Tamir, Ori, in diesem Jahr begeht Israel seinen 60.Geburtstag. Wenn ihr jetzt dort wärt, wo würdet ihr feiern?
Tamir: Ich weiß nicht, ob ich feiern würde.
Findest du nicht, dass es ein Grund zum Feiern ist?
Tamir: Natürlich ist es ein Grund zum Feiern, aber es gibt andere Dinge, in die man Energie investieren sollte bevor man den 60.Geburtstag feiert.
Zum Beispiel?
Tamir: Damit aufzuhören Besatzer zu sein.
Ihr lebt in New York…
Tamir: Ja, New York ist unsere Homebase. Wir reisen aber immer quer durch die Welt, Tel Aviv, Berlin – überall.
Berlin wird gerade unter jungen Israelis immer beliebter und scheint sie zu faszinieren. Habt ihr dafür eine Erklärung?
Ori: Ja, es gibt hier das Gefühl, offen zu leben und experimentieren zu können. Vielleicht ist es auch das, was New York früher mal war. Manche wären vielleicht nach New York gegangen, konnten sich aber das überteuerte Leben dort nicht leisten.
Ist es in New York zu teuer geworden?
Ori: Ja, es ist verrückt, wenn du heute in einer Band spielst und in New York leben willst. Es ist kein Vergleich zu früher, da gehen die Leute halt lieber nach Berlin.
Muss man also als New York-Band wie ihr es seid, kommerzieller werden um überleben zu können?
Ori: Wir waren ja schon da, als es noch leichter war. Heutzutage müssen die meisten in New Jersey leben, wenn sie in New York spielen wollen. Aber versteh uns nicht falsch, die spezielle New York-Energie ist immer noch da und es ist viel los. Es ist nur schwerer geworden. Und natürlich kommerzieller, media-based, du brauchst exzellente PR um überhaupt durchzukommen. In Berlin gibt es wahrscheinlich noch mehr Freiheit und Underground außerhalb des Mainstreams.
Ihr tretet mit vielen verschiedenen Sängern und Musikern auf – wer gehört denn eigentlich zum harten Kern der Band?
Ori: Tomer Yosef, Tamir und ich entwerfen die Konzepte.
Braucht ihr immer wieder neue Inspirationen oder ist es einfach langweilig immer mit den gleichen Leuten zu spielen?
Tamir: Wir wollten uns nie wie eine typische Band beschränken auf einen Sänger, zwei Gitarristen, einen Bassisten usw. Wir haben schon immer mit anderen Künstlern gemeinsam experimentiert. Auf dem ersten Album haben wir das einfach mal gemacht und es dann beibehalten. Zuerst live, dann aber auch im Studio. Jetzt haben wir ja mit Tomer Yosef fast so etwas wie einen festen Sänger bzw. Rapper. Die Sache läuft weiter und wir schauen wo es uns noch hinbringen wird.
Seht ihr euch als israelische Band?
Tamir: Nein, das würde ich so nicht sagen. In unserer Band sind Israelis, Amerikaner und Leute von überall her.. Es ist eine New Yorker Band, da haben wir angefangen, dort haben wir 15 Jahre lang verschiedene Projekte gemacht. Und vor drei, vier Jahren lief alles was wir erlebt und gelernt haben in der Band Balkan Beat Box zusammen.
Ori: Wir haben einen israelischen Kern, aber wenn wir nur in Israel leben würden, dann würden wir mit Sicherheit nicht diese Musik machen. Wir kommen aus jüdischen Familien die durch viel Scheiße gegangen sind, im Holocaust ermordet worden sind, eine riesige Packung mit sich herumschleppen. Wir haben Glück gehabt, das unsere Eltern uns Flügel mitgegeben haben und die Bildung sich davon freizumachen, welcher Religion man angehört.
Wir haben diesen Flug genommen und versuchen die Welt so zu sehen wie sie ist und uns nicht dafür interessieren, wo einer herkommt.
Aber das Thema Emigration beeinflusst euch schon, oder?
Ori: Wir hätten sicherlich nicht den gleichen Sound, wenn wir nicht emigriert wären. Wenn man von der Heimat entfernt ist, hat man dieses gewisse kreative Heimweh.
Was vermisst ihr an Israel, wenn ihr nicht da seid?
Ori: Familie. Und Essen!
Ihr habt auch einen Song gemacht mit dem Titel „Ramallah/Tel Aviv“. Bekommt ihr Feedback aus Palästina, gibt es interkulturelle Interaktion? Und Könnt ihr dort auftreten?
Ori: Das ist ein Traum. Im Moment ist es nicht möglich und das ist traurig. Aber wir arbeiten mit vielen palästinensischen Musikern im Ausland zusammen. Wir reden mit Underground-DJs aus Ramallah wie Checkpoint 303. Die mischen elektronische Musik mit allen möglichen Geräuschen. Es gibt den Dialog, wir würden nach Ramallah kommen und sie nach Tel Aviv.
Aus der New Yorker Perspektive heraus können wir viel machen. Dort haben wir auch einen syrischen Sänger aus Damaskus getroffen, mit dem wir schon gespielt haben. Das ist so eine typische NY-Beziehung.
Spricht da hauptsächlich die Musik, oder redet ihr auch über konkrete politische Fragen?
Ori: Nun, wenn wir Leute treffen, reden wir mit denen natürlich auf einer persönlichen Basis. Die Musik hat eine Botschaft, die sich ja auch in den Texten widerspiegelt.
Tamir: Musik kann als Brücke vieles verbinden. Man kann natürlich auch Dinge direkt beim Namen nennen und seine jeweilige Regierung angreifen. Du hast deine Seite der Geschichte, andere haben ihre, in der Musik spielt das keine Rolle, man arbeitet, meiner Meinung nach, auf einem tieferen Level zusammen. Natürlich tragen wir auch pragmatisch unseren Teil dazu bei um das Problem der Besatzung zu lösen. Es gibt immer wieder Projekte und Filme. Wir sind aber nicht politisch – sondern menschlich.
Nerven euch generell politische Fragen bezüglich Israel?
Tamir: Nein, das ist schon okay. Es ist aber hart, über Politik zu reden. Jeder will immer seine Meinung durchbringen. Ich habe eine politische Theorie, aber die ist sehr komplex, die kann ich nicht innerhalb eines Interviews ausbreiten. In Interviews sagt man: das mag ich oder das mag ich nicht. Aber alles hat ein Aber. Man kann nicht locker über diese komplexen Fragen sprechen ohne irgendjemandem Unrecht zu tun.
Balkan Beat Box hat ein bisschen was HipHop-artiges, etwas Reggae, ein bisschen Klezmer, ist World Music der richtige Ausdruck?
Ori: Nein, das ist ja ein Begriff der Industrie, so eine Zwangs-Betitulierungen, die man uns geben möchte, weil die Leute einen Begriff brauchen, um die Musik verdauen zu können. World Music nennen die Leute alles, was sonst nirgendwo reinpasst.
Wir haben am Anfang den Soundtrack für New York gemacht. Es ist authentische New Yorker Musik. Und in den letzten Jahren wurden wir musikalisch viel zitiert. Ich habe das Gefühl, dass der Sound ankommt.
Ist es schon globalisierte Musik?
Ori: Wir kriegen Mails von überall, den Leuten gefällt es.
Und auf dem Balkan?
Tamir: Dort waren wir auch und es war großartig, das gleiche gilt für die Türkei und Griechenland. Die wissen, dass wir aus Tel Aviv sind, aber sie spüren unsere Affinität zu den traditionellen Klängen. Nicht der Name, die Musik spricht sie an.
Und Beat Box?
Ori: Balkan und Beat Box steht für die Symbiose aus traditionellen Klängen mit zeitgenössischen urbanem Elektrosound.
Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic, welche Figuren seid ihr?
Tamir: Ich wäre wahrscheinlich Popeye´s Sohn.
Popeye hatte einen Sohn?
Tamir: Yeah. Und wenn nicht, dann muss ich ihn noch erfinden. Spinat ist jedenfalls koscher.
Ori: Ich wäre dieser „meep, meep“. Oder vielleicht die Schlange bei Mogli im Dschungelbuch.