James McAvoy

Kein Zutritt für Kinder, bitte!

Der schottische Schauspieler James McAvoy über Selbstsuche, seinen Wechsel vom Arthouse- zum Actionkino, Waffen am Set und seinen Film „Wanted“

James McAvoy

© Universal Studios 2007

Mr. McAvoy, der Büroangestellte Wesley, den Sie in „Wanted“ spielen, hält sich zu Beginn für einen Versager. Er googelt seinen Namen, ohne einen Treffer zu landen. Haben Sie das auch schon mal gemacht?
McAvoy: In einer Internetsuchmaschine meinen Namen eingegeben? Ja. Aber das war keine gute Idee. Ich habe gleich eine schlechte Kritik entdeckt und beschlossen, das nie wieder zu tun.

Wesley ist in „Wanted“ nicht zuletzt auch auf der Suche nach sich selbst. Haben Sie Ihre eigene Suche schon abgeschlossen?
McAvoy: Ich bin in keiner Weise so unglücklich, wie meine Figur in dem Film. Ich definiere auch den Wert meines Lebens nicht über meine Präsenz im Internet. Wenn du glücklich bist, musst du dich in deinem Leben nicht neu orientieren oder deine Werte neu ordnen. Wenn du nicht glücklich bist, muss du herausfinden, was dich unzufrieden macht und es in Ordnung bringen. Das ist die Herausforderung des Lebens.

Bedeutete es eine Überwindung für Sie, zum ersten Mal in einem eher kommerziellen Film die Hauptrolle zu übernehmen?
McAvoy: Ich habe fünf Monate über diesem Angebot gegrübelt. Dann habe ich mich gefragt, warum ich so lange zögere. Die Antwort war: Es ist ein Actionfilm. Dann fragte ich mich: Was sind normalerweise meine Kriterien, wonach ich meine Rollen aussuche? Ich frage mich jedes Mal: Unterscheidet sie sich von meinen bisherigen Rollen und ist sie innerhalb ihres Genres ungewöhnlich? Ich musste diese Fragen mit Ja beantworten. Also habe ich zugesagt.

„Wanted“ beruht auch auf einem neueren Marvel-Comic. Mochten Sie als Jugendlicher Superhelden aus dem hause Marvel, wie Hulk oder Spider-Man?
McAvoy: Es ist nicht so, dass ich dieses Genre nicht mögen würde. Als Kind hatte ich allerdings keinen Zugriff darauf. Ich denke aber, dass „Wanted“ weniger ein Superheldenfilm ist. Sein moralisches Zentrum liegt viel näher an dem eines Actionfilms. Die meisten Superheldenfilme sind für ein Familienpublikum konzipiert. „Wanted“ ist ausschließlich für Erwachsene gedacht. Kein Zutritt für Kinder, bitte!

Ihre Figur Wesley wird im Laufe des Films vom Verlierer zum Killer. Hatten Sie Skrupel, so jemanden zu spielen?
McAvoy: Ja, natürlich! Damit hatte ich ein richtiges Problem. Aber man versicherte mir, das würde ein Film nur für Erwachsene werden und dieser Herausforderung wollte ich mich gerne stellen. Es war aufregend, auszuprobieren, wie weit man für so ein Publikum gehen kann.

Das Brisante an „Wanted“ ist allerdings weniger die Brutalität seiner Killer, sondern deren Ideologie, die nicht wirklich hinterfragt wird.
McAvoy: Ja, das stimmt. Aber ich denke, das sollte man nicht zu ernst nehmen. In „Wanted“ geht es um einen Haufen mentaler Maniacs, die glauben, im Chaos des Lebens ein Muster zu sehen. Ich glaube nicht an so etwas, aber man trifft immer wieder Menschen, die das tun.

Aber die Bruderschaft, um die es in dem Film geht, glaubt nicht nur an ein vorherbestimmtes Muster im Chaos des Lebens. Sie rechtfertigt ihr Tun mit dem Satz „Töte einen Menschen, und du rettest damit Tausende, möglicherweise.“ Das ist doch eine geradezu perverse Umkehrung des Satzes aus dem Talmud: „Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“
McAvoy: An diese Ideologie, an das präventive Töten von Menschen, kann ich nicht glauben, auch wenn ich vermute, dass Regierungen in diesem Sinne jeden Tag Entscheidungen fällen. Wenn „Wanted“ im Weißen Haus spielen würde und der Präsident Teil der Bruderschaft wäre, dann könnte man darüber diskutieren. Aber unsere Geschichte ist nur ein Comic.

Haben Sie jemals eine Pistole benutzt?
McAvoy: Im echten Leben? Niemals. Ich mag sie nicht. Ich habe Angst vor ihnen

War das bei den Dreharbeiten anders?
McAvoy: Es ist sehr seltsam, wenn am Set zwanzig Schauspieler mit Waffen um einen herumlaufen. Ständig brüllt einer „Hey, ziel nicht auf mich!“ Es ist nicht so, dass ich Gewalt in Filmen nicht mögen würde. Das kann exzellent sein. Aber zwei Leute, die sich mit ihren Körpern, ihren Fäusten bekämpfen, sind viel interessanter. Also habe ich den Regisseur gebeten, so oft es sich anbot, auf die Waffen zu verzichten und einen Faustkampf einzulegen. Nicht aus ethischen Gründen, sondern weil es einfach interessanter ist, mehr Spaß macht.

Das erinnert ein wenig an David Finchers Film „Fight Club,“ in dem sich Wohlstandsyuppies durch organisierte Prügeleien ihrer Männlichkeit vergewissern.
McAvoy: Den Film mag ich! Aber ich glaube nicht, dass ich selber gerne in so einen Club eingetreten wäre. (lacht) Ich weiß nicht ob ich das gut finden würde. Darum bin ich auch nicht zur Armee gegangen. Wenn du aus jemanden einen Soldaten machen willst, ist das, als ob du einen Hund abrichtest. Er muss gehorchen. Und das tut auch die Bruderschaft im Film.

In der Filmwerbung wird Ihr Wesley als „Held für eine neue Generation“ beworben.
McAvoy: Das klingt gut, aber ich weiß nicht ob das wahr ist. Wesley ist eher ein Antiheld. Wir können nicht alles gut heißen, was er tut. Offensichtlich gibt es zurzeit ein Interesse an Helden, die auch destruktiv, unglücklich und nicht ganz zurechnungsfähig sind. Wir scheinen uns gerade eher mit Batman oder auch Hancock, den von Will Smith gespielten alkoholkranken Superhelden, identifizieren zu können, als mit dem eher eindimensionalen Superman.

Analog zu dieser Erkenntnis, dass auch Helden nicht perfekt sind, stellt Wesley fest, dass seine Angstattacken, die ihn plagen, eigentlich nur Symptome seiner versteckten Superheldenbegabungen sind. Haben Schauspieler, denen man ja oft etwas labile Persönlichkeiten nachsagt, so gesehen auch ihre Schwäche als Talent erkannt?
McAvoy: Jaaa, meine Supermacht heißt Empathie! (lacht) Aber im Ernst, auch ohne es explizit auf die Schauspielerei übertragen zu wollen, finde ich die Idee, dass das, was man an sich selbst ablehnt, vielleicht gerade das ist, was einen besonders macht, sehr schön.

Haben Sie Angst vor dem Erfolg, der sich jetzt mit Ihrem Debüt im Mainstream-Genre einstellen könnte?
McAvoy: Ein wenig Sorgen mache ich mir. Ein Teil von mir hofft, dass der Film sehr gute Kritiken bekommt und niemand ihn sich angucken wird. Auf der anderen Seite hoffe ich auch, dass es ein großer Publikumserfolg wird. Bis jetzt bin ich ganz gut damit gefahren, mich vom Mainstream fernzuhalten. Ich gehe nicht auf Partys, entziehe mich der Klatschpresse. Ein wenig befürchte ich, dass mir „Wanted“ da das Steuer aus der den Händen nehmen könnte. Aber jetzt werde ich erstmal ein Jahr lang von der Leinwand verschwunden sein, es gibt also sowieso nichts zu berichten.

Sie haben gerade „The Last Station“ abgedreht, einen Film über die letzten Tage des russischen Schriftstellers Lew Tolstoi. „Wanted“ ist auch das Hollywood-Debüt des Regisseurs Timur Bekmambetov, der ebenfalls aus Russland stammt. Haben Sie eine spezielle Ader fürs Russische?
McAvoy: Ja, nachdem ich mit Timur gearbeitet hatte, dachte ich mir: Jetzt mache ich ein historisches russisches Projekt. Mal sehen, was es da so gibt. (lacht) Nein, das ist ein totaler Zufall. Ich hatte das Drehbuch zu „The Last Station“ schon vor fast vier Jahren gelesen und dann hat es eben sehr lange gedauert, die Finanzierung zu sichern. Es ist ein sehr Tschechowscher Film, sehr traurig und witzig zugleich.

Gibt es Eigenheiten von Timur Bekmambetov, die Sie als typisch russisch bezeichnen würden?
McAvoy: Vielleicht seine gewisse Verrücktheit und die herzlichen Umarmungen und Küsse bei jeder Begrüßung. Die sind bei Regisseuren eher selten. Mit den Lehren Stanislawskis, mit denen wir Schauspieler ja oft als erstes Russland verbinden, kenne ich mich aber wahrscheinlich besser aus, als Timur.

Eine letzte Frage zum eingangs angerissenen Thema. Was hilft einem Mann am meisten dabei, sich selbst zu finden: ein Ziel zu haben, ein dickes Bankkonto oder für Frauen attraktiv zu sein?
McAvoy: (Lacht) Das Geld ist nett, wir müssen alle unsere Rechnungen bezahlen. Zu wenig ist schrecklich, zu viel auch. Frauen? Ich bin glücklich verheiratet. Sie ist perfekt in jeder Beziehung. Ein Ziel zu haben wäre dann wohl die richtige Antwort.

Es heißt, in Ihrer Jugend hätten Sie Missionar werden wollen. Haben Sie dieses Ziel aufgegeben?
McAvoy: Damals hat mich wohl in erster Linie die Aussicht auf Abenteuer gereizt. Und jetzt helfe ich den Menschen eben, in dem ich Schauspiele. (lacht) Nein, ich mache nur Witze.

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