Herr Dresen, nachdem Ihr Film "Halbe Treppe" bei der Berlinale mit Silbernen Bären und außerdem mit dem deutschen Filmpreis in Silber ausgezeichnet wurde, kommt er nun in die Kinos. Ein Berliner Stadtmagazin schreibt auf seinem Titelblatt: "Kultfilm des Jahres".
Dresen: Ja, so etwas freut mich natürlich enorm, wobei man mit dem Begriff "Kultfilm" immer auch ein bisschen vorsichtig umgehen muss. Was ist überhaupt ein Kultfilm? Klar, es ist natürlich wunderbar, wenn man zum Kinostart so eine Hilfe bekommt.
Welcher ist denn Ihr persönlicher Kultfilm?
Dresen: Da gibt es eine ganze Menge. Kultfilme sind ja auch immer etwas deftigere Filme, meistens auch ein bisschen lustig. Ich mag solche Filme, wie zum Beispiel "Manche mögen’s heiß" – den würde ich als Kultfilm bezeichnen. Wenn man die Frage dann aber auf Lieblingsfilme ausweitet, da ist mein Herz dann sehr groß. Da reicht mein Interesse von den frühen neorealistischen Filmen über die sowjetischen Filme der 70er und 80er von Leuten wie Wassilij Schukschin oder Eldar Rjasanow, bis hin zu den Filmen von Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch und Ken Loach – das ist wahnsinnig spannendes Kino.
Sind Sie denn ein Regisseur, der sich diese Filme anguckt immer beobachtendend und mit der Frage: wie machen es die anderen?
Dresen: Ich bin eigentlich ein ganz schlichter Kinogänger, ich gehe ins Kino und lasse mich gern verführen von Geschichten und Sichten auf die Dinge. Ich setzte mich da rein und bin dann ganz naiv, kann dann lachen und weinen und wenn mich der Film erschüttert hat, bewegt hat, dann gehe ich ganz glücklich aus dem Kino raus – ich gucke dann eigentlich gar nicht so sehr darauf, wie der Film gemacht ist. Denn wenn man anfängt zu gucken, wie alles gemacht ist, finde ich, dann ist das Dilemma doch bereits da. Insofern fällt es mir sehr schwer, bei den Filmen, die ich wirklich mag, etwas zur Machart zu sagen. Weil oft ist es bei den guten Filmen so, dass der Regisseur und die Leute hinter der Kamera so eine gute Arbeit gemacht haben, dass man diese Arbeit einfach nicht mehr spürt. Das empfinde ich eigentlich als die größte Qualität; der beste Regisseur ist der, dessen Arbeit man nicht bemerkt …
… was sicherlich auch Ihr Bestreben ist.
Dresen: Ja, ich möchte mich nicht so sehr vor den Film stellen. Die Geschichte, die erzählt wird, die muss auf die Leute wirken, sie bewegen und berühren. Dann kann der Film funktionieren. Ich finde es auch schwierig, wenn man sagt, das die Bilder toll sind, die Kameraführung, oder der Sound, eben wenn man sich nur Einzelheiten rauspickt. Letztendlich muss alles über die Figuren und die Geschichte funktionieren, dann ist man in dem Film wirklich drin.
Nun gab es bei "Halbe Treppe" vorher keine Geschichte. Sie sind mit einem sehr kleinen Team inklusive vier Schauspielern einfach raus nach Frankfurt/Oder gefahren, ohne Drehbuch, und haben losgespielt. Woher kam die Motivation, den Film auf diese Weise aufzuziehen?
Dresen: Es ist ja häufig so, wenn man an einem Drehort ist, dass man diesen riesigen Apparat am Bein hat. Da rennen ganz viele Leute rum, oft muss einer auf den anderen warten, man hat einen riesigen Fuhrpark rumstehen – da hat man manchmal das Gefühl, dass diese ganze Technik, und der Ballast rings herum, plötzlich wichtiger werden als das eigentliche worum es geht, nämlich das Erzählerische, die Phantasie und die Kreativität am Drehort. Ich hatte mir eigentlich schon immer gewünscht, einen Film mal anders aufzuziehen. Bei meinen Filmen "Nachtgestalten" und "Die Polizistin" haben wir das auch schon probiert, ein bisschen den Apparat zu reduzieren. Aber das waren alles immer noch so ein bisschen halbherzige Versuche und letztendlich hingen wir immer daran fest, dass das Drehbuch doch eine gewisse Umsetzung erfordert. Wenn dort eine bestimmte Situation beschrieben ist, erfordert die oft für die Umsetzung auch eine bestimmte technische Vorraussetzung. Da steht im Drehbuch "Nacht, Regen" – ja, dann braucht man diese riesigen Apparate, die Regenstative, die Feuerwehr, Lichtapparate und so weiter. Wir haben uns gesagt, wenn wir das anders machen wollen, können wir es eigentlich nur darüber probieren, in dem wir das Drehbuch einmal weglassen und sozusagen mit einer Konstellation losfahren. Und die Konstellation war in diesem Fall ein auf sieben Leute reduziertes Team plus vier Schauspieler und ein ganz kleiner Plot einer Geschichte, ein Fabeleinfall wenn man so will. Damit sind wir nach Frankfurt/Oder gefahren. Wir haben dann allerdings nicht gleich losimprovisiert, sondern wir haben uns erst mal kundig gemacht, die Schauspieler haben in den Berufen gearbeitet, die sie im Film ausüben. Der Axel Prahl hat also tatsächlich Würste gebraten, Gabriela Maria Schmeide war auf einem Truckparkplatz unterwegs … Sie haben sich sehr mit dem sozialen Umfeld ihrer Figuren beschäftigt. Danach haben wir uns zusammengesetzt und versucht, uns Stationen unserer Geschichte zu überlegen, kleine Szene-Überschriften und auf dieser Basis haben wir angefangen vor Ort zu improvisieren. Es gab tatsächlich keine geschriebenen Dialoge und die Schauspieler haben sich alles direkt vor der Kamera ausgedacht.
Würden Sie nach dieser guten Erfahrung am liebsten nur noch auf diese Weise Filme drehen?
Dresen: Ach, na ja, das wird dann ja auch ganz schnell langweilig, glaube ich. Ich weiß auch ein gutes Drehbuch sehr zu schätzen. Aber die Arbeit an "Halbe Treppe" hat unheimlich viel Spaß gemacht, das war für uns alle ein ziemlich beglückendes Erlebnis, es so zu machen. Aber natürlich ist es auch kein Allheilmittel, man kann so etwas auch nicht mit jedem beliebigen Stoff machen, glaube ich. Aber ich werde das bestimmt noch mal versuchen zu wiederholen, oder auf eine andere Art mit dieser Methodik zu arbeiten. Allerdings im Moment bin ich gerade dabei, mit einer Autorin ein Drehbuch zu entwickeln, wo dann entsprechend wieder anders gedreht wird.
Zum Drehort Franfurt/Oder – gab es vor "Halbe Treppe" vielleicht bestimmte persönliche Erlebnisse in Bezug auf diese Stadt? Wie kam es zur Entscheidung für diesen Drehort?
Dresen: Das war erst mal ein Vorschlag unserer Dramaturgin, Cooky Ziescher. Die Entscheidung hat zum einen natürlich mit der Geschichte zu tun, dass es in dem Film um Leute geht, die, wenn man so will, auf der halben Treppe ihres Lebens sind. Sie sind nicht mehr ganz jung, auch nicht ganz alt, nicht ganz unglücklich, aber auch nicht ganz glücklich. Auf halbem Weg der Reise steckengeblieben müssen sie darüber nachdenken, wie das Leben weitergeht, was es noch für sie bereithält. Für eine Geschichte, die also von Menschen und ihren Träumen handelt, fand ich es interessant, einen Ort zu wählen, der auch ein bisschen Träume produziert. Frankfurt/Oder ist ja eine Stadt an der Grenze, fällt fast östlich des Landes runter von der Landkarte, ein bisschen abgelegen. Das ist ein Ort, wo scheinbar das Leben vorbeirauscht, wie die Autobahn nach Osteuropa, wo die Schiffe vorbeifahren und wo man manchmal den Eindruck hat, man könnte etwas verpassen. Ich fand diesen Ort ganz schön, um dort von Leuten zu erzählen, die versuchen müssen, neue Träume zu finden. Zum anderen hatte die Entscheidung auch einen praktischen Grund. Für die Art, wie wir erzählen wollten, war es für mich ganz unabdingbar, dass das Team zusammen lebt. Und ich wollte einen Ort haben, der weit genug von Berlin und Potsdam weg ist – wo wir alle leben – dass man nicht jeden Abend nach Hause fahren kann, ein Ort, der aber wiederum auch nahe genug am Zuhause dran ist, dass man gelegentlich der Klaustrophobie, die sich unter Umständen einstellt, auch mal entfliehen kann.
Aber die Wahl von Frankfurt/Oder offenbart doch auch ein wenig, dass Sie in Ihren Filmen gern auf gewisse soziale Problematiken in Deutschland eingehen wollen.
Dresen: Klar, Franfurt/Oder hat ja große soziale Probleme, es gibt in dieser Stadt nicht besonders viele berufliche Perspektiven, dementsprechend auch eine hohe Arbeitslosigkeit, den Leuten dort geht es nicht gerade toll. Wir erzählen ja auch von Leuten, die zwar noch Arbeit haben und irgendwie ihr Leben fristen können. Aber ich wollte, dass der Absturz auch immer ein bisschen zu spüren ist. Das sieht man zum Beispiel ganz deutlich an Uwes Imbissbude. Das ist ja eine reale Imbissbude in Frankfurt/Oder und ich finde es wichtig, diese Seiten der Gesellschaft nicht auszusparen, sondern auch von Dingen zu erzählen, die so ein bisschen die Abgründe unseres Lebens sind. Die Figuren im Film bewegen sich ja im Grunde alle auf einem sehr schmalen Grat. Das wollte ich drin haben, denn diese Art von Milieu kommt im deutschen Film und Fernsehen relativ selten vor, was ich sehr schade finde.
Sich mit Hollywood messen zu wollen, ist meines Erachtens ein Fehler.
Beklagen Sie sich denn auch bei den Regie-Kollegen darüber?
Dresen: Es gibt schon Kollegen, die sich damit auch beschäftigen, gerade fängt Hans-Christian Schmidt an, in Frankfurt/Oder einen Film zu drehen. Es geht schon immer mal wieder an diese Orte, aber ist meines Achtens nach wie vor zu wenig. Sicher hängt das auch davon ab, was jeder so für Filme machen will. Und auf der anderen Seite darf es natürlich nicht nur diese Art von Filmen geben. Es sind genug Leinwände da, damit Platz für vieles ist. Es muss ja genauso das große opulente märchenhafte Kino geben, was die Leute in eine ganz andere Welt entführt, wie eben auch Geschichten, die aus dem Alltag der Menschen erzählen. Ich finde beides wichtig und wir haben genug begabte Leute um diese Palette irgendwie abzudecken. Nur, was meines Erachtens ein Fehler ist: sich mit Hollywood messen zu wollen. Das läuft dann auf so eine Großmannsucht hinaus, dass man es noch besser und noch schicker machen will oder mindestens doch genauso gut. Aber dann reicht meist das Geld nicht, dann sind die Schauspieler auch nicht ganz so große Stars mit denen man nun die Millionen ins Kino lockt und so weiter. Ich glaube, wir müssen einfach versuchen, das zu tun, was wir am besten können, nämlich das erzählen, was bei uns zu Hause stattfindet.
Eine Zwischenfrage zur Bundestagswahl, die ja nun schon knapp zwei Wochen zurückliegt. Sind Sie mit dem Wahlausgang zufrieden?
Dresen: Mir ist es so natürlich lieber, als wenn es anders gekommen wäre. Allerdings hat diese Regierung in den letzten vier Jahren weiß Gott nicht meine Wünsche erfüllt – ganz im Gegenteil, ich war eigentlich eher enttäuscht. Insofern ist dieser Wahlausgang nur das kleinere Übel. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es eine größere Konsequenz im politischen Handeln gibt, und zwar eine, die den Versprechen entspricht, mit denen die Grünen vor vier Jahren angetreten sind und die auch einer gewissen sozialdemokratischen Tradition entspricht, die Gerhard Schröder ja nicht immer bedient hat.
Nicht nur in "Halbe Treppe" sondern auch in Ihren früheren Filmen spielt die soziale Polarisierung in Deutschland eine wesentliche Rolle. Wie ist denn Ihre persönliche Einschätzung zu diesem Thema, sind Sie eher besorgt, oder doch zuversichtlich?
Dresen: Wenn es so weitergeht wie bisher, dann wird sich nach meinem Gefühl die Schere zwischen Arm und Reich eher vergrößern – wenn da nicht gegengesteuert wird. Aber das ist nicht nur ein deutschlandweites Problem sondern letztendlich ein weltweites. Ich glaube, dass die Politik wieder anfangen muss, die Dinge wirklich zu gestalten. Diese neoliberale Position, dass man das einfach mal alles so laufen lässt, vor allem in der Wirtschaft, und dauernd behauptet "es wird alle besser" – dem glaube ich kein Wort. Auch eine Marktwirtschaft funktioniert natürlich nach Gesetzen, ein Markt ist ein Ort, wo es bestimmte Regeln gibt und auch die müssen eingehalten werden. Wenn aber jeder anfängt zu machen, was er will, dann kommen wir dahin, wo wir im Moment sind. Man sieht plötzlich, dass in den Kommunen kein Geld mehr da ist und riesige Konzerne aber sogar noch Geld zurück haben wollen von der Steuer und überhaupt nichts mehr bezahlen – das finde ich schon sehr bizarr und es ärgert mich sehr. Ich finde, dass von kritischer Seite ziemlich hart zugefasst werden muss, man kann sich nicht immer auf irgendwelche Lobbys berufen, die immer aufschreien, wenn es darum geht, jemandem etwas wegzunehmen. Man wird natürlich immer irgend jemandem wehtun, egal wie man handelt. Aber wenn man eine Art von sozialer Gerechtigkeit herstellen will, dann wird das auch ein schmerzhafter Prozess sein, denke ich. Und es geht eben nur, wenn die eine Seite etwas abgibt. Wenn man nur eine bestimmte Menge Wasser hat und in einem Wasserglas ist wenig, in dem anderen aber ganz viel drin, und mehr Wasser ist nicht da, dann muss man halt aus dem vollen etwas in das leere kippen – anders wird’s nicht gehen.
Werden Sie in Ihren zukünftigen Arbeiten weiterhin – und vielleicht noch konkreter – auf die politischen Missstände eingehen, um zu bewirken, dass mehr über diese Dinge gesprochen wird?
Dresen: Ich bin ja kein Politiker, und letztendlich können wir nichts weiter tun, als Geschichten zu erzählen, so genau wie möglich. Diese Geschichten können natürlich mit der Wirklichkeit etwas zu tun haben und sich diesen Problemen auch stellen – aber wir werden sicherlich nicht die jenigen sein, die in irgendeiner Form politische Visionen entwickeln können. Man kann eigentlich immer nur versuchen zu zeigen, und die Beobachtung so genau wie möglich zu schildern. Ich halte nichts davon, die Leute im Kino politisch zu belehren oder so moralinsauer daher zu kommen. Man kann nur versuchen, emotional zu einer Achterbahnfahrt einzuladen, wo es runter und hoch geht, wo man im Kino ein prägendes Erlebnis hat. Vielleicht rutscht dann beim Zuschauen ein Gefühl aus dem Bauch in den Kopf hoch, wo dann etwas hängen bleibt und auch eine Kleinigkeit bewegt. Aber man sollte da die Möglichkeiten von Film nicht überschätzen. Wir können nur versuchen, uns der Wirklichkeit mit realistischen – und damit meine ich wahrhaftigen – Geschichten zu stellen.
Mit "Halbe Treppe" wird ein weiteres Mal, nach Filmen wie "Blair Witch Project" oder auch der Dogma-Reihe, klargestellt, dass es ist nicht der riesige Aufwand und die große Effekthascherei ist, was einen Film gelingen lässt. Wie gelingt Ihrer Ansicht nach ein Film am besten?
Dresen: Ich glaube, dass ist ein bisschen wie in der Liebe. Wenn man auf die Straße geht und sich vornimmt, "heute will ich mich verlieben", dann hat man ganz schlechte Karten. Ich glaube allerdings, dass der deutsche Film ganz oft genau das wiederspiegelt, man geht auf die Straße und versucht sich halt eben mal zu verlieben. Das klappt aber nicht so ohne weiteres. Man ist nicht erfolgreich, wenn man meint, man muss jetzt gerade erfolgreich sein und muss jetzt den ganz großen Coup landen. Im Gegenteil, da steht Bescheidenheit ganz gut zu Gesicht. Man muss sich trauen, einen eigenen Weg zu gehen, ohne dabei von vornherein auf den Markt zu schielen. Das ist viel wichtiger, als diese riesigen Apparate am Drehort und die ständigen Geldsorgen. Aber zu oft wird heutzutage erst mal überlegt, wie die Filmbesetzung sein könnte, damit später möglichst viele Leute in den Film gehen, was für eine Wucht an Aufwand betrieben werden muss, damit das Publikum es spektakulär findet. Ich glaube zwar, dass das für manche Filme wichtig sein mag, aber es sicher nicht das einzig wesentliche. Bei "Halbe Treppe" war es so, dass wir weitestgehend versucht haben, den Weg als das Ziel zu begreifen – für uns eine ganz neue Erfahrung. Wir hatten uns nicht im entferntesten erträumt, dass dieser Film mal auf der Berlinale laufen wird, wir wussten nicht mal, ob er bis dahin fertig wird. Wir wollten einfach für uns neue Wege erkunden, wie wir arbeiten können, ob es noch andere Möglichkeiten gibt als das, was wir bis dahin kennen gelernt hatten. Das war für uns auch eine wunderschöne Zeit. Und ich glaube, dieser Krampf, den wir oft im deutschen Film haben, dass wir erfolgreich sein wollen und müssen, der blockiert ganz viel, weil man dann plötzlich vor diesem enormen Druck, der dadurch entsteht, mutlos werden. Ich würde mir manchmal eine große Leichtigkeit wünschen, dass man sich einfach mehr traut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Da will ich jetzt gar nicht mit dem Finger auf andere zeigen, ich finde da müssen wir Regisseure alle bei uns selber anfangen. Und da darf dieser ganze Industrie-Apparat, der am Film dran hängt, nicht auftreten und sagen "Dass wird nichts, dafür gibt es kein Geld". Man braucht dann eben jemand, wie ich ihn hatte, unseren Produzenten Peter Rommel, der einfach ein mutiger Produzent ist und sich traut, das Geld vom vorherigen Deutschen Filmpreis auf den Kopf zu hauen und zu sagen: "Lass uns nach Frankfurt fahren, mir ist das genauso wichtig".
Sie haben für "Halbe Treppe" eine recht interessante, vielköpfige Berliner Band engagiert, die "17 Hippies".
Dresen: Ja, das ist eine wunderbare, lebendige Truppe, die sich von Musik aus der ganzen Welt inspirieren lässt. Ich fand es schön für den Film, so eine Weltmusik über Frankfurt/Oder auszukippen und damit dem Film auch eine größere Weite zu geben. Der Film bleibt dadurch eben nicht so klaustrophobisch eng in dieser Vierer-Konstellation hängen. Und dann arbeiten die "17 Hippies" ja auch ganz ähnlich, wie wir beim Dreh von "Halbe Treppe". Sie arbeiten auch in einer Gruppe, sie improvisieren – und man könnte sich wahrscheinlich nicht mit denen an einen Schreibtisch setzen, um sich einen Song ausdenken. Das funktioniert mit denen nicht, sie sind eher sehr spontan. Ich war erst in einem Konzert von ihnen und hab sie danach nach Frankfurt/Oder eingeladen. Sie sind dann mit an die Drehorte gekommen, sie haben auf dem Truckparkplatz auch ein kleines Konzert gemacht und überall an den Drehorten gespielt. Sie haben sich dann auch von den ganzen Orten inspirieren lassen, so dass der Soundtrack schon während der Dreharbeiten entstanden ist.
Kommen wir zum Schluss. Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur sind Sie?
Dresen: Es gab ja früher bei uns das Heft "Mosaik", was ich auch gelesen habe. Da gab es die Diggedags, oder später die Abrafaxe – aber damit würde ich mich jetzt nicht unbedingt identifizieren. Ich wäre dann schon eher jemand, wie der Ritter Runkel von Rübenstein, der kam auch in den Heften vor, der hat immer seine goldenen Ritterregeln gehabt. Zum Beispiel: "Ein Ritter meidet Streit und Zank und schiebt ihn auf die lange Bank". Obwohl, meine Lebensmaxime ist das jetzt nicht unbedingt.
Sie sind Filmregisseur, fällt Ihnen da noch eine Filmfigur ein, mit der Sie sich identifizieren?
Dresen: Ich kann mich natürlich mit der Rolle des Ferrand in "Die amerikanische Nacht" identifizieren. Dort spielt nämlich der Regisseur des Films, François Truffaut, im Film den Regisseur Ferrand. Und Truffaut zeigt in dem Film die Branche, wie sie wirklich ist, teilweise urkomisch, aber nicht zum verlachen. Da arbeiten Leute mit riesig großem Engagement an einem riesigen Unternehmen, das zuerst sehr unmöglich erscheint, aber am Schluss ist wie durch ein Wunder doch ein Film da. Mir gefällt die Art, wie Truffaut das zeigt in dem Film, weil er es lustig zeigt, ohne sich lächerlich zu machen. Er zeigt, dass mit unheimlichen Engagement, etwas unmögliches versucht wird. Und etwas unmögliches muss man ja immer wieder probieren, denn sonst wird’s langweilig.