Pierre Brice

Ich habe versucht, eine Seele in diese Rolle zu legen.

Pierre Brice über Pierre le Bris, Erinnerungen auf dem Papier, den Erfolg von Winnetou und die Angst vor dem Tod

Pierre Brice

© Lübbe Verlag / Hella Krekel

Herr Brice, Sie haben vor kurzem Ihre Autobiografie "Winnetou und Ich – Mein wahres Leben" veröffentlicht. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Brice: Ich bin nun nicht mehr im Frühling meines Lebens, sondern, sagen wir, eher im Winter. Und bevor sich jemand entscheidet, meine Biographie zu schreiben ohne mein wahres Leben zu kennen, habe ich mich entschieden, dies selbst zu tun.

Bedeutet das für Sie eine Zäsur, dass Sie jetzt Ihr gedrucktes Leben in den Händen halten? Ist in Ihrem Leben damit etwas beendet?
Brice: Ich hoffe, dass mein Leben noch nicht beendet ist. Meine Biographie zu schreiben war für mich vielmehr interessant. Bis jetzt existierten meine Erinnerungen nur im Kopf. Ich habe mein Leben vorher nie als ein Ganzes betrachtet und jetzt musste ich plötzlich mein Leben vom Anfang an bis heute überblicken. Und dabei sind, während ich geschrieben habe, so viele Erinnerungen wieder in meinen Kopf gekommen.

Sie sind im Laufe Ihrer Karriere als französischer Schauspieler zum Innbegriff einer deutschen, romantischen Vorstellung von Indianern und Wildem Westen geworden. Wie kam es eigentlich dazu?
Brice: Das war Schicksal. Ich habe 1962 einen spanischen Film gedreht, der sehr erfolgreich war und in Deutschland auf der Berlinale gezeigt wurde. Und plötzlich kam diese Karl May-Welle, die ich natürlich nicht erwartet habe, die niemand erwartet hatte. Das war der Anfang einer Serie, die mich zu einem Star… Wobei ich dieses Wort gar nicht mag, heute ist ja jeder ein "Star", egal ob "Fernsehstar", "Pornostar"… dieses Wort hat für mich heute keine Bedeutung mehr. Es wäre besser zu sagen, dass ich plötzlich Liebe von Seiten des Publikums bekommen habe – und das war wichtig für mich. Als damals der erste "Winnetou-Film" fertig war, hatte ich nicht geglaubt, dass mich diese Figur noch dreißig Jahre lang begleiten würde. Und als wir "Winnetou III" gedreht haben, dachte ich: "Gut jetzt ist für mich die Welt zu Ende, die Figur ist gestorben und ich nun kann jetzt andere Rollen spielen, vielleicht in Deutschland, aber sicher in Italien, in Spanien und auch in Frankreich." Aber der Erfolg des ersten Filmes war so groß, dass der Produzent sich dazu entschied, noch mehr "Winnetou"-Filme zu drehen. Und ich konnte nicht "Nein" zu einem Produzenten sagen, der mich zu einem erfolgreichen Schauspieler in Deutschland gemacht hatte. Ich habe ja auch nach der Premiere von "Schatz im Silbersee" gemerkt, wie groß der Erfolg von Karl May in Deutschland war.

Und wie erklären Sie sich diesen Erfolg der Winnetou-Filme?
Brice: Nun, der erste Grund für diesen Erfolg ist Karl May. Der zweite Grund ist diese Freundschaft zwischen zwei Helden, die beide positiv sind und ein dritter ist die Musik von Martin Böttcher.

Sie schildern in Ihrer Autobiografie eindrücklich Ihre Erfahrungen im Krieg, im Zweiten Weltkrieg, in Algerien und Indochina. Wie haben diese Erfahrungen Sie später im Schauspieler-Beruf beeinflusst?
Brice: Das hat nichts miteinander zu tun. Ein Militär zu sein ist eine Funktion, das hat keinerlei Verbindung mit Schauspiel.

Aber prägen solche Erfahrungen nicht die Persönlichkeit, welche man dann im Schauspiel…
Brice: Nein, ich sehe das völlig getrennt voneinander.

Winnetou verkörpert als ‚edler Wilder‘ bestimmte Werte wie Freiheit, Friede, Menschenwürde und Toleranz. Sind das auch Ihre Vorstellungen?
Brice: Das ist die Erklärung dafür, warum ich weiter Winnetou gespielt habe. Weil diese Werte, die Karl May in dieser Fiktion verteidigt hat, auch Werte sind, für die ich mein ganzes Leben lang gestanden habe. Das bedeutet, dass diese Figur sehr nah an meiner Person war. Ich habe versucht, mehr als nur mein Schauspieltalent zu zeigen und auch eine Seele in diese Rolle zu legen. Ich habe mich mit dieser Rolle identifiziert.

Manchmal beschreiben Sie sich in Ihrem Buch als zwei Personen, einmal als der gebürtige Pierre le Bris und dann als der Künstler Pierre Brice. Wie wichtig ist Ihnen die Rolle des Pierre Brice?
Brice: Ich denke oft daran, was ich als junger Mann machen wollte. Ich wollte Marineoffizier werden, das war mein Schicksal. Ich bin in Brest geboren, mein Vater war auch Offizier und ich gehöre zu einer Familie, in der all meine Onkel Offiziere waren – das war Tradition. Und als ich angefangen habe, mein Buch zu schreiben, habe ich mir überlegt, was Pierre le Bris von Pierre Brice gedacht hätte, besonders weil diese zwei Berufe so weit voneinander entfernt sind. Also, der Offizier, der ich geworden wäre, hat einen kritischen Blick auf den Schauspieler. Für mich war das im Buch auch leichter und amüsanter zu schreiben, so ein Dialog zwischen zwei Menschen, die eigentlich die gleiche Person sind.

Und wer hat nun das Buch geschrieben?
Brice: Der Autor des Buches ist Pierre le Bris. Der Autor hat nichts zu tun mit Pierre Brice. Ich bin nur unter diesem Namen bekannt geworden.

Welche Frage würden Sie sich selbst oder Ihrem Publikum noch beantworten wollen?
Brice: Zum Beispiel: Was würde Pierre le Bris machen, wenn es nach dem Tod noch ein anderes Leben gibt?

Glauben Sie denn an ein Leben nach dem Tod?
Brice: Nein. Ich hoffe zwar, dass Gott existiert, aber ich bin mir nicht sicher. Es wundert mich immer, wenn Leute sagen: "Gott existiert. Ich weiß es." Wer kann das wissen, wer? Viele Leute hoffen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Das wäre schön, weil das Leben sehr kurz ist. Ich denke oft an das Heute, wo ich 75 Jahre alt bin. Und plötzlich denke ich an den Tod. Und da frage ich mich, was kommt danach? Ich muss zugeben, während des Krieges habe ich immer Tapferkeit und Courage gezeigt, aber heute fange ich an, Angst zu haben. Weil, der Tod, das ist so ein – wie sagt man "le néant" – ein Nichtsein. Dunkelheit.

Gibt es noch eine Rolle die Sie gerne spielen möchten, einen Wunschtraum, den Sie sich erfüllen möchten?
Brice: Ja, es gibt eine Rolle, die auch Yul Brynner mal gespielt hat: den König Mongkut in "Der König und Ich". Aber dafür gibt es, glaube ich, leider keine Hoffnung mehr, weil das eine schwere und teure Produktion wäre. Und zur Zeit ist die Situation dafür in Deutschland nicht optimal.

Neben Ihrer Schauspielkarriere haben Sie sich auch immer wieder für die Menschenrechte eingesetzt, tragen das Bundesverdienstkreuz und sind UNICEF-Botschafter. Welche Projekte haben Sie als nächstes vor?
Brice: Ich hoffe, dass ich bis zum Ende meines Lebens Menschen helfen kann. Ein Teil davon ist als nächstes eine Gala, die ich am 28. Mai 2005 mit Paul McCartney und seiner Frau zusammen in Neuss mache, für das Anti-Landminen-Projekt der UNICEF. Und dann bin ich immer bereit, solange ich gesund bin, armen Leuten zu helfen. Dass ist für mich besser als alle Bambis und alle Preise, die ich bekommen habe. Der größte Preis für mich ist der Blick von Kindern, wenn ich Ihnen geholfen habe. Das ist mein größter Stolz.

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