Vikash Dhorasoo

Ich war ein guter Ersatzspieler.

Der französische Fußballer Vikash Dhorasoo und Fred Poulet über den Film „Substitute“ Homosexualität im Profifußball und was einen guten Ersatzspieler ausmacht

Vikash Dhorasoo

© Berlinale

Herr Poulet, ist „Substitute“ für Sie ein Experimentalfilm oder einen Dokumentarfilm?
Fred Poulet: Es ist kein Dokumentarfilm, das stimmt. Ursprünglich war ja auch gar nicht geplant, daraus einen langen Film zu machen. Ich denke, es ist mehr etwas experimentelles, wobei die Grenzen zwischen Experimentell und einem normalen Film ja fließend sind. Also, es ist sicher schwierig, hierfür eine Schublade zu finden. Wir haben angefangen, ohne zu wissen, was am Ende dabei rauskommt. Das hätte genauso gut ein experimenteller Kurzfilm werden können.

Herr Dhorasoo, im Film werden kaum andere Mitglieder der französischen Mannschaft gezeigt, warum?
Vikash Dhorasoo: Fred hatte mir zuerst die Aufgabe gestellt, mich selbst zu filmen. Später meinte Fred, ich könnte auch um mich herum filmen. Aber eine Super8-Kamera ist schwer, macht Krach und nimmt keinen Ton auf. Da sah ich keinen Nutzen drin, an die anderen Leute heranzugehen, ohne Ton. Wobei es auch rechtliche Probleme gegeben hätte. Ich wollte auch nicht in die Privatsphäre der anderen Spieler eindringen.

Aber im Film erscheint es nun, dass Sie fast das ganze Turnier allein waren…
Dhorasoo: Es gibt natürlich jeden Tag gemeinsame Termine, Training, Essen, die Spiele, die Ansprachen des Trainers – da sind wir natürlich alle zusammen. Aber sonst hat jeder ein Einzelzimmer. Klar, da kommen auch Spieler bei mir vorbei. Aber trotzdem ist man als Spieler oft allein.

Und Freunde in der Mannschaft?
Dhorasoo: Ich wurde nicht ausgeschlossen, das soll der Film auch nicht zeigen. Das war nicht der Fall. Der Film handelt nur davon, dass ich traurig war, nicht spielen zu können. Aber sonst habe ich an allem teilgenommen, wie die anderen auch, Grillpartys etc.

Sind Ihrer Ansicht nach 23 Spieler in einer Mannschaft zu viel?
Dhorasoo: Nein, das ist in Ordnung. Man braucht natürlich Leute auf der Ersatzbank. Ich war nun einer von denen. Ich war das nicht gerne. Aber ich glaube, ich war ein guter Ersatzspieler.

Was macht denn einen guten Ersatzspieler aus?
Dhorasoo: Ein Spieler, der spielt darf ruhig mal schlecht gelaunt sein, aufgrund einer Kritik usw., er darf unzufrieden mit dem Spiel sein und darf das zeigen. Ein Ersatzspieler muss aber immer gute Miene zum bösen Spiel machen, immer gut gelaunt, immer zufrieden sein – das habe ich getan.
Ich habe aber früher mal mit Olympique Lyon gespielt, gegen Monaco. Ich saß das ganze Spiel auf der Bank und wir haben 0:3 verloren. Am Tag danach waren die Spieler schlecht gelaunt, weil sie schlecht gespielt hatten und zu mir sagte man: Du warst ein schlechter Ersatzspieler, deswegen darfst du beim nächsten Spiel nicht mitspielen. Da ist mir das erste Mal bewusst geworden, dass mein Verhalten auf der Bank eine Rolle spielt. Ich war nicht gut gelaunt und deswegen, obwohl ich nicht auf dem Feld war, durfte ich beim nächsten Spiel nicht dabei sein.

Sie unterstützen seit drei Jahren in Paris den Fußballverein „Paris Foot Gay“ – gibt es inzwischen Veränderungen, Entwicklungen, die es einem schwulen Spieler erleichtern würden, ein Coming-Out zu haben?
Dhorasoo: Nein, ich denke, es hat sich nichts geändert. Es ist in Frankreich noch nicht vorgekommen, dass ein Fußballer sich geoutet hat. Was ich nicht verstehe, weil man kann durchaus homosexuell sein und männlich wirken – das würde, was das Fußballspiel betrifft, nichts ändern.

Was ist Ihrer Meinung das Hauptproblem dabei?
Dhorasoo: Fußball ist ein Mannschaftssport, da gibt es die Dusche nach dem Sport. Und ich denke, für jemanden, der seine Homosexualität offen lebt, wäre das komisch – die Fußballgesellschaft ist dafür nicht offen genug. Das wäre so, wie wenn ein heterosexueller Mann beim Frauenfußball in einer Dusche mit 10 anderen Frauen duschen würden. Er würde sich nicht wohlfühlen und die Frauen wahrscheinlich auch nicht. Und wenn man heute schon hört, dass Fans Affenschreie machen, wenn Schwarze auf’s Spielfeld kommen, kann man sich gut vorstellen, was los wäre, wenn ein bekennender Homosexueller auf das Spielfeld kommt.

Ist Homosexualität eigentlich unter den Spielern ein Thema, über das gesprochen wird?
Dhorasoo: Als die Spieler in meinem damaligen Club Paris Saint-Germain von meinem Engagement erfahren haben, fanden die das toll. Sicher gibt es auch welche in dem Club, die homophob sind, aber die meisten haben sehr gut reagiert.

Der französische Fußballer Vikash Dhorasoo (*1973) spielte u.a. für Olympique Lyon Girondins Bordeaux, den AC Mailand und Paris Saint-Germain. Er bestritt zudem 18 Länderspiele für die französische Nationalelf und gehörte 2006 zum mehr

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