Herr Marik, Sie sind durch das Internet populär geworden, die Videos Ihrer Kurznummern mit Eisbär, Frosch und Maulwurf wurden bei Youtube millionenfach angeklickt. Wo wären Sie heute ohne Youtube?
Marik: Bevor sich der Erfolg als Puppenspieler eingestellt hat, habe ich ja acht Jahre lang hauptberuflich an verschiedenen Theatern als Schauspieler gearbeitet. Wahrscheinlich würde ich das immer noch machen. Andererseits bin ich ja auch schon, bevor dieser ganze Youtube-Hype begann, regelmäßig im Quatsch Comedy Club aufgetreten. Nebenbei hat das immer schon funktioniert.
Können Sie sich denn erklären, wie dieser Youtube-Hype zustande gekommen ist?
Marik: Ich glaube, dass diese Drei-Minuten-Nummern einfach ein Format sind, die auf Youtube gut funktionieren. Innerhalb von drei Minuten wird eine schlüssige Geschichte erzählt, man braucht nicht lange, um rein zu kommen. Darüber hinaus: keine Ahnung. Das sollen die Leute beantworten, die sich das immer wieder angucken.
Sind Sie auch jemand, der sich stundenlang Youtube-Videos anschauen kann?
Marik: Nee, tatsächlich gar nicht.
Aber Sie verfolgen sicherlich, wie Ihre Videos dort dargestellt und kommentiert werden?
Marik: Klar, ich guck ab und zu mal rein. Ich glaube, das macht jeder. Wer sagt, dass er es nicht macht, der lügt. Manchmal krieg ich auch lustige Links von Freunden zugeschickt. Aber ich bin niemand, der da rum sucht und sich das stundenlang anschaut.
Hat das Internet einen Einfluss auf Ihr Programm und auf Ihre Figuren?
Marik: Nee, ich versuche mich davon komplett frei zu machen, weil ich glaube, dass man so keine Kunst machen kann. Man kann nicht versuchen, es den Leuten recht zu machen. Ich bin ja kein Dienstleister. Ich bin kein Kellner, der eine Bestellung aufnimmt und dann versucht, das Bestellte so gut wie möglich zu servieren. Deswegen mache ich ja auch immer noch Musik oder anderen Quatsch, weil letzten Endes die Aufgabe heißt: Alles, was René Marik Spaß macht. Es sind alle herzlich dazu eingeladen, daran teilzuhaben und ebenfalls Spaß zu haben. Natürlich gibt es immer wieder auch Leute, die sagen, wir wollen aber zwei Stunden lang nur den Maulwurf sehen. Doch das wird nicht stattfinden, weil es mich selber langweilen würde und ich dazu viel zu viel Lust habe, auch andere Dinge zu tun. Da müssen wir zusammen durch. Ich mache diesbezüglich keine Kompromisse.
Wenn man bei Youtube „René Marik“ eingibt, findet man quasi nur ihre Puppen. Wären Sie gerne auch in der allgemeinen Wahrnehmung mehr als ein Puppenspieler?
Marik: Ich weiß natürlich ganz genau: Wenn der Abend „René Marik singt Songs“ hieße, käme keiner. Das finde ich auch voll okay. Darum geht’s auch gar nicht. Ich weiß selbst, dass das, was ich wirklich kann, das Puppenspiel ist. Das andere macht mir einfach sehr viel Spaß, deshalb mache ich das zusätzlich. Ich erwarte auch gar nicht, dass jetzt auf einmal mit der Musik noch eine zweite Karriere stattfindet. Ich bin Realist genug.
Wissen Sie noch, wann Sie das erste Mal eine Puppe in der Hand gehalten haben?
Marik: Sicherlich als Kind irgendwann. Es ist jetzt aber nicht so, dass ich mein Leben lang dachte, ich will Puppenspieler werden. Überhaupt nicht. Das passierte eher über Umwege.
Wann war der Moment, als Sie dachten, das könnte etwas für Sie sein?
Marik: Als ich nach Berlin kam, um hier mein Hauptstudium in Mathe zu machen, hat mich meine Freundin in die Schaubude mitgenommen, das Berliner Puppentheater. Da habe ich ein Stück für Erwachsene gesehen, das mich extrem geflasht hat. Ich dachte damals, ich bewerbe mich da einfach mal – und wurde genommen. Das ging dann Knall auf Fall.
Ihr Werdegang ist kein ganz gewöhnlicher. Schließlich haben Sie zunächst eine Lehre als Kfz-Mechaniker gemacht, anschließend Mathematik studiert und erst dann eine künstlerische Laufbahn in Angriff genommen.
Marik: Diese Lehre mit 15 nach der Hauptschule als Kfz-Mechaniker war halt komplett das Falsche für mich – ich habe die auch nach einem Dreivierteljahr abgebrochen. Wenn ich noch ein Dreivierteljahr weiter gemacht hätte, wäre ich vermutlich in der Klapse gelandet. Es war furchtbar. Was ich da halt so für mich kapiert habe, ist, dass es Blödsinn ist, irgendetwas zu machen, weil man denkt, man hat dann erstmal irgendwas, man hat eine gewisse Sicherheit. Natürlich haben damals viele Leute zu mir gesagt: Mach doch erstmal die Lehre fertig, dann kannst du immer noch alles machen. Oder mach doch erstmal dein Mathe-Studium fertig, dann kannst du auch immer noch alles machen.
Mathe war aber auch nicht das Richtige?
Marik: Zunächst schon. Ich habe mit Mathe angefangen, weil ich dafür gebrannt habe, weil das auch eine Leidenschaft von mir war. Im Hauptstudium hat sich das aber ein bisschen relativiert, weil ich mich entscheiden musste, was ich eigentlich damit machen will. Ich war kurz vorm Diplom, hatte schon alle Scheine – und dann habe ich gesagt, ich mache jetzt Puppenspiel, weil ich Bock drauf hab. Es ist Schwachsinn, irgendetwas zu machen, worauf man keine Lust hat.
Puppenspiel ist ja im besten Sinne des Wortes Handwerk, Sie sind Diplom-Puppenspieler. Was zeichnet dieses Handwerk aus?
Marik: Ich glaube, das ist wie mit allem anderen auch. Man setzt sich einfach über einen gewissen Zeitraum intensiv mit einer Sache auseinander und macht es letzten Endes halt zu seinem Beruf. Natürlich hat man im Schauspielstudium viel Sprechtraining, Körper-Stimm-Training, Puppenführungstechnik – aber das ist es natürlich nicht, was einem zum Puppenspieler macht. Es hat auch ganz viel mit Auseinandersetzung mit Theater und der Frage „Wie funktioniert ein Vorgang?“ zu tun.
Wie lange brauchen Sie, um eine Nummer einzustudieren?
Marik: Jetzt für „KasperPop“ habe ich vier Wochen lang an den Puppen geprobt. Das Gute war, dass hab ich innerhalb der vier Wochen immer freitags in so einem kleinen Club öffentliche Proben gemacht habe. Als ich vorher alleine im Proberaum stand und die Dinger hochgehalten habe, dachte ich: Hä, das ist doch nicht lustig? Was machst du denn hier? Ich werde jetzt auch bald vierzig und irgendwann fragst du dich, was das alles soll. Deshalb war es ganz gut, das Ganze einmal pro Woche vor Leuten ausprobieren zu können, um rauszufinden, wo der Hase hängt oder wo die Witzigkeit versteckt ist.
Ich kriege ganz oft die Frage gestellt, was der Maulwurf eigentlich nach der Show macht. Ich sage dann immer: Der liegt in der Kiste, und was soll sein?
Auf welches Datum lässt sich die Geburtsstunde des Maulwurfs datieren?
Marik: Das war so 2000.
Und wie entstand die Idee?
Marik: Ich war in Jena am Theaterhaus, zusammen mit Rainald Grebe: Der hat da einmal im Monat eine Show organisiert, die hieß die Falkenhorst-Show – deshalb heißt der Frosch auch immer noch Herr Falkenhorst. Ich war dort als Schauspieler angestellt, hab aber dann in dieser Impro-Show von Rainald was mit Puppen gemacht, weil ich ja mal Puppenspiel studiert hatte. Und da hat dann jemand den Maulwurf gebastelt. Ich hab ihn ausprobiert und dann war der eben so.
Können Sie sich erklären, wieso die Figur des blinden, sprachbehinderten "Maulwurfn" so gut ankommt?
Marik: Keine Ahnung, das ist glaube ich etwas, was die Leute besser beantworten können. Was mir viel Spaß macht an der Figur ist, dass sie so direkt ist und nicht erstmal lange nachdenkt, bevor sie etwas sagt. Sie hat kein Über-Ich und keine Außensicht. Der Maulwurf ist immer genauso, wie er sich gerade fühlt und haut genau das immer voll raus. Ich glaube, dass es auch befreiend sein kann, wenn man das sieht.
Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften finden sich in den Puppen wieder?
Marik: Ich glaube alle. Sonst ginge das auch gar nicht. So eine leicht besserwisserische, ich sag mal Handwerksarroganz, die habe ich bestimmt auch. Und natürlich bin ich auch so ein bisschen verpeilt und habe so einen leichten Sprachfehler. Ich glaube, man kann eine Figur nur dann wirklich spielen, wenn sie auch irgendwie in einem drin steckt.
Durch Sie ist das Puppenspiel wieder richtig populär geworden. Ist damit auch das klassische Kasperletheater wieder auf dem Vormarsch?
Marik: Kasperletheater ist diese komische Kinderkopplung, auf die ich überhaupt keinen Bock habe. Diesen Kasper fürs Kinderzimmer gibt’s ja eigentlich erst seit der Weimarer Republik, weil sich irgendein Pädagoge überlegt hat, das ist doch ein ganz praktisches Erziehungswerkzeug. Vorher war Puppenspiel ja eher so etwas Derbes, auf Jahrmärkten für Erwachsene. Ich würde mich freuen, wenn Leute Puppenspiel nun anders wahrnehmen als eben nur im Sinne dieses Kasperletheaters im Kinderzimmer. Ich fände es aber anmaßend, mich selber in die Rolle einer Gallionsfigur zu stellen. Dazu gibt es einfach viel zu viele tolle Puppenspieler, die im Moment nicht so im Rampenlicht stehen wie ich, aber die schon seit Jahren sehr, sehr tolles Puppentheater auch für Erwachsene machen. Natürlich gibt’s da auch viel Scheiße, aber das ist ja im Theater genauso und im Kino auch.
Puppenspiel für Kinder interessiert Sie nicht?
Marik: Das, was ich tue, ist explizit nicht für Kinder. Es regt einen als Puppenspieler irgendwann ein bisschen auf, dass alle bei Puppenspiel sofort an Kinder denken. Es ist wie Beton in den Köpfen, dass Puppenspiel automatisch für Kinder sein muss. Aber das ganze Programm ist eigentlich nicht für Kinder gemacht. Ich beziehe mich nicht auf Kinder und weiß auch nicht, weshalb ich Kindertheater machen sollte.
Haben Sie Angst, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden?
Marik: Es gab mal das Angebot, was für die „Sendung mit der Maus“ zu machen, wo ich aber gesagt habe: Das mach ich nicht, genau aus dem Grund. Als Puppenspieler muss man total aufpassen. Man ist ganz schnell in dieser Kinderschiene drin, deshalb wäre es falsch, dann auch noch etwas für so ein explizites Kinderformat irgendwas zu machen. Bei einer meiner Veranstaltungen waren mal sehr viele Kinder – das Verrückte ist, dass die Erwachsenen sofort abschalten und nicht mehr hinschauen und hinhören, weil sie denken, jetzt werden die Kinder bespaßt und wir sind draußen. Das ist ein ganz komischer Effekt, den ich als Puppenspieler vermeiden will.
Sie haben aber nichts dagegen, wenn Kinder zu Ihren Veranstaltungen kommen?
Marik: Natürlich freue ich mich, wenn es auch Kindern gefällt. Ich kann mir eh nicht vorstellen, für welche Zielgruppe ich irgendwas mache. Ich denk ja nicht, ach jetzt mach ich was für Kinder oder jetzt mach ich was für Senioren oder jetzt mach ich was für die 30- bis 40-jährigen. Mit dieser Zielgruppenorientiertheit, die im Moment im Fernsehen Gang und Gäbe ist habe ich nichts am Hut. Ich finde, das ist falsch, das ist so eine BWLer-Mentalität. Ich glaube, man kann nur das machen, was einem Spaß macht und was einem entspricht, und dann können gerne alle daran teilhaben, die das irgendwie gut finden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, was muss ich machen, damit die und die das gut finden. Das ist von hinten durch die Brust ins Auge gedacht.
Eine Zielgruppe gibt es für Sie also nicht?
Marik: Nee, ich will auch gar keine haben. Das ist mir auch egal.
Sie sind auch öfter mal im Fernsehen zu Gast in Comedy-Shows, wo Sie neben Stefan Raab oder Mario Barth kurze Auftritte haben. Ist dieses Comedy-Umfeld eines, in dem Sie sich wohlfühlen?
Marik: Ich würde mich selber schon auch als Comedian bezeichnen. Das Feuilleton rümpft ja gerne mal die Nase, wenn es um Comedy geht – ich hab da aber kein Problem mit. Ich steh dazu. Ich hab auch großen Respekt vor vielen von diesen Kollegen und vor der Arbeit, die sie da tun. Es ist ja kein leichter Job.
Sie wollen partout kein politischer Künstler sein. Wieso diese strikte Ablehnung des Politischen?
Marik: Das Problem, das ich mit politischem Kabarett habe, ist dieser Konsens, der da herrscht. Da sitzt dann dieses spezielle Publikum, wo sowieso alle genau das Gleiche denken, was der da vorne eh schon sagt. Oben drüber steht immer dieser gesunde Menschenverstand nach dem Motto: Wir hier wissen ja, wie es geht und die da draußen sind ja doof. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber von der Tendenz her ist es so, dass sich politisches Kabarett einen subversiven Anstrich gibt, den es im Grunde gar nicht hat. Das meiste Kabarett, das man sieht, ist ja trotzdem systemimmanent. Und ich bin ja Anarchist, ich glaube nicht an den Kapitalismus und an die deutsche Grundordnung oder so. Ich kriege das Kotzen, wenn Leute mir von der Bühne runter erzählen wollen, was ich zu denken habe. Ich will lieber selber denken. Ich kann mir auch schwer vorstellen, ich möchte dieses und jenes in den Leuten auslösen, also muss ich das und das machen. Wenn das so wäre, wären für mich die Kunst und die Witzigkeit nach Hause gegangen, weil es eben so eine Zielorientiertheit hat, die der Kreativität im Widerspruch steht.
Die Berührung mit dem Politischen gibt es in Ihrem Programm aber durchaus. Plötzlich taucht der Maulwurf in Afghanistan auf und gibt sich wie ein Taliban. Gerade angesichts der aktuellen Debatte um den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland würde man allerdings eine politische Positionierung erwarten.
Marik: Ich finde es einfach lustig, dass der Maulwurf in Afghanistan mit einer Knarre auftaucht.
Sie bezeichnen Ihre Puppen als „räudiges Stück Stoff“. Haben Sie keinen Respekt vor Ihren eigenen Figuren?
Marik: Natürlich habe ich die über die Jahre hinweg auch irgendwie lieb gewonnen, aber letzten Endes begreife ich sie schon als Handwerkszeug. Ich kriege ganz oft die Frage gestellt, was der Maulwurf eigentlich nach der Show macht. Ich sage dann immer: Der liegt in der Kiste, und was soll sein? Ich meine, es ist ein Stück Schaumstoff und ein Stück Plüsch – und fertig. Bei mir gibt es da nicht so ´ne Verklärung. Ich krieg auch wirklich Pickel, wenn die Leute sagen „Du hast das Kind in mir geweckt“ oder „Du hast deine Kindheit in Koffer gepackt“. Das ist alles Quatsch. Ich mach mein Ding und das macht mir Spaß und mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen.
Hinweis: Für SPIESSER.de haben wir zusätzlich ein Video-Interview mit René Marik produziert.