Herr Krug, Sie haben mit mehreren Jazz-Musikern dieses Jahr Ihre erste Weihnachts-CD aufgenommen, „Der Weihnachtskrug“, auf der Sie 12 der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder interpretieren. Viele der Titel kommen sehr beswingt daher. Soll man nun unter dem Weihnachtsbaum auch das Tanzbein schwingen?
Manfred Krug: Warum nicht, ich finde, gerade am Heiligabend ist endlich Zeit zu tanzen. Und danach ist es vielleicht sogar Zeit, ein kleines Christkindlein zu zeugen.
Ich habe im Booklet dieser CD geschrieben: wer weiß schon, welche süßen Myrrhen-Düfte nach der Geburt des Kindes im Stall zu Bethlehem durch die Landschaft nebelten und zu welchen panafrikanischen Rhythmen die heiligen drei Könige ihre Röcke rafften und loslegten, nachdem sie die Geschenke an der Krippe abgelegt hatten. Warum sollten wir nicht auch bei Weihnachtsliedern die vielen Farben, die die Welt inzwischen entwickelt hat, und die wir alle kennen, warum sollten wir die nicht auch im Rhythmus und in der Auffassung dieser Lieder verwenden?
So eine CD wird natürlich schon viele Monate vor dem Beginn der Weihnachtszeit produziert.
Krug: Ja, meine Musiker haben bereits im Mai diesen Jahres angefangen, ich kam dann später hinzu. Aber da gibt es zum Beispiel die Anekdote, dass Louis Armstrong, als er einmal eine Weihnachtsplatte im Sommer aufgenommen hat, sich einen geschmückten Christbaum ins Studio hat stellen lassen, um in die richtige Stimmung zu kommen. Ich muss sagen, ich glaube das zwar nicht, aber es ist eine sehr gute amerikanische Geschichte.
Aber auch den Normalbürger erreicht die Weihnachtszeit inzwischen ja schon weit im Voraus. Wie ergeht es Ihnen, wenn Sie schon im September im Supermarkt die ersten Weihnachtsmänner sehen?
Krug: Ich gehe ja gar nicht in den Supermarkt, meine Frau erledigt das für uns. Ich gehe nicht in den Supermarkt, weil dann gleich immer zig Leute ihren Wagen in die Nähe von meinem Wagen schieben und kleine unverfängliche Gespräche anfangen wollen.
Was die Weihnachtsmänner angeht – ich denke, in Kürze werden die schon im Juli zu sehen sein und zwar gleichzeitig mit den Osterhasen.
Welche Musik wird denn bei Ihnen an Heiligabend aufgelegt?
Krug: Wir haben das große Glück, dass wir vor 30 Jahren in irgendeinem Trödelladen einen Christbaumständer aus dem 19. Jahrhundert entdeckt haben. Wenn man den Tannenbaum darin richtig zentriert hat, zieht man den mit einem Schlüssel auf, denn der hat ein Federwerk eingebaut, und dann dreht der sich. Und während der sich dreht erklingen vier verschiedene Weihnachtslieder. Dazu singen wir dann. Das war lange Zeit ein wesentlicher Teil der Gesangsausbildung und Musikerziehung unserer Kinder. Denn meine Frau singt sehr schön, glockenrein – und ich treffe auch ’ne Menge Töne.
Wie sehr geht es Ihnen um die christlichen Inhalte der Weihnachtslieder?
Krug: Ich bin Atheist, benehme mich aber trotzdem wie ein Christ. Das heißt, ich klaue nicht, ich gebe den Armen – rede aber nicht so viel darüber, wie manch anderer. Ich helfe, gebe dem Finanzamt alles, was die überhaupt nur haben wollen, ich habe nie versucht auch nur eine einzige Mark dem Finanzamt vorzuenthalten. Ich bin total christlich, abendländisch geprägt. Und ich bin auch ein großer Anhänger dieser wunderbaren Weihnachtsgeschichte, ich war es, der wusste, wo sie steht in der Bibel, nicht meine Plattenfirma. Ich habe auch die ganze Geschichte abgeschrieben um mich ein wenig im Stimmung zu bringen.
Ich sehe mich schon als prädestiniert, eine solche Weihnachtsplatte zu machen. In meiner Kindheit hat mich Weihnachten, Sankt Nikolaus und Sankt Martin schon immer fasziniert. „Sankt Martin war ein guter Mann, im Schnee, da saß ein armer Mann, hat Kleider nicht, hat Lumpen an, Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel und verweilt“ – das sind christliche Werte, die ich mir schon früh angeeignet habe. Warum sollte ich also keine Weihnachtsplatte machen? Vor allem: ich war als kleines Kind in einem katholischen Kindergarten.
Ich finde, gerade am Heiligabend ist endlich Zeit zu tanzen. Und danach ist es vielleicht sogar Zeit, ein kleines Christkindlein zu zeugen.
Wie ist es Ihnen dort ergangen?
Krug: Es gab dort zwei Schwestern, Theresita und Alberna. Theresita zum Beispiel, die dickere von den beiden, hat mich mehrmals ganz heftig verprügelt. Da habe ich überhaupt erst gemerkt, dass Schwestern und Nonnen auch bloß verkleidete Menschen sind. Mit 19 Jahren, ich war gerade aus der Schauspielschule geflogen, habe ich sie in Berlin-Henningsdorf, wo dieser Kindergarten war, besucht. Sie hat dann meine damals noch sehr warme, durchblutete Hand auf ihren, durch ein schwarzes Kostüm bedeckten Oberschenkel gelegt und gesagt: Manfred, wann kehrst du denn zur Mutter Kirche zurück?
Was haben Sie darauf gesagt?
Krug: Ich konnte nichts sagen, denn ich spürte eine gewisse Behaarung zwischen ihren Schenkeln und dachte nur – um Gottes Willen!
Sind Sie heute eigentlich ganz Musiker, nicht mehr Schauspieler?
Krug: Ich habe jetzt schon so viele Jahre in Studios vor der Kamera verbracht. Und es ist kein toller Zustand, wenn man auf die Frage „wo waren Sie gestern Abend zwischen 20 und 23 Uhr?“ immer nur etwas anderes antworten kann. Da habe ich mir gesagt, ich mache etwas was ich früher schon gemacht habe, und singe, mache Musik, komme mit den Leuten lebendig zusammen.
Außerdem, sich zu merken, an welcher Stelle, bei diesem und jenem „Tatort“ die Frage „Wo waren Sie gestern Abend zwischen 20 und 23 Uhr“ vorkommt – das strengt im Alter besonders an.
Man sieht Sie so oft mit Zigarre, rauchen Sie auch privat so viel?
Krug: Nein, privat eigentlich gar nicht. Aber es gibt Situationen in der Öffentlichkeit, da bin ich aufgeregt. Normalerweise sind es aber am Tag nur zwei Zigarren. Die paffe ich aber nur, mit meiner Bombenlunge.
Würden Sie es als Missachtung Ihrer Leistung empfinden, wenn Ihre Weihnachts-CD auch im Supermarkt gespielt würde, zur Berieselung der Kundschaft?
Krug: Nein, ich glaube nicht. Wir leben nun mal in so einer Welt, in der alles berieselt wird. Wenn Sie zum Beispiel von der einen Stadt in die andere reisen. Sie verlassen das Hotel und steigen in ein Taxi. In dem Taxi hören Sie dann die Lieblingskassette des Taxifahrers oder seinen Lieblingssender, gemischt mit seinem Taxi-Funk. Da sind Sie am Flughafen schon mal völlig fertig. Dann steigen Sie in das Flugzeug ein, dort hören Sie die ganze Startphase hindurch die Lieblingskassette von dem Pilot, bis der meint, Sie seien jetzt beruhigt genug und er kann die Musik endlich runterregeln. Kaum sind Sie aus dem Flugzeug ausgestiegen fängt auf dem Flughafen die ganze Sülze wieder an. Zwischen den Meldungen, dass Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen sollen und so weiter wird ja auch Musik gestreut. Dann steigen Sie wieder in ein Taxi – dasselbe Spiel von vorne. Sie kommen in die Hotelhalle, dort bekommen sie die Lieblingskassette des Hoteliers um die Ohren gehauen. Sie gehen Pinkeln, auch dort geht die Berieselung weiter, Sie steigen in den Fahrstuhl, in dem natürlich auch Musik läuft. Und zum Schluss betreten Sie Ihr Zimmer, dort läuft laut der Fernseher und auf dem Bildschirm steht – „Herzlich Willkommen Herr Krug“. So hört sich unsere Welt inzwischen an.