Jens Weißflog

Was macht eigentlich Jens Weißflog?

Skispringer Jens Weißflog über sein Appartmenthotel, Golfen, den Ausstieg aus dem Profisport, die Nachwendezeit und den Faktor Körpergewicht beim Skispringen

Jens Weißflog

© ZDF

Herr Weissflog, auch wenn Ihre letzten Erfolge vier Jahre zurückliegen, kennt man Sie in Deutschland als den Skispringer schlechthin und kaum einer weiß, was Sie derzeit wirklich machen.
Weissflog: Momentan habe ich viel mit meinem Appartmenthotel in Oberwiesenthal zu tun, wo ich auch ab und zu selbst arbeite. Meine Aktivitäten darüber hinaus lassen sich eigentlich ganz gut unter "Promotionauftritte" zusammenzufassen bis hin zu meiner Tätigkeit als Moderator beim ZDF, da bin ich hauptsächlich im Winter mit dabei.

Und in Ihrem Hotel stehen Sie auch selber an der Rezeption?
Weissflog: Ja, das ist ab und zu der Teil, den ich mache. Ich koche nicht und ich mache auch nicht die Zimmer sauber, sondern ich bin mehr an der Rezeption vorzufinden, da bin ich mein eigener Chef.

In diesem und den beiden vorherigen Jahren haben Sie ein Golfturnier veranstaltet. Wie kommt denn ein Skispringer zum Golfschläger?
Weissflog: Schon als aktiver Skispringer hatte ich begonnen Golf zu spielen, weil es mich einfach fasziniert hat. Und schließlich hat Oberwiesenthal ja auch einen Golf-Club, der zwar noch keinen Golf-Platz hat, aber irgendwann einen haben möchte. Und da haben wir auch ein eigenes Golfturnier organisiert, unter meinem Namen, der dann viele Prominente angezogen hat wie z.B. Rudi Carell, Sascha Hehn oder Fritz Fischer. Der Erlös des Turniers ging dieses Jahr außerdem an krebskranke Kinder und die Stiftung "Arche-Chantal" in Tschechien, wo das Turnier stattfand.

Sind Sie denn ein guter Golfspieler?
Weissflog: Also was im Golf gut und schlecht ist, das kann ich nicht so richtig definieren, ich hab Handicap 24 und das ist für mich ganz passabel.

Und Rudi Carell, spielt der besser als Sie?
Weissflog: Der Rudi Carell hat Handicap 28, er ist aber natürlich auch einer der vielen Teilnehmer, die das just for fun machen und so bleibt das bei uns einfach Amateursport.

Trainieren Sie denn eifrig?
Weissflog: Nein, ich bin nicht so einer, der seinem Handicap hinterher rennt. Man freut sich zwar, wenn man es verbessern kann, aber ich muss nicht jeden Tag auf dem Golfplatz stehen. Golf fasziniert mich, weil man diesen Sport nie lernt und selbst, wenn man denkt man könnte es, dann kommt sofort die Revanche, das man ein Loch versiebt. Am Anfang liegt der Reiz ja im Weitschiessen des Balles, ähnlich wie im Ski-Springen, wo man auf eine neue Bestweite kommen will. Beim Golf ist dann aber auch exaktes Spiel gefragt, das reizt mich.

Werden die Skier denn noch angeschnallt?
Weissflog: Ja, aber das sind dann keine Sprungskier mehr, sondern eher Alpine- oder Langlaufskier oder ich fahre auch mal Snowboard, da bin ich flexibel.

Aber juckt es Sie nicht in den Beinen, wenn Sie vor einer Schanze stehen?
Weissflog: Es liegt ja jetzt schon vier Jahre zurück, dass ich aufgehört habe. Da ist der Reiz einfach weg, da hoch zu gehen und mitspringen zu wollen. Und schließlich gab es ja gewisse Gründe, weshalb ich aufgehört habe.

Welche?
Weissflog: Die Gründe lagen insbesondere in der langen Zeit, die ich dabei war, da hat man irgendwann auch Motivationsprobleme.

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Mit dem Traum vom Fliegen hat das am Anfang gar nichts zu tun.

Jens Weißflog

Aber wie bewältigt man solch einen Ausstieg?
Weissflog: Für mich war das sehr einfach, da für mich schon vor meiner letzten Saison feststand, dass dies die letzte werden würde, weil auch die Vorbereitung auf diese Saison besonders schwer war. Damals hatte mich viel daran gehindert, gut zu trainieren, insbesondere eine Knieoperation. Und da habe ich mich schon auf den Moment gefreut, an dem Schluss sein würde und darauf, dass ich dann andere Dinge machen kann, als jeden Tag nur zum Training zu gehen.

Wie kommt man denn eigentlich zum Skispringen, ist das anfangs der Wunsch, fliegen zu können?
Weissflog: Nein, mit dem Traum vom Fliegen hat das am Anfang gar nichts zu tun, da die ersten Sprünge ja eher Hüpfer sind. Man kommt eher über das Skifahren zum Skispringen. Bei uns gab es damals allerdings keinen Lift an der Schanze und für mich als 6-Jährigen war der Weg auf die Schanze viel zu beschwerlich. Deshalb übte ich zuerst nur auf einer selbstgebauten Schanze und sprang erst vier, dann fünf oder später sechs Meter. Aber schon zu dem Zeitpunkt hat das einen Riesenspaß gemacht, seine eigene Bestweite zu übertreffen. Später, wenn man dann schon mal 50 oder 60 Meter fliegt, ist das natürlich ein anderes Gefühl.

Aber gerade bei den großen Distanzen begibt man sich doch schon ein wenig in Gefahr?
Weissflog: Sicher gibt es unglückliche Stürze, die auch unglücklich ausgehen können. Aber auf der anderen Seite hat man natürlich jahrelang geübt, und irgendwann hat man auch kein Problem, bei schlechten Bedingungen zu springen. Natürlich gibt es auch kritische Situationen, wo man einen Sturz abwenden muss, aber im Großen und Ganzen denkt man nicht mehr an die Gefahr, das ist dann schon alles zur Gewohnheit geworden und das Angstgefühl tritt nur noch unterschwellig auf.

Für den Erfolg beim Skispringen ist vor allem das Körpergewicht entscheidend, weshalb unter den Sportlern Fälle von Magersucht oder Bulimie keine Seltenheit sind. Nimmt man so etwas in Kauf?
Weissflog: Momentan ist die Körpergröße und das Körpergewicht das einzig individuelle und natürlich die Leistung, die ich beim Skispringen einsetzen kann. Alles andere, Material und alles was den Wettkampfablauf betrifft ist so eingeschränkt, dass ich da kaum noch Entfaltungsmöglichkeiten habe. Ich denke, in jeder Sportart muss ich gewisse körperliche Vorraussetzungen mitbringen, zum Beispiel beim Basketball da muss ich, wenn ich viele Korbwürfe erzielen will, mindestens zwei Meter groß sein. Aber deswegen wird man den Korb für die kleineren ja noch lange nicht niedriger hängen. Und somit muss ich im Skispringen leicht sein. Und da geht jeder an seine Grenze auch an die natürlichen Grenzen. Aber dafür muss man Profisportler genug sein um zu wissen, was man seinem Körper zutrauen kann.

Im Netz der Sponsoren klagen Sportler oft über mangelndes Mitspracherecht. Wie war das bei Ihnen?
Weissflog: Es war bei mir nie so schlimm, dass ich nicht meine Meinung äußern hätte dürfen, weil der Druck der Sponsoren nie so groß war, dass ich mich hätte zurückhalten müssen. Aber schließlich ging es ja auch nicht um Millionen.

Was hat Ihnen die Wende im Zusammenhang mit dem Sport gebracht?
Weissflog: Ich denke, dass die Wende, egal in welcher Sparte des Lebens, positiv war, da jeder sein eigenes Talent jetzt ganz anders nutzen kann. Sportler wurden in der DDR zwar gefordert, aber sie konnten wirtschaftlich gegenüber anderen nie herausragen und seit Mitte der 90er ermöglichen es die Preisgelder, dass man auch mit dem Skispringen gut Geld verdienen kann und auf neue Weise im Rampenlicht steht. Aber es gibt auch negatives, z.B. bei der Sportförderung, die gibt es ja nur in der absoluten Spitze, es werden also oftmals die gefördert, die schon von den Preisgeldern gut leben können. Im Nachwuchsbereich hingegen gibt es fast keine Förderung.

Lässt sich das ändern?
Weissflog: Das lässt sich kaum ändern, weil die Werbewirtschaft sich nur widerspiegeln will in Sportlern, die wöchentlich oder monatlich im Fernsehen erscheinen und da gibt es wenige, die auch in den Nachwuchssport investieren. Aber wenn ich oben Spitzenleistungen erwarte, muss ich unten auch versuchen, die Basis aufzubauen. Momentan haben die Vereine ein sehr schweres Los und müssen tag täglich ums Überleben kämpfen.

Kanzler Gerhard Schröder war bis vor wenigen Tagen unterwegs in Ost-Deutschland, was wäre das erste, was Sie sich momentan von ihm wünschen würden?
Weissflog: Wunschträume gehen sowieso schwer in Erfüllung. Ich glaube, dass man Politiker während ihrer Legislaturperiode immer wieder an ihre Wahlversprechen erinnern muss, die sie zu Beginn gemacht haben und sie sollten auf halbem Wege schon mal kontrollieren, was sie davon bereits erreicht haben. Viele Dinge sind eben noch nicht erreicht und darauf muss man den Kanzler aufmerksam machen. Wir haben ja nach wie vor über vier Millionen Arbeitslose. Am Anfang hat man zwar gesagt, diese hohe Quote wäre das Verschulden der CDU, aber viel getan hat sich bis jetzt auch nicht. Ich habe ja ein eigenes Unternehmen und ich kann sicher auch nicht mehr Leute einstellen, als es das Unternehmen verträgt. Aber es gibt sicherlich ausreichend Ansatzpunkte in Bereichen, in denen viele Leute auf Kosten des Staates leben. Diese muss man an der Ehre zu packen, damit sie dem Staat nicht in gewissem Maße auf den Geist gehen, und man muss versuchen für diese Leute Möglichkeiten der Arbeit zu schaffen oder sie verpflichten zu arbeiten. Wenn man in diese Richtung mehr tun würde könnten wir eine ganze Reihe Arbeitslose weniger haben.

Sollte sich eine deutsche Stadt wieder einmal für die Winterolympiade bewerben?
Weissflog: Das ist natürlich immer ein riesiger Batzen Geld, der da investiert werden muss. Natürlich wäre es schön, da die letzten Winterspiele in Deutschland sehr lange zurückliegen. Aber man sollte sich das gut überlegen, ob man dieses Geld ausgibt, ob die Sportstätten nachhaltig genutzt werden können und ob schon genügend Vorraussetzungen vorhanden sind. Ich persönlich brenne aber nicht so darauf, die olympischen Spiele unbedingt im eigenen Land zu haben, das Geld sollte man vielleicht eher in die Nachwuchsförderung stecken.

Jens Weißflog gilt als der erfolgreichste deutsche Skispringer. Der im Erzgebirge (Sachsen) geborene Sportler wurde mehrfach Olympia-Sieger, nach dem Ende seiner Sportlerkarriere arbeitet er als Skisprung-Experte fürs Fernsehen und als Hotelier. mehr

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