Markus Weise

Wir sind zum Erfolg verdammt.

Hockey-Bundestrainer Markus Weise über die Terrorgefahr während der Hockey-WM, die Ambitionen seines Teams und den engen Terminkalender.

Markus Weise

© Deutscher Hockey Bund

Herr Weise, mit was für Gefühlen fliegen Sie eigentlich zur Hockey-WM nach Neu Delhi?
Weise: Mit guten Gefühlen. Aber ich ahne, worauf Sie anspielen.

Der „Asian Times Online“ liegt nach eigenen Angaben eine Terrordrohung der Brigade 313 vor, die als verlängerter Arm des Terrornetzwerkes Al Qaida gilt. Wie reagieren Sie als Bundestrainer auf solche Meldungen?
Weise: Klar werden Großereignisse gern dazu benutzt, um irgendwelche Warnungen herauszugeben, aber letztendlich hat sich die Sicherheitsstufe überhaupt nicht geändert. Wir müssen halt damit leben. Und es ist ja auch so, dass man im Zuge der Globalisierung kaum noch irgendwo sicher ist. Weder in Neu Delhi, noch in Hamburg, London oder sonst wo. Passieren kann eigentlich immer was. Und da wir keine Rucksackreise durch Afghanistan unternehmen, sondern uns in einem gesicherten Umfeld aufhalten werden, mache ich mir keine großen Sorgen.

Gab es dennoch den einen oder anderen Spieler, der Ihnen gegenüber Bedenken geäußert hat, nach Neu Delhi zu reisen?
Weise: Nachdem die Meldung veröffentlicht wurde, haben die Jungs angefangen diese Zeitungsschnipsel herum zu senden. Dem habe ich aber einen Riegel vorgeschoben. Im Grunde genommen werden da Ängste geschürt, die nicht sein müssen. Natürlich müssen wir uns an die Grundregeln halten und dürfen kein unnötiges Risiko eingehen. Es kam aber keiner zu mir, weil er Angst hat.

Würden Sie trotzdem sagen, dass sich diese Nebengeräusche auf die Leistung der Mannschaft auswirken können?
Weise: Ja, das kann natürlich passieren. Aber nur dann, wenn wir es nicht schaffen uns auf die wichtigen Dinge, also den Sport, zu fokussieren.

Das Team aus Neuseeland hat wegen der Terrordrohung sogar seine Anreise nach Indien verschoben. War das für Sie auch ein Thema?
Weise: Unsere Anreise hätte sich nur aufgrund des Lufthansa-Streiks verschoben. Ich glaube es bringt nichts, einen Tag früher oder später dahin zu fahren.

Haben Sie dennoch die Befürchtung, dass solche Meldungen die Politisierung des Sports bestärken und den Wettkampf in den Hintergrund treten lassen?
Weise: Das könnte passieren, aber das ist letztendlich auch davon abhängig, wie man mit diesen Drohungen umgeht. Man sollte sich nicht zu sehr von Ängsten und anderen Dingen, die in so ein Turnier hereingetragen werden, ablenken lassen. Dann macht man nicht den Job, den man machen sollte.

Fest steht: Die WM steht in Deutschland nicht gerade im Fokus des öffentlichen Interesses. Sportdigital überträgt zwar die WM, jedoch nur gegen Bezahlung. Ist das ein Nachteil für die Popularität Ihres Sports?
Weise: Es ist Nachteil und Vorteil. Manchmal bin ich schon ganz froh, dass wir nicht so in der Öffentlichkeit stehen. Da sind auch viele Nebensächlichkeiten mit verbunden. So muss ja immer berichtet werden, egal ob es Nachrichten gibt oder nicht. Von daher ist es auch mal ganz nett und schön, wenn man seine Ruhe hat.

Die Europameisterschaft in Amsterdam liegt gerade mal ein halbes Jahr zurück, in der Zwischenzeit hatten die Spieler aufgrund des Liga-Betriebes kaum freie Zeit, um auch mal regenerieren zu können. Ärgert Sie dieser enge Terminplan?
Weise: Das ist für uns sehr nachteilig, weil wir eben auch noch die Hallensaison zu absolvieren hatten. Unsere Spieler hatten gar keine Pause, wir haben eine ziemlich lange Belastungsphase hinter uns. Wir müssen es nun im Trainingsbereich hinbekommen, dass die Jungs beim Saisonhöhepunkt, der sehr früh in diesem Jahr liegt, in Topform sind.

Sie konnten aufgrund der knappen Zeit im Vorfeld der WM nur zwei Lehrgänge in Südafrika und in Spanien abhalten. Auf welche Dinge haben Sie dort besonderen Wert gelegt?
Weise: Der Schwerpunkt liegt seit der EM darin, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Sie ist sehr jung und dementsprechend fehlt ihr im Vergleich zu anderen Teams etwas die Erfahrung. Wir müssen Abläufe bei höherem Tempo und Entscheidungsdruck stabiler hinbekommen. Letztendlich muss vor allem die Tempoarbeit und die Handlungsschnelligkeit erhöht werden, um auf hohem Niveau konstant gut zu spielen.

Im Vergleich zum WM-Titel 2006 zählen nur noch drei Spieler, rückblickend auf den Olympiasieg 2008 noch neun Akteure zu ihrem 18er-WM-Aufgebot. Was hat diesem Umbruch notwendig gemacht?
Weise: Das ist im Hockey ja eine Sondersituation, denn meine Spieler hören mit 26-27 Jahren im besten Wettkampfalter auf. Das liegt meistens am Studium, weil dieses dann beendet ist und in der Folge steht eben der Beruf im Vordergrund und nicht mehr der Hockey-Sport. Da wir keine Profiliga haben, ist das verständlich.

Sie haben schon angesprochen, dass Sie eine junge Mannschaft haben. Hätten Sie dennoch gern den einen oder anderen Ex-Star zurück in Ihrem Team?
Weise: So etwas kann man sich natürlich wünschen, aber davon habe ich ja nichts, weil diese Spieler nun mal nicht zur Verfügung stehen. Ich freunde mich schnell mit äußeren Umständen an und arbeite gern mit den Jungs, die mir zur Verfügung stehen. Das ist ja auch der einzig mögliche Weg und den versuche ich konsequent zu gehen.

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Im Zuge der Globalisierung ist man kaum noch irgendwo sicher. Weder in Neu Delhi, in Hamburg oder in London.

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Mit Christoph Zeller fehlt ein wichtiger Spieler aufgrund seines Studiums. Wie sehr schmerzt dieser Ausfall?
Weise: Schon sehr. Aber ich kann es nicht ändern. Sein Studium ist wichtiger, denn da hängt seine berufliche Laufbahn dran. Ich kann das keinem verübeln. Ob er am Ende eine Weltmeisterschaft spielt oder nicht, interessiert nachher keinen mehr.

Dennoch ist das ein sehr unglücklicher Zustand für einen Bundestrainer.
Weise: Das ist so, ja. Das tut auch weh, aber es nützt nichts zu lamentieren.

Zwischen dem letzten Lehrgang im Spanien und dem WM-Auftaktspiel gegen Korea liegen drei Wochen. Ist das nicht zu viel Zeit oder täuscht das?
Weise: Das ist absichtlich so. Wir versuchen zwischen dem letzten Länderspiel und dem ersten Spiel des Saisonhöhepunktes drei Wochen zu haben, damit sich die Jungs vom Camp noch mal erholen können. Es wird ja auch nicht drei Wochen pausiert, sondern jeder trainiert da individuell, vor allem im athletischen Bereich. Die Pause ist eher für den mentalen Bereich. So sollen die Jungs wieder richtig Lust auf Hockey bekommen.

Am 24. Februar reisen Sie nach Neu Delhi an. Was passiert bis zum Auftaktspiel am 1. März gegen Korea?
Weise: Am 24. Februar kommen wir gegen 1.15 Uhr in Neu Delhi an, haben dann gegen 14 Uhr einen Termin im Hotel mit der Botschaft. Da gibt es eine Einführung in Land und Leute, sowie Sicherheitshinweise. Am 25.2. testen wir gegen Australien, einen Tag später gegen Pakistan. Am 27.2. gibt es einen Ausflug zum Taj Mahal. Am 28.2. gibt es noch mal ein lockeres Training. Und dann geht es auch schon los.

Sie absolvieren kurz vor der WM noch Tests gegen Mannschaften, die ebenfalls am Turnier teilnehmen. Haben Sie keine Angst davor, die Karte schon offen zu legen?
Weise: Das macht ja jeder, da sind wir keine Ausnahme. Es geht darum, sich an die Umstände, an das Stadion zu gewöhnen und den Kopf auf den Wettkampf vorzubereiten. Es wir auch nur 2×20 Minuten gespielt, also deutlich verkürzt. Die Ergebnisse spielen keine Rolle. Man kennt sich eh so genau, da ist es egal ob man jetzt einmal mehr oder weniger gegeneinander spielt.

Auftaktspiele sind ja immer etwas Besonderes, bei dieser WM geht es auch sofort gegen einen starken Gegner. Was erwarten Sie vom ersten Spiel gegen die Koreaner?
Weise: Das wird eine ganz harte Nuss für uns. Ich denke es wird ein enges Spiel, bei dem es auf ein Tor Unterschied ankommen wird. Korea ist einer unserer Hauptkonkurrenten um den Halbfinaleinzug. Es ist aber keineswegs schlecht gleich zu Beginn gegen so einen schweren Gegner antreten zu müssen, denn dadurch müssen wir von Vornherein sofort da sein.

Haben Sie spezielle Tricks, dass die Mannschaft auf den Punkt auf der Höhe ist?
Weise: Es geht gar nicht darum, dass wir sofort auf der Spitze unserer Leistungsfähigkeit loslegen. Es ist wichtig, dass wir auf einem vernünftigen Level starten und im Laufe des Turniers weiter ausbauen. Es ist sehr schwer, eine Mannschaft vom ersten Spiel an auf dem höchsten Niveau zu haben. Absolute Spitzenteams, die schon lange zusammenspielen, sind vielleicht die Ausnahme.

Wen sehen Sie in Ihrer Gruppe als Hauptkonkurrenten um die ersten beiden Plätze, die zum Einzug ins Halbfinale berechtigen?
Weise: Vor allem die Niederländer und die Koreaner. Den Neuseeländern räume ich eine Außenseiterchance ein.

Wie hoch würden Sie ihre eigenen Chancen einschätzen?
Weise: Die sind hoch, das hängt jedoch natürlich stark davon ab wie wir uns präsentieren. Wenn wir konstant unser Leistungsniveau abrufen, haben wir gute Halbfinalchancen.

Deutschland ist amtierender Weltmeister und Olympiasieger, holte diese Titel jedoch mit einer fast anderen Mannschaft. Was sind ihre Ziele für die kommende WM?
Weise: Wir wollen ganz klar ins Halbfinale. Dann kann man sicherlich ein neues Ziel ausgeben.

Aber man träumt auch ganz klar von einer Medaille, oder?
Weise: Logisch.

Gibt es in dieser Hinsicht Erfolgs-Druck vom Verband?
Weise: Wir sind eigentlich schon zum Erfolg verdammt, denn wir sind abhängig von Fördergeldern. Wenn wir keine guten Ergebnisse liefern, sind eben auch die Fördermittel in Gefahr. Dabei muss man jedoch auch einschränken, dass die WM zwar wichtig, aber nicht das wichtigste Turnier ist. Das sind die Olympischen Spiele, da müssen wir weit vorn landen.

Ist das nicht auch ein zusätzlicher Druck für die Mannschaft?
Weise: Die Jungs sehen sich nicht zum Erfolg verdammt, sie wollen ihn ja selbst unbedingt. 

Markus Weise ist seit dem 6. November 2006 Bundestrainer der deutschen Hockeynationalmannschaft der Herren. Zuvor betreute Weise die Damen-Auswahl und verschiedene Nachwuchsteams des Deutschen Hockey Bundes. Als Vereinstrainer hat er lange die mehr

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