Maxim, richtig geil“ und so.

Apropros Philosophie, euer Logo, der Penis, ist der von einem von euch nachmodelliert oder ist es die platonische Idee des Penis an sich?
Maxim: Tarek hatte ihn im Unterricht so hingekrakelt.

Ist euer Penis eigentlich beschnitten?
Maxim: Glaub’ schon. Wir haben die Skizze dann als Logo genommen und jetzt ist er noch ein bisschen aufgestylt.

Die Haare und die Pickel auf eurem Penis stören mich ein bisschen, die haben so etwas pervers-frivoles…
Maxim: Das ist ja auch nicht nur ein „ich-steck-ihn-rein-und-fick-sie-richtig-hart-und-komme-20mal“-Penis. Das ist ein Spaß-Penis, der hat auch ab und zu mal keinen Bock.

Und die Pickel symbolisieren die andere Seite des Penis?
DJ Craft: Das gibt’s alles. Pickel aufm Penis, Haare am Sack.
Maxim: Ich zum Beispiel bin auch nicht rasiert. Und gestern haben wir ein Video gedreht, indem wir alle fast ganz nackt waren. Manche von uns haben halt Hängetitten, manche ’nen Bierbauch.

Hört ihr eigentlich auch die Musik der Konkurrenz innerhalb des Genres?
DJ Craft: Ich höre viel Musik, die auf Aggro veröffentlicht wird, auch Sachen von Bushido. Mir gefällt auch da natürlich nicht alles. Es gibt wenige Alben, wo ich jeden Track gut finde.
Maxim: Aber Tony´s schon.
DJ Craft: Ja, Tony D´s Album ist echt super.

Bushido hat letztens am Brandenburger Tor beim „Schaut nicht weg“-Konzert gespielt. Die Veranstaltung wurde daraufhin von Schwulenverbänden kritisiert, Bushido hingegen sagt, dass seine Anti-Schwulen-Sprüche nicht ernst gemeint sind. Ist HipHop nicht ein Symbol des gesamten Kapitalismus? Wo nichts fest ist, wo man alles sagen kann, was sich verkauft – und keiner soll es einem übel nehmen?
Maxim: Die meisten Leute machen ihre homophoben Sprüche, weil das einfach in ihrem Umfeld so ist. Die Aussagen sind glaube ich schon ehrlich. Aber auf der anderen Seite will man dann auch wieder umgänglich sein. Und im Interview will man dann wieder cool sein. Das ist halt dieses ganze Gangstanding. Der rennt rum und treibt sein Geld ein, aber das heißt nicht unbedingt, dass er danach nach hause geht und seine Frau schlägt. Das ist ja für ihn auch nur ’ne Arbeit.

Es gibt diese altbekannte Frage: Gibt es Ghetto in Deutschland oder gibt es kein Ghetto in Deutschland? Und hat „Ghetto-Rap“ in Deutschland überhaupt eine Existenzberechtigung?
Maxim: Ghetto heißt erstmal einfach nur, dass irgendwas eingeschlossen ist, dass da irgendwie ein bisschen Inzest herrscht. Und so was gibt es auf jeden fall in Berlin. Viele kommen aus Neukölln, Wedding, Märkisches Viertel, Kreuzberg, Lichtenberg einfach nicht raus. Die machen ihr Gang-Ding da drinnen. Und wenn die Neuköllner mal nach Wedding gehen, dann wissen sie, sie werden gefickt von den und den Leuten.
DJ Craft: Ich gebe ja Workshops und unterhalte mich mit den Leuten. Da gibt es Neuköllner, die noch nie in Kreuzberg waren. Die haben ihre sechs, acht Strassen und das war alles – seit der Grundschule.

Kannst du mit deinen Workshops so eine Art „Rhytm is it“-Ding durchziehen?
DJ Craft: Das dauert natürlich. Die Workshops dauern meistens so drei Stunden, da kriegt man eine ganz kurzen Einblick. Aber ich hatte mal ein einwöchiges Projekt im Gefängnis Plötzensee, wo ich einen Workshop gemacht habe. Da gibt’s auch ne Rapgruppe drin und das war schon ein tieferer Einblick. Da hab ich mehr von deren Leben erfahren. Man könnte es schaffen und sollte auf jeden Fall noch mehr in die Richtung machen.
Maxim: So was sollte mehr finanziert werden.
DJ Craft: Auf jeden Fall, der Senat sollte mehr Geld dafür bereitstellen. Wenn Bushido für viele ein Vorbild ist, dann sollen sie halt mit ihm zusammenarbeiten.

Aber kann der Staat jemanden unterstützen, der ihn kontinuierlich mit den plattesten Pseudotabubrüchen angreift?
Maxim: So was wie „Schaut nicht weg“ ist ja auch was anderes als die Workshops. Ich war auch schon mal dabei. Egal was die Kids da erstmal schreiben, ich bringe ihnen bei, wie sie es richtig machen und sie lernen selber etwas zu erschaffen. Das ist so ’ne Steigerung. Ich helf’ dem ein paar Silben richtig zu setzen und plötzlich klingt es cool. Das steigert deren Selbstbewusstsein, und sie haben’s nicht mehr nötig, wenn irgendwer sie anguckt, sich verletzt zu fühlen. Das ist ja eine Selbstbewussteinsschwäche, wenn du immer gleich auf alles anspringen musst. Wir waren mal an einer Schule in Moabit, und der Musiklehrer dort hat es auch eingesehen. Ich habe den Kids nicht reingeredet und am Ende haben die alle krass gefeiert. Das hat der Lehrer in seiner ganzen Karriere noch nicht gehabt.
DJ Craft: Das löst bei denen was aus. Sie sind wach, sie hören zu. Natürlich hat man es leichter, wenn man als Außenstehender da reinkommt und agieren kann.
Maxim: Nochmal zu dem Ghettoding: Nur weil es woanders krasser ist, heißt es nicht, dass es bei uns super ist. Ich nehme dem Schwarzen in der Bronx nicht das Recht weg, seine Umgebung Ghetto zu nennen, nur weil es im Warschauer Ghetto noch krasser war. Hier werden auch Leute abgestochen. Erschossen vielleicht nicht soviel, außer in Duisburg. Aber viele Kumpels haben Schiss, abgestochen zu werden. Das ist schon real.

Es ist nur immer die Frage, wo das reale Ghetto aufhört und wo das Ghetto anfängt, das man haben möchte, um sich cool zu fühlen.
Maxim: Deshalb kaufen ja auch gerade viele Bürgerkinder diese Sachen. Die haben sich noch nie geprügelt in ihrem Leben, haben noch nie ’ne Waffe gesehen und konnten sich nie in ihrem Männlichkeitsding beweisen. In der Werbung geht’s nur um Männlichkeit und den dicksten Pimmel und du hast dich noch nie geprügelt. Mann, verdammt. Die hören da den Erfahrungen der anderen zu.

Der anderen?
Maxim: Ja, diejenigen, die selbst der dritte Sohn von dem und dem sind, die nichts auf die Reihe kriegen, keinen Respekt…
Und dann in der U-Bahn, da hocken dann diese Kartoffeln, du provozierst die ein bisschen und siehst wie sie sich gleich einscheißen und sich nicht trauen rüberzugucken und darüber reden ob sie den Waggon wechseln. In dem Moment fühlen die sich halt mächtig über die Kartoffeln.

Was ist eigentlich mit euren Freundinnen, haben die ein Problem mit dem im HipHop vermittelten Frauenbild „Alles Schlampen außer Mutti“?
DJ Craft: Nein unsere Frauen haben damit kein Problem. Sie fühlen sich überhaupt nicht angesprochen. Es wäre ein großes Armutszeugnis ihrerseits, wenn sie sich von dummen frauenfeindlichen Texten angesprochen fühlen würden. Sie sind sehr intelligent und haben viel Selbstbewusstsein.

Und welche Rolle spielen Frauen in eurem persönlichen Leben, wie ist da euer Verhältnis zu Frauen?
DJ Craft: Bis auf Nico sind wir alle vergeben. Wir sind alle Beziehungstypen und sind lange mit unseren Freundinnen zusammen. Meine hat eine Vorbildfunktion für mich, sie hat mich dazu gebracht selbstständiger zu sein und mein eigenes Leben nach meinen Vorstellungen zu leben. Sie ist fünf Jahre älter als ich.

Sollten Frauen in unserer Gesellschaft eine größere Rolle spielen?
DJ Craft: Frauen spielten schon immer eine große Rolle in unserer Gesellschaft. Das könnte vielleicht noch präsenter sein und vielleicht sollten mehr Frauen ihre Ellenbogen benutzen. Es herrscht in den meisten Fällen immer noch das Recht des bzw. der Stärkeren.

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