Herr Koch, im ZDF-Eventmovie „Der Seewolf“ spielen Sie den herrschsüchtigen und brutalen Kapitän Wolf Larsen. Wie verlief Ihr erster Kontakt zur Romanvorlage von Jack London aus dem Jahre 1904?
Koch: Als ich 14 war, habe ich den berühmten Film mit Raimund Harmstorf gesehen und auch das Buch gelesen. Ich war damals sehr beeindruckt von dieser Geschichte, aber doch eher in einem abenteuerlichen Sinne. Den wirklichen hohen philosophischen und literarischen Wert dieses Stoffes habe ich erst vor zwei Jahren entdeckt, als ich das Angebot für diese Verfilmung bekam und den Roman noch einmal las. Da wurde mir bewusst was für eine große Weltliteratur Jack London da geschaffen hat.
Lassen Sie uns über den Charakter Wolf Larsen sprechen. Bei aller Brutalität und Unmenschlichkeit fasziniert er einen doch auf eine besondere Weise. Es fällt schwer ihn nur als grausamen Wolf zu sehen. Wie erging es Ihnen mit dieser Figur?
Koch: Ich bin fasziniert von ihm. Wolf Larsen hat ja so viele Schattierungen, so viele Facetten. Einerseits ist er ein Straßenköter, der immer kämpfen will, immer die Begegnung mit dem potentiell Stärkeren sucht, immer weiter will, wie eine Maschine, die nie aufhört zu laufen. Er ist ein sehr körperlicher Mensch, der seinen Körper als Waffe benutzt und das war schon interessant, ob ich das überhaupt hinkriege. Ich musste mich diesem Körper ja zumindest annähern und habe deshalb auch mehrere Monate hart trainiert. Auf der anderen Seite ist Larsen aber auch ein Philosoph, hat Darwin, Milton und Shakespeare gelesen und versucht, die großen Fragen des Lebens zu beantworten. Das passt ja erst mal gar nicht mit seiner Erscheinung zusammen und gerade darin besteht der große Reiz dieser Figur. Im Roman wird er auch als gefallener Engel beschrieben, als ein Luzifer, der von der Himmelstafel abgleitet, weil er lieber unten Boss sein will als oben zu dienen. Aber die romantische Sehnsucht ist trotzdem da.
„Der Seewolf“ wurde komplett in englischer Sprache gedreht. War das ein Problem für Sie?
Koch: Das war einer der Hauptgründe warum ich das Projekt gemacht habe. Wenn du so eine physische Figur hast, kannst du dich nicht hinter der Sprache verstecken. Da musst du laut sein, und das hat mir schon Spaß gemacht mich in dieser Sprache auszutoben, gerade weil es auch nicht meine eigene Sprache ist.
Die Dreharbeiten fanden zum großen Teil in Kanada auf offener See statt. Wie sind Sie mit den extremen Bedingungen umgegangen?
Koch: Wir haben fast ohne Computeranimationen gedreht und das war dem Regisseur sehr wichtig. Wir hatten auch das passende Team dabei, die sich das zugetraut haben, bei großen Windstärken nicht aufzuhören sondern weiter zu drehen. Das wird dann eben manchmal gefährlich. Dadurch wirkt der ganze Film aber sehr natürlich, rau und lebendig.
Welches Verhältnis haben Sie ansonsten zum Element Wasser?
Koch: Ich bin sehr gerne auf dem Wasser, gucke gern aufs Wasser, bin auch gerne im Wasser, solange ich den Boden unter den Füßen noch spüre. Im tiefen Wasser bin ich nicht wirklich gerne. Ich bin kein großer Taucher.
„Der Seewolf“ wurde schon sehr oft verfilmt, zuletzt im November 2008 für Pro7, mit Thomas Kretschmann in der Hauptrolle, mit nicht sehr positiven Reaktionen. Es ist ja schon ein großes Risiko so kurz danach eine erneute Verfilmung zu bringen, finden Sie nicht? Die Leute sind möglicherweise übersättigt…
Koch: Der Stoff wurde zur selben Zeit entwickelt. Ich wusste am Anfang gar nicht, dass auch Pro 7 plant, diesen Stoff zu verfilmen. Ich denke, dass unser Film seine Zuschauer finden wird. Da mache ich mir gar keine Sorgen.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Seewolf spielen würde.
Sie spielen sehr oft Typen mit Ecken und Kanten. Inwiefern würden Sie gerne auch mal einen aalglatten Charakter verkörpern?
Koch: Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Seewolf spielen würde. Ich suche mir meine Rollen nicht strategisch aus, sondern lasse mich von dem überraschen was kommt. Es kommt auch drauf an, wie mir der Stoff entgegengebracht wird. Und wer das macht. Dann entscheidet eigentlich mein Bauch. Wenn mal ein aalglatter Typ dabei ist, der mich reizt, mit dem ich was anfangen kann, warum nicht?
Als der brutale Wolf auf den feingeistigen Humphrey van Weyden trifft, den er auf seinem Schiff aufnimmt, kommt es nicht nur zum physischen Kampf, sondern auch zum Kampf der Weltanschauungen. Wolf vertritt die sozial-darwinistische Weltordnung, für van Weyden zählen eher humanistische Werte. Welche Seite ist Ihrer Meinung nach heute stärker in der Welt? Welche Anschauung wird unsere Zukunft prägen?
Koch: Ich denke diese Frage kann man gar nicht so ganz eindeutig beantworten. Ich denke in jeder menschlichen Seele stecken beide Seiten. Ich finde den Stoff wichtig, weil er diese Frage stellt und man sich diese Frage auch immer wieder stellen muss, aber beantworten kannst du das nie. Man muss in der Gesellschaft Kompromisse machen, natürlich wird man aber auch immer Sehnsucht nach dem haben, der sich nicht darum schert. Was ich spannend finde, dass wir in unserer moralischen, christlichen Welt immer so tun, als wären wir die Gutmenschen und unter dem Deckmantel geht ein Hauen und Stechen und ein solcher Betrug los. Wolf Larsen legt genau da den Finger auf die Wunde und sagt: „Was ist denn das für ein Scheiß! Ihr redet immer von Nächstenliebe und tut genau das Gegenteil! Da bleib ich doch lieber bei mir und quatsch nicht so dumm rum.“
Wie wären Sie mit der Situation umgegangen, wenn Sie als Schiffbrüchiger wie von Weyden in den Händen des Seewolfes gelandet wären?
Koch: Ich hätte mich ganz ähnlich wie von Weyden verhalten. Natürlich hätte ich mich am Anfang gewehrt, aber dann hätte ich die Herausforderung angenommen. Das macht ja was mit einem, wenn man sich mit einem Menschen, wie dem Seewolf auseinander setzen muss. Wolf Larsen erzieht von Weyden auch fast wie ein Vater seinen Sohn. Ich denke, er spürt, dass er in absehbarer Zeit an seinem Tumor sterben wird. Das ist sein Instinkt. Darum möchte er sein Wissen weitergeben und macht van Weyden fit für die harte Welt.
Das Buch und der Film werfen ja auch die alte Frage auf: Ist der Mensch wirklich von Geburt an des Menschen Wolf oder macht ihn seine Umwelt dazu. Wie sehen Sie das?
Koch: Ich glaube schon, dass wir von Grund auf das Gute, die Liebe anstreben und wenn man die als Säugling nicht bekommt, dann macht das was mit einem. Dann wird man möglicherweise härter im Umgang mit anderen. Von meinem Grundbild des Menschen aus, das ja auch nur subjektiv ist, würde ich aber schon sagen, dass wir alle ein ganz großes Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit haben.
Inwiefern entdeckt man durch das Spielen so einer Rolle auch unbekannte, dunkle Seiten an sich selber?
Koch: Das macht schon großen Spaß, so ein Vieh, so eine Bestie auf so einem Boot zu spielen. Das ist ja auch das Tolle an diesem Beruf, dass man über die Phantasie, mit der Phantasie in so ein ganz anderes Sein abtauchen kann. Es ist ein Spiel, aber ein todernstes Spiel.
Aber ändert man denn auch die Denkweisen, wenn man sich so lange mit einer Figur beschäftigt?
Koch: Innerhalb der Rolle ja, aber nach Drehschluss kann ich das schon ablegen. Natürlich frage ich mich, wie ich mich verhalten würde, aber ich bin relativ gebildet und zivilisiert, dass ich mich davon nicht so leicht wegtragen lasse. Schwierige Charaktere habe ich schon öfter gespielt, mache das immer noch sehr gerne und habe da noch keine Schäden genommen. Ich suche immer wieder neue Herausforderungen, neue Schwierigkeiten.