Patrice

Es kann unter Obama eigentlich nur besser werden.

Reggae-Musiker Patrice Bart-Williams alias Patrice über Glücksmomente, die Suche nach sich selbst, Einflüsse aus Afrika, die Macht der Musik und den neuen US-Präsidenten Barack Obama

Patrice

© Juri-Reetz

Patrice, wann warst du das letzte Mal glücklich?
Patrice: Ich bin eigentlich immer glücklich, wenn ich auf der Bühne stehen darf. Ich sehe all die Leute, die tanzen und lachen und sich freuen, dass ich für sie Musik mache. Jetzt bin ich gerade auf Tour und erlebe fast jeden Tag diese Glücksmomente. Wenn ich abends auf der Bühne stehe sind alle Strapazen des Tages vergessen. Dann gebe ich immer Vollgas und falle abends todmüde, aber glücklich ins Bett.

Wie schwer fällt es dir abends wieder zur Ruhe zu kommen?
Patrice: Das Konzert ist immer der Höhepunkt des Tages. Darauf arbeitet man den ganzen Tag hin und danach ist es halt ruhiger, man geht duschen und isst was. Aber ich bin ja auch nach dem Konzert nicht alleine. Ich kenne viele Leute in den verschiedenen Städten und die Glücksmomente gehen dann nach der Show mit diesen Menschen weiter.

Songs wie „Clouds“ oder „Praise his name“ von deinem neuen Album „Free PatriAtion“ strahlen Melancholie und Sehnsucht aus. Welche Rolle spielen diese Gefühle in deinem Leben?
Patrice: Ich glaube, das sind ganz natürliche, menschliche Gefühle, die jeder Mensch in sich trägt. Die Sehnsucht der Seele nach Gott oder wie man das auch nennen mag. Viele nennen das Heimat, diesen Ort, an dem man rastet, sich ausruhen kann. Der Mensch strebt immer nach dem Glück und nach schönen Momenten. Ich glaube deshalb wachsen wir auch, weil wir immer nach uns selbst im Außen suchen. Ich versuche mich immer wieder neu zu finden und zu erfinden. Das ist eine große Reise.

An welchem Punkt der Reise befindest du dich heute?
Patrice: Ich versuche mich jeden Tag aufs Neue selbst zu finden. Manchmal ist man näher bei sich und manchmal verliert man sich. Man kommt nie hundertprozentig an, denn dann wäre ja Stillstand. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Man muss versuchen, sich selbst so treu wie möglich zu bleiben.

Inwiefern kann man das denn mit sich selbst ausmachen?
Patrice: Das hängt halt vom Anspruch ab, den man an sich selbst stellt. Natürlich könnte man sich überall durchmogeln und sagen: „Läuft doch alles super hier, was soll der Quatsch?“ Es geht ja immer um Schein und Sein, also welches Bild man nach außen abgibt und was die Leute von einem denken. Das ist vielen Leuten wichtig. Mir nicht so.

Viele sagen, dass man gerade durch Momente des Scheiterns wächst….
Patrice: Ja, auf jeden Fall! Wenn alles glatt läuft, muss man sich mit bestimmten Problemen nicht auseinandersetzen. Der Mensch an sich ist ja erstmal faul – aber wenn man muss, kommt man auf einmal auf ganz neue Ideen, weil man ja rauskommen will aus dem Loch. Auch wenn man Schmerz empfindet, schreibt man oft viel schönere Lieder, weil der Schmerz einfach raus muss. Das ist wie eine Therapie.

Dein Album „Free PatriAtion“ ist deinem Vater Gaston Bart-Williams gewidmet, einem Schriftsteller aus Sierra Leone, der 1990 verstarb. Hätte es ihm gefallen?
Patrice: Ja, ich glaube schon, dass es ihm gefallen hätte. Die Lyrik meines Vaters hat mich sehr beeinflusst. Ich habe ihm super viel zu verdanken. Einige seiner Schriften und Gedichte sind auch im Booklet abgedruckt. Es war mir wichtig ihn auf diesem Album zu verewigen.

Zitiert

Wenn man Schmerz empfindet, schreibt man oft viel schönere Lieder, weil der Schmerz einfach raus muss.

Patrice

Du bist 1979 in Kerpen bei Köln geboren. Deine Mutter ist Deutsche. Wie verlief dein erster Kontakt zu Afrika? Wie hast du die Heimat deines Vaters kennen gelernt?
Patrice: Über meinen Vater, über die Erziehung, über die Kunst, die bei uns zu Hause war. Wir sind oft auf Ausstellungen oder zu Konzerten gegangen, hatten oft Gäste wie meine Oma und meine Onkels und haben dann auch afrikanisch gegessen. Das Land Sierra Leone habe ich dann zum ersten Mal durch die Beerdigung meines Vaters 1990 besucht. Später hatte ich dann auch ein Haus dort und habe einige Zeit in Sierra Leone gelebt. Ich habe dieses Land immer als wunderschön erlebt.

Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt und wurde zuletzt durch den Film „Blood Diamond“ in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Wie siehst du die Zukunft dieses gebeutelten Landes?
Patrice: Sierra Leone ist ja ein sehr kleines Land und man sieht meistens nur die Schauerbilder in den Medien. Sierra Leone hat für mich die schönsten Strände der Welt, menschenleer, weil sich keiner hintraut, obwohl da jetzt eigentlich total Ruhe ist. Und obwohl es so ein kleines Land ist, hat man dort ein riesiges CIA-Quartier und eine UN-Basis aufgebaut, mit einem Gerichtshof, der für ganz Afrika zuständig ist. Dieses Land hat große Dinge und das lässt ja eigentlich immer auf eine ganz gute Zukunft schließen. Das Land ist im Aufbruch. Ähnlich wie in Deutschland nach dem Krieg haben die Leute in Sierra Leone ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, wollen das Land zusammen wieder nach vorne bringen. Jetzt wurde aber auch wieder Öl gefunden, und das könnte wieder zu Unruhen führen. Man wird sehen wie sich das entwickelt.

Man hört oft, dass die Menschen in Afrika trotz der Probleme eine beeindruckende Lebensfreude ausstrahlen…
Patrice: Nur weil Leute weniger haben, heißt das ja nicht, dass es ihnen automatisch schlechter geht. Wenn man das messen könnte, wie glücklich ein Mensch ist, glaube ich nicht, dass einer der weniger hat und glücklich ist,  weniger glücklich ist, als jemand der viel hat und glücklich ist. Die Menschen in Afrika sind näher am Leben und näher am Tod. Ihre Freude und ihr Lebensgefühl ist alles was die Leute haben. Daran halten sie fest.

Kann Musik die Welt verändern?
Patrice: Ich denke ja, und ich glaube auch, dass sie es tut. Musik ist immer etwas, was die Menschen über ihre Situation erhebt. Bestimmte Zustände kann man nur überleben, wenn man sich an der Musik festhält. Wenn Menschen in Gefangenschaft sind, im Konzentrationslager oder auch in der Sklaverei, kann Musik neue Kraft geben, durch gemeinsames Singen oder ähnliches. Musik dringt direkt zu den Menschen vor, bewegt und ergreift sie. Wenn der richtige Künstler oder die richtige Gruppe zur richtigen Zeit am richtigen Ort spielt, kann sehr viel im Sinne von Weltverbesserung passieren.

Inwieweit möchtest du durch deine Musik die Welt verändern?
Patrice: Das möchte ich auf jeden Fall. Die Maßstrukturen müssen sich ändern. Im Moment liegt der Schwerpunkt der Machtverteilung auf der Wirtschaft. Dadurch ist die Politik immer mehr zu einer Lachnummer geworden und das ist schon kritisch. Der Bürger soll die Möglichkeit bekommen, Politiker zu wählen und aktiv an dem Geschehen teilzunehmen. Wenn die Politik  aber nicht mehr den Bürger sondern die Wirtschaft repräsentiert, dann kann das nicht gut sein. Ich werde aus dem ganzen Banken-Crash noch nicht wirklich schlau, aber es ist schon interessant zu sehen, wie das alles zusammenbricht.

Deine neue Single „Dove of peace“ kommt am 11.11. raus und thematisiert kritisch die Bush-Regierung. Jetzt hat Amerika gerade einen neuen Präsidenten gewählt: Was erhoffst du dir von einer US Regierung unter Barack Obama?
Patrice: Erstmal muss ich sagen, dass „Dove of Peace“ nicht direkt George Bush oder seine Regierung kritisiert, sondern nur die Art seiner Politik, die man ja auch in vielen anderen Ländern findet. Bush ist halt so das Aushängeschild der imperialistischen Politik. Ihm war es völlig egal, welche UN-Chartas er übergangen hat, die aber genau dafür da sind uns vor so etwas zu bewahren. Ich finde es krass, dass er einfach so gegen das Gesetz handeln durfte und keiner was gesagt hat, weil Bush halt die Supermacht dargestellt hat.
Von der neuen Regierung wünsche ich mir jetzt erstmal einen intelligenteren Präsidenten – was ja nicht sehr schwierig sein dürfte. Ich hoffe, dass Obama ein paar von den Sachen umsetzt, die er versprochen hat, dass er ein friedlicherer Präsident sein wird, dass der Irak-Krieg ein Ende findet und er mehr in Bildung investiert. Das wäre schon die halbe Miete, wenn Amerika etwas gebildeter wäre, dann würden die Menschen auch nicht so viel mitmachen. Es kann unter Obama eigentlich nur besser werden.

Beim Obama-Auftritt in Berlin im Juli 2008 bist du im Vorprogramm aufgetreten. Wie kam es dazu?
Patrice: Obama find ich gut. Aber er ist ja auch nur ein Politiker, also warten wir erstmal ab. (lacht) Nein, ich hätte das für niemanden sonst gemacht, aber in diesem Falle hatte ich da kein Problem mit. Obama wurde im Vorfeld meine Musik vorgestellt und er hat mich dann ausgewählt. Das war natürlich eine große Ehre für mich!

Inwieweit darf man sich denn als Musiker politisch vereinnahmen lassen?
Patrice: Natürlich muss man da aufpassen, aber bei Obama hatte ich keine Bedenken. Es gab ja nur ihn oder McCain – und Obama war einfach der bessere Kandidat, ich wollte ihn auf jeden Fall unterstützen. Es ging mir dabei nicht um die Partei, sondern um die Menschen. Diese Wahl war superwichtig für die Welt, nicht nur für Amerika. Ich verantworte mich ja keinem Politiker gegenüber, sondern den Menschen. Ich bin sehr gespannt wie er sich schlagen wird.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.