Jürgen Vogel

Die 30er sind für mich eine sehr moderne Zeit.

Schauspieler Jürgen Vogel über den Film "Sass", die Zusammenarbeit mit Ben Becker und das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl 2001

Jürgen Vogel

© Maika Gregori

Jürgen, bevor wir zu deinem neuen Film kommen: Du bist in Hamburg geboren, was sagst du zum Ausgang der Hamburger Bürgerschaftswahl am letzten Sonntag?
Vogel: Man muss sich vor Augen führen, was da im Vorfeld alles geschehen ist. Man hat einfach in letzter Zeit in der Politik bestimmte Themenbereiche ausgrenzt, wie auch die Kriminalität und gedacht, dass wird schon irgendwie alles gut. Die sozialdemokratische Regierung hatte keinerlei Programme umgesetzt und wenn man sich den Stadtteil St.Georg anguckt fragt man sich, wo die Sozialdemokraten eigentlich die ganzen Jahre waren. Ich denke, Drogenprobleme kann man zum Beispiel auch dadurch verhindern, dass man Jugendlichen Perspektiven gibt. Aber es scheint, dass die Jugend in Hamburg nicht die Perspektiven hat, die sie eigentlich bräuchte. Ansonsten würden doch nicht so viele Jugendliche am Hauptbahnhof rumstehen. Insofern war es ganz klar, wenn jemand speziell mit diesem Thema Wahlkampf macht, dass der natürlich gute Chancen hat. Wenn man es als sozialdemokratische Partei nicht schafft, diese sozialen Brennpunkte in den Griff zu bekommen, dann muss man sich nicht wundern, wenn von außen, egal ob von rechts oder links, plötzlich Leute daherkommen und damit Wahlkampf machen und so ein großes Wählerpotenzial erreichen. Ich sehe das als klares Versäumnis der sogenannten Mitte, die jahrelang handlungsunfähig war und nichts unternommen hat.

Du lebst in Hamburg?
Vogel: Nein, in Berlin, aber ich kenne Hamburg sehr gut und ich kenne auch die Drogenproblematik – da kann man natürlich nicht einfach mit einem Staubsauger durchgehen. Und nun sagt Ronald Schill selber, er wäre sämtlichen Methadon- und Ersatzstoffprogrammen und der Abgabe von Heroin auf Rezept gegenüber aufgeschlossen. Damit hat er ja schon eine große Masse erreicht. Nicht dass ich jetzt für Schill Partei ergreifen will, aber man muss immer gucken, woher diese Zustimmung kommt. Das ist ähnlich wie in Österreich, da haben sich auch alle gewundert, dass Haider kam, obwohl sich über die Jahre jeder Kohle in die Tasche gesteckt hat und auch die Sozialdemokraten jahrelang einen Filz betrieben haben. Haider gehörte dann zu dieser Untersuchungsgruppe und hat sich so natürlich extrem nach vorne gespielt. In Hamburg sind für das Wahlergebnis also auf jeden Fall die Leute mitverantwortlich, die es überhaupt so weit haben kommen lassen.

Kommen wir zu "Sass", deine erste Zusammenarbeit mit Ben Becker. Welche Erinnerungen an die Dreharbeiten sind hängen geblieben?
Vogel: Generell haben wir uns während der Arbeit sehr lieb gewonnen und wir haben einfach gemerkt, dass wir ähnliche Ziele haben aber auch unterschiedliche Wege dorthin. Wir sind uns beim Dreh immer sehr brüderlich und freundschaftlich begegnet, dass war eine sehr warme und lustige Zusammenarbeit. Pauschal kann man sagen, dass wir uns wahnsinnig gut verstanden haben und einfach sehr viel Spaß hatten.

Der Film ist im Verleih der Constantin, es wird ein enormer Promotionaufwand betrieben – hat das zu erhöhtem Druck bei den Dreharbeiten geführt?
Vogel: Nein, wir haben einfach versucht so schnell wie möglich zu drehen ohne große Ablenkung. Ansonsten hat das keinen Einfluss auf unsere Arbeit als Schauspieler, es gab keinen besonderen Druck nur weil der Film mit viel Promotion an den Start geht.

Die Brüder Sass steigen sehr schnell auf, werden als Bankräuber plötzlich sehr reich, lernen schnell den Luxus kennen – ging es in deinem Leben manchmal ähnlich sprunghaft bergauf?
Vogel: Nein, bei mir war das wirklich kontinuierlich, weil ich sehr früh mit dem Schauspiel angefangen habe und nebenbei auch noch gearbeitet habe. Der Aufstieg hat eigentlich relativ lange gedauert und es gab jetzt nicht einen Film der mich sofort nach oben gebracht hat, sondern das entwickelte sich Stück für Stück. Man muss immer wieder von vorne anfangen, das finde ich auch sehr gut.

"Sass" trifft auf eine gewisse Faszination in der Gesellschaft für Gangster, dass lässt sich ja auch zeigen an Kriminellen wie den Berliner Tunnelgangstern oder an Arno Funke alias Dagobert…
Vogel: Ja, es besteht generell diese Faszination der Leute an Gangstern, die keine Gewalt anwenden und trotzdem sehr viel erreicht haben, im kriminalistischen Sinne. Auch die beiden Sass faszinieren, weil die natürlich in den 30ern, in einer ziemlich aggressiv-brutalen Zeit es geschafft haben mit Intelligenz und Ehrgeiz ohne Gewalt relativ viel zu erreichen.

Liegen dir die 30er Jahre als Filmumfeld?
Vogel: Es gibt letztendlich viele Parallelen zur heutigen Zeit, insofern sind für mich die 30er eine sehr moderne Zeit, ein sehr moderner Stoff. Das ist wie ein Tunnel der Zeit, für mich sehr interessant und die Arbeit am Film hat auch deswegen sehr viel Spaß gemacht.

Zitiert

Ich wollte eigentlich immer Bankangestellte spielen, aber irgendwie passt wohl mein Gesicht nicht dazu.

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Kann "Sass" anknüpfen an 30er-Jahre-Filme wie "Comedian Harmonists" oder "Gloomy Sunday"?
Vogel: Ich denke der Film will nirgendwo anknüpfen, er erzählt einfach die Geschichte und was letztendlich mit dem Film geschieht – darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Darüber müssen sich Verleiher und Produzenten Gedanken machen, ich zum Glück nicht.

Der Regisseur Carlo Rola arbeitet hauptsächlich fürs Fernsehen – macht es für dich bei der Arbeit einen Unterscheid, ob der Film fürs Kino oder fürs Fernsehen gedreht wird?
Vogel: Nein, ich habe für mich noch nie einen Unterschied gemacht zwischen Fernsehen und Kino, für mich sind das immer Filme, egal ob jetzt auf 16mm oder 35mm gedreht wird, das macht für mich gar keinen Unterschied. Und Carlo ist ein sehr guter Geschichtenerzähler. Er schafft es, eine Geschichte so zu erzählen, dass ich sie vollends verstehe und mich auch von ihr inspirieren lassen kann. Ich habe mich gefreut mit so einem Profi zusammenzuarbeiten, gerade bei einer Aufgabe wie "Sass".

Hast du eine Lieblingsszene?
Vogel: Nein, ich kann das nicht auf eine Szene reduzieren, ich mag den ganzen Film. Ich habe mich beim gucken sehr gefreut, dass die Bruderbeziehung funktioniert, dass man den beiden gerne zuguckt, und dass die beiden wirklich im Mittelpunkt stehen, das gefällt mir am meisten.

Als erstes brechen die Brüder Sass ins Landesfinanzamt ein – hattest du selber schon einmal Probleme mit dem Finanzamt?
Vogel: Nein, bis jetzt noch nicht. Ich glaube auch, ich bin jemand, der seine Sachen ziemlich ordentlich macht und dazu habe ich noch eine sehr gute Steuerberaterin, die das für mich erledigt, sehr gut und sehr gewissenhaft.

Wenn man sich deine vergangenen Rollen anschaut, finden sich darunter Mörder, Dealer oder Kidnapper – hattest du schon von Anfang an ein Faible für Ganoven?
Vogel: Ich wollte eigentlich immer Bankangestellte spielen, aber irgendwie passt wohl mein Gesicht nicht dazu.

Angenommen das Leben wäre ein Comic – welche Comicfigur bist du?
Vogel: Ich bin so ein bisschen der Tim von "Tim und Struppi".

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