Herr Berkel, Sie spielen in der neuen Krimi-Reihe des ZDF „Der Kriminalist“ die Hauptrolle als Kommissar Bruno Schumann. Ist es Ihnen vor diesem Rollenangebot schon mal in den Sinn gekommen einen Kommissar zu spielen?
Berkel: Als meine Frau Andrea Sawatzki vor einiger Zeit das Angebot erhielt, in einem Tatort mitzuwirken, da wollte sie meinen Rat. Ich kann darüber nur urteilen, indem ich von mir ausgehe. Insofern habe ich schon damals darüber nachgedacht, wie man als Schauspieler damit umgehen würde.
Was glauben Sie bietet der Schauspieler Christian Berkel für die Rolle des Kommissar Schumann?
Berkel: Ich versuche den Schumann zeitgemäß zu spielen. Oft sind die Kommissare in den Krimis ein wenig „posaunenhaft“. Ich spiele den Kommissar undramatischer, knapper, karger – also minimalistischer. Für diese Eigenschaften stehe ich insgesamt als Schauspieler. Ich werde oft für Rollen engagiert mit Zwischentönen, ich spiele oft Figuren, die zuhören können.
Hatten Sie nach dem Rollenangebot schon die wichtigsten Charaktereigenschaften des Kommissars im Kopf?
Berkel: Mir war es wichtig eine Figur zu zeigen, die sich überwiegend durch den Beruf definiert. Das Privatleben des Kommissars soll Bestandteil der Arbeit sein. Der Beruf füllt ihn aus und er hat keine klassischen Hobbies – wie ich selbst im Privatleben im übrigen auch nicht. Ich lese sehr gern und gehe oft ins Kino. Aber da könnte man sagen, das sind Fortsetzungen dessen, was ich beruflich sowieso mache. So ähnlich habe ich mir den Kommissar auch immer vorgestellt. Und er sollte immer ein Kommissar sein, der den Leuten quasi unter den Teppich kriecht. Also, ihn treibt eine gewisse Besessenheit.
Wie haben Sie sich für die Dreharbeiten vorbereitet?
Berkel: Wenn man so eine Rolle übernimmt, gibt es zwei wichtige Quellen. Die eine muss die Realität sein. Dazu besuchte ich Polizeistellen, las viel und unterhielt mich mit Polizisten. Darüber hinaus habe ich mir Kinofilme und Serien rauf und runter angeguckt. Über Wochen habe ich mir mit stapelweisen Material aus der Videothek die unterschiedlichsten Kollegen angeschaut. Auch mit dem Hintergrund, wie gehen die mit der jeweiligen Rolle um. Wie haben die das umgesetzt?
Wenn Sie Polizeistellen besuchen, wie werden Sie da als Schauspieler eigentlich aufgenommen?
Berkel: Sehr positiv. Diese Menschen haben ein enormes psychologisches Talent und spüren sofort, ob das Interesse an ihrer Arbeit ehrlich oder nur vorgetäuscht ist.
Haben Sie dort etwas über die Alltagsarbeit in den Kommissariaten erfahren können?
Berkel: Mir hat man die Türen geöffnet. Die Polizisten haben sich auch mit Kritik zu den Umsetzungen der Polizeiarbeit bei einigen Krimis geäußert. Aber die wissen auch, dass die Realität des Polizeialltags nicht in einem Film gezeigt werden kann – dann ist es kein Unterhaltungsfilm mehr. Zum Teil gehört tagelange Schreibtischarbeit für Recherchen und Berichte zum Alltag eines Kommissars.
Welche Kritik gab es denn?
Berkel: Wenn der TV-Kommissar alles aus dem Bauch heraus entscheidet und alles nur durch den richtigen Riecher gelöst wird, dann ist der Krimi aus Sicht der Polizeimitarbeiter nicht gelungen und zeigt ein falsches Bild. Viele Fälle werden heute unter Zuhilfenahme von Technik gelöst. Die Intuition spielt in der Realität wohl noch eine große Rolle und ist unverzichtbar für die Suche eines Kommissars. Aber es muss dann überprüft werden.
Ihre bisherige Karriere als Schauspieler zeigt eine große Vielfalt an Rollen und Produktionen in denen Sie mitgewirkt haben. Was ist Ihre Motivation im Beruf?
Berkel: Ich bin Schauspieler geworden, weil es mir großen Spaß macht mich in unterschiedlichste Biografien hineinzuversetzen. Das war immer meine Antriebsfeder.
Woher kommen die Inspirationen für die jeweiligen Rollen und unterschiedlichen Aufgaben?
Berkel: Ich füttere mich eigentlich laufend aber unsystematisch mit Informationen. Wenn ich irgendwo etwas sehen oder lese sauge ich die Informationen meist auf wie ein Schwamm, ohne manchmal genau zu wissen, wofür ich das brauche. Wenn man manchmal vor einem Problem steht, dann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wenn man dann aber genug im Rucksack hat, dann schießt oft das Unbewusste einem etwas zu. Das kommt aber nicht von nirgendwo, das muss man sich vorher holen.
Was glauben Sie, wie nehmen die Zuschauer den Schauspieler Christian Berkel wahr?
Berkel: Schwer zu sagen. Ich bin nicht so festgelegt, darauf habe ich auch immer geachtet. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man mit einer großen Rolle verbunden wird, aber für mich ist das nicht der richtige Weg. Ich glaube der Zuschauer nimmt mich wahr als einen Schauspieler, der ambivalente Figuren spielt, also Figuren, wo man nicht ganz genau weiß, was die im nächsten Moment machen. Ich spiele gern Figuren, die ein Geheimnis in sich tragen. Man darf die Tür nicht zu weit öffnen und nicht ständig geschlossen halten. Es gibt diesen berühmten Satz „Verschlossene Schränke können auch leer sein“ und als Gegenstück: „Das Geheimnis der Langeweile besteht darin, alles zu sagen“. Zu mir und meinen Figuren passt ein gewisses Geheimnis. Dann bleibt der Zuschauer interessiert und das regt seine Phantasie an.
Schauspieler brauchen eine gute Selbstwahrnehmung um zu entscheiden: Welche Figur passt zu meinem Typ?
Berkel: Man darf sich nicht verrennen und einer Traumvorstellung nachjagen. Der Zuschauer merkt schnell, ob die Selbstwahrnehmung und die Umsetzung authentisch sind.
Was ist schwieriger: eine Figur, die es nicht gibt zu erschaffen oder eine reale Person nachzuspielen?
Berkel: Es ist anders. Die Grenzen sind eng, wenn man eine Figur spielt, die vielleicht noch lebt und von der viele Menschen ein Bild, eine konkrete Vorstellung haben. Ich habe zum Beispiel Helmut Schmidt gespielt. Da musste ich sehen, was ist in mir, womit ich mich dieser Figur nähern kann, aber ich musste aufpassen, dass ich mir nicht etwas ausdenke, was einfach nicht geht.
Schauen Sie sich alte Filme an in denen Sie mitgewirkt haben ?
Berkel: Das ist ein Zeitproblem. Ich sehe mir gelegentlich meine jeweils letzte Rolle an um zu sehen, wie ich mich für eine nächste Rolle weiterentwickeln kann.
Bisher haben Sie noch nicht regelmäßig in einer Serie bzw. Reihe mitgewirkt. Insofern ist das Engagement für „Der Kriminalist“ eine Premiere für Sie.
Berkel: Nach meinem Gefühl kam dieses Angebot zum richtigen Zeitpunkt. Ich muss jetzt auch mal Farbe bekennen, und dieses Angebot für die Reihe „Der Kriminalist“ hat mich vom Anfang an interessiert.
Das Engagement kam Ihnen dann ganz gelegen?
Berkel: Ich bin der festen Überzeugung, dass Menschen ein Stück weit darauf reagieren, was man ausstrahlt. Nicht unbedingt auf das, was man gezielt und bewusst ausstrahlt. Komischerweise spüren die Menschen oft, was nicht gezielt ausgesendet wird. Und ich war biografisch an einen Punkt, der diese Rolle und dieses Format für mich passend darstellt. Und prompt kam das Angebot.
Hatten Sie keine Bedenken sich durch das Krimigenre zukünftig zu sehr festzulegen?
Berkel: Das hat sich ein wenig geändert zu den Krimis früher. Durchweg finden Sie Schauspieler der ersten Garde, die verschiedene Figuren in Kriminalfilmen darstellen. Diese Reihe ist für mich als Schauspieler sehr attraktiv, da das ganze Team gut zusammen passt. Ich hätte nicht irgendwas in dieser Richtung angenommen. Man kann ja nicht alle Drehbücher im Voraus haben, daher brauche ich Vertrauen zu den Mitwirkenden. Weil das größte Problem für einen Schauspieler ist es, wenn er mit den falschen Partnern zusammenkommt. Da kann man sich ja auch irren.
Diese Gefahr bestand bei „Der Kriminalist“ nicht?
Berkel: Für diese Reihe sind Regisseure, Autoren und Kameraleute engagiert, die alle aus dem Fernsehfilm- und Kinobereich kommen. Wir suchen gemeinsam nach der stimmigsten Erzählform für dieses Format. Das hat mich sehr gereizt, denn die Qualität der gesamten Produktion ist hoch. Ich konnte also davon ausgehen, dass wir am selben Strang ziehen und den gleichen Geschmack haben. Dadurch habe ich die Garantie, dass wir gemeinsam etwas als gut oder schlecht bewerten und Schwächen beheben können.
Sie sagten zu Beginn des Gesprächs, dass Sie sich zur Vorbereitung viele Krimis angeschaut haben – welche Filmkommissare haben Sie am meisten inspiriert?
Berkel: Da gab es drei Figuren, die mich besonders angesprochen haben. Das war zum einen Gene Hackman in „French Connection“. Da ist dieser realistische Aspekt gut umgesetzt und die Besessenheit. Dann Steve McQueen in „Bullitt“. Da kommt die Lakonie her. McQueen war für mich schon immer ein Vorbild in dieser knappen, trockenen, minimalistischen Art. Darüber hinaus hat mich „Der Chef“ von Jean-Pierre MelVille sehr inspiriert, indem Alain Delon einen Kommissar spielt. Delons Stärke lag ja immer in der Stille und in dieser Präsenz.