Patrick Lindner

Die Volksmusik ist dazu da, die Gedanken von Krieg und Terror wegzubringen.

Patrick Lindner über die Härten des Showbusiness, seinen Adoptivsohn, den Umgang mit den Medien, die Politikferne von Volksmusik und sein Swing-Album "Gigolo"

Patrick Lindner

© Bernhard Kühmstedt

Herr Lindner, Ihr gebürtiger Name lautet Friedrich Günther Raab. Wann wurden Sie das letzte Mal so genannt?
Lindner: Das kommt durchaus immer wieder mal vor, dass ich so genannt werde, aber es ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich ziemlich ungewöhnlich. Ich habe damals zum Beginn meiner Sangeskarriere 1989 diesen Künstlernamen angenommen und werde seitdem auch so genannt.

Gefällt Ihnen Ihr Geburtsname?
Lindner: Man kann an seinem eigenen Namen ja nie was ändern, insofern war ich schon sehr froh, dass ich mir dann diesen Künstlernamen gegeben habe. Patrick Lindner klingt einfach um einiges besser als Friedrich Günther Raab!

Wie sind Sie eigentlich auf das Pseudonym Patrick Lindner gekommen?
Lindner: Das geschah in Zusammenarbeit mit meiner damaligen Plattenfirma und war gar nicht so einfach. Wir haben viel überlegen und abwägen müssen, bis wir uns dann letztendlich auf einen passenden Namen einigen konnten.

Welche Rolle spielt denn ein Künstlername hinsichtlich Ihrer Karriere im Showbusiness?
Lindner: Wenn man sich über einen Künstlernamen Gedanken macht, sollte man schon versuchen, einen Namen zu finden, den sich die Leute leicht merken können, der weich klingt und einfach auch zu der entsprechenden Person passt. Dein Name hat ja auch eine wichtige Funktion, weil sich die Leute nicht nur dein Gesicht einprägen, sondern dich immer auch in Verbindung mit deinem Namen sehen.

Zusammen mit Stefan Raab haben Sie in dessen Show "TV Total" einmal den Song "Wir sind die Raab-Brüderlein" gesungen. War das Ihre Idee?
Lindner: Nein, das hat sich Stefan Raab ausgedacht. Er hat das mal in irgendeiner Sendung mitbekommen, und mich dann in seine Show eingeladen und diesen Song für uns geschrieben. Ich hatte gar kein Problem damit, sondern fand es sehr lustig!

Ihren musikalischen Durchbruch schafften Sie 1989 mit dem Lied "Die kloane Tür zum Paradies" und belegten beim "Grand Prix der Volksmusik" den zweiten Platz; der Anfang einer großen Karriere als Musiker und Entertainer. Ist das Showbusiness für sie eine Art Paradies?
Lindner: Ich liebe meinen Beruf und nehme ihn auch sehr ernst, doch als Paradies kann man das Showbusiness sicherlich nicht beschreiben. Das ist ein knallharter Job, doch natürlich gibt es auch viele Momente, die sehr glückserfüllend und schön sind. Nach außen hin wird die Showbranche sicherlich oft als Paradies gesehen, aber es ist oftmals ein harter Kampf verbunden mit sehr viel Arbeit, um entsprechend weit nach vorne zu kommen und vor allem sich dann auch an der Spitze zu halten und zu behaupten.

Wie erklären Sie sich denn die gesellschaftliche Faszination am Showbusiness?
Lindner: Ich glaube, es ist einfach etwas ganz Besonderes, von vielen Menschen angehimmelt zu werden und für seine Arbeit eine große Anerkennung zu bekommen. Ein weiterer Aspekt ist, dass man in diesem Beruf sehr viele Menschen kennen lernt und mit tollen Persönlichkeiten zusammenarbeiten kann, wobei sich gelegentlich sogar Freundschaften entwickeln können. Das alles sind Besonderheiten dieses Berufes, die dann letztendlich auch die große Faszination hervorrufen. Wenn man dann allerdings in diesem Geschäft arbeitet, merkt man langsam, dass alle Dinge eine gewisse Normalität bekommen und sich auch so etwas wie Alltag entwickelt, was man vorher gar nicht gedacht hätte.

Würden Sie jungen Leuten heute empfehlen eine Karriere im Showbusiness anzustreben?
Lindner: Wir haben es ja in den letzten Jahren durch all die Casting-Shows gesehen, dass dieser Wunsch bei jungen Menschen auf jeden Fall da ist, und ich denke, wenn jemand wirklich ernsthaft an einem Showberuf interessiert ist, dann sollte er das auch ernstnehmen und seinen Weg versuchen zu gehen. Es ist heutzutage halt nur sehr schwer geworden in diesem Bereich Fuß zu fassen, denn von der Musikindustrie gibt es immer weniger Unterstützung, gerade auch was das Management betrifft. Man hat junge Leute oft verheizt, wollte das schnelle Geld verdienen und hat den Künstlern dann wieder gekündigt.

Wie sehen Sie denn junge Leute aus der Schlagerwelt wie Jantje Smit, der mit sieben Jahren das erste Mal auf der Bühne stand und nun seit mehr als 10 Jahren große Erfolge feiert?
Lindner: Jantje Smit kann in seinen jungen Jahren schon auf eine beachtliche Karriere zurückblicken, doch solche Fälle sind in diesem Geschäft eher die Ausnahme. Es zeigt aber auch, dass junge Menschen, wenn man sie denn richtig fördert und auf ihre Talente eingeht, ganz nach vorne kommen können. Dazu gehört sehr viel Geduld und Mut, und der wird heutzutage leider nur noch sehr selten aufgebracht.

Auf Ihrem neuesten Album "Gigolo", einem Swing- Album, welches Sie zusammen mit der Thilo Wolf Big Band produziert haben, singen Sie im gleichnamigen Song: "Wenn das Herz dir auch bricht, zeig ein lachendes Gesicht, man zahlt und du musst tanzen!". Welche persönlichen Erfahrungen verbinden Sie mit dieser Zeile?
Lindner: Diese Zeile ist sehr realistisch bezogen auf meinen Beruf. Auch wenn einem mal das Herz schwer ist, man eigentlich nicht in der Stimmung ist, um auf die Bühne zu gehen, muss man es trotzdem machen und dem zahlenden Publikum eine Show bieten. Das ist einfach der Job und das gehört dazu, auch wenn es manchmal sehr schwer ist!

Gab es eine Zeit, in der Sie dem Showbusiness den Rücken kehren wollten, genug vom ewigen Bild des lächelnden Entertainers hatten?
Lindner: Ich denke diese Momente gibt es in jedem Beruf, und auch ich habe mich schon öfters gefragt, weshalb ich diese ganze Show überhaupt noch durchziehe. Ich persönlich kann aber sagen, dass das Schöne dann letztendlich immer noch alles rausgerissen hat und ich einfach weitergemacht habe.

Zitiert

Nach außen hin wird die Showbranche sicherlich oft als Paradies gesehen, aber es ist oftmals ein harter Kampf verbunden mit sehr viel Arbeit

Patrick Lindner

Woher holt man in schwachen Momenten die Kraft um auf der Bühne zu bestehen?
Lindner: Ich denke das ist bei jedem Menschen unterschiedlich, doch ich bin von Grund auf ein Mensch, der das Positive in sich trägt und gerne weiter verbreitet. Ich brauche dazu keine große Anstrengung und muss mich auf der Bühne nicht verstellen. Ich kann das gar nicht so genau erklären; das ist einfach so eine Grundhaltung von mir.

Deutschland befindet sich momentan in einer desolaten gesellschaftlichen und politischen Situation, über fünf Millionen Menschen sind arbeitslos und weltweit wächst die Angst vor terroristischen Anschlägen. Warum geht die Volksmusik eigentlich nicht auf diese Probleme ein?
Lindner: Ich glaube, diese Themen werden ganz bewusst nicht angesprochen, denn gerade in Zeiten wo es den Menschen nicht so gut geht, besinnen sich viele wieder auf das ganz einfache und suchen in der Volksmusik ihren Halt. Das ist vielleicht auch so ein bisschen Sehnsucht nach einer heilen und harmonischen Welt.

Könnten Sie sich denn Schlagersongs mit politischen Inhalten vorstellen?
Lindner: Nein, ich glaube das würde auch das Publikum gar nicht haben wollen. Die Volksmusik ist dazu da, die Gedanken von Krieg und Terror wegzubringen, und es ist ja auch tatsächlich so, dass man tagtäglich mit schlechten Nachrichten überschüttet wird und durch diese Musik können sich die Leute dann eben in eine andere Welt träumen. Das wird oft unterschätzt und nur als kitschig abgetan, obwohl es wirklich sehr hilfreich sein kann.

Würden Sie sich denn als träumenden Menschen bezeichnen?
Lindner: Ja, auf jeden Fall! Ich bin ein absoluter Romantiker und bin in dieser Beziehung auch sehr feinfühlig. Ich kann dieses Verhalten der Menschen sehr gut nachvollziehen, denn auch ich kann mich durch verschiedenste Musik in eine andere Welt flüchten und einfach mal dem Alltag entfliehen.

Kommen wir mal zu Ihrem neuesten Projekt – wie sind Sie eigentlich darauf gekommen eine Swing-CD mit Klassikern wie "The Lady is a Tramp" oder "Mack the Knife" aufzunehmen, wo man Sie ja bisher eher als Schlagerstar und TV-Moderator kannte?
Lindner: Ich mag diese Art von Musik sehr gerne und es war schon immer mein persönlicher Wunsch mal so eine Platte zu machen. Für meine eigenen Fernsehshows habe ich schon oft mit Thilo Wolf zusammengearbeitet und irgendwann kam dann die Idee zu dieser Swing- CD. Ich mag solche Experimente und probiere gerne immer wieder neue Sachen aus, und durch dieses Swing-Projekt kann ich ja auch eine neue Facette meines Könnens zeigen und ich würde auch jederzeit wieder auf diese Musik zurückgreifen, weil es mir einfach riesigen Spaß macht. Ich glaube auch damit ein großes, anderes Publikum bekommen zu haben, denn wenn die Leute mich heute ansprechen, meinen viele: "Also ich habe noch nie eine CD von ihnen gehört, aber dieses Swing- Projekt ist wirklich fantastisch!" Das freut mich dann schon sehr!

Inwiefern hatten Sie im Vorfeld auch die Befürchtung, das Publikum könnte Ihnen die Rolle des swingenden Gentlemans nicht abnehmen?
Lindner: Natürlich macht man sich im Vorfeld solche Gedanken, aber letztendlich fragt man sich ja bei jedem neuen Album, wie es wohl bei den Menschen ankommt und ob es ein Erfolg werden könnte. Je nachdem, wie das Strickmuster aussieht kann man natürlich in gewisser Weise auf einen Erfolg hinarbeiten, aber ein Restrisiko bleibt immer. In dem Fall wollte ich einfach diesen Musikstil für mich ausprobieren, und das heißt ja nicht, dass ich mich jetzt vollständig von der Schlagerwelt verabschiede. Manchmal muss man einfach etwas wagen, und sich nicht zu viele Gedanken machen.

Im Jahre 1997 sorgten Sie mit Ihrem Bekenntnis zur Homosexualität, der Beziehung zu Ihrem Manager Michael Link und der Adoption des heute sieben Jahre alten Jungens Daniel für Schlagzeilen. Wie hat damals eigentlich die Schlagerszene auf Ihr Outing reagiert?
Lindner: In der Branche war das gar kein Thema, zumindest habe ich das so empfunden. Es ist natürlich so, dass man erst mal lernen muss, mit so einer Sache in der Öffentlichkeit umzugehen, doch ich denke mal, das meine Offenheit vielen Menschen und auch mir sehr weitergeholfen hat. Allerdings habe ich auch gemerkt, dass es bei vielen Menschen so einen Schockmoment gab. Doch viele haben sich deshalb auch mal näher mit diesem Thema befasst und mögliche Vorurteile abgebaut und die haben gemerkt, dass Homosexualität gar nicht so tragisch ist. Obwohl diese Zeit für mich wahnsinnig schwer war, habe ich mich nicht versteckt, sondern bin in die Offensive gegangen, und im Nachhinein gesehen war das auch der beste Weg.

Fühlen Sie sich denn als homosexuell lebende Person mittlerweile von der Gesellschaft akzeptiert?
Lindner: Ich mache mir da gar nicht so viele Gedanken drüber, denn sonst wird man mit solchen Gedanken irgendwann noch einmal verrückt. Ich habe festgestellt: je normaler man selbst mit seiner Homosexualität umgeht, umso besser kann auch die ganze Umwelt damit zurechtkommen. Die Leute haben ja auch mittlerweile eingesehen, dass nicht jeder Homosexuelle gleich alle Klischees in sich vereint, sondern dass es da auch einfach ganz normale Menschen gibt, die man im Vorfeld vielleicht gar nicht für homosexuell gehalten hätte.

Was halten Sie von Großveranstaltungen wie dem "Christopher Street Day", wo ja gerade die Homosexualität auf bunte und schrille Art inszeniert wird?
Lindner: Ich halte diese Geschichte für sehr gefährlich, denn wenn man so hemmungslos provoziert, darf man sich hinterher auch nicht wundern, wenn das die Leute abschreckt und die Toleranz sinkt. Ich bin sehr offen und tolerant, aber man muss ja nicht in jeder Hinsicht provozieren, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich finde es einfach übertrieben, halbnackt mit Lederklamotten über die Straße zu tanzen, denn wenn ich da mit meinem Kind vorbeigehe ist das ja auch nicht gerade so ein schöner Anblick.

Wie war das eigentlich für Sie, als Sie nach der Adoption von Daniel plötzlich Vater waren?
Lindner: Wir haben uns diesen Schritt damals natürlich sehr genau überlegt, und es war dann ziemlich interessant zu sehen, dass viele Dinge ganz anders sind, als man sich das vorher so gedacht hat. Man wächst dann langsam in diese Rolle hinein und heute kann ich sagen, dass es das schönste Gefühl auf der Welt ist, ein Kind heranwachsen zu sehen und ihm als Vater den Einstieg in diese oft sehr komplizierte Welt zu erleichtern. Natürlich muss man viele Kompromisse machen, hat sehr viel weniger Zeit für sich, aber als Vater trägt man einfach eine große Verantwortung und man bekommt ja auch wahnsinnig viel vom Kind zurück. Diese Adoption war definitiv die wichtigste und beste Entscheidung meines ganzen Lebens!

Wie haben Sie Daniel die familiäre Situation, also das Aufwachsen mit zwei Vätern, damals erklärt?
Lindner: Wir haben immer schon sehr offen mit ihm darüber gesprochen, und heute geht ja auch die Umwelt ganz anders mit Familien wie uns um. Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir uns verhalten würden, wenn Daniel in der Schule aufgrund seines familiären Hintergrundes Probleme mit seinen Mitschülern bekommen sollte, aber zum Glück ist dies bisher kein einziges Mal vorgekommen. Daniel ist ein sehr selbstbewusster Junge und hat diese Situation mit seiner eigenen Persönlichkeit bisher immer sehr gut gemeistert.

Im März 2005 trennten Sie sich von Ihrem Lebensgefährten und Manager Michael Link und erregten damit ein großes mediales Aufsehen. Bereuen Sie es manchmal, die Öffentlichkeit an ihrem Privatleben teilhaben zu lassen?
Lindner: Ja, das ist schon ein absolut hoher Preis, den man dafür bezahlen muss, das man in der Öffentlichkeit und somit auch im Mittelpunkt des Interesses steht. Dieser ist Preis oftmals auch zu hoch, was man dann an Leuten sieht, die an diesem ganzen Ruhm und seinen Folgen zerbrochen sind, weil sie mit dem Druck nicht fertiggeworden sind. Oftmals wäre es mir schon lieber gewesen, die Öffentlichkeit aus bestimmten Bereichen rauszuhalten, aber in vielen Momenten kann man sich auch gar nicht dagegen wehren, und hat gar keine andere Chance, als sich mit Haut und Haaren zu verkaufen.

Es gibt aber auch Leute wie Stefan Raab, die ihr Privatleben komplett von der Öffentlichkeit abschirmen und dennoch Erfolge feiern. Inwiefern erfordert es also ihr Job im Musikgeschäft regelmäßig in den Schlagzeilen zu stehen?
Lindner: Man kann Raabs Karriere nicht mit meiner vergleichen, denn er ist ein ganz anderer Typ und von Haus aus viel introvertierter, was das Privatleben in der Öffentlichkeit betrifft. Ich bin in dieser Hinsicht schon immer viel offener gewesen, was vielleicht auch nicht immer von Vorteil war. Das Spiel mit der Presse ist und war schon immer ein echter Seiltanz! Manche Leute, wie eben Stefan Raab oder Harald Schmidt, schaffen es mit viel Begabung die Presse komplett außen vor zu lassen, doch mir gelingt das nicht immer ganz so gut.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Lindner: Ich wäre Paulchen Panther, aber nicht weil er jetzt rosa ist, sondern weil er jemand ist, der sich mit einem kühlen Kopf überall so durchschwindelt und auch knifflige Situation gut meistern kann.

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