Joana Zimmer

Ich mache mich lustig, wenn meine Freundinnen ewig vor dem Spiegel stehen.

Joana Zimmer über ihren Weg zum Pop, Dollarscheine, die Rolle des Visuellen, Schönheitsideal und ihr Statussymbol

Joana Zimmer

© missjz.de

Joana, wenn du eine fremde Person kennen lernst, was ist die erste Frage, die du ihr stellst?
Zimmer: Beim Kennenlernen? Also, um ehrlich zu sein, gibt es nichts Bestimmtes, was ich immer zuerst frage. Was ich aber ganz entscheidend finde ist der erste Händedruck. Daran spürt man, wie straight jemand einen anguckt, ob er dir wirklich in die Augen schaut oder an der Nase vorbei. So stelle ich mir das vor. Ist der Händedruck fest, dann ist das meistens auch jemand, der geradlinig ist.

Du hast dein aktuelles Album „Miss JZ“ in den USA aufgenommen, wo du inzwischen regelmäßig bist. Wie begann deine Beziehung zu den USA?
Zimmer: An die erste Zeit, die ich dort als kleines Kind verbracht habe, kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich bin mit Englisch aufgewachsen und habe dann interessanter Weise auch immer ein bisschen Heimweh gehabt. Anscheinend habe ich doch ein paar Wurzeln, auch wenn ich die erste Zeit viel unbewusster dort gelebt habe. Insofern fühlte mich irgendwann dort wieder hingezogen.
Auf der anderen Seite kommt natürlich der musikalische Hintergrund für das, was ich mache, klar aus den USA. Deswegen musste ich dort auch hingehen, um mir die ganze Inspiration zu holen.

Wann bist du nach der Kindheit das erste Mal wieder nach New York gereist?
Zimmer: Ich bin einmal spontan in New York gewesen wo ich Barbara Streisand live gesehen habe, das war so ein Lebenstraum von mir. Da habe ich auch diese Energie gespürt, die in New York herrscht.
Vor zwei Jahren, als ich angefangen, mein Album zu konzipieren habe ich dann einen Rundumschlag gemacht, ich war in L.A., in Nashville, in Minnesota, aber dann eben auch viel in New York, wo sich später auch das komplette Produzenten-Team gefunden hat mit dem ich dann arbeiten wollte.

Ist New York eine Stadt, in der du dich gut zurecht findest?
Zimmer: Am Anfang war es sehr hart muss ich sagen, vor allem weil ich Einiges im Alleingang gemacht habe. Sehr anstrengend war für mich zum Beispiel, dass die Dollarnoten alle gleich groß sind. Das heißt, man kann nie unterscheiden: ist es 1 Dollar, 50 oder 100? So etwas finde ich sehr mühsam, weil gerade was solche Dinge angeht bin ich gerne unabhängig. Irgendwann hatte ich dann mehr Erfahrung, jetzt mache ich alles mit Karte, das machen dort eh alle da.
Also, ich habe mich nach und eingefuchst, ich habe eine Wohnung in Brooklyn gefunden und mittlerweile pendle ich zwischen New York und Berlin.
New York ist auch eine sehr laute Stadt, sehr energetisch, aber es gibt auch Plätze, wo man ein bisschen zur Ruhe kommen kann, man muss sie nur finden. Wenn ich dort bin, bekomme ich immer mehr Kraft zurück, als ich investiere, das tut mir immer sehr gut.

Ist Lärm für dich beunruhigend – oder eher beruhigend?
Zimmer: Gegen ein bisschen Lärm habe ich nichts. Ich bin auch ein Stadtmensch, ich lebe in einer Großstadt und brauche das auch. Ich würde nie aufs Land ziehen.

Du machst heute Pop, auf deiner aller ersten CD hast du jedoch Jazz gesungen…
Zimmer: Ja, die hatte ich damals selbst gemacht, weil bei Auftritten immer alle sagten, sie wollten eine CD kaufen. Das war aber kein richtiges Album, die Auflage war auch sehr klein.

Was hast du gesungen?
Zimmer: Jazz-Standards, Songs, die Ella Fitzgerald und Billie Holiday gesungen haben. Ich habe das auf meine Weise gemacht und mochte das auch sehr gerne.

Würdest du die Aufnahmen noch mal veröffentlichen?
Zimmer: Ich habe die mal auf Ebay gesehen, wo Leute die verscherbelt haben, nachdem ich bekannt wurde, unglaublich teuer. Ich habe glaube ich noch zwei Exemplare zuhause – hätte ich mal mehr aufgehoben! (lacht)
Ich fand es gut, was wir da gemacht haben. Es war eine Live-Aufnahme und für Fans wäre es heute bestimmt spannend, das zu hören. Aber es ist natürlich nicht das, was ich heute bin. Das war ein Steinchen auf dem Weg, ich stehe auch dazu, das war cooles Zeug. Allerdings ist es nichts, wo ich sagen würde, dass man das jetzt unbedingt nochmal hören muss.

Wie bist du zum Pop gekommen?
Zimmer: Ich bin mit Jazz und Klassik aufgewachsen. Als ich acht Jahre alt war und im Radio Rock- oder Popmusik lief, habe ich mir immer die Ohren zugehalten. Das war mir so gar nichts. Ich kann mich noch erinnern, wie ich mir manchmal im Schulbus die ganze Fahrt die Ohren zugehalten habe.
Ich war ein großer Fan von Opern, die habe ich auch mit sieben schon versucht, mitzusingen, das hat mich wahnsinnig fasziniert. Als Teenager war ich dann im Internat, wo alle anderen komplett andere Musik gehört haben. Meine Zimmermitbewohnerin war damals großer Queen-Fan und ich weiß noch wie sie mir mal beim Frühstück Queen vorgespielt hat. Da habe ich zu ihr gesagt: Jetzt fängt es a, mir zu gefallen, das ist irgendwie cool. So fing das an, ich fand dann immer mehr Sachen aus dem Rock-, Pop- und R’n’B-Bereich gut, und mittlerweile bin ich ein großer R’n’B-Fan – wenn es gut gemacht ist.
Es ist wirklich ein Weg dahin gewesen, das hätte ich mir früher nie gedacht. Das war auch nichts Erzwungenes, wo ich dachte, du musst jetzt aber modern sein, sondern es war eher dieses: ich möchte es wirklich gern machen, es muss aber auch so sein, dass es wirklich zu mir passt. Das ist manchmal wie mit einem Kleid, man findet es super auf der Stange, man muss es aber erst anprobieren um zu sehen, ob es einem wirklich steht.

Wie ist deine Definition von Pop?
Zimmer: Musik, die populär ist und die sich am aktuellen Sound orientiert. Es ist natürlich immer die Frage, was jetzt gerade der aktuelle Sound ist? Als Timbaland rauskam war es klar: das ist jetzt der aktuelle Sound, diese fetten Beats. Und dann konnte man sie nach einem Jahr nicht mehr hören. Das ist wahrscheinlich Pop.
Wichtig ist aber glaube ich, wenn ich das Radio anmache: es gibt Tausend Leute, die diesen Sound nachmachen, aber halt nur einen Timbaland, nur einen Michael Jackson.  Und das habe ich mir immer zum Ziel gesetzt, dass man sagen kann: OK, du hörst die Stimme und weißt, das ist Joana Zimmer, der Wiedererkennungswert.

Ich habe zuletzt auch Jamie Cullum und Right Said Fred danach gefragt, auch da kam diese Eigenschaft der Wegwerfware zur Sprache.
Zimmer: Es ist leider ein bisschen so, wenn man schnell an Musik kommt… Früher hat man in den Plattenläden gestanden, auf die neuen Sachen gewartet, man konnte auch nicht kopieren und einen Song irgendwohin verschicken. Dass das jetzt durch die Medien alles ein bisschen dazu wird – hören tu ich es auch nicht gerne, aber ein bisschen ist das so.
Ich versuche natürlich, Musik zu machen, die irgendwie ein bisschen länger hält. Auf der anderen Seite geht es aber auch ganz viel um die Charts. Was wird gerade im Radio gespielt, was ist auf Youtube der meistangeclickte Song? Das ist dann schon ein bisschen skurril, wenn man sich überlegt, dass man zwei Jahre in ein Album investiert hat.
Dann sehe ich aber auch Menschen, die bei einem Song wirklich weinen, die zu mir kommen und mir die Hand drücken. Einmal kam ein Mädchen zu mir hinter die Bühne und erzählte, ihre Freundin sei bei einem Lied von mir aus dem Koma aufgewacht. Das war das erste Mal, dass ich einen Fan umarmt habe, weil mich das sehr bewegt hat. Und da merke ich, es ist eben keine Wegwerfware, sondern etwas, was Menschen berührt und immer alle Zeiten berührt hat. Daran würde ich auch festhalten wollen.

In deiner Munzinger-Biographie steht unter anderem der Satz: Bereits die erste Singleauskopplung "I Believe“ machte deutlich, dass die junge Sängerin sich von ihren Jazzwurzeln entfernen und einen kommerzielleren Weg einschlagen wollte.“ Was sagt du dazu?
Zimmer: Das ist schon sehr gefärbt. Ich weiß nicht was Jazz-Wurzeln sind, für mich ist Musik Musik. Ich liebe Jazz, aber ich war nie eine Jazz-Sängerin. Ich liebe Songs, mit denen man Geschichten erzählen kann. Ich fand es cool, die Jazz-Standards zu singen, ich würde das auch nach wie vor mal in einem Programm einbauen, warum nicht.
Aber sich extra von etwas „entfernen“? Ich habe mich noch nie von etwas entfernt. Man schöpft aus vielen Quellen Inspiration für Musik, die man eben jetzt macht.

Und der „kommerziellere Weg“?
Zimmer: Kommerziell – wie würde man das denn definieren? Etwas, was die Masse kaufen soll? Klar, wer will das denn nicht, ich möchte für so viel wie möglich Menschen singen. Aber ich mache das mit Musik, bei der ich denke, dass sie zu mir passt. Es ist ein Entwicklungsweg, ich habe mich nicht bewusst von irgendwas entfernen wollen um halt kommerzieller zu sein.

Zitiert

Als ich acht Jahre alt war und im Radio Rock- oder Popmusik lief, habe ich mir immer die Ohren zugehalten.

Joana Zimmer

Pop ist die Musikrichtung in der Oberfläche und Visuelles, sprich Sichtbares am meisten eine Rolle spielt. Wie gehst du damit um?
Zimmer: Dass es ein sehr visuell orientiertes Business ist, dessen bin ich mir bewusst. Ich selbst interessiere mich ja auch sehr für Mode und Outfits. Es war für mich natürlich schwierig, bei meinen Videos eine Vorstellung zu entwickeln, was da passiert, wie kommt man rüber. Das Video, das wir jetzt zum Song „Till you’re gone“ gemacht haben, ist glaube ich mit das Beste von mir, weil es das aktivste Video ist, man sieht, wie ich schauspiele. Früher war es vielleicht so, dass ich einfach gesungen habe und dann wurde etwas drum herum gebaut. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht weil wir es teilweise nicht besser wussten.
Also, das Visuelle ist für mich kein Hinderungsgrund, diese Musik zu machen. Es gibt ja auch Leute im Pop-Business, die sich kaum auf der Bühne bewegen und trotzdem erfolgreich sind – am Ende geht es ja auch um den Song. Auf der anderen Seite gibt es sicher auch Künstler, bei denen es nicht nur um die Stimme oder die Songs geht, sondern um alles. Wo der Song schlecht sein kann, Hauptsache das Video ist super. Bei mir geht es aber wirklich um die Musik. Und ich glaube, das würde ich auch so sehen, wenn ich gucken könnte.

Die Auftritte auf der Bühne sind dir wichtig?
Zimmer: Ja, auf jeden Fall. Wenn ich auf Tour gehe, möchte ich mich live noch freier bewegen können, es wird eine Art Stange auf der Bühne geben, an der ich von rechts nach links laufen kann, mit meiner Band kommunizieren und das Publikum noch mehr einbeziehen kann. Das macht mir Spaß und ist mir wichtig.

Es wird in unserer Gesellschaft viel über Grenzen des Zeigbaren diskutiert, auch hinsichtlich falscher Schönheitsideale, ‚Magerwahn’ etc. Tauchen diese Themen in Gesprächen mit deinen Freunden auf und gibt es Momente, wo sie dich gewissermaßen ‚beneiden’?
Zimmer: Ich mache mich natürlich schon lustig, wenn Freundinnen ewig vor dem Spiegel stehen und sagen: „Wie sehe ich denn schon wieder aus!“ Irgendwie verwundert mich das immer.
Ich glaube aber nicht, dass sie mich beneiden. Weil sie dann wieder andere Aspekte haben, die sie mir vermitteln, die ich nicht auf Anhieb bemerken würde. Das ist auch spannend, wir geben uns da gegenseitig sehr viel, weil ich die Sachen halt ganz anders sehe.

Was denkst du denn beim Stichwort Schönheitsideal?
Zimmer: Das fängt ja schon bei den Barbie-Puppen an, die wir alle mal in der Hand hatten. So soll die Frau oder der Mann aussehen?
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, was man von zuhause mitbekommt. Was vermitteln einem die Eltern? Klar, wenn man ein Schönheitsideal ständig sieht, entsteht natürlich auch ein Druck. Wobei, ganz ehrlich: Es gibt viele, die das auch merken, dass das in den Medien völlig überdreht und übertrieben ist.
Und Models, die hübsch aussehen, eine super Figur haben, sich aber zu dick und hässlich fühlen – denen fehlt ein inneres Selbstwertgefühl. Diese Gesundheit, das Verhältnis zu sich selbst, das schöpfe ich zum Beispiel aus dem Yoga. Ich finde es cool, wenn unsere Yoga-Lehrerein sagt: „Guckt nicht dauernd auf die Spiegel und auf die anderen, sondern richtet den Blick nach innen.“ Das finde ich sehr spannend. Wie kommt man zu sich selbst, im Yoga, im Job – wo auch immer. Wie weit kommt man für sich selber, und wie weit möchte man für sich selber gehen? Irgendwie guckt man da wirklich nach innen und ich denke, das müssen wir alle mehr lernen.

Wie wichtig ist für dich Erfolg?
Zimmer: Erfolg ist die Grundlage, dass man lange Musik machen kann, bzw. auch Musik für viele Menschen machen kann. Für mich ist das natürlich auch wichtig, es ist auch schön, aber auch ein Ergebnis von harter Arbeit. Ich habe immer ziemlich lange an den Platten gearbeitet und immer wirklich alles reingegeben.
Natürlich ist der Erfolg das Schönste. Wenn es am Ende aufgeht, was man sich vorgenommen hat.

Aber wie fühlt sich Erfolg an, sagen wir ein Chart-Erfolg mit Single oder Album?
Zimmer: Wenn man so in dem Strudel ist kriegt man das eigentlich kaum mit, man hat wenig Zeit, das zu erfühlen.
Die erste Goldene Schallplatte, die ich bekommen habe, die hängt bei mir auch nicht. Das ist so ein bisschen ungreifbar. Das ist auch gut so, denn ich habe mich dadurch ja nicht verändert.
Bei der Goldfeier habe ich mich sehr darüber gefreut, dass wichtige Freunde von mir dabei waren, Menschen, die wissen, wie ich die Jahre vorher dran gearbeitet habe, wie ich am Anfang in Jazzclubs gesungen und in Hotels als Barsängerinnen gejobbt habe. Einer meiner engsten Freunde kam extra aus London nur für diesen Abend – so etwas ist auch ein Teil des Erfolgs.

Gibt es etwas, was du dir gönnst, bei einem Erfolg?
Zimmer: Ja, klar. Ich wollte schon immer mal mit Delfinen Schwimmen. Das ist ein Ding, was ich mein Leben lang schon machen möchte und ich habe mir gesagt: Wenn das jetzt mit dem Album klappt, dann werde ich das machen. Ob es dann so sein wird, in dem Moment, weiß ich nicht. Aber ich habe es mir vorgenommen.

Gibt es für dich ein Statussymbol?
Zimmer: Naja, diese oberflächlichen Statussymbole, wie Auto…Wobei, das ist ein schlechtes Beispiel.

Ein gutes Beispiel.
Zimmer: Es gibt wirklich Leute, die haben ein cooles Auto, oder was Cooles an – und wenn du dich mit denen unterhältst, sind die überhaupt nicht gut aufgestellt und man fragt sich: Warum ist das so? So was kommt ja oft vor.
Ich finde es spannend, wenn jemand so eine gewisse „Ordnung“ ausstrahlt. Also, ich komme zu jemandem in die Wohnung und da stehen dann nicht tausend Tiffany-Sachen rum, sondern es sieht einfach aufgeräumt, klar strukturiert, irgendwie gut aus. Von mir aus auch stylisch. Aber zu sehen: OK, derjenige hat Respekt vor sich selbst. Ich glaube, das ist mein Statussymbol. Das habe ich auch, ich gehe mit mir vernünftig um. Und ich finde, das strahlt man am Ende als Person auch aus.

Und Materielles?
Zimmer: Wenn man etwas auf sich hält, ist man ja auch bereit, in Dinge zu investieren. Zum Beispiel können Zähne ein Statussymbol sein. Ich kenne Leute, die viel Geld für Autos und Reisen ausgeben, aber denen ein Zahn fehlt. Meine Großmutter ist Zahnärztin gewesen und wir haben uns immer schon darüber unterhalten, warum die Leute sagen: Das ist aber teuer, 1000 Euro, für ein Brücke oder Ähnliches. Aber die Zähne sind nun mal fast unersetzbar. Und die gleichen Leute kaufen dann für zigtausend ein Auto und das ist dann ok – das finde ich skurril.
Insofern, es ist schon materiell, wenn man in sich investiert. Wenn immer nur das Äußere stimmt und nach innen bröckelt es – das mag ich nicht.

Bocelli antwortete auf die Frage nach dem Statussymbol: „Die Suche nach einem Ding, das als Statussymbol wirken soll, zeigt eigentlich nur, dass man eine Schwäche zu verschleiern versucht.“
Zimmer: Ich würde eher sagen, dass man nicht tief genug geht. Ich weiß nicht, ob ich jedem gleich eine Schwäche anhängen will. Aber ich glaube, dass derjenige einfach nicht in der Lage ist, sich wirklich mal mit sich und dem, was man selbst wirklich braucht, auseinanderzusetzen.

Ray Charles wurde vor seiner großen Karriere als Musiker gelegentlich übers Ohr gehauen, Bocelli schreibt in seiner Autobiografie über Momente, in denen er sich wie ein „Geldesel“ fühlte. Hattest du auch schon mal das Gefühl, ausgenutzt zu werden?
Zimmer: Ich hatte da glaube ich eher Glück. Das einzige Mal, wo mir so etwas passierte, war ganz am Anfang, als man mir riet in ein Demoband zu investieren. Derjenige, der das damals gemacht hat, hat viel zu viel Geld genommen, das weiß ich heute. Das war damals mein gesamtes Erspartes und das war natürlich nicht schön.

Wie schützt du dich vor so etwas heute im Musikbusiness?
Zimmer: Ich glaube, ich habe einen ganz guten Instinkt dafür.

Das heißt, wenn du Leuten aus der Industrie die Hand geschüttelt hast, wusstest du, ob das jemand ist, mit dem du einen Vertrag schließen willst?
Zimmer: Ja, das würde ich so sagen, absolut. Ich habe gelernt, das wirklich für mich zu eruieren. Das kann man spüren. Es lässt sich aber schwer erklären, das ist einfach Menschenkenntnis oder eine Art Instinkt, den man hat.
Neulich gab ich einem Journalisten ein Interview und danach sagte mein Manager, das sei ein komischer Mensch gewesen. Da meinte ich zu ihm: „Ja, ich weiß.“ Mein Manager sagte dann, ich hätte ihn aber doch gar nicht gesehen – da wusste ich auch nicht, wie ich das erklären soll. Aber man merkt es.
Vielleicht lässt sich das am besten mit dem Beispiel erklären, wenn man spürt, dass jemand einen von hinten anstarrt. Man spürt das irgendwie – und dann dreht man sich um, und es stimmt. Das haben mir schon viele Leute erzählt. Das ist glaube ich so ein Instinkt. Vielleicht ist das bei mir der fünfte Sinn und bei anderen der sechste, wenn sie ihn haben.

Zum Schluss: Was kann man über dich in deiner Stimme hören?
Zimmer: Man erfährt viel von mir, was Gefühle und Emotionen angeht, ich glaube, das ist auch das, was Menschen sehr berührt. Ich finde das spannend: Beim Aufnehmen möchte man sich zum Einen natürlich auch ausleben, in Passagen, wo man zeigt, was man mit der Stimme machen kann. Zum anderen geht es darum, dass ich Menschen damit berühren möchte. Und es ist spannend, zu sehen, wenn das auch geschieht.

Erfährt man etwas über deinen Charakter in deiner Stimme?
Zimmer: Das ist schwierig, weil es so viele Facetten in der Stimme gibt – und so viele Facetten im Charakter.
Ich denke mal, ich habe eine gewisse Klarheit in der Stimme, die habe ich auch in meinem Charakter. Manchmal vielleicht auch eine Sensibilität, bei bestimmten Noten jedenfalls. Und meine Songs erzählen natürlich auch eine Geschichte. Wir alle haben ja verschiedene Momente, durch die wir im Leben gegangen sind und das versuche ich natürlich auch alles in meine Stimme zu legen.

Glaubst du, dass in irgendeiner Form dein Nicht-Sehen auf deine Stimme einen Einfluss hat?
Zimmer: Ich glaube es ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, dass mein Nicht-Sehen gar nicht so viel mit meiner Musik zu tun hat. Ich habe auch nie etwas gebraucht, um mich irgendwohin zurückzuziehen, sondern das ist einfach aus mir rausgesprudelt.
Ich habe auch gerne Sport gemacht und bin früher gerne auf Bäume geklettert, wo meine Mutter immer sagte: „Oh Gott, warum rennt mein Kind jetzt los, obwohl es gar nicht sieht wohin.“ Das war halt in meinem Charakter. Das ist auch selten bei Menschen, die nicht sehen, die da eher ängstlich sind, aber ich war als Kind sehr unbefangen damit.
Die Musik war in mir. Hätte ich sehen können, hätte ich es genauso gemacht.

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