Mr. Young, Ihr neues Album „Rock Swings“ ist bisher in Deutschland, Österreich und der Schweiz erschienen – warum aber nicht bei Ihnen zu Hause in Großbritannien?
Young: Also, die Engländer sind bei so etwas immer notorisch langsam. Und im Moment gehen die gar kein Risiko ein, was mich sehr enttäuscht. Aber England war halt schon immer ein Popmarkt. Bands wie die Dire Straits, die hatten immer den größeren Erfolg im Ausland. Auch weil sie ein älteres Publikum ansprechen. Mir kommt es so vor, als würde sich die englische Musikindustrie nur um junge und weniger um die älteren Plattenkäufer kümmern.
Warum?
Young: Keine Ahnung, ich würde das selber gerne verstehen. Wenn man sich die USA anguckt, da gibt es auch einen Markt für das ältere Publikum…
Hören die Engländer keinen Swing oder Jazz?
Young: Doch, Swing-Musik ist auch in England sehr groß. Wir haben diese Talentshow „X-Factor“ und die Kids singen zum Teil Jazz-Songs, neulich war sogar Tony Benett in der Show zu Gast. Also, ein Markt ist da, aber er wird nicht bedient. Michael Bublé kann natürlich auch bei uns ein paar Platten verkaufen, aber ich glaube, er könnte noch viel mehr verkaufen, wenn das Marketing für diese Musik besser wäre.
Ist denn Ihr Swing-Album auch etwas für jüngere Leute?
Young: Das hoffe ich. Ich habe eine Tochter, die ist jetzt 19 und sie mag zum Beispiel meine Version von Eminems „Lose Yourself“. Sie hat nicht gesagt: „Dad, warum hast du das getan?“ sondern sie meinte: „Ich mag das, das ist gut“. Da war ich erleichtert. Weil, wenn du etwas von jemandem wie Eminem coverst, kannst du damit auch richtig auf die Schnauze fliegen. Aber die Reaktionen waren bisher nur gut.
Wie war denn Ihr erster Kontakt zur Musik von Eminem?
Young: Der erste Song, den ich von Eminem gehört habe, war „The Real Slim Shady“, den mochte ich. Später habe ich dann „Lose Yourself“ gehört, und für mich ist das sein bester Song. Die Spannung darin ist großartig, der Refrain ist einer der besten Rap-Refrains und ich mag vor allem diese durchgehenden Gitarrenriffs. Auch wenn ich die für meine Version nicht verwenden konnte.
Das skandalträchtige Auftreten von Eminem hat Sie nicht gestört?
Young: Mir geht es bei niemandem um die Persönlichkeit, es geht nur darum, ob die Musik gut ist oder nicht. Ich habe mir gerade das neue Album von Amy Winehouse gekauft, fantastisch. Aber Freunde haben mir erzählt, sie sei eine schwierige Person, würde bei Konzerten backstage mit niemandem sprechen… Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich habe nur das Album gehört und da mag ich sie, wunderbar. Auch wenn sie das schwierigste Mädchen auf der Welt sein mag.
Ist der Album-Titel „Rock Swings“ gewissermaßen auch ein Statement, a la „Rock swingt“ oder „Rock hat den Swing“?
Young: Ich denke Rock swingt, wenn der Song gut ist. Dann kannst du ein Arrangement machen. Das macht einen guten Song aus, dass er auch in einem Arrangement immer noch ein guter Song bleibt. Bei „Enter Sandman“ klingt das Arrangement so gut, dass man denken könnte, der Song sei von damals. Auch wenn du dir unsere Version von „Tainted Love“ anhörst, weißt du nicht, ob der Song in den 60ern oder 40ern geschrieben wurde.
Was bleibt vom Original?
Young: Nicht viel, du nimmst Sachen raus, fügst aber auch neue hinzu. Als ich vor 25 Jahren den Song „Love will tear us apart“ von Joy Division gecovert habe, gab es Leute, die mich dafür kritisiert haben. Und es gab solche wie zum Beispiel John Peel – einer der wichtigsten DJs damals – der sagte: Die Kritik ist mir egal, ich spiele jetzt auch die Cover-Version. Und am Ende meinte er: Ich finde, das ist eine interessante Version.
Außerdem, wenn ich mit einem Song etwas anderes mache, und da ein Publikum ist, das normalerweise nur Pop-Platten kauft, dem ich dann sage: das Original ist von einer New-Wave-Band – dann führe ich diese Leute ja auch an ein anderes Genre heran.
Ich habe in den 80ern „Soldier’s things“ gesungen, einen Song von Tom Waits, den kein Pop-Plattenkäufer kannte. Denen habe ich diese Musikrichtung nahegebracht und gerade auf solche Songs bin ich stolz. Darum geht es auch bei „Rock Swings“, Lieder an einen neuen Ort zu bringen.
Aber eine gewisse Nähe zum Original muss auch vorhanden sein, oder?
Young: Ja. Wenn man sich zum Beispiel den Song „Venus“ von Bananarama anhört, der im Original von Shocking Blue war, die haben nichts geändert, außer dass sie in den 80ern Synthesizer verwendet haben. Das klang anders, war aber eine sehr gute Version. Sie haben was von dem alten beibehalten, aber auch Neues reingebracht. Und das ist das Beste, was du tun kannst.
Das ist wie in der Architektur. Manchmal ist es besser, ein wunderbares, altes Gebäude zu restaurieren, anstatt es einzureißen und an der Stelle ein fürchterliches, neues Haus zu bauen. Man kann einem alten Gebäude neues Leben einhauchen, und genauso kann man einen Song zu neuem Leben erwecken.
Welche Rolle spielen da eigentlich die Urheberrechte an den Songs?
Young: Wissen Sie, das werde ich sehr oft gefragt. Und das wundert mich. Weil ich habe schon seit 25 Jahren Songs gecovert. Und ich musste nie jemanden fragen. Nur wenn der Song zuvor noch nie aufgenommen wurde, dann könnte der Künstler sagen, er will das zuerst auf einem eigenen Album machen. Aber danach kann jeder das Lied singen.
Haben Sie schon Feedback von den Musikern bekommen, deren Songs Sie auf „Rock Swings“ covern?
Young: Nein. Aber ein guter Freund von mir ist Steve Lukather von Toto. Der kennt die Jungs von Metallica und ich habe ihm eine MP3-Datei von „Enter Sandman“ geschickt. Er meinte daraufhin: „Ich kann es kaum erwarten, das Lars (Ulrich) vorzuspielen.“ Ich glaube es wird nicht lange dauern, bis die meine Version hören. Und ich warte mal ab, was die zu sagen haben.
Was ist mit Marc Almond, der „Tainted Love“ gesungen hat und wie Sie in London lebt?
Young: Da muss man sagen, dass er selbst gar nicht das Original geschrieben hat. Sondern das ist aus den 60ern von Gloria Jones, ein alter Soul-Song. Aber interessant, meine Kinder sagten bei dem Stück neulich zu mir: „Papa, du hast ja einen Song von Marilyn Manson aufgenommen.“
Wenn man heute ein Swing-Album aufnimmt, spielt sicher auch die gegenwärtige Faszination für die damalige Zeit eine Rolle. Haben Sie eine Erklärung für diese Faszination?
Young: Das ist schwierig für mich zu beantworten. Weil, wenn ich eine Platte höre, dann höre ich nicht „40er“, oder „50er“ oder „70er“ – ich höre ganz einfach einen Song.
Ich denke, diese Faszination gibt es, weil die Musik entspannt ist, sie ist sehr sexy. Und Frauen lieben einen Mann im Abendanzug. Und Frauen lieben es, wenn Männer Vertrauen erwecken. Es gab keinen Mann, der das besser konnte als Frank Sinatra.
Ist ja auch sexy, sich wie Sinatra zu kleiden.
Young: Ja, wenn ich mit diesem Projekt on Tour gehen sollte, würde ich ein bisschen davon übernehmen. Nicht zu viel. Ich würde vielleicht keinen Abendanzug anziehen, aber einen Anzug auf jeden Fall. Wenn man zu weit geht und jemanden zu sehr kopiert, damit würde ich nicht glücklich werden. Deshalb bin ich auch froh, dass ich keine alten Jazz-Songs sondern Popsongs aufgenommen habe.
Sind Sie denn selbst fasziniert von der alten Ära?
Young: Ich mag fast jeden Musikstil. Ich singe seit 13 Jahren in einer Texmex-Band („Los Pacaminos“, Anm. d. Red). Im Moment singe ich also Swing, dann aber wieder mexikanische Musik auf Spanisch. Ich bin froh, dass ich in meinem Leben die Möglichkeit habe, das zu variieren.
Und meine Plattensammlung, die ist groß. Da habe ich natürlich auch Tony Bennett, Buddy Greco, Frank Sinatra, Jesse Belvin, Nat King Cole…
…angeblich haben Sie Ihren Sohn Grady Cole nach Nat King Cole benannt.
Young: Das hat mir schon mal jemand erzählt. Aber das war anders, der Name kommt aus einem Buch, das ich gelesen habe, „All the pretty horses“ von Cormac Mccarthy. Weil das andere Ding, was ich mag, sind Cowboys. Deswegen spiele ich ja Texmex-Musik. Und Grady Cole ist ein richtiger Cowboy-Name.
Wie klingt eine Texmex-Band?
Young: Kennen Sie „Wolly-Bully“? (fängt an zu singen…) Das war der einzige Texmex-Hit. Texmex ist wie texanischer Rock’n’Roll, aber mit mexikanischem Akkordeon und wir haben eine Pedal-Steel-Gitarre dabei. Aber wir machen zum Teil auch rein mexikanische Musik.
Wie kamen Sie eigentlich zum Gesang?
Young: Als ich klein war, da war Free meine Lieblingsband, ich mochte Blues und Soul, und ich habe fünf Jahre lang Bass gespielt. Ich habe auch immer ein paar Songs gesungen und dann irgendwann aufgehört, Bass zu spielen. Ich bin nach London gezogen und Mitglied der „Streetband“ geworden. Die hatten einen Plattenvertrag und wir haben zwei Alben gemacht, aber ohne großen Erfolg. Dann habe ich eine Soul-Band gegründet, die „Q-tips“. Mit der haben wir damals mehr Live-Auftritte gehabt als jeder andere Band in England, 250 Konzerte pro Jahr, wir haben nie Pause gemacht. Weil das war ein fantastischer Live-Act. Es kommen heute noch Leute zu mir und erzählen mir, wie gut sie das damals gefunden haben.
In Ihrer Biografie steht außerdem, Sie hätten als Automechaniker gearbeitet.
Young: Ja, vier Jahre. Und Abends habe ich dann immer Musik gemacht.
War das nicht anstrengend?
Young: Doch, ich hatte dann einen Autounfall als ich 19 war. Ich bin am Steuer eingeschlafen, so müde war ich. Und ich hatte Glück, viel Glück. Ich musste noch nicht mal einen Tag im Krankenhaus bleiben.
Aber das war der Moment wo ich begriffen habe, ich kann entweder das eine oder das andere machen. Und ich liebe Musik. Also habe ich meinem Vater erklärt, dass ich Musik zu meinem Beruf machen will. Und er machte sich Sorgen.
Er hat nicht geglaubt, dass Sie es schaffen.
Young: Das Musikgeschäft war noch nie ein besonders sicheres Geschäft, oder?
Wenn Sie das Musikbusiness von damals mit heute vergleichen…
Young: Heute ist es anders, du kannst nicht mehr das gleiche Geld wie damals verdienen. Als ich jung war und Geld hatte, da war das Einzige, was ich kaufen wollte, Musik. Aber heute gibt es Computer… es gibt viele andere Ablenkungen. Und Musik kannst du dir heute einfach aus dem Internet ziehen. Einen Song kannst du in drei Minuten runterladen. Und darunter leidet die Musikindustrie.
Ist das Musikbusiness auch zu kommerziell geworden?
Young: In England, ja. Aber es gibt heute auch Bands wie Razorlight und dieses Mädchen namens Sandi Thom, die mit MySpace den Durchbruch geschafft hat.
Glauben Sie, ein Plattenvertrag ist nicht mehr notwendig, um Erfolg zu haben?
Young: Das wäre schön. Weil dann kann das Publikum entscheiden, was es mag und was nicht.
Kann es das nicht immer?
Young: Sie können, aber das Problem ist: Wenn du den Leuten den kleinsten gemeinsamen Nenner vorgibst, ihnen die billige, kitschige Variante oft genug vors Gesicht hältst, dann sehen sie die guten Sachen nicht mehr, sie kaufen nur noch, was genau vor ihrer Nase ist. Leider. Weil wir nicht nachdenken sollen, darum geht es ja in der ganzen Werbung. Wir werden mit all den Bildern bombardiert, damit wir diese Sachen kaufen …
Aber hoffentlich, wenn die Leute das Internet mehr und mehr verstehen, werden sie lernen, Musik zu finden und für sich selbst zu entscheiden.
Ein Tipp, wer demnächst groß rauskommen könnte?
Young: Was das nächste große Ding wird, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber meine Lieblingsband im Moment kommt aus Mexiko und heißt „Kinky“. Die haben das ist so eine Art hip-hoppy Rock, aber auch mit einem Latin-Touch. Die haben sogar einen HipHop-Texmex-Song gemacht mit dem Titel „Cornman“, der war richtig gut.
Könnte Swing das nächste große Ding werden?
Young: Das werden wir in den nächsten fünf Jahren sehen. Im Moment lebt Swing wieder auf. Und ich denke, das ist für das Musikgeschäft ganz gesund.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Young: Yosemite Sam… (lacht). Nein, ich wäre Bugs Bunny. Weil er mal unglaublich viel Glück und mal unglaublich viel Pech hat. Und wenn er Glück hat, dann kann ihm niemand was anhaben. Aber dann, eines Tages befindet er sich im Hexenkessel.
Und in welcher Phase sind Sie gerade?
Young: Ich befinde mich im Moment noch genau dazwischen. Ich könnte die nächsten Jahre der glücklichste Mensch auf der Welt werden, oder ich lande im Hexenkessel. Ich weiß es noch nicht.
Schlechtes Deutsch
Guten Tag,
es ist für einen Journalisten schon ziemlich peinlich, so wenig von der deutschen Syntax zu verstehen, dass so etwas dabei herauskommt:
„Weil ich habe schon seit 25 Jahren Songs gecovert“
„weil das andere Ding, was ich mag, sind Cowboys.“
„Weil das war ein fantastischer Live-Act“
Dieser Gebrauch von „weil“ hat sich zwar in der Alltagssprache eingebürgert, er ist aber trotzdem schlicht falsches Deutsch.
Mein Gegenvorschlag an den Herren Schreiber: Wenn es mit dem „weil“ nicht klappt, könnten Sie das einfach durch „denn“ ersetzen.
Ansonsten fand ich das Interview ziemlich spannend.