Josef Hader

Gewinner darstellen, das haut net hin bei mir.

Der österreichische Schauspieler und Kabarettist Josef Hader über Kirche, Festspiele, Gesellschaftskritik, schwarzen Humor und seine Rolle als Detektiv Brenner in "Silentium"

Josef Hader

© Senator Film

Herr Hader, nach "Komm Süßer Tod" spielen Sie in "Silentium" bereits das zweite Mal den Privatdetektiv Brenner – mögen Sie den eigentlich?
Hader: Ja, natürlich. Es ist aber grundsätzlich so, dass man eine Figur mögen muss, oder sie zumindest verstehen muss. Das gilt auch für ganz böse Menschen, die man spielt. Die muss man verstehen, gegen den Rest der Welt verteidigen und versuchen, sie für den Zuschauer verstehbarer zu machen.

Muss man als Schauspieler auch persönlich etwas in sich haben, was die Rolle in sich hat?
Hader: Da gibt es verschiedene Schauspieler-Typen. Ich bin ja nicht so ein großartiger, reiner Filmschauspieler, ich brauche schon einige Affinitäten in der Figur. Und letztendlich muss man sich ja immer bei jeder Rolle fragen: was von mir selber kann ich nehmen? Und den Rest muss man sich dann halt zusammenbasteln, aus Gedanken, Fantasien, aus Menschen, die man kennt… Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, eine Rolle zu spielen, ohne etwas von mir selber zu verwenden. Andererseits ist es sehr schwierig, eine Rolle zu spielen, die ganz nah an einem selber ist, weil man dann überhaupt keine Kontrolle mehr darüber hat, inwieweit man sich selber spielt.

Der Detektiv Brenner ist ja so etwas wie ein Anti-Held – haben Sie eine Affinität zu Loser-Typen?
Hader: Ja, ich kann keine Gewinner darstellen, das haut net hin bei mir, selbst wenn ich ein Jahr lang nur für so eine Rolle trainieren würde. Ich würde mir das nicht zutrauen. Außerdem sind gebrochene Figuren, die zwei Seiten in sich haben, viel spannender zu spielen.

Inwiefern verbindet sich mit der bissigen Satire von Wolf Haas in "Silentium" für Sie auch eine bestimmte Kritik, an der Institution Kirche und an der High Society bei den Salzburger Festspielen?
Hader: Also, keiner von uns gibt das so richtig zu. Die Sache ist eben die: der Wolf Haas übt in seinen Romanen Gesellschaftskritik, aber er macht das sehr leicht, aus dem Handgelenk und der Film versucht das ein bisschen nachzumachen. Jetzt gibt es aber diese Gattung von Filmen und Romanen, die sich einfach darauf ausruhen, gesellschaftskritisch zu sein und es gibt Autoren und Schauspieler, die sich in ihren Interviews geradezu darin suhlen, dass sie gesellschaftskritisch sind. Das alles kennen wir – und mit alldem wollen wir nichts zu tun haben. So entsteht dann auch diese leichte Reserviertheit, wenn der Haas oder ich über das gesellschaftskritische Element sprechen. Wir betonen das nicht so stark.
Man kennt doch diesen Typ von Männern, die dauernd prahlen mit ihren Frauen-Bekanntschaften – das sind immer die, die am wenigsten haben. Und ungefähr so ist es mit den Künstlern, die große Gesellschaftskritik vor sich hertragen.

Haben Sie persönlich denn ein kritisches Verhältnis zur Kirche?
Hader: Das Problem ist, dass die Kirche eigentlich kein richtiger Gegner mehr ist, weil diese Institution in den letzten 20, 30 Jahren zu sehr an Macht, Einfluss und an Gestaltungskraft in der Gesellschaft verloren hat. Im klassischen Kinopublikum wird kaum mehr jemand verletzt oder berührt von diesen Thematiken. Weil letzten Endes sowohl die Hochkultur als auch die Kirche – brutal gesagt – der Mehrheit der Menschen am Arsch vorbeigeht. Insofern ist die Kirche nicht unbedingt ein Gegner, auf dem man so wild eindreschen möchte – für wen? Wofür?
Das ist halt eine Institution, die völlig veraltet ist, die Mitte des vorigen Jahrhunderst ihre letzte Chance hatte, sich zu reformieren, aber diese Chance irgendwie vergurkt hat. Ich bin ja selber katholisch erzogen worden, in den 70er Jahren. Damals sah es noch so aus, als würde die katholische Kirche es irgendwie hinkriegen, den Sprung in eine andere, neue Zeit. Die ersten linken Menschen, die ich kennen gelernt habe, waren Pfarrer, da herrschte eine Aufbruchstimmung. Aber dann kam die Gegenbewegung die das Ganze versemmelt hat und heute ist die Kirche unterwegs zu einer Sekte und wird in den nächsten Jahrzehnten immer mehr an Einfluss verlieren. Insofern sagen wir auch nicht im Film: wir wollen, dass die Kirche sich verändert und reformiert. Denn in Wirklichkeit glauben wir, dass der Zug da schon längst abgefahren ist.

In Österreich lief "Silentium" bereits erfolgreich im Kino – wie hat man dort reagiert?
Hader: Die Reaktion war hochinteressant. Es ging ja etwa zeitgleich der reale Skandal in St.Pölten durch die Medien – und plötzlich hatten uns zwei Drittel der Kirche lieb. Weil die den Film rein als Kritik am völlig konservativen Element verstanden haben. Mir war das auch ganz recht, ich persönlich war ja nicht unbedingt auf einen Kulturkampf mit der Kirche aus.

Und die Salzburger Festspiele, was halten Sie persönlich von dem Festival?
Hader: So ein Festival hat einen hohen Grad an Dekadenz, in der Form, dass uralte Dinge reproduziert werden, dann möglichst – teilweise auch krampfhaft – aktualisiert werden, auch in dem Wissen, damit einen Skandal hervorzurufen und dadurch im Gespräch zu sein. Man weiß auch genau, dass die Klientel, die kommen wird, teilweise protestieren wird – aber das ist dann auch wieder so ein wohliger Schauer. Von einem natürlichen Standpunkt aus würde man das eigentlich pervers finden, was dort passiert. Der Wettbewerb verläuft da ja zum Teil so: ich nehme möglichst ein unspielbares Stück von jemandem, der schon ganz lange nicht mehr gespielt wurde, der als unspielbar gilt und wenn man daraus dann einen Theaterabend schnitzen kann, der ungefähr so spannend ist wie ein B-Western, dann hat man die Theater-Sensation des Jahres geschafft.

In "Silentium" gibt es sehr häufig einen schnellen Wechsel von einer düsteren, unheimlichen Atmosphäre hinein ins Komische. Hat sich dieser Stimmungswechsel auch schon bei den Dreharbeiten vollzogen?
Hader: Meine Erfahrung vom Film ist eigentlich, dass man das nicht so spürt. Dass Szenen, die beim Drehen sehr schwierig waren, im Film sehr leicht wirken können und umgekehrt. Was man dem Film aber richtig anmerkt ist die Gesamtatmosphäre, in der gearbeitet wurde, wie sehr sich die Leute verstanden haben. Die Qualität eines Films hängt auch immer davon ab, wie gut sich die Leute verstehen. Damit meine ich nicht, dass sie immer einer Meinung sind, sondern dass sie sich aneinander heranlassen, sich reiben. Je mehr Kommunikation und Austausch da passiert, desto besser wird der Film, desto einheitlicher und desto mehr aus einem Guss. Und manche Filme geraten uneinheitlich, wenn der Regisseur mit dem Darsteller überhaupt nicht konnte, der Darsteller sich für den Film nicht interessiert hat usw. Dann entstehen Filme, wo man dann sagt "ist nur halb gelungen".

Es gibt in Europa zwei Nationen, die einen sehr schwarzen Humor pflegen, die Engländer und die Österreicher…
Hader: …und die Norddeutschen ein bisschen. Zum Beispiel Detlev Buck, der spielt in seinen guten Filmen auch in der selben Humor-Region wie England und Österreich.

Aber wo liegen die Wurzeln für den schwarzen Humor?
Hader: Das ist schwer zu sagen. Manche behaupten ja, das kommt aus dem jüdischen Humor. Der jüdische Humor entstand notgedrungen aus der Geschichte heraus, wo man Witze über todtraurige und sehr bedrohliche Sachen gemacht hat. Und im jüdischen Humor kann man entdecken, dass Witze über todtraurige Dinge eigentlich die schönsten, die größten und die tröstlichsten Witze sind.
Ansonsten ist Ihre Frage schwer zu beantworten. Das ist so, als wenn man einen Fisch fragen würde, was "nass" bedeutet.

Könnte der schwarze Humor in Österreich auch daher rühren, dass das Land heute nicht mehr die Supermacht ist, die es früher einmal war?
Hader: Was auf alle Fälle das Erbe dieser früheren Zeit ist, ist eine gewisse Lethargie, ein gewisses ‚passieren lassen‘, eine gewisse Passivität gegenüber der Zeit – das kommt sicher aus der Monarchie. Auch ein gewisses hierarchisches Denken, dieser feine Sinn für Hierarchien, den der Österreicher hat.

Wo zum Beispiel?
Hader: Also, das beste Beispiel ist, wenn Sie mal im österreichischen Rundfunk in den Aufzug steigen und man Sie dort nicht kennt. Unten werden Sie relativ neutral gegrüßt und je nachdem, in welchem Stockwerk Sie aussteigen können Sie in verschiedenen Freundlichkeitsformen verabschiedet werden. So etwas ist nur möglich in einem Staat, wo tausend Jahre lang eine Residenzhauptstadt mit Lakaienwesen war, sonst wäre so etwas nicht denkbar.

In den Pressematerialien zu "Silentium" findet sich eine amüsante Biografie von Ihnen, in der unter anderem zu lesen ist: "Eingeschult in der Volksschule Nöchling, richten seine Lehrer wegen wiederholtem Lügen mehrere Briefe an seine Eltern, deren Unterschrift Hader von seiner Großmutter fälschen lässt." Haben Sie das selbst verfasst?
Hader: Ja, das ist so eine kabarettistische Biografie.

Man gewinnt ein bisschen das Bild, als wäre Ihnen der Humor quasi mit in die Wiege gelegt worden. Was erinnern Sie noch aus Ihrer Kindheit?
Hader: Ich war ein Einzelkind, dicklich, schlecht im Sport, ein Kind, das Gleichaltrige als Feinde betrachtet hat und Erwachsene als Freunde – halt so ein typisches Einzelkind. Und das Kind ist dazu noch in ein Internat gekommen, wo es dann ja besonders vielen Gleichaltrigen ausgesetzt war. Bis 12, 13 Jahre war das alles sehr, sehr schwierig und unglücklich. Dann wurde es aber besser, auch durch das Theaterspielen, weil das war das Erste, was ich besser konnte als andere. Ein klassischer Außenseiter, das finden Sie auch in vielen anderen Künstlerbiografien.

Ist das nur Ihre eigene Perspektive oder haben das die anderen auch so gesehen?
Hader: Oh, ich bin schon immer verdroschen worden, das war nicht nur Einbildungskraft. Weil ich mich ja auch nicht sozial verhalten habe, ich habe mich zurückgezogen, oder die anderen verpetzt, weil ich immer gewohnt war, dass meine Ansprechpartner die Erwachsenen sind.

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