Iris Berben

Je älter ich werde, desto spannender werden die Stoffe.

Schauspielerin Iris Berben über Schnelllebigkeit im TV, ihre Interpretation von Schönheit, Erinnerungen an die 68er und den verschwundenen Generationsbegriff

Iris Berben

© Mosaik Verlag

Frau Berben, wir haben heute den 1. Juni 2001 – wissen Sie, wer heute 75 Jahre alt geworden wäre?
Oh, ja. Marilyn Monroe.

Was fällt Ihnen spontan zu Marilyn Monroe ein?
Wenn ich an sie denke, hat es immer etwas damit zu tun, dass sie für mich eine ungeheure Komödiantin war. Und das ist man wahrscheinlich vor allem dann, wenn die eigene Tragödie irgendwo gelebt wird – das war bei ihr im besonderen Maße der Fall, finde ich. Marilyn Monroe ist für mich – sicherlich auch aufgrund ihres frühen Todes – eine Figur mit Mythos und mit einer Haltbarkeit in einer Branche, die sich durch eine ungeheure Schnelllebigkeit auszeichnet. Ein Frauenbild, welches man, glaube ich, erst viel später richtig interpretiert hat. Ich denke, sie war zu ihrer Zeit zu früh, zu weit, zu schnell, zu gut. Und es ist ja häufig so, dass man eigentlich erst im Nachhinein weiß, was so eine Figur bedeutet hat.

Schnelllebigkeit haben wir ja heute mehr denn je.
Ja, deshalb finde ich diese Form der Haltbarkeit so ungeheuerlich. Sie war eine Frau, die das über all die Jahre überstanden hat und die bis heute einfach Gültigkeit behalten hat.

Wie ist Ihr Rezept bei Schnelllebigkeit?
Ich halte mich durch und versuche, nicht auf Trends aufzuspringen. Im Gegenteil, ich würde dafür plädieren, selber Trends zu setzen. Ich habe in einer schnelllebigen Zeit und einer schnelllebigen Branche über 30 Jahre durchgehalten. Und ich habe nicht nur durchgehalten, sondern ich weiß ja auch um meinen Stellenwert. Das Durchhalten hat für mich damit zu tun, dass man auch weiß, ab wann und wo man sich verweigert. Und dass man versucht, die Dinge immer wieder aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Man muss sein Handwerk natürlich beherrschen, aber man sollte auch lernfähig bleiben, man sollte neugierig und offen bleiben, und man sollte die Korrektur zulassen. Bei mir kommt auch meine Lust aufs Experimentieren dazu. Ich habe mich immer ganz gerne in dem Moment, wo die Sicherheit oder die Gewohnheit zu groß wurde, wieder auf ein anderes Terrain bewegt, nicht automatisch, aber es ist mir eigentlich immer so passiert. Dann bin entweder ich auf Leute zugegangen oder es gab wiederum Leute, die gefragt haben ‚Hätten Sie nicht mal Lust auf eine andere Richtung?‘

Und wo würden Sie sich verweigern?
Ich habe mich viele Jahre verweigert und verweigere mich nach wie vor einer schnellen Form von Füllen der Sendezeit. In den 70er Jahren zum Beispiel, als ich gerade angefangen hatte, bekam ich diverse Angebote von Paukerfilmen bis hin zu Softsexfilmen. Aber da habe ich wirklich lieber gekellnert, im Krankenhaus gearbeitet oder englische Übersetzungen gemacht. Da hat bei mir eine Verweigerung sehr früh angefangen, nicht unbedingt aus moralischen Überlegungen heraus, sondern weil ich fand, dass das gar nichts mit dem Beruf zu tun hatte. Ich war andererseits auch schwer am Suchen und am Gucken, wo ich eigentlich hin wollte. Für mich war es leichter zu definieren, was ich auf keinen Fall machen wollte, als zu erklären was ich machen wollte. Ich finde, dass ist schon mal ein ganz guter Weg, um zu selektieren.

Wie verläuft die Suche heute?
Heute sehe ich bei mir die Gefahr, dass ich mir zu viel Druck mache. Ich muss mich auch immer sehr bemühen, gute Stoffe zu finden, allerdings muss ich sagen, dass die Stoffe spannender werden, je älter ich werde. Das kommt vielleicht daher, dass man natürlich im Laufe der Jahre mehr erzählen kann. Durch die eigene Erfahrung und das eigene Erleben wächst das eigene Spektrum und man kann differenzierter über Gefühle und Geschichten erzählen. Ich suche inzwischen auch mit Kalkül, weil ich meinen Beruf natürlich so lange machen möchte, wie es überhaupt geht. Ich möchte auch das, was ich mir erarbeitet habe, diese 30 Jahre, in einem Spannungsbogen fortführen. Das möchte ich für mich und auch für die Zuschauer. Ich versuche, möglichst Rollen zu finden, die sich entweder weit von mir entfernen, oder die sehr viel mit mir selber zu tun haben. Zum Beispiel fange ich demnächst einen Film an, nach diesem wunderbaren Buch von Anita Lenz "Wer liebt, hat Recht". Darauf bin ich aufgrund verschiedener Parallelitäten gestoßen. Es handelt von einer Frau, die mit den Verletzungen, die ihr zugefügt werden, ganz anders umgeht als diese Überfrauen aus vielen anderen Frauenromanen, die immer alles mit einer gewissen Lässigkeit und Leichtigkeit bewältigen. Bei der Geschichte geht es um das Aushalten und Durchhalten einer Liebe. Und es geht um Mechanismen, die wir alle gelernt haben aufgrund unserer Erziehung und unseres sozialen Umfeldes. Plötzlich gibt es nämlich etwas in deinem Leben, da helfen dir diese Mechanismen alle nicht.

Wer wird Regie führen, vielleicht Carlo Rola?
Nein, der Matti Geschonneck. Mit ihm habe ich im letzten Jahr einen wunderbaren Film gedreht. Und die Zusammenarbeit war so intensiv und so eng und unvergessen für mich, dass ich ihn mir für diesen Film gewünscht habe. Für ganz bestimmte Stoffe muss man auch ganz bestimmte Konstellationen an Leuten zusammenkriegen. Da ist es natürlich ein wunderbarer Luxus, dass man sich die Leute aussuchen kann, mit denen man zusammenarbeiten will, dass man mit den Besten zusammen gemeinsame Ziele erreichen kann. Dieser Luxus wird leider sehr oft als Machtausübung und als Verarbeitung von Ego-Problemen missverstanden.

Die Zusammenarbeit mit Carlo Rola hat ja nun schon Tradition.
Ja, 18 Jahre.

Ist da nicht manchmal die Gefahr der Gewohnheit dabei?
Nein, ich empfinde dabei keine Gefahr. Denn ich glaube, wir korrigieren uns immer wieder gerade aufgrund dieser Frage. Und insbesondere bei "Rosa Roth" habe ich mir diese Konstellation gewünscht, weil wir diese Figur auch zusammen entwickelt haben. Natürlich könnte man auch mit unterschiedlichen Regisseuren das erreichen, was wir in unserer Konstellation versuchen zu machen. Aber gerade für Carlo ist es eine Herausforderung, auch bei der 13. oder 14. Folge von "Rosa Roth" keine Routine aufkommen zu lassen und immer wieder anders, mit einer anderen Temperatur, einer anderen Kamera und einer anderen Bildsprache zu drehen. Ich weiß, dass wir beide anstrengend sind und sicherlich auch für das Team beim Dreh anstrengend sind, genau weil wir uns so gut kennen. Aber ich weiß auch, dass es bei den Kämpfen, die wir ausfechten – und die sind manchmal sehr laut – nie ums Kräftemessen geht, sondern dann geht es immer um inhaltliche Dinge.

Ihre Filme spielen hauptsächlich in der Gegenwart, haben Sie nicht auch mal wieder Interesse an einem Historien-Film, vielleicht einem Kostümfilm?
Ja unbedingt, den letzten Kostümfilm habe ich vor etwa 400 Jahren gedreht, ich glaube, "Das Fräulein von Scuderi" ist es gewesen. Allerdings gehen solche Wünsche nicht immer konform mit dem was die Sender oder auch die Kinos haben wollen. Ich würde auch furchtbar gerne einen Science-Fiction-Film drehen, aber bei den Angeboten, die ich bisher bekommen habe, haben mir meistens die Drehbücher nicht gefallen. Natürlich möchte ich so viele Genres wie möglich bedienen. Ich bin doch überhaupt nicht festgelegt auf etwas, doch da ist in Deutschland das Problem, dass wir alle immer so ein bisschen ausschließlich sind. Wenn man mit einer Sache Erfolg hat, dann wird gleich versucht, noch mal und noch mal damit Erfolg zu haben. Das hat man ja an den deutschen Komödien gesehen, dieses Genre wurde totgeritten und das ist enorm schade. Anstatt dass man es schafft, die unterschiedlichsten nebeneinander zu setzen, wird ein Genre einfach verbrannt. Nach wie vor haben wir in Deutschland zwar eine funktionierende Fernsehlandschaft, aber keine funktionierende Kinolandschaft, keine Industrie. Das Fernsehen ist eine Industrie geworden und wenn man sich überlegt, dass eine Industrie wichtig ist, um ein Medium zum Leben zu bringen, ist es eigentlich schade, dass es keine Kinoindustrie in Deutschland gibt.

Aber wurde das Genre Komödie nicht gerade durch den industriellen Charakter totgeritten?
Ich denke nicht, dass die Industrie dahinter steckt, sondern ich glaube, das ist dieses deutsche Problem der Ausschließlichkeit, man könnte das als eine Art Mechanismus bezeichnen. Wir hatten das schon mal in den 70er Jahren, als der Autorenfilm aufkam, da gab es dann 12 Jahre nur den Autorenfilm und nichts anderes.

In Cannes war dieses Jahr zum achten Mal in Folge kein deutscher Film im Wettbewerb.
Ja, das ist erstaunlich und dafür gibt es ja die unterschiedlichsten Interpretationen. Ich selbst will darüber gar nicht urteilen, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Ich muss aber ehrlich sagen, dass wir zu Zeiten von Schlöndorff, Fassbinder oder Herzog noch etwas sehr eigenes und auf unser Land bezogenes hatten, das hat ja auch funktioniert. Warum es heute nicht so funktioniert, wie damals kann ich nicht sagen. Vielleicht liegt es am Nacheifern des amerikanischen Mainstreams. Das hat ja auch etwas mit dem Sehverhalten der jungen Leute zu tun, woran man sich allerdings nicht messen sollte. Ich bin da auch relativ hilflos. Wenn ich mir zum Beispiel die englische Filmlandschaft anschaue, da entstehen wunderbare Filme, die ihr Publikum nicht nur in England finden. Sicher hat das in Deutschland auch mit Finanzierungsproblemen zu tun, aber man sollte sich auch nicht an den USA messen, wo das Werbebudget oft so hoch ist, wie hierzulande ein Filmbudget. Dass man sich immer an anderen misst, ist genau der Fehler, der gemacht wird. Wir müssen… – wenn ich es wüsste was wir müssen. Ich befürchte es liegt daran, dass wir zur Zeit wirklich wenig zu erzählen haben. Denn wenn ich die deutschen Gazetten aufschlage und die Schlagzeilen lese, stelle ich immer wieder fest, wie wenig diese Republik zu erzählen hat.

Sie haben dieses Jahr das Buch "Älter werde ich später – Das Geheimnis, schön und sinnlich, fit und entspannt zu sein" herausgegeben. Was ist denn für Sie ‚schön‘?
Ich glaube, da gibt es immer große Missverständnisse und falsche Interpretationen, was eigentlich ‚schön‘ ist. Es gibt ganz viele Dinge, die man machen kann, viele Äußerlichkeiten, die man erfüllen kann. Das hat aber nichts damit zu tun, was eigentlich schön ist. Bei Schönheit geht es vielmehr um das Wesen. Es ist das Wesen, was schön ist, das kannst du auch nicht künstlich herstellen, sondern das ist die Art wie jemand guckt, wie begeisterungsfähig jemand ist, welche Freude er transportieren kann, welche Gespräche er führt und wie möglich es ihm ist, auch albern oder komisch zu sein. Ich glaube, das, was heute sehr oft als ‚schön‘ interpretiert wird, sind schnelllebige Bilder, die uns vor allem von den Frauenzeitschriften vorgegeben werden. Da sage ich mir aber, man muss für sich den eigenen Weg finden und sich fragen, ob man dem Bild entspricht, was man von sich haben will und nicht einem Bild, was einem vorgegeben wird und das sich alle sechs bis acht Monate sowieso wieder ändert.

Lesen Sie solche Frauenzeitschriften?
Ich blättere solche Zeitschriften.

Wegen der Bilder?
Ja, das hat auch mit einer gewissen Ästhetik zu tun. Es gibt schöne Hefte, die schau ich mir gerne an. Aber schon in meiner frühesten Jugend war es nicht so, dass ich mich nach etwas richten wollte, was in den Zeitschriften stand.

Was war der entscheidende Punkt, der Sie dazu gebracht hat, ein Buch zu schreiben?
Für mich war das ein neues Terrain und ich konnte das Buch so gestalten wie ich wollte, eben auch mit Schwarz-Weiß-Fotos von Esther Haase, die ich einfach ungeheuer schätze. Es sollte auch kein ernsthafter Ratgeber werden – wenn ich das Wort ‚Ratgeber‘ höre bekomme ich Magenschmerzen – sondern ich wollte ein bisschen Anekdoten erzählen. Angebote von Verlagen waren schon über viele Jahre da, für eine Biografie, für Kurzgeschichten… Das war jetzt mal so ein erstes Bonbon, was ich mir eigentlich selbst gemacht habe, ich sehe das auch ein bisschen mit Augenzwinkern. Aber dass das Buch so läuft, damit habe ich nicht gerechnet.

Zitiert

In den 70er Jahren bekam ich diverse Angebote von Paukerfilmen bis hin zu Softsexfilmen. Aber da habe ich lieber gekellnert.

Iris Berben

Sie schreiben, ‚der absolute Naturlook ist nicht mein Stil‘.
Nein, mit 50 Jahren nicht mehr.

Hat man da nicht manchmal Angst, dass das Make-up eine zu große Distanz schafft und man nicht mehr sein wahres Gesicht zeigt?
Ohne Make-up ist man vielleicht offener, aber auch viel verletzbarer. Sicherlich brauche ich diese Distanz.

Themenwechsel: Was hören Sie für Musik? – Man könnte ja jetzt auf Verdi spekulieren, seit dem vor kurzem bei der Deutschen Grammophon die CD "Iris Berben trifft Giuseppe Verdi" erschienen ist.
Dieses CD-Projekt wurde ja in erster Linie gestartet, um jungen Leuten den Zugang zur klassischen Musik leichter zu machen. Ich bin nun jemand, der so ziemlich querbeet hört und ich bin sehr stimmungsabhängig bei Musik, ich habe da kein festes Repertoire. Für mich hat Musik eine solche ungeheure Kraft, deine Stimmung zu stimulieren – nach oben, aber auch nach unten – oder deine Stimmung zu bekräftigen. Sicherlich bin ich ein alter Rock’n’Roller, ich bin ein ungeheurer Fan der Rolling Stones und von Jimi-Hendrix. Ich höre auch gerne Frank Sinatra und bin ein großer Fan der Callas. Neuer Musik, ob das nun Hip Hop oder Rap ist, verschließe ich mich nicht, ganz im Gegenteil, ich will ja auch wissen, was die Leute heutzutage hören. Manchmal bin ich dann in einer Stimmung, wo ich mich sehr von den angesagten Trends mitreißen lasse, allerdings würde ich mir selber sehr wenig oder gar nichts davon kaufen. Ernste Probleme hätte ich wahrscheinlich nur mit deutscher Marschmusik. Und die Volksmusik, die im Fernsehen mit hoher Zuschauerzahl läuft, ist weiß Gott auch nicht meine Musik, da würde ich mich ausklinken.

Die Presse war ja weniger angetan und wertet die Aktion ‚Promi trifft Komponisten‘ lediglich als eine neue Verkaufsstrategie der Musikindustrie. Zahlen beweisen allerdings auch, dass die Leute nach wie vor viel in Konzerte und in die Oper gehen, Miese machen letzten Endes nur die Plattenfirmen.
Das Projekt richtet sich vor allem an junge Leute, die zur klassischen Musik kaum Zugang haben, da diese Musik nach wie vor als relativ elitär gehandelt wird – das hat mir eingeleuchtet. Und die Idee, dass man dafür eine Popularität benutzt finde ich gut. Wir wissen doch, dass heutzutage vieles nur noch steuerbar ist über Bekanntheit, Prominenz. Weshalb gehen sonst so viele Promis zur Werbung? Das kann man doch als legitim ansehen. Interessant an dem Projekt ist, dass wir alle ganz unterschiedliche Personen sind, Harald Schmidt, Christoph Schlingensief oder Hildegard Knef, die ein ganz unterschiedliches Publikum ansprechen. Wenn es nur darum gehen würde, die Plattenwirtschaft weiter anzukurbeln, hätte ich an dem Projekt sicher nicht teilgenommen.

In Bezug auf Ihre Beziehung zu Israel und der jüdischen Kultur – hätten Sie einem Jugendlichen auch Musik von Wagner versucht, näher zu bringen?
Wenn es meine Musik gewesen wäre sicherlich, aber es ist nicht meine Musik und ich bin auch kein sehr großer Wagner-Freund. Die Diskussion um seine Person und seine Musik verstehe ich sehr, sehr gut, weil man eben weiß, dass Menschen mit Wagners Musik in die Gaskammern geschickt wurden. Da hängt eine geschichtliche Verknüpfung dran, und ich habe großen Respekt, wenn man in Israel sagt, diese Musik möchten wir in unserem Land nicht hören‘. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und schon aus diesem Grund wäre Wagner nicht der Komponist gewesen, den ich für meine CD gewählt hätte.

Haben Sie privat genügend Zeit für Oper, Theater und Konzerte?
Ich gehe in die Oper, in Konzerte und ins Theater – na klar, ich möchte ja nicht am Leben vorbeileben. Mich interessiert die Kultur quer durch unsere Gesellschaft hindurch. Und ich bin ein Genussmensch, ich gehe auch aus reinem Genuss ins Theater. Oft gehe ich, weil ich von jemand von einer Inszenierung gehört habe, oder von einem Schauspieler, den ich gerne sehen möchte. Theater ist ein Teil unserer Kultur, über den ich gerne Bescheid wissen möchte.

Wäre es für Sie eine Option, demnächst mal wieder auf einer Theaterbühne zu stehen?
Ja, das würde ich gerne mal wieder. Ich habe schon lange kein Theater mehr gespielt und habe, als ich jetzt das letzte Mal im Theater war, wieder Lust gekriegt. Es sind viele neue Leute da, mit denen ich gerne zusammen arbeiten würde an neuen Interpretationen von Theater. Wobei ich auch sagen muss, dass ich immer ein großer Bewunderer von Peter Stein, Claus Peymann oder Peter Zadek war, das sind für mich so die alten Haudegen, wo ich denke, da wurde auch noch etwas erzählt.

Bekommen Sie ab und zu Angebote von Theatern und Regisseuren?
Ja, aber das was ich machen möchte, war noch nicht dabei. Ich denke, wenn ich einen Schritt machen würde, wenn ich mich um das Theater bemühen würde und meine Ernsthaftigkeit klarmachen würde, dann wird auch das richtige Angebot kommen.

Wir erwähnten bereits Schlingensief und auch Israel – was halten Sie von seiner jüngsten "Hamlet"-Inszenierung?
Ich habe die Inszenierung bisher nicht gesehen, habe aber ein leichtes Unbehagen, wenn ich darüber nachdenke. Was Christoph Schlingensief angeht, bin ich ehrlich gesagt gespalten, weil ich nach wie vor nicht genau weiß, wie sehr er eigentlich nur ein Polit-Clown, Provokateur und Selbstdarsteller ist und ab wann es bei ihm wirklich ans Eingemachte geht. Provokation kann auf jeden Fall ein Mittel sein, um die Gesellschaft wachzurütteln.

Wie beurteilen Sie die derzeit laufenden Aussteigerinitiativen?
Ich halte alles, was überhaupt hilft, dass Leute ein aufgeklärtes Bild bekommen über das, wo sie sich engagieren, nämlich in der rechten Szene, für ganz wichtig und richtig. Wir befinden uns da auf einem Terrain, was sehr lange vernachlässigt wurde, das erst jetzt gesellschaftsfähig wurde und eine Akzeptanz bekam. Viele Jahre der Gleichgültigkeit sind da vorausgegangen. Da, wo wir uns jetzt befinden, muss man ganz viele Möglichkeiten ausloten und gucken, wo wir wieder Land gewinnen können, um es denen auf der rechten Seite einfach wegzunehmen. Ich finde es auch ganz wichtig, dass sich viele Leute aus der Öffentlichkeit damit auseinandersetzen, sich für diese Bewegung stark machen und dafür auch ganz pragmatisch ihre Popularität nutzen. Welche Wege letztlich die richtigen sein werden, ob das auch die Aussteigerprogramme sein werden, weiß man ja noch nicht. Aber leider ist man immer so schnell bei der Hand mit Urteilen. Etwas wird angedacht und ausprobiert, initiiert und sofort muss man wissen, ob es die richtige oder die falsche Richtung ist. Ich komme da gar nicht immer hinterher. Eine Idee muss doch erst mal greifen können, man muss abwarten können und sehen, wie eine Idee angenommen wird. Ich habe vor diesen schnellen Statements, die abgelegt werden, ein wenig Angst, auch vor den Leuten, die immer die schnelle Antwort wissen und sagen, das ist richtig und das ist falsch. So ist es auch bei der Diskussion um die Gentechnik. Da finde ich es schade, dass sich sofort zwei Lager bilden bei einer Thematik, die ich unendlich wichtig finde und das zu einer Zeit, wo man noch am suchen und am tasten ist. Ad hoc werden immer gleich zwei Lager gebildet, das tut einer Sache nicht besonders gut, weil sie dadurch enorm emotionalisiert wird. Und dann reden unendlich viele Leute mit, die ganz unendlich wenig wissen. Manche Dinge werden so einfach nur noch abgehakt und nicht mehr wirklich gelebt.

Stichwort 68er, als die Debatte in letzter Zeit wieder auf die Titelseiten kam, mit Joschka Fischer, mit Jürgen Trittin – was hat das für Gefühle bei Ihnen geweckt?
Das war bitter, muss ich sagen, sehr bitter. Ich finde es sehr bedenklich, dass eine Opposition nach über 30 Jahren in seiner Argumentation so hilflos ist, die führen sich ja selber ad absurdum. Und auch eine Frau Merkel sollte sehr vorsichtig sein in der Beurteilung der 68er und mit der Form, in welcher sie darüber redet. Abgesehen davon haben wir heute einen Außenminister, der in der Welt anerkannt ist. Ein Mensch kann aufgrund seiner Erfahrungen eine ganze Menge Dinge richtig machen im Leben. Da verstehe ich nicht, wovor die Leute Angst haben.

Man kommt in der Diskussion unweigerlich auf einen Verlag zu sprechen gegen den auch Sie damals gewettert haben. Wie ist Ihre heutige Haltung zum Springer-Verlag?
Ich kenne heute Friede Springer persönlich sehr gut. Natürlich ist da aber noch die Erinnerung, dass man vor 30 Jahren die Berichterstattung der Springer-Presse zu einem Großteil für das Klima in Deutschland verantwortlich gemacht hat. Da hat sich bis heute wirklich sehr viel geändert. Als allerdings zuletzt diese Fotomontagen kamen mit Herrn Trittin, wurde man noch einmal schmerzhaft an die damalige Zeit erinnert. Ich hoffe und glaube eigentlich auch, dass da heute eine Generation sitzt, der diese letzte Geschichte ein Denkzettel war und dass man in dieser Form keine Agitation mehr betreiben wird.

Welche Zeitung lesen Sie?
Ich bin ein Fan der "Süddeutschen Zeitung", ich lese mehr oder weniger regelmäßig "Die Zeit" und "Die Woche". Ich habe auch die "Bild"-Zeitung immer auf dem Tisch liegen, genauso wie die "Münchner Abendzeitung".

Sie verfolgen alles, was über Sie geschrieben wird?
Nein, da versuche ich wirklich, einen Großteil nicht zu lesen, aber es gibt eigentlich immer Leute, die dir das dann in irgendeiner Weise stecken.

Es entgeht Ihnen also nichts.
Es gibt natürlich im Boulevard-Bereich immer einen Selbstverlauf von Dingen, den man selber gar nicht steuern kann, da versuche ich es dann ganz besonders, mich nicht drüber zu informieren.

Thema Älterwerden – oft las man Ihr Zitat "alt werden ist scheiße".
Ja, alt werden ist scheiße, weil mir die Zeit wegrennt. Es ist schade, die Kraft lässt irgendwann nach und man hat weit mehr als die Hälfte seines Lebens hinter sich, das ist scheiße, allerdings. Ich würde gern ein paar tausend Jahre leben, weil ich neugierig bin, weil ich Lust aufs Leben habe, weil ich Kraft haben möchte, weil ich neugierig bleiben möchte und weil ich natürlich mitmachen möchte, das ist ganz klar. Aber es ist nicht so, dass ich mich dem Alter nicht stelle, diesen Gang gehen wir ja alle. Nur kann ich nicht sagen, ‚Hurra, jetzt bin ich 50 und Hurra jetzt bin ich bald 60′. Ich weiß einfach, dass ich mit jedem Jahr dem Ende entgegen gehe. Das ist keine tolle Aussicht, wenn man so gerne lebt wie ich.

Wenn Sie heute Teenager wären, glauben Sie, Sie würden mit der heutigen Jugend zurechtkommen?
Ich wäre wahrscheinlich rebellischer als die, die heute 19 oder 20 Jahre alt sind, oder ich würde es zumindest hoffen. Aber jede Jugend hat seine Zeit und jede Jugend hat seine Interpretation vom Leben. Man muss sich immer davor hüten, zu seinen Kindern zu sagen, ‚damals bei uns war natürlich alles besser‘. Nein, es war nicht besser, es war schwerer und dafür war es besser. Für das Schwere bedanke ich mich, dass es nicht alles selbstverständlich war, dass man es sich erarbeiten musste. In meiner Jugendzeit wurde man allerdings auch anders gestützt. Heute musst du funktionieren und wenn du einen Fehler machst, wirst du schnell fallen gelassen. Wenn ich jetzt an meinen Beruf denke, du wurdest damals von einem Sender gestützt, man hat dir immer eine Anlaufmöglichkeit geboten. Heute läuft das alles mit einer Geschwindigkeit ab, wenn der erste Flop da ist und dann der zweite, bist du weg vom Fenster. Heute sind viele in diesem Beruf kalt und zynisch geworden, vieles ist austauschbar und vieles wird nur noch über das Materielle erklärt und beurteilt. Da kann ich wirklich nur behaupten, die bessere Zeit für mich gehabt zu haben. Weil man eben ackern musste und seinen Job machen musste. Man hat sich anders miteinander arrangiert und man hat, glaube ich, mehr miteinander gelebt. Ich will aber auf keinen Fall der heutigen Jugend absprechen, dass es für sie heute nicht genauso schön ist. Ich will auch meine Jugendzeit nicht glorifizieren oder in so eine rückwirkende Romantik bringen. Aber ich stelle fest, wir haben damals mehr geredet, mehr diskutiert. Meine Generation bestand ja aus den Kindern der Kriegsgeneration, es war also noch alles im Aufbau. Diese Situation will ich nicht verherrlichen, ich will damit einfach nur sagen, das war die Zeit, die mich geprägt hat und die möchte ich nicht missen.

1968 bildete sich eine 68er-Generation, was würden Sie sagen, kann man bei den aktuellen Entwicklungen noch von Generationen sprechen?
Tja, das ist komisch, oder? Irgendwie gibt es so etwas nicht mehr.

Woran würde sich eine Generation heute festmachen?
Entweder an Trends oder an materiellen Dingen. Aber von einer Generation ist da eigentlich keine Rede mehr.

Angenommen ich hätte keinen Fernseher – würden Sie mich überzeugen wollen einen zu kaufen?
Immer weniger. Ich bin ein Nachrichtengucker und ich schaue mir sehr gerne Dokumentationen an und natürlich ist das Fernsehen mein Beruf. Aber ich kann eine ganze Menge von dem verstehen, was Harald Schmidt vor kurzem gesagt hat, dass man das Medium, was man bedient, auch sehr kritisch sehen sollte. Wir müssen sehr genau aufpassen, die wir das Glück hatten, das bereits totgesagte Fernsehspiel wieder aufleben lassen zu können. Da muss man auf das Inflationäre immer wieder aufpassen und man muss ungeheuer picken. Früher hätte ich Sie mit den Nachrichten und mit dem Fernsehspiel überredet. Heute bin ich da schon etwas vorsichtiger. Ich müsste mich wahrscheinlich auch sehr bemühen, jemandem, der nicht in der Branche ist, von diesem Medium zu überzeugen.

Das Leben ist ein Comic – welche Comic-Figur sind sie?
Ich bin ein absoluter No-Comic-Fan. Da ziehen mich auch alle mit auf. Das war nicht einmal wegen der Eltern, weil die das verboten hätten. Ich bin einfach kein Comic-Leser. Wenn, dann wäre ich der Mecki, der Igel aus der "Hörzu". Das ist meine Kindheitsfigur. Aber reicht es nicht, dass ich ICH bin? Ich bin doch schon immer in meinen Rollen jemand anderes.

6 Kommentare zu “Je älter ich werde, desto spannender werden die Stoffe.”

  1. y.n.f.a.e.g. |

    Ich bin ein großer Fan von Iris berben und finde, das diese frau für ihr ganzes leben und ihr großes engagement belohnt werden sollte.

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  2. swea |

    ich denke, dass iris berben ein sehr mutiger mensch ist. denn wer von den älteren prominenten sagt, er findest es scheiße aalt zu werden. die meisten machen sich doch etwas vor, indem sie sagen, ich fühle mich super wohl in dem alter wo ich bin und da belügen sie sich selbst. iris berben hat so recht, wenn sie saagt, sie möchte ncoh lange leben. das mööchte ddoch im grunde jeder.
    vielleicht sollten sich mehr menschen wieder mit der fraage auseinandersetzen: warum bin ich hier und warum gibt es überhaaupt ein ende des lebens, was ist dann der sinn daran?
    ich persönlich habe festgestellt, dass ich die antworten in der Bibel gefunden habe.
    wahrscheinlich werden mich jetzt die meisten für bescheurt halten.
    aber bibel und kirche, hat einfach fast gar nichts miteinander zu tun.
    die heutige kirche ist so verblendet, dass sie nur noch an ihre materialistischen ziele denkt, den glauben der bibel, aber völlig verdreht ode außer acht lässt.
    ich habe noch keinen priester oder pfarrer erlebt, der mir sagen konnte, warum wir sterben. die einzigen antworten sind von ihnen: das ist der sinn des lebens. einmal zu sterben.
    und das ist ganz sicher nciht wahr. denn wer stirbt schon gerne? frau berben hasst diesen gedanken zum beispiel.
    in der bibel finden wir die antwort und jeder, der den mut hat sich einmal damit zu beschäftigen und sich gegen das gespött der menschheit wehrt, der findet eine antwort. würden sich schon mal alle menschen, die scih christen nennen, das gebot der bibel in ihrem leben anwenden,w elches besagt, deinen nächsten so zu lieben, wie du es auch von anderen menschen erwartest, dann würde es auch viel besser auf unserer erde aussehen und es würde auch kein antisemitismus mehr in dem maße stattfinden

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  3. Finja |

    Sorry, kleiner Fehler! Ich meinte: Warum haben so VIELE keine Ahnung! Nicht so wenige.

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  4. Finja |

    An dieser Frau sollte man sich mal ein Beispiel nehmen.
    Gerade jetzt, wo Antisemitismus oder Ausländerfeindlichkeit überhaupt wieder sehr angesagt zu sein scheint bei irgendwelchen Vollidioten im Osten. Denen sei gesagt: Niemand hat das Recht andere wegen ihrer Hautfarbe, Religion und Kultur zu diskriminieren!
    Eigentlich sollte man denken, wir Deutschen hätten aus unserer Geschichte gelernt! Stattdessen sind wir fast wieder so weit wie vor 60 Jahren, da frage ich mich: Warum haben so wenige keine Ahnung?
    Wenn ich höre, dass im 10. Schuljahr eines Gymnasiums noch nicht mal ein drittel der Klasse weiß, was Antisemitismus bedeutet, dann könnte ich wirklich verzweifeln.
    Leider liegt das oftmals auch an Eltern und Lehrern, nicht nur am Desinteresse der Schüler. Deshalb: Deutschland braucht Leute wie Iris Berben, die aufmerksam machen und gegen das Vergessen ankämpfen, die sagen: Ihr seid es nicht schuld, aber es ist eure verdammte Pflicht euch der Vergangenheit eures Staates zu stellen und öffentlich gegen Antisemitismus und Rassismus zu kämpfen. Denn es hilft nichts, wenn jeder für sich im Stillen weiß, dass er kein Antisemit oder Rassist ist!
    Nehmt euch ein Beispiel an Iris Berben und tretet für eure Meinung ein!!!!!!!!!

    Antworten
  5. Trixi 12 Jarhe |

    COOOLLL

    Iris Berben Ist die BESTE

    Antworten
  6. Sibylle Mayer |

    Iris Berben – eine mutige Frau mit – Würde, Gerechtigkeitssinn und Stil

    Ein sehr interessantes Interview!
    Zum Thema Israel und Judentum im Allgemeinen, kann ich nur sagen: Es ist für mich gerade als Deutsche, immer wieder ein Privileg, nach Israel zu reisen! Auch in ihrem Dokumentarfilm „und jetzt Israel“ hat es Frau Berben ausgezeichnet verstanden, dieses farcettenreiche und wunderbare Land ganz nüchtern und objektiv, darzustellen.
    Es ist sehr traurig, wenn nicht schon fast dramatisch, dass die Medien so gut wie garnichts über die Schönheiten Israels berichten; wenn, dann hört man oft nur von Negativberichten, Falschmeldungen und Israelkritik….haben wir Europäer, besonders wir Deutschen, denn gar garnichts aus der Geschichte gelernt??? Antisemitismus verkleidet im Gewand der „Israelkritik“? Mal ehrlich, ist da nicht doch was dran? Man sollte bedenken: Israel ist die einzige!!! Demokratie im Nahen Osten! Und hat somit auch, wie jeder demokratische Staat, das Recht auf militärische Verteidiung, zum Schutze und Wohle des gesamten Volkes. Israel ist das Eigentum des jüdischen Volkes, und dies nicht erst seit der Staatsgründung 1948, sondern schon seit tausenden von Jahren – mit Jerusalem aus Hauptstadt!
    Das Christentum bezieht seine Wurzeln aus dem Judentum. Die Eigenschaften wie „Nächstenliebe“ und „wahrer Friede in Gott“, ja die 10 Gebote selbst, sind die Grundwerte sowohl des christlichen als auch des jüdischen Glaubens. Wo wird darüber in den Medien berichtet??? Haben wir uns denn mittlerweile schon derart weit von unseren „Wurzeln“ entfernt? Wenn ja, armes Europa (Deutschland)!!!
    Hut ab, vor der Zivilcourage einer Iris Berben, die ja jetzt eine Deutschlandtournee, zum Thema: Antisemitismus gestartet hat! Wider die Lüge und Heuchelei, nur Mut Iris Berben!

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