Monsieur Dunckel, Sie haben schon öfters die Wichtigkeit der Romantik für Ihre Musik betont. Sind Sie eine romantische Person?
Dunckel: Ja, sehr romantisch.
Sind sich verlieben und Alben erschaffen vergleichbare Vorgänge?
Dunckel: In beiden Situationen geht es um Magie, die passiert. Im Studio passiert ein Song einfach während du da bist. Wir fragen nicht wie oder warum, nicht warum heute und gestern nicht – weil man das einfach nicht versteht. Trifft man eine Frau ist das häufig genau so: man weiß nicht, warum es passiert. Etwas Magisches, das sich nicht beschreiben lässt. Das verbindet diese beiden Sachen.
Erinnern Sie sich daran, was mit Ihnen passierte, als Sie sich das erste Mal verliebten?
Dunckel: Das was allen Liebenden passiert, das was in Büchern von Proust oder Flaubert steht. Der Prozess ist immer gleich, es sind immer du und der andere. Doch das, was den anderen attraktiv macht, passiert in deinem Kopf und kann auch ganz plötzlich wieder verschwinden.
Allerdings wirken Sie ein wenig schüchtern.
Dunckel: Diese Schüchternheit treibt uns an. Wir sind keine Playboys, die in eine Disko gehen und viele Dates haben können. Ich muss um die Stärke und den Mut kämpfen, den es mich kostet, auf Frauen zuzugehen. Umso schüchterner du bist, desto sentimentaler bist du auch. Nicht-Schüchterne sind nicht sentimental. Sie verhalten sich wie Maschinen, die Techniken einsetzen, um Frauen kennen zu lernen.
Welchen Einfluss hatte Feminismus auf Sie als schüchterne Jungs?
Dunckel: Feminismus? – Ich hasse den verdammten Feminismus! Natürlich sollten Frauen im Leben gleichgestellt sein, aber sie sollten nicht versuchen das gleiche Leben zu führen. Klar sollen Männer und Frauen die gleichen Rechte haben, aber ich mag es, wenn Männer Männersachen tun und Frauen Frauensachen. In meiner Vorstellung hatte der Feminismus in den 60er Jahren seine Dienste zu leisten, als gesellschaftliche Hürden überwunden werden mussten. Aber heute? Heute macht er keinen Sinn mehr. Da bin ich sehr altmodisch.
Ich habe gelesen, dass schon Paare zu Ihnen gekommen sind und ihre Kinder vorgestellt haben, die dank Ihres Debüt-Albums „Moon Safari“ den Weg in die Welt gefunden haben…
Dunckel: Ja, das stimmt. Männer erzählen uns, wie sie ihre Frau bei unserer Musik kennengelernt haben, oder es geschehen so bizarre Dinge, wie die mit den Kindern. Aber das war damals nicht unsere Absicht… Ich hoffe auch nicht, dass mir jemand eines Tages Kinder bringt, um sie groß zu ziehen.
Interessant war, dass „Moon Safari“ damals weltweit zum Erfolg wurde, nur nicht in Ihrer Heimat Frankreich. Warum?
Dunckel: Franzosen sind sehr distinguiert, weil sie in sehr vielen Sachen sehr gut sind. Wir sind super in Mode, Essen und Filmen. In Musik nicht so sehr. So wie wir keinen Sinn für Humor haben, so fehlt uns auch der Sinn für gute Musik. Moderne Musik meine ich natürlich – nicht klassische.
Wobei sich mit den Jahren das Verhältnis der Franzosen zu „Air“ auch geändert hat…
Dunckel: Ja, durch unsere Filmmusik zu „Virgin Suicides“, einem Film von Sofia Coppola. Das brachte die Franzosen dazu, ihre Meinung zu ändern.
Was denken Sie, von welchen Aspekten der französischen Kultur sollten sich andere Länder eine Scheibe abschneiden?
Dunckel: Ich vermisse das Essen! Das ist zwar ein Klischee, aber es ist die Wahrheit. Ansonsten denke ich, dass Frankreich lieber von anderen Ländern lernen sollte. Obwohl ich mein Land, meine Heimat liebe, glaube ich, dass viele Franzosen sehr anmaßend sind. Wir erzählen häufig, wir seien die Besten, in diesen oder jenen Dingen.
Welches Verhältnis haben Sie zur Mode?
Dunckel: Mode ist groß in Frankreich. Als Kind habe ich mir im Fernsehen immer Modeschauen angeguckt und über Kleider von Chanel oder Yves Saint-Laurent geurteilt. Das ist tief in unserer Kultur verwurzelt, während der Mode-Woche in Paris unterhält sich das ganze Land über den Style von einzelnen Designern.
Sie sagten einmal, „Mode ist ein zu ernstes Thema, als dass man darüber Witze machen sollte.“
Dunckel: Das stimmt. Sehe ich ein Defilee, erkenne ich die Geschichte des Designers dahinter. Mode ist genauso magisch für mich wie Musik. Das Werk eines Designers bewegt mich genau so, wie das eines Musikers. Für mich ist Mode mehr als nur die Überlegung, wer welche Kleider tragen kann. Es ist Kunst. Mode bewegt dich. Ich liebe sie.
Wir sitzen hier beim Interview in Berlin – was fasziniert Sie besonders an deutscher Kultur?
Dunckel: Bach! Er ist unerreichbar und nicht zu überbieten. Was er geschaffen hat ist unglaublich. Er ist das klügste, emotionalste, … ich denke er ist das einzige, was ich bedauern werde, wenn ich irgendwann sterben muss. Weil ich dann nicht mehr jeden Morgen Bach am Klavier spielen kann. Das würde ich am meisten vermissen.
Bachs Musik wird oft mit Mathematik verglichen…
Dunckel: Das stimmt auch. Analysiert man ein Prelude von ihm, erkennt man Konturen eines Atoms. Es ist, als ob du dich den Rätseln des Lebens näherst. Doch obwohl alles perfekt ist, stecken seine Stücke voller Emotion. Also sind sie noch mehr als Mathematik. Das ist für mich der Unterschied zwischen Bach und Einstein. Bach ist Mathematik plus etwas, das nicht zu dekodieren ist. Bachs Musik ist einer der besten Gründe am Leben zu sein.
Welchen Einfluss hat eigentlich Ihr neugebautes Studio auf die Produktion von „Love 2” gehabt?
Dunckel: Das Studio ist unglaublich, wir haben das Studio unserer Träume erschaffen. Damit haben wir uns komplett gelöst und machen nun alles genau so, wie wir wollen. So vermeiden wir auch die Gefahr, zu professionell zu klingen. Wir konnten so viel Krach machen, wie wir wollten und zum Beispiel um vier Uhr morgens Schlagzeug spielen.
Und was ist 2009 neu an Air?
Dunckel: Es muss immer eine Entwicklung geben. Würde es nichts Aufregendes mehr geben, würde ich zu Hause bleiben und Klavier spielen. Gerade weil ich klassische Musik so liebe, maße ich mir nicht an zu glauben, ich könnte etwas vollkommen Neues, Überwältigendes erschaffen. Ich glaube die besten Kompositionen aller Zeiten sind längst erschaffen. Aber ich kann Stimmungen schaffen, die eine bestimmte Energie versprühen. Etwas Magisches, das die Leute spüren, wenn sie zuhause unsere Musik hören. Deshalb mache ich Musik. Ich will nicht einfach nur reproduzieren. Wenn ich im Studio bin, muss etwas Besonderes passieren.