Westbam

Für mich ist Rebellion ein Dauerzustand.

DJ und Techno-Produzent Westbam über musikalische Rebellion, Drogenkonsum auf Techno-Partys, sein Album "Do You Believe In The Westworld" und warum er nicht auf Ibiza auflegt

Westbam

© westbam.de

Westbam, ein Teil deiner aktuellen Tourtermine fällt in die Zeit vor der Bundestagswahl. Wirst du da deinen Fans von der Bühne aus empfehlen, wählen zu gehen?
Westbam: Nein, das werde ich nicht. Weil ich mich selbst kaum entschließen kann, wählen zu gehen. Das muss jeder mit seinem eigenen Gewissen ausmachen und ich kann es sehr gut verstehen, wenn jemand nicht wählen geht. Ich sehe auch nicht, dass unsere Demokratie bedroht ist, wenn jemand nicht wählen geht. Weil ich finde, nicht wählen zu gehen ist heute ein durchaus demokratischer Act.

War das früher anders?
Westbam: Ich bin früher auch schon mit Begeisterung zu Wahlen gegangen, vor allem, wenn es darum ging, Regierungen abzuwählen. Aber im Moment muss ich sagen, macht es mir weder Freude, was politisch derzeit läuft, noch, was in Zukunft ablaufen könnte – das ist doch alles einfach nur scheußlich und abstoßend.

Es gab in den vergangen Wahlkämpfen auch immer wieder Musiker, die Gerhard Schröder unterstützt haben.
Westbam: Ja, das soll jeder machen, wie er meint. Ich zum Beispiel habe früher gerne Grün gewählt hat. Aber irgendwann habe ich mich gefragt, warum ich eine Partei wähle, die in allen Dingen, wo sie in mein Leben getreten ist, nur fürchterliche Sachen veranstaltet hat. Mir soll die Hand abfallen, bevor ich die noch mal wähle. Ich musste in meinen Betrieb von 15 Leuten sieben entlassen – da werde ich nicht eine Partei wählen, die auf ihrer Homepage dafür wirbt, dass sich doch alle Musik aus dem Netz runterladen sollen, wie sie wollen. Das ist natürlich ein duftes Motto für die verrückten Grünen, aber ich wüsste da nicht, warum ich diese Partei noch wählen soll.

Was ist mit den Sozialdemokraten?
Westbam: Also, auch die Sozis: bei allen Aspekten, wo es mich persönlich betroffen hat, ist es nicht nur so, dass deren Politik für mich schädlich war, sondern dass ich genauso wenig gesehen habe, dass die im Interesse des Landes oder der Stadt Berlin gehandelt hätten. Ein Beispiel wäre die Love Parade: die Sozialdemokraten und die Grünen, so verkniffene Alt-Hippies, die haben letztendlich so was wie die Love Parade gehasst, weil sie meinen, dass das ihren ganzen Demonstrations-Scheiss von ’68 konterkariert. Die haben sich selber schon so dermaßen ad absurdum geführt.

Elektronische Musik und Politik haben relativ selten Berührungspunkte. Nun hast du aber dein neues Album mit "Do you believe in the Westworld" betitelt – das klingt schon ein bisschen nach Politik.
Westbam: Wobei es da aber auch die zweite Ebene gibt, durch meinen Namen: Westbam – Westworld.
Es geht also einerseits um die Pose, mit erhobener Faust dazustehen und die Leute zu fragen: "Glaubt ihr an die Westliche Welt". Und auf der anderen Seite rede ich mit Westworld über die eigene Musikwelt. Das hat eine gute Situationskomik, wie ich finde.

Auf dem Cover finden sich neben deinem Konterfei noch andere Dinge: ein Flugzeug, Pegasus, eine Dampflock, ein Flugzeug, ein Dinosaurier…
Westbam: Also, ich bin ja der Musiker und nicht der Maler des Covers. Der Pegasus ist auf jeden Fall künstlerische Freiheit, auf den wäre ich im Traum nicht gekommen, aber ich finde es ok, dass er da drauf ist.
Ich habe von ein paar Leuten gehört, das Cover sähe sehr ‚ostig‘ aus, und sie meinen, ich trüge einen Arbeiteranzug – dabei ist das nur mein Jeansanzug. Und andere meinten, der Dinosaurier solle andeuten, dass ich der Dinosaurier bin.

Aber die hochgestreckte Faust sieht so ein bisschen aus, wie…
Westbam: … ein Lenin-Denkmal, oder?

Ja, man könnte aber auch an die frühe, in England von der Polizei verbotene Rave-Bewegung denken, du quasi als einer der Raver, der der Polizei die Faust entgegenstreckt.
Westbam: Ich habe immer schon den Hang zu brachialen Posen gehabt, das muss ich zugeben. Die linke, hochgereckte Faust, das ist einfach ein starkes Zeichen. Ich will das aber jetzt nicht unbedingt verstanden wissen als die Faust, die der Bedrohung durch die Bullen entgegengereckt wird, oder als die leninistische Faust – das möchte ich eigentlich offen lassen. Denn wenn man das jetzt weiter ausführt und erklärt, dann wird es irgendwann langweilig.
Für mich ist dieses Cover so ein bisschen ein Chaos, wo man draufguckt und sich fragt: wie ist das denn gemeint? Und wenn das erreicht ist, dann hat das Cover für mich schon absolut die Wirkung, die es haben soll.

Trotzdem noch ein Deutungsversuch: die erhobene Faust strahlt auch ein Stückweit Rebellion aus – gibt es die heute noch in der Techno-Szene, wenn du auflegst?
Westbam: Also, für mich ist Rebellion ein Dauerzustand. Ich rebelliere eigentlich immer, von Natur aus. Zu aller erst, als ich mit 14, 15 mit Punk-Rock angefangen habe, da war das so ein bisschen eine übernommene Rebellion. Und als ich mit DJ-Musik angefangen habe, war das eine Rebellion gegen meine Rock- und Hippie-Sache.
Und heute ist Rebellion auch viel Rebellion gegen den Stumpfsinn in der Techno-Kultur. Rebellion ist einfach dagegen sein, gegen das, was jetzt gerade in einer Gesellschaft up to date ist: eine bestimmte Art zu denken, sich zu äußern, wie irgendwas bewertet wird, in welchen Worten man über bestimmte Sachen redet … da bin ich aus Prinzip fast immer dagegen.

Wie äußert sich denn der Stumpfsinn in der Techno-Kultur?
Westbam: Ich meine damit zum Beispiel diesen "Geschmacksmittelstand", wie ich das nenne. Die Leute, welche bestimmte Sachen übernommen haben und jetzt meinen, sie sind besser als der Rest der Bevölkerung, die aber innerhalb ihres Zirkels immer nur das nachbeten, was eben in diesem Zirkel gebetet wird. Aber sich dann zu erheben, über andere Leute, das ist so lächerlich. Immer wenn sich Leute schlau fühlen wollen, mit irgendwas, was nie ihre eigenen Gedanken waren, was nie ihre eigenen Konzepte waren, die sie nicht mal verstehen – aber das gibt es nicht nur im Techno, sondern davon ist eigentlich kein Bereich der Gesellschaft frei.
Ich respektiere immer jemand, der seinen eigenen Kopf hat und seine eigenen Gedanken und seine eigene Meinung. Aber die allermeisten Leute, 99 Prozent habe irgendwie Meinungen, die sie von irgendwoher übernehmen – und manche übernehmen sogar nicht nur die Meinung, sondern auch die Art, wie diese Meinung geäußert wird. Es wird alles nur übernommen und dann hervorgebracht als der Inbegriff von Originalität oder eigener Persönlichkeit – das ist dann einfach großer Schwachsinn.

In Bezug auf die Musik bedeutet das also: Musiker kopieren andere Musiker anstatt eigene Sounds zu kreieren?
Westbam: Ja, zum Beispiel in den 90ern, in der Rave-Zeit, da war es populär, zu sagen "Ich bin Underground und ich habe hier meine eigene, coole Musik". Aber das war zufälligerweise bei jedem Acid, aber rein zufällig auch bei jedem "neu, neu, neu". Heute hörst du dir das an: es war alles Schrott. Aber damals kam das mit einer Pose daher, jeder meinte, er hätte das aus sich selber heraus geboren. In Wahrheit hat man aber nichts als Klischees hervorgebracht, nichts als uniformierten Mist verzapft und das trotzdem immer mit der Pose des Originellen und diesem "ich habe mir dabei richtig was gedacht".

Gibt es für dich denn noch eine musikalische Rebellion?
Westbam: Vielleicht sollten wir von dem Wort "Rebellion" wegkommen, weil es irgendwo …. Das Wort passt für mein Lebensgefühl, weil ich sozusagen schnell gegen etwas bin und auf so eine rotzige Art auch schnell dagegen halte. Aber wenn man das jetzt musikalisch nachweisen will, oder rebellische Musik machen will – dann läuft das wieder auf so ein hohles Gepose hinaus…

… was durch die Musik selbst nicht wirklich erfüllt werden kann.
Westbam: .. ja genau. Gerade was so in der Musik als Rebellion wahrgenommen wird, ist ja meistens letztendlich auch Klischee. Du kannst eigentlich fast sagen: das, was als Rebellion wahrgenommen wird, ist fast immer Krach, ist fast immer atonal, ist fast immer Strukturen-verneinend. Und so Sachen, die so gewollt sind, a la "wir machen es jetzt mal ganz krass", Björk oder solche Sachen, dieses "ich bin so musikalisch, ich bin so krass, ich mache die verrücktesten Dinger, und dann habe ich noch einen Geiger, der spielt was ganz Verrücktes dazu…" ist gar nichts für mich.

Zitiert

Ich möchte am liebsten, dass alle druff sind - druff auf der Musik.

Westbam

Wobei du inzwischen auch "Live-Konzerte" spielst. Wie läuft das ab?
Westbam: Da spielt ein Drummer, ein Gitarrist, dann spielen der Klaus Jankuhn und ich elektronisch und dann gibt es auch noch zwei Sängerinnen.

Spielt ihr live Songs oder wird es eher ein langes Set?
Westbam: Ich will die Stücke schon als einzelne Stücke spielen, ich will Pausen zwischen den Stücken haben, ich will am Anfang nach Möglichkeit einen Vorhang haben – und ich möchte keine Turntables auf der Bühne haben.

Das wird auch geprobt?
Westbam: Das wird absolut geprobt – ich möchte mich ja auch nicht zum Affen machen.

Was glaubst du, wie deine Fans das aufnehmen werden?
Westbam: Da habe ich gar keine Ahnung. Und das finde ich ja gut, ich finde es im Prinzip immer gut, wenn man nicht weiß, wie es am Ende wird. Ich weiß ja im Moment selber noch nicht genau, wie diese Musik sein wird. Ich kann das auch nicht vollständig erklären, warum es jetzt Live-Konzerte sein müssen, aber ich habe das Gefühl, dass das mir und meiner Musik etwas bringt.
Wobei das jetzt nicht heißen soll, dass mit den Konzerten die DJ-Sets entwertet sind. Ein DJ-Set ist nach wie vor eine gültige Ausdrucksform. Nur gibt es für mich keinen Grund, daran als Ausschließlichkeit festzuhalten.

Kommen wir mal zu den Techno-Partys, auf denen du auflegst: heute und früher, sagen wir vor 15 Jahren – welche Unterschiede siehst du da? Was erlebst du als DJ, feiern die Leute heute anders, sind heute mehr Drogen als früher im Spiel…
Westbam: Ich finde, es ist überraschend ähnlich geblieben, über die ganze Zeit, das Ausgehen und die Musik… Wenn ich jetzt überlege, wie ich mit 17 zum ersten Mal ins Berliner "Metropol" gegangen bin, was damals ein großes Schwulenfest war, mit stampfenden Beats und flimmernden Lichtern und schreienden Leuten – da muss ich sagen: das war für mich der Blueprint und der ist es für mich bis heute geblieben.
Was die Drogen anbelangt, das kommt drauf an, ist mal so mal so. Es gab früher schon Drogenpartys wo viele Leute drauf waren, es gibt heute sehr nüchterne Partys, wo keiner drauf ist…

Was ist für dich angenehmer als DJ?
Westbam: Das kommt auch drauf an. Eine sehr nüchterne Party ist eher doof, wobei ich auch zögere zu sagen: ich will, dass alle druff sind. Ich möchte am liebsten, dass alle druff sind, auf der Musik, das ist für mich wichtig. Und wenn das nur mit Drogen geht – ok. Aber wenn das auch mit Musik geht – eigentlich besser.

Guckst du als DJ nicht oft in sehr viele leere Gesichter?
Westbam: Ja, wobei, ich habe da ein gewisses Verständnis für Eskapismus, in jeder Form. Ich war zum Beispiel vor kurzem in Russland, St.Petersburg. Das war eine große Party mit 10.000 Leuten und da sind auch bestimmt Leute druff, und viele Leute eben auch nicht druff. Aber es ist eine große Ekstase und alle feiern, das merkst du schon gleich beim Reinkommen, alles stinkt nach Schweiß … Ich finde das sehr intensiv. Und leere Gesichter? Ich sehe da eher so beglückte, durchgeknallte Gesichter. Verschwitzt, ausgetobt, mit den Haaren auf halb 7, die Schminke verschmiert bei den Frauen. Die Leute toben – und das finde ich jetzt gut.
Aber es stimmt, es gibt auch dieses hohle, dieses Leere in den Gesichtern: Ibiza. Da spiele ich auch nicht, sozusagen vor den abgefütterten Industrie-Fressen, die sich auf der 20. Pille noch mal den Roger Sanchez reinziehen, so blöd auf House… Das habe ich früher auch an Disco gehasst: dieses angepasst Hohle, Nette und dann auch noch Verdrogte. Das sind Leute, die haben sonst wahrscheinlich ’nen netten Beruf und so, aber dann spielen sie auf Ibiza den hohlen Paradiesvogel.

Und in Bezug auf Berlin: würdest du nicht sagen, dass die hiesigen Techno-Partys ohne Drogen weitaus schlechter funktionieren würden?
Westbam: Nein, das glaube ich nicht. Die übliche Meinung, der Standard-Satz ist ja: "Die Kids von heute dröhnen sich so zu, früher konnten die Leute noch damit umgehen." Meine Analyse dagegen: es ist genau umgekehrt. Früher konnten die Leute überhaupt nicht mit Drogen umgehen, da gab es die vielen Todesopfer – heute nicht mehr. Die Leute lernen ja auch irgendwo dazu. Früher haben die Leute das bis zum Abwinken gemacht, die Kids von heute aber sind schon schlauer.

Wie weit sind Drogen denn unter den DJs verbreitet, wenn man fragen darf? Ich meine den Konsum während der Arbeit.
Westbam: Also, da würde jetzt niemand antworten: ja, ich nehme immer Drogen. Ich kann aber dazu sagen, dass es immer wieder Veranstalter gibt, die eine Freude daran haben, den DJ abzufüllen. Die kommen immer mit irgendwelchen Schnäpsen an, wo ich dann denke: "Alter, was ist denn dein Wunsch? Du willst doch eigentlich, dass ich Platten auflege. Oder willst du, dass ich am Ende nur noch lalle?" Die nehmen es einem aber fast übel, wenn man am Schluss nicht vollständig abgefüllt ist und am liebsten noch in die Ecke kotzt.
Also, im Nachtleben – so lange ich es kenne – gab es immer Alkohol und es gab auch immer Drogen und es gab auch immer besoffene DJs und DJs auf Drogen. Aber glauben, dass die Qualität der DJ-Sets dadurch profitiert hätte, das tue ich absolut nicht. Die Wahrheit ist: ein paar Züge kiffen, das geht noch, da kann man sagen, das ist zum Mixen ganz gut… Ansonsten ein bisschen trinken, drei, vier Bier, ist auch ok. Aber alles, was darüber hinaus geht, darunter leidet dann die Qualität der DJ-Sets.

Seit wie vielen Jahren machst du jetzt eigentlich hauptberuflich Musik und Partys?
Westbam: Also, ich habe mit 18 angefangen, da ging ich noch zur Schule, habe dann mit 19 Abitur gemacht und ab da müsste man dann rechnen, also seit 1984.

Gab es in den vielen Jahren auch irgendwann mal einen Punkt, wo du für dich diesen Widerspruch gesehen hast: einerseits jedes Wochenende Partys feiern und auf der andern Seite das Elend rund um den Globus, Armut, Hunger, Kriege etc.?
Westbam: Ja, absolut. Aber das kennt ja jeder. Das kann jeder…. das kann sich im Grunde jeder nach dem Mittagessen fragen.

Aber dieser Widerspruch, hat der bei dir etwas ausgelöst?
Westbam: Nein, wie bei den meisten Menschen nicht besonders viel. Das ist natürlich auch die menschliche Natur und relativ wenig Leute empfinden das so intensiv, dass sie dann wirklich alles von sich schmeißen, so wie der Schauspieler aus den "Sissi"-Filmen, Karlheinz-Böhm, der ja heute nur noch nach Afrika fliegt und dort hilft. Das könnte theoretisch jeder so machen. Ich sehe den Widerspruch aber gar nicht so speziell beim Feiern, weil gerade dieses intensive Feiern ist ja schon auch eine Flucht aus der Grausamkeit der Existenz. Ich finde, die Frage nach dem Widerspruch stellt sich dann tatsächlich eher, wenn ich für 100 Euro irgendwo essen gehe.

Der Berliner "Sage-Club" zum Beispiel organisiert regelmäßig Benefiz-Partys, u.a. für ein Krankenhaus in Afrika. Hast du auf solchen Benefiz-Events auch mal aufgelegt?
Westbam: Ich habe auf solchen Sachen schon aufgelegt, aber ehrlich gesagt, finde ich das immer ein bisschen schwierig. Weil sorry, aber irgendwo wollen sich diese Leute mit Top-DJs einen hippen Abend machen und letztendlich auch ihren Laden promoten – das finde ich ganz pervers. Ich will da jetzt niemandem unterstellen, die hätten nicht auch was gespendet. Aber es gibt auch den klassischen Fall, wo Leute, die meinen, sie könnten meine Gage nicht zahlen, am liebsten eine Benefiz-Party mit mir machen wollen. So nach dem Motto "da kannst du ja wohl nicht nein sagen". Aber wenn das dann schon wieder so einen kollektiven Druck bekommt, a la "Volksgenosse, jetzt spende mal für das Winterhilfswerk der Reichsarmee, Volksgenosse, du bist doch wohl dabei…" Da muss ich sagen, kommt dann wieder der Punk-Rocker in mir hoch und da sage ich dann konkret: Nein, da bin ich nicht dabei.

In Berlin gibt es heute eine sehr aktive Partyszene, die nur im Untergrund und weniger kommerziell aktiv ist, Partys werden nicht über Zeitschriften oder Flyer kommuniziert, sondern über Malinglisten, Web-Communities oder bestimmte Szene-Websites – nimmst du daran teil?
Westbam: Ich gehe nicht mehr so viel auf Partys in meiner Freizeit, wenn ich Freitag, Samstag spiele, will ich den Rest der Woche nicht unbedingt noch gucken, wo denn jetzt die nächste heiße Party ist.
Aber was du beschreibst finde ich ok, nur die Pose "wir sind so ultrageheim" finde ich immer ein bisschen albern, so nach dem Motto: "jetzt haben wir schon nichts Neues mehr zu bieten, aber wenigstens verraten wir keinem, wo es ist." Früher musstest du eine Techno-Party nicht groß geheim halten, weil sowieso keiner wusste, was das ist. Heute weiß das jeder Volldepp und da musst du dann eben mit der Welle daherkommen "nur die besten Leute bekommen die SMS, dann gibt es noch ’ne Schnitzeljagd, dann sagt dir dort jemand das geheime Code-Wort und dann musst du nur noch durch die zehn Schleusen gehen" – aber dann kommst du am Ende an einen Ort, wo Minimal-Techno gespielt wird. Das ist dann irgendwo schon wieder affig. Wenn man so exklusiv sein will, dann sollte man auch exklusive Musik spielen – dann kommen nämlich automatisch weniger Leute.

Du sitzt mit deinem Label Low Spirit in West-Berlin. Jetzt muss ich gestehen, ich kenne kaum einen guten Techno-Club im Westen der Stadt.
Westbam: Ja, das stimmt, West-Berlin ist eben ein Teil von Westeuropa, und in Westeuropa da ist Techno mehr so eine Mode-Erscheinung. Und der West-Berliner Gymnasiast, der geht heute glaube ich auf eine HipHop-Party, die sind hier ziemlich amerikanisiert. Während im Osten, da ist mit dem Fall der Mauer die Techno-Kultur sozusagen adoptiert worden und bis heute lässt man auch nicht von diesem Kind – was ich absolut sympathischer finde. Die Wahrheit ist: Techno ist heute einfach ‚around‘, Techno ist da, wo es für mich cool ist. Ich brauche es nicht künstlich zu verknappen und zu verheimlichen oder sonst was – es ist ein Way of Life, ist eine Art, Musik zu spielen, zu tanzen, zu feiern und es ist kein großes Geheimnis mehr – warum auch?

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Westbam: The Incredible Hulk! (lacht)

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