Max Dax

Das Interview ist für mich eine sportliche Disziplin.

Journalist Max Dax über sein Interview-Magazin a|ert, den Reiz am Zuhören, enttäuschende Interviewpartner und darüber, welche Leute in Zukunft den Weg in sein Heft finden werden

Jakob: Max, du hast 1992 in Hamburg wohl das erste deutsche Interview-Heft gegründet mit Namen a|ert. Lange ist es damals leider nicht erschienen aber heute, 10 Jahre später gibt es a|ert wieder.
Max Dax: Und das mit einem komplett neuen Ansatz. Die Pause von knapp 10 Jahren entstand einfach aufgrund finanzieller Ausblutung. Jetzt gibt es ein neues Produkt, das mit a|ert ’92 nicht viel gemeinsam hat, nur der Name ist geblieben. Natürlich werden genauso Interviews abgedruckt, aber was heute passiert, ist der Versuch eine Zeitung zu machen, an der man als interessierter Mensch nicht mehr vorbeikommt. Ich zähle mich selbst zu den interessierten Menschen und ich weiß, wie sehr mir in den letzten Jahren in Deutschland eine Zeitung gefehlt hat, die sich traut, Meinungen zu äußern. Witzigerweise war es dann die BILD, die sich getraut hat Meinungen zu äußern, was dann aber nicht unbedingt meine Meinungen waren.

Jakob: Du kannst deine Meinung in deinem Heft aber eigentlich nicht äußern, du lässt andere Leute zu Wort kommen.
Max: Ja, weil ich daran interessiert bin. Ich erlebe tag täglich, dass viele Menschen sehr unterschiedliche Meinungen haben, die alle nicht unbegründet sind. Das sind meistens sehr interessante Menschen, die schon eine Menge erlebt haben.

Jakob: Hast du es denn in Interviews bisher schon versucht, deine Meinung auszudrücken? Oder machst du das vielleicht immer?
Max: Ich denke, am Ende kommt auch immer die Meinung des Fragenden zur Sprache, weil das Gespräch ja gelenkt wird. Oft lässt man den anderen immer nur so lange ausreden, solange es die eigene Meinung ist. Und wenn dies nicht der Fall ist, konfrontiert man ihn mit einer gegenteiligen Meinung.

Hast du schon mal ein Interview abgebrochen?
Max: Nein. Ich habe noch nie antisemitische Äußerungen in einem Interview gehört, das wäre so ein Moment gewesen, wo ich abbrechen würde.

Jakob: Wir haben sehr zu Beginn von Planet Interview einmal Heino interviewt, wie der sich geäußert hat… – sehr konservativ, um es milde auszudrücken.
Max: Aber das ist ja oft so bei den Leuten, die im Rampenlicht stehen, dass die oft sehr differenzierte Haltungen oder Lebensläufe haben, wie man es vielleicht gar nicht erwartet hätte. Aber gerade diese Leute sind es wert, dass man ihnen erst mal zuhört. Menschen, die eine Menge Erfahrungen gemacht haben und vieles geopfert haben. Es gibt so viele Leute, die nicht wissen, was sie anfangen sollen mit ihrem Leben. Angesichts dessen sollten andere ausreden können, und über die Dinge reden können, die tatsächlich dazu geführt haben, dass sie bestimmte Entscheidungen getroffen haben in ihrem Leben. Ich wünsche mir, in Zeitungen Gespräche zu lesen, wo Leute ausreden können und wo sie ihren Standpunkt vertreten können. Deswegen halte ich auch dieses ganz konfrontative in Interviews oftmals für eine Farce, die künstlich geschaffen wird. Eine Interview-Situation ist ja nicht per se konfrontativ. Zunächst sitzen da einfach zwei Leute an einem Tisch, die eventuell unterschiedlich vorbereitet sind, der eine ist der Frager, der andere ist der Antwortende. Weiter nichts. Der Frager hat dann einen subjektiven Fragestandpunkt und der Antwortende seinen subjektiven Antwortstandpunkt. Du hast nicht den sogenannten objektiven Berichterstatter, der versucht, vermeintlich objektiv die Wahrheit, das Wahre oder das Richtige zu erzählen. Das ist der Reiz am Interview, aus dieser Konfrontation von Frager und Antworterdendem eine konzentrierte Situation zu schaffen, wo jemand wirklich etwas erzählt, so dass der Leser später im besten Falle etwas für sich aus diesem Gespräch rausziehen kann, einen Wert.

Jakob: Nun gibt es leider ganz unterschiedliche Interview-Situationen. Entspannte 90 Minuten beim Frühstück oder Mittagessen oder aber gehetzte 15 Minuten, in denen der Promotion-Manager des Stars auch noch laufend reinkommt und sagt, dass gleich der nächste Journalist dran sei.
Max: Ich bevorzuge natürlich, wie jeder andere Journalist auch, wenn ein Gespräch ohne strenges Zeitlimit stattfindet. Obwohl das auch gut sein kann, man weiß, man hat nur 20 Minuten, dann muss man aus diesen 20 Minuten etwas machen – das ist Sport.

Jakob: Dann wiederum gibt es Interviewpartner, wo die Aussagen eigentlich schon von vornherein feststehen und man auch nicht wirklich mehr aus den Leuten rausholen kann.
Max: Ich habe mal für die Amica Mariah Carey interviewt, das war eins meiner unbefriedigtsten Interviews. Das war unterm Strich ziemlich unbefriedigend, weil ich nicht in der Lage war, sie zu knacken, da bin ich ganz ehrlich. Da stehst du einer Person gegenüber, die ganz offensichtlich andere Interessen verfolgt mit dem Geben des Interviews als du als Journalist.

Jakob: Ich erinnere mich gerade, vor über zehn Jahren, da gab es ja mal das große Michael Jackson Interview, geführt von Oprah Winfrey, 90 Minuten. Da musste er ganz simple Dinge sagen, zum Beispiel zu dieser Geschichte mit dem Sauerstoffzelt. Jackson hatte damals einen Werbespot für Pepsi gedreht. Bei den Aufnahmen geschah ein Unfall und er erlitt schwere Verbrennungen am Kopf. Er verklagte dann die Firma Pepsi auf mehrere Millionen Dollar und spendete den Betrag, von dem dann unter anderem auch eine Sauerstoffkammer für die anderen Opfer gekauft wurde. Jackson hat sich dann nur zum Test in diese Kammer gelegt, wovon allerdings ein Foto gemacht wurde, was dann von der Boulevardpresse als klares Indiz dafür hingestellt wurde, dass Jackson nur noch in einem Sauerstoffzelt schlafen könnte, weil seine kaputte Haut dies erfordere.
Max: Das wäre jetzt ein Beispiel für die sogenannte „objektive“ Berichterstattung, die aus dem Wegcutten bestimmter Zusammenhänge oder Aspekte entsteht, die aber oft entscheidend sind um sich ein ‚richtiges‘ Bild von der Sache zu machen. Für mich ist das ein klassisches Beispiel, dass Berichterstattung eben selektiv und nur in eine Richtung stattfindet. Zugegeben, ich lese so etwas auch sehr gerne. Ich habe kein Problem damit, jeden Tag BILD zu lesen und jeden Tag aufs neue mit dieser Art von „Wir machen Nachrichten, so wie wir das wollen, mit Paparazzi-Fotos und spekulativen Geschichten“ konfrontiert zu werden. Ich finde das sehr unterhaltsam, es ist nur die Frage, ob die Leute, über die diese Geschichten geschrieben werden, das auch so unterhaltsam finden. Aber das ist dann wahrscheinlich das Kreuz, was die Prominenten tragen müssen, was sie sich zu einem Teil auch selbst eingebrockt haben. Ich bin hingegen kein Prominenter, ich bin ein einfacher Journalist. Und ich fand es immer interessant, Leute zu treffen, die mehr erlebt haben als ich, die mehr in der Welt rumgekommen sind als ich, älter sind als ich, oder die mehr Geld haben als ich.

Zitiert

Es gibt so viele Leute, die nicht wissen, was sie anfangen sollen mit ihrem Leben. Angesichts dessen sollten andere ausreden können.

Max Dax

Jakob: Leute, die am Tag oft zehn Interviews geben müssen und für die du oft nur ein gesichtsloser Journalist bist. Hat dich diese Position manchmal genervt, dass du nur einer in der grauen Masse bist? Oder hast du ein Rezept, wie du aus dieser Lage herauskommst?
Max: Also, ich unterscheide zwischen Interviews. Es ist ja grundsätzlich ein Unterschied, ob ich als freier Autor von einer Zeitung irgendwo hingeschickt werde mit dem Auftrag, ein Interview zu führen, das im Format der Zeitung funktioniert, oder ob ich als Max Dax für a|ert, für meine eigene Zeitung ein Interview führe und diesen Formatzwängen nicht unterliege. Trotzdem kann natürlich ein Interview für meine Zeitung ergebnislos bleiben und ein Interview, das einem gewissen Formatdenken entsprechen soll kann trotzdem interessant werden, über das Füllen des Formats hinaus. Ich denke, der entscheidende Punkt ist, dass man dem Gegenüber klarmachen muss, dass man kein falsches Spiel mit ihm spielt. Der Interviewpartner muss wissen, dass man es nicht darauf anlegt, ihn in die Pfanne zu hauen oder zu Äußerungen hinzureißen, die er später eventuell bereut. Wenn man diesen Punkt von vornherein klarstellen kann, dann haben beide Seiten viel mehr von dem Interview. Ich habe das interessanter Weise auch schon mit sehr berühmten Menschen erlebt, wo gerade wegen diesem Punkt sehr interessante Gespräche zustande kamen. Interessant in dem Sinne, als dass zwar unterschiedliche Meinungen aufeinander trafen, aber dass jemand einfach mal erzählt hat aus seinem ereignisreichen Leben. Das Beispiel Heino, auch wenn ich die Musik nicht mag und seine politische Einstellung nicht teile – dieser Mensch hat 100 mal mehr erlebt als ich in meinem Leben. Insofern kann ich einer Person wie Heino, Verona Feldbusch oder Dieter Bohlen mit sehr großem Respekt begegnen. Das heißt noch lange nicht, dass ich die Musik von Modern Talking mag, aber ich bin imstande, Dieter Bohlen mit dem Respekt zu begegnen, der jedem Menschen zusteht. Ich gehöre eben nicht zu den Leuten, die versuchen, jemanden zur Weißglut zu treiben um daraus ihre Story zu machen.

Jakob: Aber du hast das Interview vorhin als „Sport“ bezeichnet.
Max: Ja, das Interview ist für mich eine sportliche Disziplin, bei der du weißt, du hast 30, 45 oder 60 Minuten Zeit. Die Zeit muss man sich einteilen, entsprechend schweift man aus, oder konzentriert sich auf knackige Statements. Ich führe ja ein Interview mit dem Zweck, es zu veröffentlichen. Diesen Zweck will ich natürlich nicht vernachlässigen. Ich bin daran interessiert, dass mein Interview ein für den Leser befriedigendes Ergebnis hat. Und dann gibt es bei a|ert den Ansatz, der uns vielleicht auch von anderen Zeitungen unterscheidet, dass wir die Gespräche genau so führen, wie sie vielleicht wären, wenn man sich ‚einfach so‘ trifft. Ich glaube, das ist auch der Unterschied, zu den von mir sehr geschätzten Spiegel-Gesprächen, wo eine berühmte Person mit den auf der Hand liegenden Fragen konfrontiert wird. Die Idee bei a|ert ist tatsächlich ein bisschen die, dass man annimmt, was würde ich eigentlich Franz Beckenbauer fragen, wenn ich zufällig neben ihm im Flugzeug sitzen würde. Beim Interview ist der Journalist zwar besser vorbereitet als in der Flugzeug-Situation. Aber das ist auch ein Aspekt der Kunst des Interviews, dass man – obwohl man gut vorbereitet ist – den Aspekt der Vorbereitung für gar nicht so wichtig hält und vielleicht gar nicht alle Trümpfe ausspielt. Man sagt sich, ich erlaube jetzt mal, dass sich ein Gespräch so entwickelt, wie es sich nun mal naturgemäß entwickelt. Das führt zu wunderbaren Gesprächen, die ich auch noch nach einem Jahr gerne wieder lese.

Jakob: Aber du bereitest dich schon auf jedes Interview vor, oder?
Max: Ja, ich hoffe jeder Journalist bereitet sich auf ein Interview vor. Aber auch wenn ich der Meinung bin, dass man sich auf ein Gespräch vorbereiten sollte und das für eine Tugend halte, so kann ja trotzdem auch auf anderem Wege ein gutes Gespräch entstehen. Mir ist es am liebsten, wenn der Frager und der Befragte plötzlich feststellen, dass sie ein gemeinsames Interesse haben. Das ist zwar alles andere als klassische Interviewführung, man könnte ja sogar sagen, dass sei fraternisierend – aber so etwas setzt Energien frei. Da stellen plötzlich zwei Personen fest, sie haben ein und dasselbe Interesse. Wunderbar.
Ich bin einmal zufällig dem Sänger von Marillion in Hamburg begegnet, auf einer Pressekonferenz eines ganz anderen Musikers. Die Pressekonferenz war langweilig und wir sind in den Garten rausgegangen. Da fragt man sich dann, wer bist du, was machst du – ich wusste ja nicht, dass er der Sänger von Marillion war. Er: „Ich bin Sänger bei so einer Band, Marillion“. Ich: „Ach so, die hab ich noch nie gemocht“. Er: „Ja, es gibt viele Leute, die Marillion nicht mögen“. Wir haben uns lange unterhalten, ein supernetter Typ. Für mich war das wieder die Bestätigung dafür, dass der Umstand, dass man die Musik, das Buch oder den Film von jemandem nicht mag, nicht sofort bedeutet, dass man die Person nicht nett oder interessant finden kann, die dahintersteckt.

Jakob: Oft ist ja das Gegenteil der Fall, dass man nach einem Interview enttäuscht ist, mit der Person, die man schon immer bewundert hat.
Max: Bei mir hat sich die Enttäuschung bisher immer in Grenzen gehalten.

Jakob: Aber es gab schon Interviewpartner, die dich enttäuscht haben.
Max: Ja, immer wieder deutsche Bands, deutsche HipHop-Bands oder Rockbands. Ich habe oftmals den Eindruck, dass man in Deutschland eben nicht Musik oder Filme macht, schauspielert oder Bücher schreibt, weil man es tun muss, also einen das eigene Talent, die Not oder irgendein Gott dazu gezwungen hat. Vielmehr denke ich, dass diese Leute oft nur Karrieristen oder reiche Muttersöhnchen sind. Das sind dann immer die Momente, wo man im Interview schnell an seine Grenzen stößt, weil mich das dann nicht so interessiert, wie viele Autos die Eltern gehabt haben oder so was. Ich habe den Eindruck bekommen, dass das ein typisch deutsches Phänomen ist, dass da irgendwelche Schnösel relativ schnell und einfach Geld machen können, im Rampenlicht stehen und demzufolge auch Interviews geben müssen, für die sich dann genügend Journalisten finden. Das ist sehr unbefriedigend.

Jakob: Aber wenn du nun doch ein Interview mit so einer schnöseligen HipHop-Band führst und es veröffentlichst, unterstützt du sie ja auch.
Max: Aus diesem Grund habe ich auch schon diverse Interviews nicht veröffentlicht, weil sie einfach nichtig waren. Zum Beispiel die Guano Apes, das war das Schlimmste vom Schlimmsten, was ich je erlebt habe. Aber die Leute, die ich heute interviewe, das sind meistens auch die, die ich interviewen möchte. Das sind Leute, vor denen ich Respekt habe, weil sie etwas geleistet haben in ihrem Leben. Regisseure die etwas verändert haben, oder Musiker, Künstler, die mit ihrem Lebenslauf für eine Idee oder eine Entscheidung stehen. Ich hätte a|ert ja auch nicht gegründet, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass diese Leute mehr Gehör verdient hätten.

Jakob: Kommen wir mal zur Gestaltung von a|ert. Wo siehst du da euren Bonus?
Max: Die Ausgangsbasis: Wir sagen, es gibt interessante Leute, die etwas zu sagen haben. Wir fragen sie, kitzeln es aus ihnen heraus. Da gibt es keinen Grund für ein Layout, dass sich selbst ein Denkmal setzen will und die Inhalte nur wieder verwässert. Eine Zeitung, die etwas zu sagen hat, die muss man auch lesen können – dazu gehört auch ein lesbares Layout. Und wenn wir vom Layout reden, dann müssen wir unbedingt Sibylle Trenck erwähnen, die ja auch Co-Herausgeberin von Alert ist, und ohne die es die neue Staffel von Alert ja auch nie gegeben hätte. Sibylle gehört nämlich nicht zu dieser verdorbenen Generation von Art-Direction-Heinis, die, nur weil sie David Carson falsch verstanden haben, meinen, schlechtes, unlesbares Layout fände dankbare Abnehmer. Falsch. Raygun war gut, weil offen zugegeben wurde: Das liest eh keine Sau. Dass die unlesbaren Artikel trotzdem gut waren, zeigt die Klasse der frühen Ausgaben von Raygun. Sibylle hat einen anderen Ansatz für Alert. Sie sagt: Wir haben sehr gute Interviews, weil die von uns Befragten sagen, was sie sagen wollen, was sie bewegt, was sie uns mitzuteilen haben. Und wir haben sehr gute Fotos, weil wir die Fotografen machen lassen, weil wir ihnen eben nicht sagen: Fotografier doch bitte mal so, wie die bei Raygun fotografieren. Und Sibylle verfugt diese beiden Elemente, also die Typografie, den Text auf weißem Grund und das Bild, auf die klassischste denkbare Weise: Der Text ist lesbar, und die Fotostrecken stehen für sich, zusammen ergeben sie das Portrait des Interviewten. Das war früher selbstverständlich, siehe: Cahiers du Cinema oder auch die alten Ausgaben aus den Siebziger Jahren von Andy Warhol’s Interview Magazine. Aber heutzutage ist es leider nicht mehr selbstverständlich, weil diese ganzen Layouter keine Eier mehr haben. Sibylle sagt immer: Statt auf langweilige Kokserparties zu gehen, Betonung auf langweilig, gucke ich lieber geile Filme von John Huston oder Carpenter.

Jakob: Ich habe vor kurzem mal wieder eine aktuelle Ausgabe von Warhol’s Interview Magazine in der Hand gehabt. Ich muss zugeben, dass ich dort die Interviews vor lauter Werbung kaum noch finde, woran sicher auch zu einem gewissen Teil das Layout schuld ist.
Max: Aber ich stelle fest, dass da auch immer wieder gute Interviews drin sind, das Heft hat seine Höhen und Tiefen. Und ich muss sagen, ich bewundere die für die viele Werbung. Ich bin ganz entschieden nicht der Meinung, dass eine Zeitung nur dann gut ist, wenn keine Webung drin ist. Werbung heißt ja einfach: deine Zeitung wird gelesen. Und weil sie gelesen wird, werben Leute darin. Und weil Leute darin werben, kann die Redaktion zum Beispiel ihre Autoren bezahlen. Wir können das im Moment noch nicht, unsere Autoren und Fotografen bezahlen, was wir natürlich gerne würden.
Dann gibt es noch einen anderen Punkt, der in Europa ganz oft übersehen wird, von Leuten wie uns, die kein Geld zum Ausgeben haben: Modewerbung von Armani bis Versace, aber auch von unbekannteren Designern stellt neue Trends vor, die neue Mode zum Winter, zum Herbst, Sommer oder Frühling. Das ist eine ganz klassische alte europäische Tradition, dies durch Anzeigen zu tun. Ich finde Werbung nur in dem Moment scheiße, wo sie versucht, Einfluss zu nehmen. Wo sich Leute anmaßen zu denken, weil sie eine Anzeige geschaltet haben, könnten sie Einfluss nehmen auf ein inhaltliches Konzept. Aber das sind zum Glück die Ausnahmen. Und die Gefahr ist nur dann da, wenn man kein Geld hat, wenn eine Anzeige vielleicht 1000 Euro bringt, die existenzentscheidend sind. Dann ist man als schwache Person geneigt, Kompromisse einzugehen. Aber ich kann nur sagen: wir suchen uns unsere Interviewpartner selbst aus. Das tun wir aus gutem Grund, weil wir der Meinung sind, dass diese Leute etwas zu sagen haben.

Jakob: Wie kommt ihr denn auf eure Interviewpartner, spielen da auch Eigeninteressen eine Rolle?
Max: Wir haben uns drei Ausgaben Zeit gegeben, um zu einer Linie zu finden. Wenn man selbst die Freiheit hat, über die Interviewpartner zu entscheiden, dann ist man natürlich gewissen Versuchungen ausgesetzt. Man ist der Versuchung ausgesetzt, die Leute zu nehmen, die man schon immer interviewen wollte, oder man will anderen Leuten vielleicht einen Gefallen tun. Man kommt aber früher oder später an den Punkt, wo man merkt, dass das nicht weit führt und den Leser nicht weiterbringen würde. Wir haben seit dem Neustart von a|ert versucht, unsere Hefte unter ein Thema zu stellen. Beim ersten Heft nannten wir das „Durch Meere von Blut“ – welchen Sinn hat Gewalt, wie entsteht Gewalt, was erreicht Gewalt. Zu dem Thema hatten wir Interviews mit dem Algerienkämpfer Jaques Mesrine, dem Boxer Oktay Urkal oder Mimmo Siclari, der die Musik der Mafia produzierte. Dann kam das zweite Heft – „Auch für alles Geld der Welt?“. Es ging um die Frage, wie wichtig ist Geld im Leben, wie sehr korrumpiert einen das Geld. Also fragten wir zum Beispiel den Kaufhauserpresser Dagobert oder Dennis Hopper, der privat unter anderem Kunstsammler ist. Das jetzige Heft dreht sich um Lebensentwürfe. Was sind die Ideen, für die man bereit ist einzustehen, anders gesagt: „Wo geht’s denn hier nach El Dorado“. Da haben wir ein Interview mit Robbie Williams, heute einer der berühmtesten Musiker überhaupt, der über Selbstentfremdung redet auf dem Weg zu seinem Erfolg. Der erzählt, wie es ist, wenn Leute vor deinem Haus campen, wenn Paparazzis überall auf dich warten, er erzählt von seiner Drogenabhängigkeit und von seiner Therapie. Ich fände es toll, wenn Leute, die zu einem Casting gehen, vorher so ein Interview gelesen hätten.

1992 gründete der Journalist Maximilian Bauer alias Max Dax das wahrscheinlich erste deutschsprachige Interview-Magazin alert. Als eine Art Vorbild diente dabei das 1969 von Andy Warhol gegründete Interview Magazine. Allerdings erschienen damals nur mehr

Ein Kommentar zu “Das Interview ist für mich eine sportliche Disziplin.”

  1. Hildebrandt, Frank |

    An das alertmagazin,

    Ich habe das Interview gelesen, es hat mich zutiefst angesprochen. Gern würde ich aus meinem intensiven Erleben Euch ein Interview geben. Und gern würde ich ein Exemplar des Magazins empfangen.

    Herzlichen Gruß
    F.Hildebrandt

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